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EC-Karte gestohlen – Abhebung mit richtigem Pin – muss Inhaber zahlen?

 Oberlandesgericht Stuttgart

Az.: 9 U 63/01

Verkündet am 13.03.2002

Vorinstanz: LG Ulm – Az.: 3 O 586/00


In Sachen wegen Forderung hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 2002 für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ulm vom 16.02.2001abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, 453,66 € nebst 8,42 % Zinsen hieraus seit 30.10.2000 an die Klägerin zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin 94 %, der Beklagte 6 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert der Berufung: 7.669,38 €,

Beschwer beider Parteien jeweils unter 20.000,- €.

Gründe:

Der Beklagte unterhielt bei der Klägerin ein Girokonto, für das seine Ehefrau BR Vollmacht hatte. Für dieses Konto wurden dem Beklagten und seiner Frau Anfang 1999 EC-Karten ausgehändigt, die mittels einer Geheimzahl (PIN) Geldabhebungen an Bankautomaten ermöglichten. In dem Zeitraum zwischen 19.05.2000, 15.36 Uhr und dem 03.06.2000, 0.12 Uhr wurden bei verschiedenen Geldausausgabeautomaten anderer Banken in M und Umgebung unter Verwendung der Karte der Ehefrau des Beklagten insgesamt 14 Abhebungen zu je 1.000,— DM getätigt, die die Klägerin dem Konto des Beklagten jeweils belastete. Zum 04.09.2000 ergab sich ein Sollstand von 15.000,- DM, dessen Ausgleich die Klägerin nach Beendigung der Geschäftsbeziehung der Parteien begehrt.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 15.000,- DM nebst 8,42 % Zinsen hieraus seit 31.10.2000 an die Klägerin verurteilt.

Dem Einwand des Beklagten, die Abhebungen seien, weder von ihm selbst noch, von der kontoverfügungsberechtigten Ehefrau und Karteninhaberin getätigt worden, die missbräuchliche Benutzung der Karte beruhe auch nicht darauf, dass einem Dritten in irgendeiner Form ein Zugriff auf die PIN ermöglicht worden sei, hat das Landgericht entgegengehalten, der Beweis des ersten Anscheins spreche dafür, dass der Karteninhaber mit seiner PIN nicht sorgfältig umgegangen sei. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses am 22.02.2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.03.2001 bei Gericht eingekommene und innerhalb verlängerter Frist mit einer Begründung versehene Berufung des Beklagten.

Der Beklagte legt erneut dar, dass weder er noch seine Ehefrau als Karteninhaberin die streitgegenständlichen Abhebungen vorgenommen hätten und dass weder die EC-Karte noch die zugehörige PIN einem Dritten zugänglich gemacht worden seien und dass insbesondere auch die wohl in O am 19.05.2000 verloren gegangene EG-Karte nicht zusammen mit der PIN verwahrt worden sei. Er vertritt die Auffassung, die vierstellige PIN für EG-Karten habe ohne erheblichen technischen Aufwand mit handelsüblichen Lesegeräten in Verbindung mit auf dem Markt erhältlichen Rechnern binnen kürzester Zeit entschlüsselt werden können, weshalb nicht der Beweis des ersten Anscheins für ein grob pflichtwidriges Verhalten seiner Ehefrau spreche.

Der Beklagte beantragt:

Das Urteil des Landgerichts Ulm vom 16.02.2001 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ulm vom 16.02.2001 kostenpflichtig zurückzuweisen. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und weist zuletzt ergänzend darauf hin, dass am 19.05.2000 unmittelbar vor Einleitung des ersten Auszahlungsvorganges an demselben Geldausgabeautomaten der Postbank ein weiterer – allerdings abgebrochener – Auszahlungsversuch mittels einer dem Beklagten von der X überlassenen anderen EG-Karte unternommen worden sei.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der von den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Ehefrau des Beklagten als Zeugin und durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen X.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat im Wesentlichen Erfolg. Der Beklagte ist aufgrund des beendeten Girovertrages der Parteien lediglich verpflichtet, 887,29 DM, somit 453,66 €, an die Klägerin zu bezahlen.

