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Ehegattenunterhalt – anrechenbares Einkommen

Oberlandesgericht Düsseldorf

Az.: II-2 WF 62/08

Beschluss vom 09.05.2008


In dem Rechtsstreit wird der Beschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 26.02.2008 auf die sofortige Beschwerde der Kläger teilweise dahingehend abgeändert, dass den Klägern ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin K. aus D. für ihre nunmehrigen Klageanträge gemäß Schriftsatz vom 12.03.2008 bewilligt wird, der Klägerin zu 1) jedoch nur in Höhe eines Anspruchs auf Ehegattenunterhalt in Höhe von 316 € monatlich.

Die weitergehende sofortige Beschwerde der Klägerin zu 1) wird zurückgewiesen.

Die auf die Klägerin zu 1) entfallenden Gerichtskosten werden auf die Hälfte ermäßigt. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Tatbestand:

I.

Die Klägerin zu 1) ist die geschiedene Ehefrau des Beklagten, die Kläger zu 2) und 3), geboren im April 1999 und August 2001 die gemeinsamen Kinder. Die Kläger begehren die Abänderung eines Urteils des Amtsgerichts Duisburg vom 09.03.2007, durch welches der Beklagte zur Zahlung von nachehelichem Aufstockungsunterhalt an die Klägerin zu 1) in Höhe von 236,28 € monatlich verurteilt wurde, sowie zur Zahlung von Kindesunterhalt für die Kläger zu 2) und 3) in Höhe von 114% des Regelbetrages. Für diese Klage beantragen sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Das Amtsgericht hat diesen Antrag der Kläger mit der Begründung zurückgewiesen, eine wesentliche Änderung im Sinne des § 323 ZPO liege nicht vor, zudem genüge der Vortrag der Klägerin zu 1) nicht der seit Januar 2008 geltenden Rechtslage, da nachehelicher Unterhalt nunmehr nur noch in Ausnahmefällen geschuldet werde, wenn es keine Möglichkeit gebe, den eheangemessenen Bedarf durch eine eigene Erwerbstätigkeit zu decken. Gegen diese Entscheidung wenden sich die Kläger mit ihrer sofortigen Beschwerde.

II.

Die sofortige Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Amtsgerichts Duisburg Ruhrort vom 26.02.2008 ist statthaft gemäß § 127 Abs. 2 ZPO und auch im Übrigen zulässig, insbesondere wurde sie fristgerecht eingelegt.

In der Sache hat sie in dem tenorierten Umfang Erfolg, die weitergehende sofortige Beschwerde der Klägerin zu 1) war jedoch zurückzuweisen.

Maßgeblich für die Höhe der Kindesunterhaltsansprüche der Kläger zu 2) und 3) ist das dem Beklagten anzurechnende Einkommen.

Dieses belief sich gemäß der Gehaltsabrechnung für Dezember 2007 auf 40.482,36 € brutto jährlich. Die in der Gehaltsmitteilung ausgewiesenen Abzüge können indessen nicht zugrunde gelegt werden. Zum einen kann der Beklagte lediglich einen Kinderfreibetrag beanspruchen – offenbar sind zwei Kinderfreibeträge eingetragen, weil auch die nunmehrige Ehefrau des Beklagten Kinder hat -, zum anderen haben sich aber auch die Sätze für die Arbeitslosenversicherung geändert. Schließlich ist die Steuerbelastung auf Basis der Lohnsteuerklasse 1 zu berechnen und nicht auf Basis der von dem Beklagten und seiner Ehefrau gewählten Steuerklasse 4, da diese offenbar auch selbst verdient, jedenfalls aber unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen ist. Denn die Klägerin zu 1) betreut nach wie vor die minderjährigen Kinder der Parteien und ist von daher unterhaltsrechtlich auf dem 2. Rang des § 1609 BGB einzuordnen, wie an anderer Stelle noch ausgeführt wird, wohingegen die nunmehrige Ehefrau des Beklagten unter § 1609 Nr. 3 BGB fällt.

