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Eigenbedarfskündigung durch eine KG

Bundesgerichtshof

Az: VIII ZR 113/06

Urteil vom 23.05.2007


Leitsätze:

a) Eine Kommanditgesellschaft (KG) kann Wohnräume weder als „Wohnung für sich“ noch für Familien- oder Haushaltsangehörige benötigen. Eigenbedarf im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kommt bereits begrifflich nicht in Betracht.

b) Ein berechtigtes Interesse einer KG an der Beendigung des mit einem Betriebsfremden abgeschlossenen Mietverhältnisses gemäß § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB besteht nur dann, wenn das Wohnen ihres Mitarbeiters gerade in dieser Wohnung nach seiner betrieblichen Funktion und Aufgabe für den Betriebsablauf von nennenswertem Vorteil ist (vgl. auch Senatsurteil vom 23. Mai 2007 – VIII ZR 122/06).


Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2007 für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 62 des Landgerichts Berlin vom 2. März 2006 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte ist seit 1985 Mieter einer Wohnung in B. . Vermieterin war die B. -AG, in deren Dienst der Beklagte stand. Die B. -AG betrieb auf dem rund 10.000 m² großen Gelände bis 1996 ein Umspannwerk.

Die Klägerin erwarb das Grundstück im Jahr 2001. Unter der Bezeichnung „m. Umspannwerk B. “ vermietet sie dort Gewerbeflächen, unter anderem eine Veranstaltungshalle. Ein Teil der vorhandenen Büroräume steht leer.

Durch Anwaltsschreiben vom 27. Februar 2004 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis zum 28. Februar 2005 mit der Begründung, die Nutzung der Wohnung durch ihren Mitarbeiter W. sei aus betrieblichen Gründen dringend erforderlich. Neben ihrem Geschäftsführer sei ihr Mitarbeiter W. „Schlüsselkraft“ des Unternehmens. Als „Eventmanager“ sei er maßgeblich dafür zuständig, mit gewerblichen Mietinteressenten zu verhandeln, um die Veranstaltungshalle zu vermieten. Er müsse stets und auch kurzfristig erreichbar sein, um die Räumlichkeiten vorzuführen. Bei Veranstaltungen müsse er als Ansprechpartner zugegen sein. Da er am Niederrhein wohne, sei er während seiner geschäftlichen Aufenthalte in B. auf eine Hotelunterbringung angewiesen; diese sei ihm nicht zumutbar.

Der Beklagte widersprach der Kündigung. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, die Räumung und Herausgabe der Wohnung. Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben, das Landgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Räumungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der vom Beklagten gemieteten Wohnung (§ 546 BGB). Die am 27. Februar 2004 erklärte Kündigung habe das Mietverhältnis der Parteien nicht beendet. Die Klägerin habe kein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, weil eine juristische Person schon begrifflich keinen Eigenbedarf geltend machen könne.

Ein berechtigtes Interesse des Vermieters im Sinne vom § 573 Abs. 1 BGB könne sich zwar auch daraus ergeben, dass einem Mitarbeiter eine Wohnung aus betrieblichen Gründen vermietet werden solle (Betriebsbedarf). Es müsse jedoch nach Art und Schwere mit den Fällen des § 573 Abs. 2 BGB vergleichbar sein. Das sei hier nicht der Fall. Bei einer an einen Betriebsfremden vermieteten Wohnung genüge es nicht, dass sie einem Betriebsangehörigen mit konkretem Wohnbedarf vermietet werden solle. Zusätzlich müsse gerade das Bewohnen dieser speziellen Räume durch diesen Arbeitnehmer für die ordnungsgemäße Führung des Betriebs erforderlich sein.

Die Klägerin habe nicht schlüssig dargelegt, inwiefern es zur Führung ihres Betriebs notwendig sei, dass ihr Mitarbeiter W. unmittelbar an seiner Arbeitsstelle wohne. Dabei könne dahinstehen, ob er eine „Schlüsselkraft“ des Unternehmens sei, denn selbst dann sei nicht nachvollziehbar, warum er auf dem Betriebsgelände wohnen müsse. Nach den Angaben des vom Berufungsgericht persönlich gehörten Geschäftsführers der Klägerin gehe es allein darum, den Wohnbedarf des Mitarbeiters W. kostengünstig zu decken und für einen kurzen Weg in die eigene Wohnung zu sorgen. Darüber hinaus sei es für den Betriebsablauf auch nicht erforderlich, dass der Mitarbeiter W. ständig vor Ort sei, denn es sei davon auszugehen, dass vor Besichtigungen Termine mit gewerblichen Mietinteressenten vereinbart würden. Dies könne der Mitarbeiter W. auch von einem der zur Verfügung stehenden Büroräume aus tun.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

Die Klägerin kann von dem Beklagten nicht gemäß § 546 Abs. 1 BGB Räumung und Herausgabe der von ihm gemieteten Wohnung verlangen, denn das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis ist durch die Kündigung vom 27. Februar 2004 nicht beendet worden.