1. Im Streit befinden sich nur 14 Barabhebungen zu je 1.000,- DM. Die ursprünglich zusätzlich belasteten Gebühren von jeweils 10,– DM wurden durch entsprechende Gutschrift ausgeglichen. War die Klägerin zur Belastung des Kontos im genannten Umfang nicht berechtigt, betrifft dies zusätzlich auch verbuchte Sollzinsen von 112,71 DM. Da die Klägerin zum 01.09.2000 einen Sollsaldo von 4.853,23 DM angibt, könnte sich im Falle korrigierender Buchungen im genannten Umfang allenfalls ein Habensaldo von 9.258,45 DM ergeben. Aufgrund der Abhebung vom 04.09.2000 in Höhe von 10.145,77 DM bestünde sonach in jedem Falle zu Lasten des Beklagten ein Sollsaldo von 887,29 DM, dessen Ausgleich der Beklagte schuldet.

Hinsichtlich ihrer weitergehenden Forderung vermag sich die Klägerin vorliegend nicht auf §§ 675, 670 BGB i.V.m. dem Girokontovertrag zu stützen, weil der Beklagte im genannten Umfang von 14.112,71 DM Anspruch auf Korrektur der Lastschriften hat. Insoweit vermag die Klägerin nicht zu beweisen, dass den zugrunde liegenden Barabhebungen girovertragliche Weisungen des Beklagten selbst oder seiner mit Kontovollmacht ausgestatteten Ehefrau zugrunde lagen oder dass das Konto aus anderem Rechtsgrund, insbesondere aufgrund eines Ersatzanspruchs wegen einer Verletzung des EC-Karten-Vertrages, berechtigt erfolgen durfte.

2. Es steht allerdings außer Streit, dass bei den Barabhebungen die der Ehefrau des Beklagten überlassene EC-Karte Verwendung fand; polizeiliche Ermittlungen haben keinerlei Manipulationen erkennen lassen. Die Geldabhebungen gelangen jeweils deshalb, weil die zutreffende PIN eingegeben wurde. Dies ist unstreitig und ergibt sich auch aus den vorgelegten Geldautomaten-Journalstreifen (Bl. 230 f.). Fehlversuche wurden von den benutzten Geldausgabeautomaten jeweils nicht registriert. Die zu der EC-Karte der Ehefrau des Beklagten gehörende PIN wurde Letzteren am 20.01.1999 in einem verschlossenen Umschlag zugeleitet (K3, Bl. 9). Da Auszahlungen durch Geldautomaten voraussetzen, dass EC-Karte und korrekte PIN zusammen geführt werden, spricht der erste Anschein dafür, dass die Karteninhaberin selbst die streitgegenständlichen Abhebungen tätigte. Der Senat sieht aber im vorliegenden Fall den für die Klägerin streitenden Beweis des ersten Anscheins deshalb als erschüttert an, weil der Beklagte Umstände dartun und zu beweisen vermag, die einen vom typischen Ablauf abweichenden Hergang als ernsthaft möglich und sogar als plausibler erscheinen lassen. Aufgrund der durchgeführten Beweiserhebung und bei Berücksichtigung weiterer Umstände hat sich der Senat davon überzeugt, dass weder die kontobevollmächtigte Ehefrau des Beklagten noch dieser selbst die jeweiligen Auszahlungen bewirkt und die ausgezahlten Beträge vereinnahmt haben.