Es ergeben sich unter Zugrundelegung dieser Prämissen Abzüge für Lohnsteuer von 8.058 €, Solidaritätszuschlag von 335,83 €, Rentenversicherung von 4.027,99 €, Arbeitslosenversicherung von 667,96 €, Krankenversicherung unter Berücksichtigung des in der Gehaltsabrechnung für Dezember 2007 ausgewiesenen Beitragssatzes von 13,9 % 3.177,87 € und Pflegeversicherung von 344,10 €, so dass dem Beklagten ein jährliches Nettoeinkommen von 23.870,61 € verbleibt.

Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, sein Gehalt werde sich in Zukunft verringern. Denn aus den von ihm selbst vorgelegten Infoblatt ergibt sich, dass nicht nur eine etwaige Gehaltsminderung für die Dauer von 18 Monaten durch Ausgleichszahlungen aufgefangen wird, sondern auch, dass unter Berücksichtigung anstehender Tariferhöhungen aller Voraussicht nach eine reale Gehaltseinbuße nicht eintreten wird.

Dem Jahresnettogehalt des Beklagten hinzuzurechnen sind schließlich zu erwartende Steuererstattungen, die sich jedenfalls auf den in 2006 erhaltenen Betrag von rund 210 € belaufen dürften. Es ergibt sich damit ein Jahresnettogehalt von insgesamt 24.080,61 €, monatlich damit 2.006,72 €, von dem nach Abzug der 5%-igen Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen (100,34 €) noch 1.906,39 € verbleiben. Damit ist nach der nunmehrigen Düsseldorfer Tabelle von dem Beklagten der von den Klägern zu 2) und 3) geltend gemachte Kindesunterhalt in Höhe von 110% des Mindestunterhalts zu zahlen, mithin jeweils ein Zahlbetrag von 278 € statt der bisher unter Berücksichtigung des anzurechnenden Kindergeldes gezahlten 254 €. Die Höhergruppierung um eine Einkommensgruppe stellt eine wesentliche Änderung dar, so dass das Begehren der Kläger zu 2) und 3) Aussicht auf Erfolg hat.

Es verbleibt dem Beklagten nach Abzug der Beträge für den Kindesunterhalt mithin ein Einkommen von 1.350,39 €.

Der Klägerin zu 1) ist jedenfalls ab Mitte des Jahres 2008 ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit zuzurechnen. Denn die Klägerin hat, wie dies durch die nunmehrigen §§ 1569, 1570, 1574 BGB fixiert ist, grundsätzlich bestehende Kinderbetreungsplätze zu nutzen, um auch selbst einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und ist darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass solche Möglichkeiten im konkreten Fall nicht bestehen, wozu jedoch jeder Vortrag fehlt.

Indessen kann von der Klägerin zu 1) unter Berücksichtigung des Alters der Kinder eine Vollzeittätigkeit nicht erwartet werden. Hieran hat sich auch durch die am 01.01.2008 in Kraft getretene Unterhaltsrechtsreform nichts geändert. Denn obwohl danach der Grundsatz der Eigenverantwortung gestärkt wurde, ergibt sich auch aus der Begründung zum Gesetzesentwurf (BT-Drucks. 16/6980, abgedruckt in FamRZ 2007, 1947 ff.) doch, dass der Basisunterhalt gemäß § 1570 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB dann zu verlängern ist, wenn kindbezogene Gründe dies erfordern.

