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Ehewohnung – Aussperrung aus derselben – Wiedereinräumung des Besitzes

OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

Az.: 2 UF 195/99

Beschluss vom 25.04.200

Vorinstanz: AG Karlsruhe, Az.: 1 F 111/99


In der Familiensache wegen Zutritts zur Ehewohnung hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe am 25.04.2000 beschlossen:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht- K. vom 17.8.1999 (1 F 111/99) wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Parteien, die sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsangehörigkeit haben, sind seit 1966 verheiratet. Sie lebten in einem im Eigentum des Antragsgegners stehenden Haus mit rund 108 qm Wohnfläche.

Der Antragsgegner ließ am 18.6.1999 die Schlösser zu dem Haus auswechseln und verwehrt der Antragstellerin seither den Zutritt. Die Parteien leben seit diesem Tag getrennt.

Die Antragstellerin begehrt den Zutritt zur Ehewohnung mit dem Ziel, dann innerhalb des Hauses getrennt zu leben.

Die Antragstellerin bestreitet, dass ein Getrenntleben innerhalb des Hauses Einfluss auf den Gesundheitszustand des Antragsgegners habe. Sie habe keine eigenen Einkünfte und könne daher keine Wohnung bezahlen.

Die Antragstellerin hat im Klageverfahren beantragt, den Antragsgegner zu verurteilen, ihr den Zutritt zur Ehewohnung in der H…str. in L…-H… zu gewähren und den Aufenthalt in der gemeinschaftlichen Wohnung zu gestatten.

Der Antragsgegner hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt er vor, aufgrund der heftigen Streitigkeiten der Parteien habe er Gastritis bekommen, die sich seit dem Auszug der Antragstellerin erheblich verbessert habe. Diese sei mit eigenen Einkünften in der Lage, eine Wohnung zu bezahlen. Zudem sei in der Türkei bereits ein Scheidungsverfahren anhängig.

Das Familiengericht hat der Klage stattgegeben, da die Antragstellerin bis zur Scheidung einen Anspruch darauf habe, die eheliche Lebensgemeinschaft im äußeren räumlichen Bereich wiederherzustellen und in dem Haus getrennt zu leben. Der Antragsgegner könne das Haus nur im Rahmen eines Ehewohnungszuweisungsverfahrens zugewiesen bekommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Antragsgegners, der sein erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt. Bei einem Wiedereinzug der Antragstellerin sei mit einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zu rechnen. Die Antragstellerin habe zudem bereits eine andere Wohnung. Im übrigen habe er zwischenzeitlich die Zuweisung der Ehewohnung beantragt.

Der Antragsgegner beantragt, das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung wiederholt sie ihr bisheriges Vorbringen. Sie habe sich keine andere Wohnung gesucht, sondern sei zum Zwecke der Vermeidung der Obdachlosigkeit von der Gemeinde eingewiesen worden. Sie müsse nun 540 DM Miete zahlen, obwohl sie keine Einkünfte habe. Eine Aufteilung der Ehewohnung zur getrennten Nutzung sei möglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Parteien wurden am 4.1.2000 bzw. 15.2.2000 angehört (vgl. Protokolle vom 4.1.2000 und vom 15.2.2000, II, 53 ff,.; 87 ff.).

II.

Die vom Antragsgegner eingelegte Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ist als befristete Beschwerde zu behandeln, da das Familiengericht an sich im FGG-Verfahren den Zutritt zur Ehewohnung hätte regeln müssen und hiergegen die befristete Beschwerde gem. §§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO das zulässige Rechtsmittel wäre. Da tatsächlich ein Urteil ergangen ist, konnte der Antragsgegner sein Rechtsmittel als Berufung einlegen („Meistbegünstigung“).

Die befristete Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet, da der Antragstellerin ein Zutrittsrecht zur ehelichen Wohnung nach § 1361 b BGB analog zusteht.

Auf die Beurteilung des Sachverhalts findet deutsches Recht Anwendung, nachdem die Ehegatten sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsangehörigkeit haben, Art. 5 EGBGB. Zumindest innerhalb Deutschlands geht insoweit die deutsche Staatsangehörigkeit vor.

Der Anspruch der Antragstellerin, ihr wieder Zutritt zur Ehewohnung zu gewähren, er gibt sich aus § 1361 b BGB analog.

a) Obwohl die Antragstellerin zwischenzeitlich in einer anderen Wohnung wohnt, hat die im Alleineigentum des Antragsgegners stehende, früher von beiden Parteien bewohnte Wohnung ihren Charakter als Ehewohnung noch nicht verloren (Senat, FamRZ 1999, 1087 f.; Palandt/Brudermüller, BGB, 59. Aufl., § 1361 b, Rn. 6 m.w.N.).