Vorliegend hatte die Ehefrau des Beklagten nach Feststellung der Abhebungen unverzüglich gegenüber der Polizei und auch gegenüber der Klägerin dargelegt, dass und unter welchen Umständen die EC-Karte abhanden gekommen war. Dieser Darstellung, die der Beklagte mit Schreiben vom 03.07.2000 bestätigte, hatte die Klägerin selbst gegenüber dem A (Bl. 56) Seriosität bescheinigt. Dem Vorbringen des Beklagten, dass seine Ehefrau und er jedenfalls ab 20.05.2000 sich wieder M und O aufhielten und dort ihren Geschäften nachgingen, ist die Klägerin nie substantiiert entgegengetreten. Der Senat hat deshalb davon abgesehen , den als Zeugen benannten Reisebegleiter U zu vernehmen, nachdem bereits die Ehefrau des Beklagten durch ihre Aussage bestätigt hat, dass der Beklagte und seine Ehefrau am Vormittag des 19.05.2000 ihr Hotel in M verließen, danach ein Golfturnier besuchten, um schließlich am selben Abend noch die Rückfahrt mittels Pkw nach H anzutreten. Diese Darstellung wird ergänzt durch die vorliegende Hotelrechnung und durch die vorgelegten Tankbelege vom 19.05.2000.

War die EC-Karte für die auf den 19.05.2000 folgenden 13 Abhebungen jedenfalls nicht vom Beklagten und nicht von seiner Ehefrau benutzt worden, so spricht alles für die Richtigkeit der weiteren Darstellung der Zeugin BK die EC-Karte sei für eine Barabhebung auch am 19.05.2000 nicht benutzt worden. Nicht nachhaltig entwertet werden die nachvollziehbaren und in sich stimmigen Angaben der Ehefrau des Beklagten durch den Umstand, dass der vorgelegte Journalstreifen des Geldausgabeautomaten der K in M vom 19.05.2000 dokumentiert, dass unmittelbar vor der ersten erfolgreichen Geldentnahme ein abgebrochener Versuch erfolgt war, zu Lasten, eines weiteren Kontos des Beklagten bei der H eine Abhebung mit einer anderen EC-Karte zu tätigen. Dieser Vorgang ist nachträglich keiner Klärung mehr zugänglich. So kann keine Feststellung darüber getroffen werden, ob die EC-Karte des Beklagten oder eine auch für dieses Konto der Ehefrau zugeteilte Karte verwendet wurde. Der Abbruch spricht hier eher dafür, dass insoweit die PIN nicht bekannt war und der Verwender nicht der Beklagte selbst oder dessen Ehefrau war. Die ernstliche Möglichkeit, dass ein unbefugter Dritter insgesamt tätig war, ist deshalb aufgrund der Beweiserhebung unverändert als gegeben anzusehen.

3. Die Klägerin war zur Belastung des Kontos auch nicht deshalb berechtigt, weil der Beklagte oder dessen Ehefrau als Karteninhaberin vertraglich übernommene Sorgfalts- oder Mitwirkungspflichten grob fahrlässig verletzt und dadurch die missbräuchlichen Abhebungen ermöglicht hätten.

Zwischen den Beteiligten gelten die Bedingungen für die Verwendung der EC-Karte (Bl. 24/28), die in Abschnitt A II. 6., dort insbesondere unter 6.4 und 6.5, Sorgfaltspflichten des Karteninhabers festlegen. Der Karteninhaber hat dafür Sorge zu tragen, dass keine andere Person Kenntnis von der persönlichen Geheimzahl (PIN) erlangt. Die PIN darf insbesondere nicht auf der Karte vermerkt oder in anderer Weise zusammen mit dieser aufbewahrt werden. Der Verlust einer EC-Karte oder missbräuchliche Verfügungen sind unverzüglich anzuzeigen, um eine Sperrung der Karte und damit weitergehende missbräuchliche Benutzungen zu unterbinden. Zusätzlich besteht die Verpflichtung, Strafanzeige bei der Polizei zu erstatten. Die Haftung für Fälle missbräuchlicher Verwendung der EC-Karte an einem Geldautomaten ist in Abschnitt A. III. 2.4 der vereinbarten Bedingungen dahingehend geregelt, dass die M grundsätzlich Schäden trägt, die nach Anzeige des Verlustes der Karte eintreten, aber auch solche Schäden, die vor der Verlustanzeige durch missbräuchliche Kartenverwendung entstehen, sofern der Karteninhaber seine Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten nicht grob fahrlässig verletzt hat. Der Kontoinhaber darf sonach nur belastet werden, wenn die M eine grob fahrlässige Verletzung von Sorgfaltspflichten durch den Karteninhaber darlegen und beweisen kann.

