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Ehrverletzende Äußerungen über nicht anwesende Dritte – Straffreiheit

AG Pfaffenhofen, Az.: 1 C 191/18, Urteil vom 22.06.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Erstkläger ist der Sohn des Beklagten, die Zweitklägerin ist die Lebensgefährtin des Erstklägers.

Der Erstkläger und der Beklagte sind Wohnungseigentümer in dem im Rubrum genannten Anwesen.

Wegen diesbezüglicher Differenzen ist am Amtsgericht Pfaffenhofen ein WEG-Verfahren unter dem Aktenzeichen 1 C 412/17 WEG anhängig.

Das streitgegenständliche Verfahren geht um angebliche Beleidigungen des Beklagten.

Der Beklagte hatte in einem Schreiben vom 17.10.2016 an seinen Sohn M. S. geschrieben:

„Hallo M.,

wir wünschen dir zum Geburtstag alles Gute. Hoffentlich kannst Du bei guter Gesundheit deine Kinder heranwachsen sehen und erleben. Ich hatte das Glück.

Nachdem Ch. im Auftrag von S. anwaltlich gegen uns vorgeht, wollen wir mit ihnen nicht in einem Raum, die gleiche Luft atmen. Unsere Vorstellung ist, das Alter gemeinsam zu genießen. Dafür tun wir „alles“ bis aufs Blut. Von Ch., S. und Konsorten, lassen wir uns das Leben nicht vergällen. Schmarotzer konnten wir noch nie leiden. Kuckuckswesen ist uns fremd. Genieße deine Zeit und die Zukunft. Du hast es selbst in der Hand.

Gruß Pap.“

Streitgegenständlich liegt ein Zeugnis über ein erfolgloses Schlichtungsverfahren vor.

Ehrverletzende Äußerungen über nicht anwesende Dritte – Straffreiheit
Symbolfoto: pressmaster/Bigstock

Die Kläger sind der Auffassung, dass es sich streitgegenständlich um Beleidigungen des Beklagten ihnen gegenüber handelt. Wiederholungsgefahr sei gegeben, da der Beklagte Unwahrheiten über die Kläger verbreiten würde. Die Kläger möchten mit ihrer Klage erreichen, dass der Beklagte solche Äußerung künftig unterlasse. Die Äußerung „Schmarotzer“ soll er künftig unterlassen.

Die Kläger beantragen zuletzt,

1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 €, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, es zu unterlassen, die Kläger zu beleidigen, insbesondere mit den Worten „Schmarotzer“.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Gesamtgläubiger vorgerichtliche Kosten in Höhe von 406,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Die in seiner Klageerwiderung vom 11.05.2018 erfolgte schriftliche Stellungnahme des Beklagten war als entsprechender Abweisungsantrag zu verstehen. Weiter führt der Beklagte aus, nachdem er in seinem Brief an seinen Sohn M. nur mitgeteilt habe, dass er ihn nicht besuchen wolle, könne er in dem weiteren Text keine Beleidigung erkennen. Er habe insoweit seinen Sohn M. im familiären Vertrauen diese Nachricht geschickt. Er habe nicht damit rechnen können, dass dieser das vertrauliche Schreiben an die Kläger weiterleite. Er habe niemals beleidigende Unwahrheiten gegen die Kläger verbreiten wollen.

Das Gericht hat mit Terminsverfügung vom 15.05.2018 gerichtlichen Hinweis erteilt.

Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien sowie auf das Protokoll vom 15.06.2018 und hier insbesondere die Vergleichsverhandlung vollinhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage war als unbegründet abzuweisen.

Streitgegenständlich liegt keine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB vor.

Insoweit ist anerkannt, dass ehrverletzende Äußerungen über nicht anwesende Dritte in besonders engen Lebenskreisen nicht strafbar sind, wenn sie Ausdruck des besonderen Vertrauens sind und die Vertraulichkeit (Nichtweitergabe an Dritte) gewährleistet erscheint (sogenannte beleidigungsfreie Sphäre).

