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Ehrenamtliche Tätigkeit – Arbeitsverhältnis

Landesarbeitsgericht Sachsen

Az: 3 Sa 579/10

Urteil vom 20.05.2011


In dem Rechtsstreit hat das Sächsische Landesarbeitsgericht – Kammer 3 – auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2011 für R e c h t erkannt:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 18.06.2010 – 5 Ca 429/10 – wird auf Kosten der Klägerin z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen der Frage der Wirksamkeit einer Kündigung darüber, ob die Klägerin als Arbeitnehmerin beim Beklagten beschäftigt war.

Der Beklagte ist im Bereich … und Umland Träger der Telefonseelsorge. Die Telefonseelsorge wird in Deutschland von der evangelischen und katholischen Kirche unterhalten. Die Evangelisch-Katholische Kommission für die Telefonseelsorge und die offene Tür ist Inhaberin des Markennamens „Telefonseelsorge“ und vergibt die beiden deutschlandweit einheitlichen Rufnummern. Die Gebühren für die unter den beiden Sonderrufnummern geführten Gespräche trägt die … AG als Partnerin der Telefonseelsorge. Die Trägerschaft der Telefonseelsorge ist unterschiedlich aufgebaut.

Sie reicht von einem Kirchenkreis, einem Dekanat, einem Bistum oder einer Landeskirche bis hin zum gemeinnützigen Verein. Die kirchlichen Träger unterhalten insgesamt 105 selbständige Telefonseelsorgestellen, in denen ca. 7500 ehrenamtliche und 350 hauptamtliche Mitarbeiter tätig sind. Für die Tätigkeit eines ehrenamtlichen Mitarbeiters in der Telefonseelsorge bedarf es einer Ausbildung gemäß der Rahmenordnung für die Aus- und Fortbildung ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Telefonseelsorge und offenen Tür.

Der Beklagte beschäftigte im Jahr 2009 53 ehrenamtliche Mitarbeiter in der Telefonseelsorge.

Leiter der Telefonseelsorge war der hauptamtlich beschäftigte Mitarbeiter Herr … Neben einer Vielzahl von anderen Aufgaben (vgl. die Aufstellung auf Seite 11 der Berufungserwiderung vom 04.01.2011; Bl. 247 d. A.) verrichtete Herr … bei kurzfristigen Ausfällen oder schwer zu besetzenden Dienstzeiten auch den Dienst am Telefon. Für die Ausübung der Telefonseelsorge unterhält der Beklagte eine Drei-Zimmer-Wohnung in …, deren Anschrift von den Mitarbeitern geheim zu halten ist. In dieser Wohnung befinden sich ein Dienstraum mit der technischen Ausstattung zur Entgegennahme der Telefongespräche, ein Büroraum für die hauptamtlichen Mitarbeiter und ein Gruppenraum für die Supervisionsgruppen. Die Mitarbeiter des Beklagten sind verpflichtet, die Telefonseelsorge in diesen Räumlichkeiten auszuüben. Die Möglichkeit einer Rufumleitung auf einen privaten Telefonanschluss besteht nicht. Um eine ständige Erreichbarkeit der Ratsuchenden zu gewährleisten, unterstützen sich die regionalen Träger der Telefonseelsorge in Sachsen gegenseitig. Die beim Beklagten auflaufenden Telefonate werden automatisch an einen anderen Träger (Westsachsen … oder Vogtland …) weitergeleitet, wenn über den Anschluss des Beklagten ein Gespräch geführt wird oder das Telefon nicht mit Personal besetzt ist.

Für die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Beklagten gilt eine Dienstordnung (Anlage B 1 zum Schriftsatz des Beklagten vom 26.04.2010; Bl. 22 ff. d. A.). Darin ist u. a. Folgendes bestimmt:

3. Dienstumfang

Ziel für jede TS ist die Absicherung eines 24-Stunden-Dienstes.

Dies ist kurzfristig in … noch nicht erreichbar. Aber gemeinsam und abgestimmt mit anderen sächsischen TS-Stellen ist eine ununterbrochene Erreichbarkeit der TS gewährleistet. Um diese Erreichbarkeit abzusichern und auszubauen, ist von jedem Ehrenamtlichen eine Dienstbereitschaft von monatlich ca. 10 Stunden erforderlich, das entspricht zwei bis drei Abenddiensten oder einem Nachtdienst.