Unstreitig ist die Antragstellerin nicht freiwillig aus der Wohnung ausgezogen, sondern wurde hierzu vom Antragsgegner gezwungen, da dieser die Schlösser ausgetauscht und ihr den weiteren Zutritt verwehrt hat. Sie hat auch nicht etwa von sich aus eine andere Wohnung angemietet, sondern wurde von der Gemeinde zur Vermeidung der Obdachlosigkeit in ihre jetzige Wohnung eingewiesen. Auch ihr Verhalten im vorliegenden Verfahren, in dem sie Zutritt zur Ehewohnung begehrt, zeigt, dass die Antragstellerin ihre Rechte an der Wohnung noch nicht endgültig aufgegeben hat.

b) Unter welchen Voraussetzungen ein Ehegatte, der von dem anderen Ehegatten ausgesperrt wurde, die Wiedereinräumung des Besitzes an der Ehewohnung zum Zwecke des Getrenntlebens innerhalb der Wohnung verlangen kann, ist streitig.

Teilweise wird die Meinung vertreten, die Regelung des § 1361 b BGB verdränge als lex specialis die Besitzschutzvorschriften (so etwa OLG Köln FamRZ 1987, 77, 78; Zöller/Philippi, ZPO, 21. Aufl., § 621, Rn. 48 a). Nach anderer Meinung besteht zwischen den Normen §§ 1361 a, 1361 b BGB und § 861 BGB eine freie Anspruchskonkurrenz (so etwa OLG Düsseldorf FamRZ 1983, 164, 165 für Hausrat). Eine vermittelnde Meinung lässt beide Ansprüche zu, berücksichtigt allerdings den Regelungsgehalt des § 1361 b BGB auch für possessorische Ansprüche (so OLG Hamm FamRZ 1991, 81; weitere Hinweise und Kritik zu allen Meinungen bei Brudermüller in Johannsen/Henrich, Eherecht, 3. Aufl., § 1361 b BGB, Rn. 49).

Gegen die erstgenannte Meinung spricht, dass dann eine Rechtsschutzlücke entstehen würde, da § 1361 b BGB nur das Recht zum Besitz schützt, während der possessorische Besitzschutz den Besitzer selbst dann, wenn er kein Recht zum Besitz hat, vor eigenmächtigen Eingriffen schützt und dadurch verhindert, dass der Stärkere mittels Faustrechts einen vermeintlichen Anspruch im Wege der Selbstjustiz durchsetzt. Der betroffene Ehegatte hätte keinen Anspruch auf Wiederherstellung der ursprünglichen Besitzverhältnisse und wäre damit vor verbotener Eigenmacht des anderen Ehegatten nicht geschützt, obwohl ihm aus der ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 BGB) ein possessorischer Anspruch auf Einräumung von Mitbesitz und Mitnutzung der Ehewohnung zusteht, der nicht allein durch das Recht des anderen Ehegatten zum Getrenntleben aufgehoben wird (BGH FamRZ 1978,496,497).

Gegen die freie Anspruchskonkurrenz spricht, dass der Ehegatte, gegen den verbotene Eigenmacht verübt wurde, im Ergebnis besser gestellt würde: Er würde den Mitbesitz an der Ehewohnung aufgrund der Vorschrift des § 861 BGB erhalten, ohne dass es auf die Voraussetzungen des § 1361 b BGB ankäme und die Gründe des anderen Ehegatten, weshalb er ihn ausgesperrt hat, berücksichtigt werden könnten. Ggf. würde das Ergebnis des possessorischen Besitzschutzverfahrens sofort durch ein Verfahren nach der HausratsVO geändert.

Gegen die vermittelnde Ansicht kann eingewendet werden, dass rechtsmethodisch kaum zu begründen ist, weshalb trotz des gesetzlichen Ausschlusses petitorischer Einwendungen (§ 861 BGB) der Regelungsgehalt des § 1361 b BGB beachtlich sein soll.