Nicht immer darf mit Fug und Recht erwartet werden, dass jemand sein Wort auf die Goldwaage legt. Der Schutz des Persönlichkeitsrechts gewährt dem Einzelnen Freiräume, in die er sich zurückziehen und mit Personen seines Vertrauens offen, ohne Furcht vor Sanktionen auch mit Dritten herabsetzende Worte reden kann, solange er sie nicht verleumdet. Ehrenrührende Äußerungen in solchen „beleidigungsfreien Räumen“ sind nach Sinn und Zweck des Persönlichkeitsschutzes zu tolerieren. Zu diesen Exklaven des Ehrschutzes zählen die Ehe, die enge Familie und die Partnerschaft. „Bei Äußerungen gegenüber Familienangehörigen und Vertrauenspersonen, die in eine Sphäre fallen, die gegen die Wahrnehmung durch den Betroffenen oder Dritten abgeschirmt ist, tritt der Aspekt der Ehrverletzung eines von der Äußerung Betroffenen gegenüber dem einer freien Entfaltung der Persönlichkeit der sich Äußernden zurück.“ (Bundesverfassungsgericht NJW 2007, 1194).

Streitgegenständlich handelt es sich um eine Äußerung gegenüber einer Vertrauensperson. In einem Brief, von dem nicht zu erwarten war, dass ein Unbefugter Kenntnis nimmt, darf man seine Meinung eher offen kundtun, als wenn eine Verbreitung der Äußerung in der Öffentlichkeit zu erwarten ist. Die Grundsätze der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.11.2006 (NJW 2007, 1194 ff) waren hier daher auch zu berücksichtigen. Der vertrauliche Brief war eher schutzwürdig, als das in der Öffentlichkeit oder gegenüber Außenstehende gesprochene oder geschriebene Wort.

Bei der vorliegenden Äußerung des Beklagten war diese gerichtet an seinen Sohn M.. Das Schreiben war als Geburtstags-Gratulationsschreiben an diesen gerichtet worden. Offensichtlich war eine Einladung vorausgegangen. Hierzu hat der Beklagte gegenüber seinem Sohn M. Stellung genommen. In diesem Zusammenhang fiel dann die Äußerung „Schmarotzer konnten wir noch nie leiden.“

Das Schreiben war unterschrieben mit „Gruß Pap.“.

Daraus war erkennbar, dass das Schreiben höchstpersönlich an den Sohn des Beklagten und damit an einen besonders engen Lebenskreis erfolgt war. Das Schreiben war Ausdruck des besonderen Vertrauens und der Vertraulichkeit. Dass dieses Schreiben durch den Sohn M. an die Kläger weitergegeben würde, war insoweit nicht erkennbar. Es handelt sich hier um ein Gratulationsschreiben. Zwar kann man trefflich darüber streiten, ob derartige Äußerungen in einem Gratulationsschreiben zum Geburtstag erwähnt werden müssen, dennoch waren die in dem höchstpersönlichen Verhältnis des Beklagten zu seinem Sohn M. zu sehen. Insoweit drückt die Klagepartei in der schriftlichen Stellungnahme vom 30.05.2018 hin auch nur aus, dass aufgrund der vorherrschenden familiären Streitkultur „der Beklagte davon ausgehen (musste), dass sowohl der Inhalt als auch das Schreiben an sich an die Kläger weitergeleitet wird,.“ Insoweit lassen sich die Beklagten auch nur dahingehend ein, dass ihrerseits diesbezüglich eine Vermutung vorliege. Woraus sich diese Vermutung nährt, wird nicht näher dargelegt. Hier wird allein angeführt, dass „das Verhältnis zwischen dem Adressaten des gegenständlichen Schreibens und dessen Ehefrau MS einerseits und dem Beklagten andererseits seit mehreren Jahren zerrüttet war.“ Allerdings wurde gerade nicht im Einzelnen und konkret nachgewiesen und belegt, ja noch nicht einmal vorgetragen, inwiefern dieses Zerwürfnis bestanden habe. In einer weiteren Stellungnahme werden zwar „weitere Vorfälle“ erwähnt, gleichzeitig aber wiederum nur die Vermutung geäußert, „dass es noch viele weitere gibt“. Da sich die Erwägungen der Kläger allein auf Vermutungen stützen, war für den Beklagten entgegen der Ansicht der Kläger nicht ersichtlich, dass diese „Vertraulichkeit“, d.h. die Nichtweitergabe des Schreibens an Dritte nicht gewährleistet erschien. Vielmehr konnte der Beklagte davon ausgehen, dass das entsprechende Schreiben gerade nicht weitergegeben wird.

