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Eigenbedarfskündigung – Voraussetzungen

AG Reinbek, Az.: 12 C 131/18, Urteil vom 21.08.2018

In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Reinbek auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17.07.2018 für Recht erkannt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, die von ihm genutzte Wohnung im Hause … 1. Obergeschoss, bestehend aus 3,5 Zimmern, Küche, Flur, Bad und WC, Wohnfläche ca. 75 m2 zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben.

2. Die Eventualwiderklage wird abgewiesen.

3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000,00 Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Der Streitwert wird auf 8.600,00 Euro (Klage 6.600,00 Euro, Eventualwiderklage 2.000,00 Euro) festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Räumung einer Mietwohnung in Wentorf und im Wege der Eventualwiderklage um die Feststellung von Schadensersatzpflichten.

Eigenbedarfskündigung - Voraussetzungen
Symbolfoto: Motizova/Bigstock

Die Parteien haben im Jahre 2015 ein Wohnraummietverhältnis über die im Tenor bezeichnete Wohnung geschlossen. Die Nettokaltmiete betrug 550,00 Euro. Der Kläger kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 20.10.2017 wegen Eigenbedarfs zum 31.1.2018. Wegen der Einzelheiten der Kündigung wird auf das Kündigungsschreiben gemäß Anlage K2 (Blatt 12 und 13) Bezug genommen. In dem Gebäude, in dem sich die streitgegenständliche Wohnung befindet, befindet sich außerdem eine Erdgeschoßwohnung, die von dem Kläger selbst bewohnt wird. Außerdem befindet sich im Erdgeschoss eine weitere Wohnung, deren Mieter am 26.11.2017 kündigten und Ende Januar auszogen. Der Kläger hat die von den weiteren Mietern geräumte Wohnung zwischenzeitlich mit seiner Wohnung vereinigt. Inzwischen ist auch sein Sohn mit seiner Ehefrau, die zuvor in einer Entfernung von ca. 400 m vor dem streitgegenständlichen Mietobjekt in einer Mietwohnung gewohnt hatten, in die Wohnung des Klägers eingezogen. In der Wohnung des Klägers besteht nunmehr nur noch eine Küche.

In der Klageschrift hat der Kläger eine weitere Kündigung zum 31.8.2018 gestützt auf § 573 a BGB ausgesprochen. Wegen der Einzelheiten wird auf Seite 3 und 4 der Klageschrift Bezug genommen.

Der Kläger behauptet, die streitgegenständliche Wohnung künftig für seinen Sohn und dessen Ehefrau nutzen zu wollen. Grund dafür sei der zusätzliche Pflegebedarf und die zunehmende Unterstützung im Haus und Garten.

Der Kläger beantragt, wie erkannt.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Im Wege der Eventualwiderklage beantragt er, festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, den Beklagten sämtliche aufgrund der Verletzung der Anbietpflicht (Nichtanbetung der Räume der ehemaligen Wohnung … an den Beklagten) entstandene materielle Schäden wie insbesondere Umzugskosten, gegebenenfalls Kosten für neue Möblierung, gegebenenfalls erhöhte Miete usw.) zu erstatten.

Der Kläger beantragt, die Hilfs-Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, der Eigenbedarf sei vorgetäuscht. Aufgrund der kurzen Dauer des Mietverhältnisses sei der jetzt angemeldete Eigenbedarf nicht nachvollziehbar. Davon unabhängig ist er der Ansicht, die ausgesprochene Kündigung vom 20.10.2017 sei formell fehlerhaft, weil der jetzige Wohnbedarf des Sohnes des Klägers nicht dargelegt sei. Der Kläger verstoße außerdem gegen § 242 BGB, weil er dem Beklagten die nach Kündigung freigewordene Wohnung der ehemaligen Mieter nicht angeboten habe. Hierauf stützt der Beklagte auch seinen hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen …. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.7.2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis ist durch die wirksame Kündigung des Klägers vom 20.10.2017 zum 31.1.2017 beendet. Der Rechtsgrund für die wirksame Kündigung des Klägers ergibt sich aus § 573 Abs. 2 Ziffer 2 BGB. Nach dieser Vorschrift kann der Vermieter das Mietverhältnis kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an dessen Beendigung hat. Ein berechtigtes Interesse ergibt sich insbesondere, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für seine Familienangehörigen benötigt.

Diese Voraussetzungen liegen vor.