Weil sich einem Kartenmissbrauch zugrunde liegende Geschehensabläufe regelmäßig dem Einblick der M entziehen, ist zusätzlich festgelegt, dass der Schaden nur dann übernommen wird, wenn der Kontoinhaber die Voraussetzungen der Haftungsentlastung glaubhaft darlegt und Anzeige bei der Polizei erstattet.

Diese letztgenannte Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die polizeiliche Anzeige erfolgte sofort nach Entdeckung der missbräuchlichen Kartenverwendung nach Zugang der Kontoauszüge am 05.06.2000. Die vorgenannte Klausel enthält keine Beweislastumkehr zu Lasten des Kontoinhabers, sondern nur eine vertragliche Festlegung einer Substantiierungslast in Form einer glaubhaften Sachverhaltsdarstellung und damit zugleich eine Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Aufklärung, wobei es ggf. Aufgabe der bleibt, die Darstellung des Karteninhabers zu widerlegen.

Ihre Mitwirkungspflichten haben der Beklagte und seine Ehefrau vorliegend erfüllt. Durch die unverzügliche Anzeige konnten weitere missbräuchliche Abhebungen durch Sperrung der Karte ab 03.06.2000 unterbunden werden. Der Beklagte und seine Ehefrau haben auch hinreichend substantiiert dargetan, dass und weshalb aus ihrer Sicht EC-Karte und PIN weder zusammen verwahrt worden waren noch insbesondere gemeinsam einem Dieb oder Finder in die Hände fallen konnten.

Das Landgericht hat im Hinblick darauf, dass im vorliegenden Fall bei sämtlichen Abhebungen die der Ehefrau des Beklagten zugeordnete PIN bei allen Auszahlungen ohne Fehlversuche korrekt eingesetzt wurde, zugunsten der Klägerin den Beweis des ersten Anscheins als erbracht angesehen, dass die Ehefrau des Beklagten mit ihrer PIN in grober Weise sorgfaltswidrig umgegangen sei, in dem sie diese entweder einer dritten Person mitteilte oder zusammen mit der EC-Karte aufbewahrte, so dass beides in F verloren gehen konnte. Die Auffassung des Landgerichts entspricht der herrschenden Meinung in Rechtssprechung und Literatur und wird grundsätzlich auch vom Senat geteilt. Sie beruht auf dem Gedanken, dass das von den Banken installierte Sicherheitssystem für EC-Karten und Geldautomaten mit zumindest sehr großer Wahrscheinlichkeit Manipulationen von Unberechtigten ausschließt oder solche zumindest nachträglich erkennen lässt. Da EC-Karten und PIN generell und auch im vorliegenden Fall in der Weise ausgehändigt wurden, dass sie nur in der Hand des jeweiligen berechtigten Karteninhabers vereinigt werden konnten, kann in der Tat als typischer und regelmäßiger Geschehensablauf unterstellt werden, dass eine erfolgreiche Verwendung von EC-Karte und korrekter PIN durch einen Verstoß des Karteninhabers gegen die genannten Sorgfaltspflichten ermöglicht wurde. Dies gilt umso mehr, als die PIN unstreitig nicht ihrerseits auf der EC-Karte abgespeichert ist. Die PIN muss vielmehr zur Ermöglichung einer Abhebung aus Teilen gespeicherter Informationen, nämlich der Kontonummer, der Kartenfolgenummer und der jeweiligen Bankleitzahl mittels eines mathematischen Schlüssels erst aufwendig berechnet werden.