Eine regelmäßige Beteiligung der MitarbeiterInnen in diesem Umfang wird erwartet. Eine zeitweise Entlastung vom normalen Dienst ist in Absprache mit dem TS-Leiter möglich.

Zum Dienstumfang zählt weiterhin die Teilnahme an der monatlichen Fallbesprechung in einer Kleingruppe.

4. Verhinderung und Vertretung im TS-Dienst

4.1. Können MitarbeiterInnen aus zwingenden Gründen einen geplanten Dienst nicht wahrnehmen, sind sie verpflichtet, selbst eine Vertretung zu organisieren. Ist ihnen das nicht möglich, so sind die hauptamtlichen TS-Mitarbeiter zu informieren und um Unterstützung zu bitten. (…)

5. Umgang mit ankommenden Anrufen

5.1. Anrufe sind spätestens nach dem 3. Rufzeichen entgegen zu nehmen, um eventuelle Rufweiterleitungen zu vermeiden.

5.2. Alle ankommenden Anrufe sind statistisch zu erfassen (Dienstbuch, Statistikblatt, evtl. später PC). Für Aufleger und kurze Scherzanrufe ist kein Statistikblatt auszufüllen, sie sind – wie auch Sperrungen (Call Guard) – durch einen Strich in der entsprechenden Dienstbuchspalte als Anzahl festzuhalten.

5.3. Bei jedem Verlassen des Dienstzimmers ist der Hörer des Seelsorge-Telefons neben das Gerät zu legen. Das gilt auch bei Dienstende, wenn (planmäßig) keine Ablösung erfolgt.

6. Erhaltung und Vertiefung der Beratungskompetenz

Zur Erhaltung und Vertiefung der Beratungskompetenz sind die Reflexion über das Beratungsgeschehen und Impulse aus Bildungsveranstaltungen unerlässlich. Deshalb wird folgendes von jedem TS-Mitarbeiter erwartet:

6.1. Über jedes Beratungsgespräch sind nach einem vorgegebenen Raster kurze Notizen (auf das Statistikblatt) niederzuschreiben.

6.2. Die Teilnahme an der monatlichen Fallbesprechung ist verpflichtend.

Dabei sollte jeder wenigstens einmal im Jahr ein Gespräch vorstellen.

Der Leiter der Fallbesprechung (ersatzweise das TS-Büro) ist vorher zu informieren, wenn ein Gruppenmitglied nicht an einer Fallbesprechung teilnehmen kann.

6.3. Einmal jährlich sollte jeder an einer anderen Weiterbildungsveranstaltung teilnehmen, die die Beratungskompetenz fördert.

Hierfür können auch Weiterbildungen der Stadtmission … genutzt werden. (…)

Neben der Dienstordnung hat der Beklagte einen Leitfaden „Stichworte zum TSDienst“ (Anlage K 5 zum Schriftsatz der Klägerin vom 27.05.2010; Bl. 55 ff. d. A.) herausgegeben. Darin sind u. a. Hinweise zum Umgang mit sogenannten Auflegern, Scherz- und Schweigeanrufen sowie Suizidankündigungen enthalten. Für die Erfassung und Dokumentation haben die Mitarbeiter einen vom Beklagten vorgegebenen Vordruck (Anlage K 4 zum Schriftsatz der Klägerin vom 27.05.2010; Bl. 54 d. A.) zu verwenden. Jeweils im Vormonat legt der Beklagte Dienstpläne für den Folgemonat aus, in die sich die ehrenamtlichen Mitarbeiter eintragen. Dabei besteht die Möglichkeit, sich im Zeitraum von 8:00 bis 24:00 Uhr für Vier-Stunden-Dienste in der Zeit von 8:00 bis 12:00, 12:00 bis 16:00, 16:00 bis 20:00 oder 20:00 bis 24:00 Uhr einzutragen oder an Wochenenden für Acht-Stunden-Dienste in der Zeit von 0:00 bis 8:00 Uhr (vgl. Anlage B 2 zum Schriftsatz des Beklagten vom 26.04.2010; Bl. 26 ff. d. A.). Für die zeitliche Lage der Supervision dürfen die Mitarbeiter Vorschläge unterbreiten. Da eine Vielzahl von Mitarbeitern an der Supervision teilnimmt, wird der Termin letztlich vom jeweiligen Supervisor bestimmt.

