BGH
Az.: XII ZR 265/02
Urteil vom 11.02.2004
Leitsatz vom Verfasser (nicht amtlich!):
Ein notarieller Ehevertrag, der einen Ehegatten über die Maßen belastet, kann gem. § 138 BGB sittenwidrig und damit unwirksam sein. Es ist grundsätzlich möglich per Ehevertrag auf nachehelichen Unterhalt oder einen Zugewinnausgleich zu verzichten. Ist die ehevertragliche Vereinbarung zum Abschlusszeitpunkt jedoch offenkundig sehr einseitig zu Lasten eines Ehegatten, kann dies zur Sittenwidrigkeit führen. Ergibt sich erst im Laufe der Ehe ein erhebliches Ungleichgewicht zu Lasten eines Ehegatten, können die angerufenen Gerichte nachträglich eine ausgewogene Anpassung des Vertrages vornehmen.
Sachverhalt:
Die Klägerin (Mutter von zwei Kindern) hatte ihren Ehevertrag bei der Scheidung angefochten. Das Paar hatte 1988 notariell vereinbart, gegenseitig auf Zugewinn- und Versorgungsausgleich sowie auf nachehelichen Unterhalt zu verzichten – ausgenommen war nur die Zeit der Kinderbetreuung. Bei einem Scheitern der Ehe sollte die Frau laut Vertrag eine Abfindung und eine Kapitallebensversicherung erhalten. Nach der Scheidung im Jahr 2001 wollte der Mann nur etwa 1.300 Euro monatlich zahlen – obwohl sein Nettoeinkommen auf rund 14.000 Euro im Monat gestiegen war. Die Frau, betreut beide Kinder und verdient sich in einem Spielzeugladen geringfügig Geld dazu. Das Oberlandesgericht München hielt den Vertrag für unwirksam und sprach der Ehefrau gut 3.800 Euro monatlich zu.
Entscheidungsgründe:
Je mehr ein Ehevertrag den „Kernbereich“ der gesetzlich vorgesehenen Scheidungsfolgen abändert (z.B. Unterhaltsansprüche für Kindesbetreuung, Alter oder Krankheit), desto strenger ist die richterliche Kontrolle desselben auf seine Wirksamkeit. Eine vereinbarte Gütertrennung (Zugewinnausschluss) kann hingegen nur in bestimmten Ausnahmefällen für sittenwidrig erklärt werden. In diesen Fällen ist bei einem späteren Ungleichgewicht eher an eine Vertragsanpassung im Rahmen des § 242 BGB zu denken.