Zunächst ist die ausgesprochene Kündigung entgegen der Auffassung der beklagten Partei formell wirksam. Die Gründe, die den Vermieter zur Kündigung berechtigen, sind ausreichend substantiiert. Dabei genügt, dass der Kündigungsgrund durch Angabe der entsprechenden Tatsachen so ausführlich bezeichnet wird, dass er identifiziert und von anderen Kündigungsgründen unterschieden werden kann. Es genügt insoweit die Darlegung der so genannten Kerntatsachen (Palandt-Weidenkaff, § 573 Rn. 48). Diesen Anforderungen genügt das Kündigungsschreiben. Es gibt an, für wen die Wohnung künftig genutzt werden soll und es beinhaltet darüber hinaus den wesentlichen Grund für die Überlassung an Familienangehörige, nämlich die Unterstützung der Eltern. Höhere Anforderungen können an ein Kündigungsschreiben nicht gestellt werden. Insbesondere ist es nicht erforderlich, die bisherige Wohnsituation der Familienangehörigen zu schildern, wenn nicht alleiniger oder zumindest wesentlicher Grund für die Eigenbedarfskündigung die Verbesserung der Wohnsituation sein soll.

Der Kläger hat den geltend gemachten Eigenbedarf auch hinreichend dargelegt und bewiesen. Dem Vorbringen des Klägers und den Bekundungen der Zeugen ist es nicht nur plausibel, dass der Kläger die nunmehr freiwerdende Wohnung des Beklagten für Sohn und Schwiegertochter nutzen möchte. Der tatsächlich bestehende Eigenbedarf ist vielmehr durch inzwischen eingetretene tatsächliche Umstände in der Weise bekräftigt, dass das Gericht an dessen Ernsthaftigkeit keinerlei Zweifel hegen kann. Denn Sohn und Schwiegertochter des Klägers haben nicht nur bereits ihr zuvor bestehendes Mietverhältnis gekündigt, sondern leben bereits seit geraumer Zeit mit in der Wohnung des Klägers. Auch wenn diese durch die Vereinigung mit der zuvor bestehenden weiteren Mietwohnung vergrößert ist, bedeutet dies für die Familie des Klägers deutliche Einschränkungen im Vergleich zu ihrer bisherigen Wohnsituation. Es ist für das Gericht aufgrund dieser Umstände nichts dafür ersichtlich, dass der Sohn und die Schwiegertochter des Klägers nicht die Absicht hätten, bei Freiwerden der Wohnung im ersten Obergeschoss diese auch zu nutzen. Sie haben vielmehr durch Aufgabe ihrer bisherigen Wohnung diesen Nutzungswillen dokumentiert. Dabei kommt es auch nicht darauf an, wie bisherige wohnliche Situation der Angehörigen des Klägers gewesen ist. Auch kommt es nicht zwingend darauf an, welche Motivation die Angehörigen des Klägers mit ihrem Umzug verbinden. Entscheidend ist allein der mit dem geltend gemachten Eigenbedarf verbundene Nutzungswille.

Die ausgesprochene Eigenbedarfskündigung ist auch nicht etwa wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) unbegründet. Der Kläger ist nicht daran gehindert, das Mietverhältnis bereits nach etwas mehr als zwei Jahren unter Berufung auf Eigenbedarf zu kündigen. Richtig ist, dass der Kläger und seine Ehefrau auch bei Abschluss des Mietverhältnisses mit dem Beklagten bereits fortgeschrittenen Alters waren. Dieser Umstand allein führt jedoch nicht dazu, dass der Entschluss, zu vermieten für den Vermieter bindend ist, wenn er ohne konkreten Anlass überschauen könnte, dass in absehbarer Zeit Pflegebedarf oder eine Veränderung der häuslichen Situation auf ihn zukommt. Die Aufnahme von jetzt oder alsbald benötigten Hilfs oder Pflegepersonen begründet den Eigenbedarf des Vermieters insofern grundsätzlich (vergleiche Palandt-Weidenkaff, § 573 Rn. 28). Daneben bestehende weitere Interessen des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses – etwa Streitigkeiten zwischen Vermieter und Mieter – ändern an der Berechtigung zur Eigenbedarfskündigung nichts.

Auf die weitere von dem Kläger ausgesprochene Kündigung kommt es danach nicht mehr an.

Die hilfsweise erhobene Widerklage ist zulässig, war aber als unbegründet abzuweisen.

Der Kläger hat sich nicht dadurch schadensersatzpflichtig gemacht, dass er dem Beklagten die nach der Kündigung vom 20.10.2017 freigewordene weitere Erdgeschoßwohnung nicht angeboten hat. Eine solche Anbieterpflicht bestand nicht, denn der Kläger hat durch die Umgestaltung der Erdgeschoßwohnungen in eine einheitliche Wohnung zu erkennen gegeben, dass eine Weitervermietung nicht in Betracht kommt. Er war auch nicht mit Rücksicht auf den Beklagten zu einer weiteren Vermietung der Erdgeschoßwohnung verpflichtet. Der Mieter hat keinen Anspruch darauf, dass weitere in dem Mietobjekt befindliche Wohnungen auch weiterhin zur Vermietung zur Verfügung stehen. Die entsprechende Entscheidung obliegt allein dem Vermieter.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht aufgrund der Vorschriften der § § 708 Nummer 7 und 711 ZPO.

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