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Dieser als DES (DATA-Encryption-Standard) bezeichnete Schlüssel stellt eine Folge von 56 Bits dar, so dass zwei hoch 56 verschiedene mögliche Schlüssel zur Erzeugung der PIN bestehen (ca. 72 Billiarden). Bei einem solchen Verschlüsselungssystem leuchtet unmittelbar ein, dass Versuche, die richtige PIN durch rechnerisches Ausprobieren zu ermitteln einen erheblichen Zeitaufwand erwarten lassen, wenn unterstellt wird, dass taugliche elektronische Rechner überhaupt zur Anwendung gebracht werden können. Die PIN ist eine vierstellige Zahl, wobei lediglich die Zahlen zwischen 1000 und 9999 in Betracht kommen. Dennoch kann auch die Möglichkeit eines einfachen Erratens der richtigen PIN als gänzlich unwahrscheinlich angesehen werden, da Geldausgabeautomaten nur maximal drei Fehlversuche zulassen und überdies aufgrund einer Online-Verbindung zum Zentralrechner der Kartenausgebenden Bank jeder Fehlversuch registriert wird. (Vgl, hierzu u.a. Werner WM 97, 1516; Büß III, 6/1509, 1378; Gößmann WM 98, 1264; Gößmann in Schimansky l § 54, RN 13; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 527 e; Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrechte, 2. Auflage, RN 4.862; Aepfelbach/Cimiotti WM 98, 1218; LG Bonn NJW-RR 95, 812; AG Darmstadt WM 90, 543; AG Wuppertal WM 97, 1209; AG Hannover WM 97, 1207; AG Essen WM 98 1127; AG Charlottenburg WM 97, 2082; WM. 98, 1124; AG Dinslaken WM 98, 1126; AG Osnabrück WM 98, 1127 = NJW 98, 688; AG Frankfurt NJW 98, 687; LG Hannover WM 98, 1123; LG Berlin WM 95, 976; LG Köln, WM 01, 852; LG Frankfurt WM 99, 1930; AG Nürnberg WM 99, 1937; LG Rottweil WM 99, 1934; LG Stuttgart WM 99, 1934; AG Frankfurt WM 99, 1935; AG Nürtingen, NJW-RR 98, 494; LG Darmstadt WM 2000, 911; AG Bremen WM 2000,1639).

Soweit in der Rechtssprechung teilweise Bedenken gegen die Sicherheit der Verschlüsselung der PIN bei EC-Karten aufgrund von Fachpublikationen und aufgrund von Äußerungen verschiedener Sachverständiger zum Ausdruck gebracht wurden, teilt der Senat diese Bedenken nicht (vgl. OLG Hamm WM 97, 1203 = NJW 97, 1711; AG Wildeshausen WM 98,1128; AG Buchen VUR 98, 42: LG Dortmund CR 99, 556; LG Berlin WM 98, 1920; AG Hamburg VUR 99, 38; AG Berlin-Mitte VUR 99, 901; AG Frankfurt WM 99, 1922; Strube WM 98, 1210). Das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass bisher kein konkreter Beleg für eine Entschlüsselung oder sonstige rechnerische Ermittlung einer PIN in der für die Praxis allein sinnvollen kurzen Zeit von allenfalls wenigen Stunden bei einem wirtschaftlich vertretbaren und sinnvollen Aufwand besteht. Kein Sachverständiger hat bisher in einem gerichtlichen Verfahren die theoretisch für möglich gehaltene Entschlüsselung einer PIN zu demonstrieren vermocht (vgl. Damveld Sparkasse 99, 319; Strube WM 98, 1210; Aepfelbach/Cimiotti WM 98, 1218). Auch die von verschiedenen Gerichten herangezogene und zitierte Kriminalstatistik lässt keine hinreichend deutlichen Rückschlüsse darauf zu, dass die bei EC-Karten verwendete PIN und das hierbei verwendete Schlüsselsystem mit einem noch tragbaren finanziellen Aufwand so schnell entschlüsselt werden könnte, dass vor Entdeckung des Karten Verlustes und der nachfolgenden Sperrung der jeweiligen Karte Abhebungen bei Geldautomaten in lohnendem Umfang getätigt werden könnten. Der Senat sieht sich in seiner Auffassung, generell den genannten Beweis des ersten Anscheins zu Gunsten der Banken zuzulassen, bestätigt durch die Darlegungen des Sachverständigen HU. Danach trat im Juni 1998 die EFF (Electronic Frontier Foundation) mit einer DES-Exhaustionsmaschine an die Öffentlichkeit, die als durchschnittliche Suchzeit für einen Schlüssel ungefähr fünf Tage benötigt. Der Sachverständige hält es für möglich, ab Anfang 1998 für etwa 150.000 DM eine Maschine zu bauen, die innerhalb von drei Monaten einen Pool-Schlüssel für alle EC-Karten geliefert hätte, und generell im Jahr 2000 eine Spezialmaschine zum Brechen des DES, er hält eine solche Entwicklung aber für wenig wahrscheinlich. Grundsätzlich kommt eine Entschlüsselung nach der Darstellung des Sachverständigen zwar auch durch verteiltes Rechnen über eine Vielzahl von PC über das Internet in Betracht. Der Sachverständige weist aber darauf hin, dass eine derartige Rekonstruktion des DES-Schlüssels wegen der benötigten Teilnehmerzahl nicht geheim gehalten werden könnte.