Der weitere Antrag dahingehend, es zu unterlassen, die Kläger zu beleidigen, war derartig unbestimmt, dass aus diesem Grund schon der Klage nicht stattgegeben werden konnte.

In der entsprechenden Klagebegründung waren auch keine weiteren konkreten Beleidigungen aufgeführt und angegeben worden.

Insoweit wurden lediglich weitere Vorfälle erwähnt, um den Umstand der Wiederholungsgefahr zu belegen. Diesbezüglich waren die weiteren Belege aber völlig unkonkret. So hieß es zum einen „Unwahrheiten über die Kläger verbreitet“. Darüber hinaus wurde ein Vorfall einer Äußerung einer Nachbarin erwähnt, die jedoch nicht dem Beklagten zugerechnet werden kann. So wurde erwähnt, dass die Nachbarin gesagt hätte, „die Zweitklägerin sei hier nicht erwünscht und es sei eine Sauerei, wie sie mit dem Beklagten umgehe.“ Der weitere Vorfall beim Gespräch im Hausflur war gleichermaßen unkonkret, da hier nur von „Lügen über die Klägerin verbreiten“ die Rede war. Auch in der weiteren Stellungnahme vom 30.05.2018 wurden diese Vorfälle nicht weiter konkretisiert. Vielmehr war aus dieser Stellungnahme deutlich zu entnehmen, dass hier lediglich „Vermutungen“ kundgetan werden. Aus diesen unkonkreten weiteren Vorfällen konnten keine weiteren konkreten Beleidigungen des Beklagten gegenüber den Klägern festgestellt werden. Auch eine Wiederholungsgefahr war entgegen der Ansicht der Klagepartei nicht im Ansatz erkennbar, jedenfalls wurde hierzu überhaupt nichts Konkretes vorgetragen.

Dementsprechend war auch diesbezüglich die Klage als unbegründet abzuweisen.

Zusammenfassend war somit die Klage als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert war entgegen dem Antrag, diesen auf 3.000,00 € festzusetzen, hier lediglich mit 1.000,00 € zu bewerten. Der Streitwert des Unterlassungsanspruch war insoweit gemäß § 3 ZPO zu schätzen. Der Schätzwert bewegt sich hier nach Ansicht des Gerichts bei 1.000,00 €. Die Äußerung war in einem höchstpersönlichen Schreiben erfolgt. Sie galt lediglich gegenüber dem weiteren Sohn M.. Die Weitergabe des Schreibens war entsprechend obigen Ausführungen gerade nicht erkennbar. Der Kreis der Personen ist hier begrenzt auf den engsten Familienbereich. So die Klageparte argumentiert ggfls., dass es sich bei der Klägerin zu 2) nicht um eine Familienangehörige handle, mag dies auf den ersten Blick stimmen. Die Klägerin zu 2) ist mit dem Kläger zu 1) nicht verheiratet. Beide führen jedoch eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Diese ist entsprechend dem Zeitgeist allerdings als gleichwertiger Lebensbund anerkannt, so dass die Klägerin zu 2) auch als „zur Familie gehörend“ von allen Beteiligten und auch von der Gesellschaft betrachtet wird. Dementsprechend ist hier keine Weiterung des betroffenen Personenkreises gegeben. Darüber hinaus besteht die Unterlassungserklärung lediglich hinsichtlich einer einzigen Äußerung in einem einzigen Schreiben. Für einen höheren Schätzwert der Unterlassungsklage als 1.000,00 € war daher nach Ansicht des Gerichts kein vertretbarer Rahmen gegeben.

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