Die 1966 geborene Klägerin war auf der Grundlage von schriftlichen „Beauftragungen“ vom 26.04.2002 bzw. 22.04.2005 (Anlagen K 1 und K 2 zum Schriftsatz der Klägerin vom 27.05.2010; Bl. 50/51 d. A.) seit dem 26.04.2002 ehrenamtlich als Telefonseelsorgerin im Umfang von 10 Stunden im Monat für den Beklagten tätig. Sie erhielt hierfür zuletzt eine monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 30,00 €, welche der Beklagte durch eine Zuwendung der Stadt … in gleicher Höhe refinanzierte.

Am 22.01.2010 entband Herr … die Klägerin mündlich von ihrem Dienst. Nach Abgabe der Schlüssel musste die Klägerin die Räumlichkeiten der Telefonseelsorge umgehend verlassen. Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer am 09.02.2010 beim Arbeitsgericht Chemnitz eingegangenen Klage gewandt.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, zwischen den Parteien habe ein Arbeitsverhältnis bestanden. Sie habe ihre vertraglichen Leistungen in persönlicher Abhängigkeit zum Beklagten erbracht. Dem Beklagten habe das Weisungsrecht hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsinhalt und Arbeitsort oblegen. Die Dienstordnung beinhalte eine Vielzahl arbeitsvertragstypischer Regelungen. So sei sie zur Leistung von monatlich 10 Arbeitsstunden verpflichtet gewesen, die sie – unstreitig – in eigener Person habe erbringen müssen. Auf die Einhaltung der 10 Monatsstunden sei vom Beklagten streng geachtet worden. Mitarbeiter, die nur einen Vier-Stunden-Dienst pro Monat hätten leisten wollen, seien – unstreitig – vom Beklagten regelmäßig nicht mehr berücksichtigt worden. Hinsichtlich der Auswahl der Dienste habe zwar eine relativ freie Auswahl bestanden. Der Mitarbeiter, der sich als Letzter in die Dienstpläne eingetragen habe, habe die Arbeitszeit aber quasi vorgegeben bekommen.

Der Inhalt der Tätigkeit sei durch die Dienstordnung und den Leitfaden zwingend und detailliert geregelt gewesen. Der Umstand, dass sie keine Vergütung erhalten habe, sei ohne Belang. Auf die Frage der wirtschaftlichen Abhängigkeit komme es für ein Arbeitsverhältnis nicht an. Die Kündigung vom 22.01.2010 sei bereits mangels Schriftform unwirksam. Des Weiteren lägen auch keine Kündigungsgründe vor.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Kündigung des Beklagten vom 22.01.2010 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat;

2. den Beklagten zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens als Telefonseelsorgerin auf Basis von 10 Stunden pro Monat unentgeltlich weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gerügt. Da es sich bei dem Vertragsverhältnis der Parteien um ein unentgeltliches Auftragsverhältnis gehandelt habe, sei der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht gegeben. Jedenfalls sei die Klage unbegründet. Die Klägerin sei als ehrenamtliche Mitarbeiterin keine Arbeitnehmerin gewesen, da sie sowohl ihre Tätigkeit als auch ihre Arbeitszeit im Wesentlichen habe frei gestalten können.

Mit seinem der Klägerin am 23.08.2010 zugestellten Urteil vom 18.06.2010, auf dessen Entscheidungsgründe (Bl. 73 ff. d. A.) Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen verneint und die Klage als unbegründet abgewiesen, weil die Klägerin entgegen ihrer Auffassung keine Arbeitnehmerin des Beklagten gewesen sei. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 21.09.2010 beim Sächsischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufung, die sie am 02.11.2010 begründet hat, nachdem die Frist zur Berufungsbegründung auf ihren am 22.10.2010 eingegangenen Antrag bis zum 25.11.2010 verlängert worden war.