Aus praktischen Erwägungen ist daher der Ansicht von Brudermüller (in Johannsen/Henrich, aaO., Rn, 49/50; Palandt/Brudermüller, 59. Aufl., § 1361 b BGB, Rn. 21) zu folgen, wonach § 1361 b BGB entsprechend als Anspruchsgrundlage anzuwenden ist, wobei der Regelungsgehalt des possessorischen Besitzschutzes einbezogen wird (so im Ergebnis auch Menter, FamRZ 1997, 76, 79). Hierfür spricht auch der Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs, da die Eheleute erfahrungsgemäß dann über die Nutzung der Ehewohnung streiten.

Danach ist vorliegend der Antragstellerin der Mitbesitz an der Ehewohnung wieder einzuräumen. Der Antragsgegner hat keine ausreichenden Gesichtspunkte vorgetragen, die einen Ausschluss der Antragstellerin vom Mitbesitz der Ehewohnung rechtfertigen könnten.

Das Alleineigentum des Antragsgegners an der Ehewohnung ist insoweit kein Maßstab, da dieses im Rahmen einer Ehewohnungszuweisung nach § 1361 b Abs. 1 Satz 2 BGB zwar besonders zu berücksichtigen ist, aber nicht zwingend bedeutet, dass der andere Ehegatte von der Mitnutzung während der Dauer des Getrenntlebens auszuschließen ist.

Weitere Voraussetzung einer Ehewohnungszuweisung wäre, dass diese erforderlich ist, um eine schwere Härte für den die Zuweisung begehrenden Ehegatten zu vermeiden. Hierzu trägt der Antragsgegner lediglich vor, dass er unter einer Gastritis leide und diese sich bei einem Wiedereinzug der Antragstellerin verstärken würde.

Das vorgelegte ärztliche Attest vom 19.8.1999 (II, 13) ist hierfür wenig aussagekräftig, da noch nicht einmal die Art der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Antragsgegners genannt wird. Mit Schriftsatz vom 22.2.2000 hat der Antragsgegner ein weiteres Attest vorgelegt, wonach er seit Jahren an einer chronischen Gastritis, einem Schmerzsyndrom im HWS- und BWS-Bereich sowie an einem depressiven Syndrom leide. Die Krankheiten hätten sich in der Vergangenheit durch Ehestreitigkeiten zeitweise wesentlich verschlimmert. Seit Sommer 1999 hätten sich die Beschwerden deutlich gebessert, bei einem Wiedereinzug der Ehefrau in die Wohnung sei mit einer erheblichen Verschlechterung zu rechnen. Da der behandelnde Arzt sich ersichtlich hinsichtlich des Einflusses von angeblichen Ehestreitigkeiten auf den Gesundheitszustand des Antragsgegners nur auf Angaben von diesem stützt, ist das Attest insoweit nicht als ausreichend anzusehen.

Der Antragsgegner hat bisher selbst keine näheren Angaben dazu gemacht, durch welche Handlungen oder Verhaltensweisen der Antragstellerin im einzelnen sein Gesundheitszustand sich verschlechtert haben sollte. Insoweit ist ein konkreter Anlass dafür, die Antragstellerin – offensichtlich ohne Vorankündigung – durch den Austausch der Schlösser auszusperren, nicht ersichtlich. Die angeführten Erkrankungen bestanden – auch nach der Behauptung der Antragstellerin – offensichtlich schon lange. Allein der Umstand, dass der Antragsgegner ab diesem Zeitpunkt offenbar getrennt leben wollte, wäre für ein Aussperren der Antragsstellerin nicht ausreichend. Ein Rechtfertigungsgrund für die verbotene Eigenmacht liegt damit nicht vor. Vielmehr hätte der Antragsgegner im Rahmen eines Ehewohnungszuweisungsverfahrens die Zuweisung der Ehewohnung an sich zur alleinigen Nutzung beantragen müssen. Ggf. hätte dann geprüft werden müssen, ob eine Aufteilung der Ehewohnung während der Dauer des Getrenntlebens ausreichend ist oder die Wohnung dem Antragsgegner insgesamt zuzuweisen ist, um eine schwere Härte zu vermeiden. Normale Streitigkeiten im Rahmen einer Trennung wären insoweit nicht ausreichend (Palandt, aaO., Rn. 10). Im Rahmen des Ehewohnungszuweisungsverfahrens sind an die Voraussetzungen einer schweren Härte geringere Anforderungen zu stellen, wenn der antragstellende Ehegatte Alleineigentümer ist (Brudermüller in Johannsen/Henrich, aaO., Rn. 25). Von der Größe des Hauses her wäre im übrigen auch eine Aufteilung denkbar.

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3.

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