BUNDESGERICHTSHOF
Az.: VIII ZR 122/06
Urteil vom 23.05.2007
Vorinstanzen:
AG Berlin-Tempelhof, Az.: 7 C 29/04, Urteil vom 23.08.2005
LG Berlin, Az.: 62 S 308/05, Urteil vom 02.03.2006
Leitsätze:
a) Eine Kommanditgesellschaft (KG) kann Wohnräume weder als „Wohnung für sich“ noch für Familien- oder Haushaltsangehörige benötigen. Eigenbedarf im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kommt bereits begrifflich nicht in Betracht.
b) Ein berechtigtes Interesse einer KG an der Beendigung des mit einem Betriebsfremden abgeschlossenen Mietverhältnisses gemäß § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB besteht nur dann, wenn das Wohnen ihres Mitarbeiters gerade in dieser Wohnung nach seiner betrieblichen Funktion und Aufgabe für den Betriebsablauf von nennenswertem Vorteil ist. Dies gilt auch für den Geschäftsführer der Komplementärin der KG (vgl. auch Senatsurteil vom 23. Mai 2007 – VIII ZR 113/06).
In dem Rechtsstreit hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2007 für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 62 des Landgerichts Berlin vom 2. März 2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist seit 1996 Mieterin einer Wohnung. Vermieterin war die AG, die auf dem rund 10.000 m² großen Gelände bis 1996 ein Umspannwerk betrieb.
Die Klägerin erwarb das Grundstück im Jahr 2001. Unter der Bezeichnung „m. Umspannwerk B.“ vermietet sie dort Gewerbeflächen, unter anderem eine Veranstaltungshalle. Ein Teil der vorhandenen Büroräume steht leer.
Durch Anwaltsschreiben vom 27. Februar 2004 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis zum 31. August 2004 mit der Begründung, die Nutzung der Wohnung durch ihren Geschäftsführer sei aus betrieblichen Gründen dringend erforderlich. Ihm obliege es, die Geschäfte der Gesellschaft zu koordinieren und zu kontrollieren. Dies umfasse nicht nur den permanenten Kontakt mit den bisherigen gewerblichen Mietern, sondern insbesondere Verhandlungen und gemeinsame Begehungen mit neuen Gewerbemietern. Es sei unerlässlich, dass der Geschäftsführer diese Dinge im Objekt regle. Es sei ihm nicht mehr zumutbar, bei seinen ständigen Geschäftsaufenthalten in B. ein Hotelzimmer anzumieten.
Die Beklagte widersprach der Kündigung. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, die Räumung und Herausgabe der Wohnung. Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben, das Landgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Räumungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der von der Beklagten gemieteten Wohnung (§ 546 BGB). Die am 27. Februar 2004 erklärte Kündigung habe das Mietverhältnis der Parteien nicht beendet. Die Klägerin habe kein berechtigtes Interesse an seiner Beendigung, weil eine juristische Person schon begrifflich keinen Eigenbedarf im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB geltend machen könne.
Ein berechtigtes Interesse des Vermieters im Sinne von § 573 Abs. 1 BGB könne sich grundsätzlich auch daraus ergeben, dass einem (wichtigen) Mitarbeiter, einer „Schlüsselkraft“ des Unternehmens, eine Wohnung aus dringenden betrieblichen Gründen vermietet werden solle. Das Interesse des Begünstigten müsse hierfür nach Art und Schwere mit den Fällen des § 573 Abs. 2 BGB vergleichbar sein. Das sei hier nicht der Fall. Sei die Wohnung, wie hier, einem Betriebsfremden vermietet, sei allein nicht ausreichend, dass sie einem Betriebsangehörigen mit konkretem Wohnbedarf überlassen werden solle. Ein die Kündigung rechtfertigender Grund sei nur dann gegeben, wenn gerade das Bewohnen dieser speziellen Räume durch diesen Arbeitnehmer für die ordnungsgemäße Führung des Betriebs erforderlich sei.
Die Klägerin habe nicht schlüssig dargelegt, inwiefern es zur Führung ihres Betriebs notwendig sei, dass ihr Geschäftsführer unmittelbar in dem Objekt wohne. Zwar sei er als Geschäftsführer ohne Zweifel eine „Schlüsselkraft“ des Unternehmens. Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung habe er auch nachvollziehbar dargetan, dass seine geschäftliche Präsenz in B. erforderlich sei.