Die Klägerin greift die erstinstanzliche Entscheidung unter vertiefender Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens mit Rechtsausführungen an.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 18.06.2010 – 5 Ca 429/10 – abzuändern;

2. festzustellen, dass die Kündigung des Beklagten vom 22.01.2010 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat;

3. den Beklagten zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens als Telefonseelsorgerin auf Basis von 10 Stunden pro Monat unentgeltlich weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen und verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts als zutreffend.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 20.05.2011 (Bl. 256 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Einer Vorabentscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen bedarf es gemäß § 65 ArbGG nicht, obwohl das Arbeitsgericht unter Missachtung des § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG über die Rechtswegrüge des Beklagten nicht vorab durch Beschluss, sondern im Urteil entschieden hat, da der Beklagte gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts kein Rechtsmittel eingelegt hat.

II. Die gemäß § 64 Abs. 2 lit. c) ArbGG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zurückzuweisen, denn sie ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, denn diese ist ihrerseits nicht begründet.

A. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, denn zwischen ihr und dem Beklagten bestand im Zeitpunkt des Ausspruchs der „Kündigung“ am 22.01.2010 kein Arbeitsverhältnis.

1. Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass die Kündigung des Beklagten vom 22.01.2010 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat. Mit diesem Antragsinhalt ist Streitgegenstand nicht nur die Frage, ob das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien durch die vom Beklagten erklärte Kündigung beendet worden ist. Streitgegenstand ist vielmehr auch, ob dieses Vertragsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist. Die beantragte Feststellung setzt voraus, dass im Zeitpunkt der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien tatsächlich bestanden hat. Andernfalls ist der Antrag schon deshalb unbegründet (vgl. BAG, Beschluss vom 19.12.2000 – 5 AZB 16/00 – NZA 2001, 285, m. w. N.).

2. Bei der „Beauftragung“ der Klägerin als Telefonseelsorgerin handelte es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis. Die Tätigkeit der Klägerin war eine ehrenamtliche Tätigkeit, die dauerhaft nicht auf die Erzielung von Entgelt oder die Erlangung einer entgeltlichen Tätigkeit gerichtet war. Das Gericht geht davon aus, dass in einem solchen Fall unabhängig vom Vorliegen der vom Bundesarbeitsgericht ansonsten für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses entwickelten Grundsätze (vgl. insoweit z. B. Urteil vom 13.02.2008 – 2 AZR 1037/06 – NZA 2008, 878, 879, m. w. N.) generell die Annahme eines Arbeitsverhältnisses ausscheidet.

Nach der Grundnorm des § 611 Abs. 1 BGB sind die vertragstypischen Pflichten eines Dienst-/Arbeitsvertrages die Leistung der versprochenen Dienste und die Gewährung der vereinbarten Vergütung. Ein Arbeitsverhältnis ist also regelmäßig ein Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung. Verpflichtet sich dagegen jemand, ein ihm von einem anderen übertragenes Geschäft für diesen unentgeltlich zu besorgen, handelt es sich um einen Auftrag im Sinne von § 662 BGB.

Auch unter dem Gesichtspunkt der Schutzbedürftigkeit erscheint es nicht geboten, die ehrenamtliche Tätigkeit der Klägerin als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren und den gesetzlichen Arbeitnehmerschutzvorschriften zu unterwerfen. Der Arbeitsplatz ist in den meisten Fällen die wirtschaftliche Existenzgrundlage für den Arbeitnehmer und seine Familie. Selbst wenn es sich nur um eine geringfügige Beschäftigung handelt, trägt diese doch regelmäßig zum Familieneinkommen bei und hilft, das Auskommen der Familie abzusichern. Lebenszuschnitt und Wohnumfeld werden davon ebenso bestimmt, wie gesellschaftliche Stellung und Selbstwertgefühl.