1. Eigenbedarf im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kommt bereits begrifflich nicht in Betracht. Die Klägerin als Kommanditgesellschaft (KG) kann die Räume weder „als Wohnung für sich“ noch für Familien- oder Haushaltsangehörige benötigen (vgl. zur juristischen Person Senatsurteil vom 10. September 2003 – VIII ZR 22/03, WuM 2003, 691 = NJW-RR 2004, 12, unter II 1; Staudinger/Rolfs, BGB (2006), § 573 Rdnr. 71, m.w.N.).

2. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht auch ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Beendigung des Mietverhältnisses mit dem Beklagten im Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB verneint. Die Beantwortung der Frage, ob ein berechtigtes Interesse im Sinne dieser Vorschrift gegeben ist, erfordert eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Sie obliegt in erster Linie dem Tatrichter und kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer rechtsfehlerfrei gewonnenen Tatsachengrundlage beruht, alle maßgeblichen Gesichtspunkte berücksichtigt worden sind und der Tatrichter den zutreffenden rechtlichen Maßstab angewandt hat (Senatsurteil vom 11. Januar 2006 – VIII ZR 364/04, WuM 2006, 193 = NJW 2006, 1585, Tz. 19). Der Prüfung anhand dieses Maßstabs halten die Ausführungen des Berufungsgerichts stand.

a) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses kann sich allerdings auch daraus ergeben, dass einem Mitarbeiter seines Unternehmens aus betrieblichen Gründen eine an einen Betriebsfremden vermietete Wohnung zur Verfügung gestellt werden soll, sofern der Vermieter vernünftige Gründe für die Inanspruchnahme der Wohnung hat, die den Nutzungswunsch nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2005 – VIII ZR 127/05, WuM 2005, 779, 781 = NJW 2005, 3782; Staudinger/Rolfs, aaO, § 573 Rdnr. 171).

Dabei ist zu beachten, dass der Kündigungstatbestand des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB den in § 573 Abs. 2 BGB genannten Kündigungsgründen gleichgewichtig ist (BVerfG NJW 1992, 105, 106, zu § 564b BGB aF; Staudinger/Rolfs, aaO, § 573 Rdnr. 166). Das Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses ist danach zu gewichten, ob und gegebenenfalls welche Bedeutung es für das Unternehmen hat, dass der Mitarbeiter seinen Wohnsitz in der vermieteten Wohnung nimmt. Dabei kommt es insbesondere auf die Funktion und die Aufgaben des Mitarbeiters an.

b) Das Berufungsgericht ist nach diesen Maßstäben ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin vernünftige Gründe für die Beendigung ihres Mietverhältnisses mit dem Beklagten nicht nachvollziehbar dargelegt hat.

Nach der tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts ist es aus betrieblichen Gründen weder geboten noch für den Betriebsablauf von nennenswertem Vorteil, dass der Mitarbeiter W. auf dem Betriebsgelände wohnt. Besichtigungen der Halle könne er auch von Büroräumen auf dem Gelände aus organisieren; Termine mit Mietinteressenten könnten auf diese Weise auch kurzfristig vereinbart werden. Dazu bedürfe es keiner Wohnung auf dem Betriebsgelände.

Es geht der Klägerin, wie das Berufungsgericht aufgrund der Angaben ihres Geschäftsführers bei dessen persönlicher Anhörung ohne Rechtsfehler festgestellt hat, im Wesentlichen darum, ihrem Mitarbeiter nach langer und ungeregelter Arbeitszeit, die – je nach Veranstaltungsdauer – auch nachts enden kann, zu einem kurzen Heimweg zu verhelfen. Dem hat das Berufungsgericht jedoch unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ohne Rechtsfehler kein entscheidendes Gewicht zugemessen.

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