Gleichwohl genügen diese grundsätzlichen Feststellungen im vorliegenden Falle nicht, ein grob sorgfaltspflichtwidriges Verhalten der Ehefrau des Beklagten festzustellen.

Es liegt hier zwar ein Lebenssachverhalt vor, der nach der Lebenserfahrung und den weiteren vom Sachverständigen bestätigten technischen Gegebenheiten es generell rechtfertigt, aufgrund des eingetretenen Erfolges auf eine bestimmte Ursache zu schließen, hier somit auf ein pflichtwidriges Unterlassen der gebotenen Trennung von EC-Karte und PIN. Weil aber eine derartige Schlussfolgerung lediglich auf Erfahrungssätzen beruht, kann für eine Widerlegung dieser erleichterten Beweisführung nicht der strenge Beweis des Gegenteils verlangt werden. Vielmehr muss es genügen, wenn der Beklagte konkrete Tatsachen zu behaupten und zu beweisen vermag, aus denen sich zumindest die ernsthafte Möglichkeit eines vom gewöhnlichen abweichenden Verlaufs bzw. einer anderen Ursachenkette ergibt. Für den vorliegenden Fall ist dem Beklagten der Beweis gelungen, dass ein prima facie anzunehmender Ursachenverlauf nicht zwingend gegeben war, sondern eine erfolgreiche Abhebung auch ohne grob fahrlässiges Zusammenfügen von EC-Karte und PIN durch die Ehefrau des Beklagten gelingen konnte.

Die Ehefrau des Beklagten hat als Zeugin detailliert bekundet, dass sie neben der verloren gegangenen EC-Karte in F auch zugleich die PIN mit sich geführt hatte und aus welchen Gründen dies so war. Die Zeugin hat in sich schlüssig und detailliert geschildert, dass die ihr überlassene EC-Karte samt PIN nur einmal in Mitbenutzt worden war, dass zu diesem Zweck die ihr in einem verschlossenen Umschlag überlassene PIN-einmalig benutzt worden war und dass nach dieser einzigen Abhebung von einem Geldausgabeautomaten der Brief, in welchem die PIN fixiert war, in ihrem Beisein vom Beklagten vernichtet wurde. Die Zeugin hat darüber hinaus dargelegt, dass die PIN nicht anderweitig notiert wurde und dass diese insbesondere ihr auch nicht im Gedächtnis verblieben war, somit auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt notiert werden konnte, weil die PIN in der Folgezeit nie wieder zum Einsatz kam und kommen sollte, weil sich die Frau des Beklagten darauf beschränkte, die EC-Karte bei Ausstellung von Euroschecks zu verwenden. Diese in allen Teilen plausible in sich wiederspruchsfreie und detailreiche Aussage stimmt überein mit der ursprünglichen Aussage der Zeugin gegenüber der Polizei vom 05.06.2000 und vom 06.06.2000. Nachvollziehbar und glaubhaft erscheint insbesondere auch die Schilderung der Vernichtung der PIN, weil dies von der Zeugin mit einem konkreten Vorgang in Verbindung gesetzt werden konnte. Der Aussage der Zeugin entgegen stehende konkrete Erkenntnisse liegen nicht vor. Auch die Klägerin vermochte der Zeugin keine weitere Benutzung der PIN zu einem anderen Zeitpunkt vorzuhalten. Im Übrigen wäre auch nicht nachzuvollziehen, dass die Zeugin, der die Klägerin mit Schreiben vom XX Seriosität bescheinigt hatte, wegen eines für sie relativ geringfügigen Betrages eine mit strafrechtlichen Folgen versehene Falschaussage auf sich nehmen sollte.