Dies bedeutet, dass sich der betreuende Elternteil nicht auf Fremdbetreuungsmöglichkeiten verweisen lassen muss, wenn dies mit den Kindesbelangen nicht vereinbar ist. Soweit es das Kindeswohl erfordert, hat daher das Prinzip der Eigenverantwortung zurückzustehen. Das Gesetz enthält zwar keine ausdrückliche Vorgabe zu der Frage, in welchem Umfang der betreuende Elternteil bei einer bestehenden Betreuungsmöglichkeit auf eine eigene Erwerbstätigkeit verwiesen werden kann. Mit den Worten „soweit und solange“ wird jedoch deutlich gemacht, dass es auch hier auf die Verhältnisse des Einzelfalles ankommt. Die Neuregelung verlangt also keineswegs einen abrupten übergangslosen Wechsel von der elterlichen Betreuung zur Vollzeittätigkeit. Im Interesse des Kindeswohls ist vielmehr auch künftig ein gestufter Übergang möglich. Darüber hinaus wurde durch § 1570 Abs. 2 BGB auch die Möglichkeit geschaffen, den Unterhaltsanspruch aus dem Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität zu verlängern. Dies wird insbesondere dann geboten sein, wenn dem betreuenden Ehegatte ein schützenswertes Vertrauen in die vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Kinderbetreuung zuzubilligen ist. Hier finden die konkreten ehelichen Lebensverhältnisse sowie die nachwirkende eheliche Solidarität ihren Niederschlag.

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben kann von der Klägerin zu 1) eine weitergehende Erwerbstätigkeit als 5 Stunden täglich nicht verlangt werden.

So kann nicht übersehen werden, dass die Klägerin zu 1) neben einer Vollzeittätigkeit schließlich auch noch Zeit benötigen würde, um zu einer etwaigen Arbeitsstätte zu gelangen und darüber hinaus auch noch die notwendigen Einkäufe tätigen muss, um die Kinder angemessen zu versorgen. Für die Kinder und deren Förderung verbliebe ihr daher kaum noch Zeit, was die Entwicklung der Kinder entscheidend beeinträchtigen würde. Dies gilt umso mehr, als sich beide Kinder noch in der Grundschule befinden und dort gerichtsbekannt auch stets der Förderung und Hilfe bei Hausaufgaben und Freizeitaktivitäten bedürfen. Der Klägerin zu 1) gleichwohl die Verpflichtung zu einer Vollzeittätigkeit aufzuerlegen würde im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass die Klägerin zu 1) sämtliche Lasten der Kinderbetreuung neben einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit zu tragen hätte, was auf eine deutlich ungleiche Lastenverteilung beider Elternteile hinauslaufen würde. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Klägerin zu 1) auch in der Vergangenheit nicht erwerbstätig war, vielmehr erstmals nach der Scheidung eine Erwerbstätigkeit aufgenommen hat. Von daher ergibt sich auch aus dem Grundsatz der nachehelichen Solidarität ein schützenswertes Vertrauen dahingehend, dass sie nunmehr auch weiterhin die Kinder jedenfalls zum größten Teil selbst versorgen und betreuen kann.

Der Senat hält daher eine Tätigkeit von 5 Stunden täglich auf Seiten der Klägerin zu 1) für ausreichend, was einem monatlichen Arbeitsumfang von rund 108 Stunden entspricht. Die Klägerin zu 1) hat bislang nicht vorgetragen, über welche Ausbildung sie verfügt und wie sich ihr Berufsleben in der Vergangenheit gestaltet hat. Zu Gunsten der Klägerin zu 1) geht der Senat daher im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren davon aus, dass ein höherer Stundenlohn als 7,50 € von ihr nicht erzielt werden kann, mithin 810 € brutto monatlich. Dies entspricht einem monatlichen Nettoeinkommen von 645,55 €, von dem nach Abzug der Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen von 32,28 € noch 613,27 € verbleiben.

Es errechnet sich hiernach ein Unterhaltsanspruch der Klägerin zu 1) von (( 1.350,39 € – 613,27 €) x 3/7) 315,91 €, aufgerundet 316 €. Hierfür ist der Beklagte unter Berücksichtigung des gegenüber dem Ehegatten zu wahrenden Selbstbehalt von 1.000 € auch leistungsfähig.

Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst, jedoch waren die auf die Klägerin zu 1) entfallenden Gerichtskosten im Hinblick darauf, dass sie mit ihrer Beschwerde teilweise Erfolg hat, um die Hälfte zu ermäßígen.

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