Die Aussichten, eine ähnliche Position ohne Einbußen an Lebensstandard und Verlust von Nachbarschaftsbeziehungen zu finden, hängen vom Arbeitsmarkt ab. Gelingt es dem Arbeitnehmer nach einer Kündigung nicht, alsbald einen neuen Arbeitsplatz zu finden, gerät er häufig in eine Krise, in der ihm durch die Leistungen der Arbeitslosenversicherung nur teilweise und auch nur für einen begrenzten Zeitraum geholfen wird (BVerfG, Beschluss vom 27.01.1998 – 1 BvL 15/87 – NZA 1998, 470, 471 f.). Eine ehrenamtliche, unentgeltliche Tätigkeit trägt dagegen nicht zum Familieneinkommen bei. Für Lebenszuschnitt und Wohnumfeld ist sie ohne Bedeutung.

Regelmäßig kann nur dann ehrenamtliche Tätigkeit geleistet werden, wenn die Existenz durch anderes Einkommen, staatliche Leistungen oder eigenes Vermögen gesichert ist. Zwar ist eine ehrenamtliche Tätigkeit für die gesellschaftliche Stellung und das eigene Selbstwertgefühl durchaus bedeutsam. Im Unterschied zu einem neuen Arbeitsplatz, dessen Erlangung vom Arbeitsmarkt abhängt, ist eine ehrenamtliche Tätigkeit sehr begehrt und leicht zu finden. Dass auch der Gesetzgeber eine ehrenamtliche Tätigkeit als weniger schutzbedürftig ansieht, zeigt sich z.B. daran, dass er durch die Regelung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG, Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist, vom Schutz des Betriebsverfassungsgesetzes ausgeschlossen hat.

Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf Vogelsang (in Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 13. Auflage, S. 150 Rz. 35) die Ansicht vertritt, das Entgelt gehöre nicht zwingend zum Begriff des Arbeitnehmers, kann dem unter Berücksichtigung des Vorstehenden jedenfalls für Fälle, wie den vorliegenden, in dem dauerhaft keine Entgelterzielungsabsicht verfolgt wird, nicht gefolgt werden. Vogelsang selber nennt als Beispiel auch nur eine unentgeltliche Einarbeitung und damit eine vorübergehende, auf künftige Entgelterzielung gerichtete Tätigkeit. Auch nach der Verkehrsanschauung wird eine nicht auf Entgelterzielung gerichtete Tätigkeit allgemein nicht als Arbeitsverhältnis, sondern als Ehrenamt oder Freundschaftsdienst angesehen.

Zutreffend verweist die Klägerin zwar darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z. B. Urteil vom 13.03.2008 – 2 AZR 1037/06 – NZA 2008, 878, 879, m. w. N.) eine wirtschaftliche Abhängigkeit für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses weder erforderlich noch ausreichend ist. Dieser Grundsatz ist jedoch im Rahmen der Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses zu einer freien Mitarbeit im Rahmen eines Dienstverhältnisses auf der Grundlage von Sachverhalten entwickelt worden, in denen regelmäßig eine Vergütungsvereinbarung bestand, mithin die Dienst-/Arbeitsleistung auf die Erzielung von Entgelt gerichtet war. In Abgrenzung zu Wank (Arbeitnehmer und Selbständige, S. 29 ff.) hat das Bundesarbeitsgericht durch diese Rechtsprechung insbesondere der These, dass die Bindung an nur einen Auftraggeber ein Arbeitnehmermerkmal sei, eine Absage erteilt.

Aus Sicht des Gerichts lässt sich daraus aber nicht der Schluss ziehen, dass das Bundesarbeitsgericht die Auffassung vertritt, auch in Fällen der gewollten, dauerhaften Unentgeltlichkeit einer Tätigkeit könne ein Arbeitsverhältnis vorliegen.

B. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten darauf, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens als Telefonseelsorgerin auf der Basis von 10 Stunden pro Monat unentgeltlich weiterbeschäftigt zu werden.

Die Klägerin stützt ihren Antrag auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Weiterbeschäftigungsanspruch während des Kündigungsprozesses (vgl. BAG, Großer Senat, Beschluss vom 27.02.1985 – GS 1/84 – NZA 1985, 702). Ein solcher Anspruch besteht nach der vorzitierten Rechtsprechung jedoch nur im (gekündigten) Arbeitsverhältnis, welches zwischen den Parteien nicht bestand.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat die Kosten ihrer ohne Erfolg eingelegten Berufung zu tragen.

Die Zulassung der Revision war im vorliegenden Fall gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG geboten.

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