Bei Würdigung der Bekundungen der Zeugin war insbesondere auch zu berücksichtigen, dass aufgrund des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen HU und X seiner ergänzenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom 13.02.2001 vor dem Senat der generell sehr hoch zu bewertende Sicherheitsstandard des PIN-Systems für die im konkreten Fall von der Klägerin der Ehefrau des Beklagten überlassene EC-Karte mit erheblichen Einschränkungen versehen werden muss. Nach den Feststellungen des Sachverständigen wurde für die streitgegenständliche EC-Karte noch das alte PIN-Verfahren verwendet, bei welchem systembedingt nicht alle PINs gleich wahrscheinlich waren. Der Sachverständige hat insoweit dargelegt, dass bei dieser Verschlüsselung deutlich wahrscheinlicher als alle anderen PINs diejenigen waren, die aus der Eingangszahl 1 und drei weiteren Zahlen aus dem Bereich zwischen 0 und 5 gebildet wurden, so dass insgesamt 216 PINs vom Sachverständigen als hoch wahrscheinlich gekennzeichnet wurden. Da nach den Feststellungen des Sachverständigen die im konkreten Fall verwendete EC-Karte mit einem Chip versehen war und deshalb auch als Geldkarte verwendet werden konnte, bestand für einen mit Systemkenntnissen ausgestatteten Täter die Möglichkeit, die ohnehin bereits deutlich erhöhte Ratewahrscheinlichkeit durch drei zusätzliche Versuche an einem Ladeterminal nochmals zu erhöhen. Dort mögliche drei Fehlversuche wären nicht außerhalb des Chips auf der Karte online registriert worden und wären auch von den Geldausgabeautomaten auf den jeweiligen Journalstreifen nicht vermerkt worden. Rechnerisch ergab sich für vorliegenden Fall sonach eine mögliche Ratewahrscheinlichkeit von 1 zu 54, so dass ein Erraten nicht mehr als außerhalb jeder in Betracht zu ziehenden Wahrscheinlichkeit angesehen werden könnte, weshalb auch der Sachverständige vorliegend den Rateangriff als realistischste Möglichkeit eines Kartenmissbrauchs bezeichnet hat.

Damit steht selbstverständlich nicht fest, dass ein unbefugter Dritter tatsächlich nicht neben der EC-Karte auch die PIN zur Verfügung hatte. Darauf kommt es auch nicht an. Zur Erschütterung des der Klägerin zugebilligten Anscheinsbeweises genügt die im vorliegenden Fall sachverständig ermittelte hohe Ratewahrscheinlichkeit in Verbindung mit den Bekundungen der Zeugin. Der Umstand, dass vorliegend die hohe Sicherheit des Verschlüsselungssystems durch eine ungewöhnlich hohe Ratewahrscheinlichkeit relativiert sein kann, verleiht der Aussage der Zeugin ^HHBT zusätzliche Plausibilität und erhöht insgesamt deren Gewicht. Der Senat kann sich in Anbetracht der genannten Umstände nicht davon überzeugen, dass die Zeugin vorsätzlich falsch ausgesagt hätte. Der Beklagte muss nicht Vollbeweis für seine Darstellung erbringen, sondern nur Umstände aufzeigen und beweisen, die eine ernst zu nehmende Möglichkeit eines untypischen Geschehensablaufs eröffnen. Dies ist vorliegend gelungen.

Der Beklagte muss sonach die auf 14 Barabhebungen zurückgehenden Belastungsbuchungen nicht gegen sich gelten lassen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 92, 708, 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

 

 

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