Es sei aber nicht nachvollziehbar, warum er dazu auf dem Betriebsgelände wohnen müsse. Nach seinen Angaben gehe es ihm allein darum, seinen Wohnbedarf kostengünstig zu decken und nach langen Aufenthalten in den Büroräumen des Umspannwerks einen kurzen Weg in die eigene Wohnung zu haben. Es sei nicht ersichtlich, dass sein ständiger Aufenthalt im Objekt für den Ablauf des Betriebs erforderlich sei. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, dass die Gewerbeflächen an Laufkundschaft vermietet würden; dieses sei auch nicht naheliegend. Es sei davon auszugehen, dass Termine vereinbart würden, zu welchen sich der Geschäftsführer der Klägerin von einer anderweitig angemieteten Wohnung aus einfinden könne.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand, so dass die Revision unbegründet ist.
Die Klägerin kann von der Beklagten nicht gemäß § 546 Abs. 1 BGB Räumung und Herausgabe der von ihr gemieteten Wohnung verlangen, denn das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis ist durch die Kündigung vom 27. Februar 2004 nicht beendet worden.
1.
Eigenbedarf im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kommt bereits begrifflich nicht in Betracht. Die Klägerin als Kommanditgesellschaft (KG) kann die Räume weder „als Wohnung für sich“ noch für Familien- oder Haushaltsangehörige benötigen (vgl. zur juristischen Person Senatsurteil vom 10. September 2003 – VIII ZR 22/03, WuM 2003, 691 = NJW-RR 2004, 12, unter II 1; Staudinger/Rolfs, BGB (2006), § 573 Rdnr. 71, m.w.N.). Ob die KG Eigenbedarf für einen Gesellschafter geltend machen kann, bedarf hier keiner Entscheidung, weil zu einer eventuellen Gesellschafterstellung des Geschäftsführers nichts festgestellt ist. Übergangenen Sachvortrag zeigt die Revision nicht auf.
2.
Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht auch ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Beendigung des Mietverhältnisses mit der Beklagten im Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB verneint. Die Beantwortung der Frage, ob ein berechtigtes Interesse im Sinne dieser Vorschrift gegeben ist, erfordert eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Sie obliegt in erster Linie dem Tatrichter und kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer rechtsfehlerfrei gewonnenen Tatsachengrundlage beruht, alle maßgeblichen Gesichtspunkte berücksichtigt worden sind und der Tatrichter den zutreffenden rechtlichen Maßstab angewandt hat (Senatsurteil vom 11. Januar 2006 – VIII ZR 364/04, WuM 2006, 193 = NJW 2006, 1585, Tz. 19). Der Prüfung anhand dieses Maßstabs halten die Ausführungen des Berufungsgerichts stand.
a) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses kann sich allerdings daraus ergeben, dass einem Mitarbeiter seines Unternehmens aus betrieblichen Gründen eine an einen Betriebsfremden vermietete Wohnung zur Verfügung gestellt werden soll, sofern der Vermieter vernünftige Gründe für die Inanspruchnahme der Wohnung hat, die den Nutzungswunsch nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2005 – VIII ZR 127/05, WuM 2005, 779, 781 = NJW 2005, 3782; Staudinger/Rolfs, BGB (2006), § 573 Rdnr. 171).
Dabei ist zu beachten, dass der Kündigungstatbestand des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB den in § 573 Abs. 2 BGB genannten Kündigungsgründen gleichgewichtig ist (BVerfG NJW 1992, 105, 106, zu § 564b BGB aF; Staudinger/Rolfs, aaO, § 573 Rdnr. 166). Das Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses ist danach zu gewichten, ob und gegebenenfalls welche Bedeutung es für das Unternehmen hat, dass der Mitarbeiter seinen Wohnsitz in der vermieteten Wohnung nimmt. Dabei kommt es insbesondere auf die Funktion und die Aufgaben des Mitarbeiters an.
b) Das Berufungsgericht ist nach diesen Maßstäben ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin vernünftige Gründe für die Beendigung ihres Mietverhältnisses mit der Beklagten nicht nachvollziehbar dargelegt hat.
Nach der tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts ist es aus betrieblichen Gründen weder geboten noch für den Betriebsablauf von nennenswertem Vorteil, dass der Geschäftsführer der Klägerin auf dem Gelände wohnt.
Termine mit gewerblichen Mietinteressenten könne er auch von den Büroräumen der Klägerin auf dem Gelände aus organisieren. Dies sei auch kurzfristig möglich. Dazu bedürfe es keiner Wohnung auf dem Betriebsgelände.
Es geht der Klägerin, wie das Berufungsgericht aufgrund der Angaben ihres Geschäftsführers bei dessen persönlicher Anhörung festgestellt hat, im Wesentlichen darum, ihm nach langer Arbeitszeit zu einem kurzen Heimweg zu verhelfen. Dem hat das Berufungsgericht jedoch unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ohne Rechtsfehler kein entscheidendes Gewicht zugemessen.