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Eigenheimzulage bei Arbeitslosengeld

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen

Az.: L 8 AS 39/05 ER

Urteil vom 25.04.2005


Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 8. März 2005 aufgehoben.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. März 2005 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin beider Instanzen zu erstatten. F.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin gewährte der Antragstellerin mit Bescheid vom 21. Dezember 2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2005 in Höhe von 809,15 EUR monatlich. Die Zahlung wurde ab 1. März 2005 vorläufig eingestellt, weil die Antragstellerin am 15. März 2005 eine Eigenheimzulage in Höhe von 2.556,46 EUR erhielt, welche nach Auffassung der Antragsgegnerin als Einkommen zu berücksichtigen sei und Hilfebedürftigkeit ausschließe. Mit Bescheid vom 16. März 2005 hob die Antragsgegnerin die Leistungsbewilligung wegen der erhaltenen Eigenheimzulage vom 1. März bis zum 24. April 2005 auf. Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 4. April 2005 Widerspruch ein. Bereits am 1. März 2005 hatte die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Oldenburg beantragt, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verurteilen, ihr Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 809,15 EUR weiterhin auszuzahlen. Sie habe im Jahre 1999 mit öffentlichen Krediten ein behindertengerechtes Eigenheim gebaut. Die zu beanspruchende Eigenheimzulage habe sie unwiderruflich zur Tilgung an die Niedersächsische Landestreuhandstelle für das Wohnungswesen (LTS) abgetreten. Dieser Betrag werde nur formal vom Finanzamt auf ihr Konto überwiesen, weil sie den Betrag unverzüglich an die LTS weiterleite. Demgegenüber hat die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass es sich bei der Eigenheimzulage um eine verwertbare Einnahme handele, weil sie als Sonderzahlung zur Tilgung von Kreditverbindlichkeiten verwendet werde. Bei Teilung der Gesamteinnahmen durch den täglichen Gesamtbedarf ergebe sich für 55 Tage kein Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), die Antragstellerin könne vom 1. März bis zum 10. Mai 2005 den Lebensunterhalt durch die Eigenheimzulage bestreiten. Das SG Oldenburg hat durch Beschluss vom 8. März 2005 den Antrag auf Er-lass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. In den Gründen hat es ausgeführt, dass ein Anordnungsanspruch für die begehrte Eilentscheidung fehle. Die Antragsgegnerin sei gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 2 SGB II zur vorläufigen Zahlungseinstellung berechtigt gewesen. Die Antragstellerin beabsichtige, mit der Eigenheimzulage das Darlehen bei der LTS zu tilgen und auf diese Weise Vermögen zu bilden. Leistungen nach dem SGB II dürften jedoch nicht zur Vermögensbildung dienen. Die Antragstellerin hat gegen den Beschluss am 9. März 2005 Beschwerde eingelegt. Sie begehrt weiterhin Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 809,15 EUR, hilfsweise abzüglich 1/12 der Eigenheimzulage. Sie trägt vor, die Eigenheimzulage stehe ihr unter dem rechtlichen Aspekt der „nicht bereiten Mittel“ nicht zur Verfügung, weil diese unverzüglich an den Darlehensgeber weitergeleitet werde. Jedenfalls dürfte monatlich nur 1/12 der Eigenheimzulage als Einkommen vom Bedarf abgezogen werden, wie das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) früher zu § 76 Bundessozialhilfegesetz (BSGH) entschieden habe. Die Antragsgegnerin verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet und führt zur Aufhebung des sozialgerichtlichen Beschlusses. Das Begehren der Antragstellerin ist verfahrensrechtlich nicht als Regelungsverfügung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zu behandeln. Nach der vorläufigen Zahlungseinstellung hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 16. März 2005 die Leistungsbewilligung aufgehoben. Gegen diesen Bescheid richtet sich der Widerspruch der Antragstellerin vom 4. April 2005, der jedoch gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung hat. Ihr Ziel kann die Antragstellerin nunmehr über § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG erreichen. Wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Aufhebungsbescheid vom 16. März 2005 angeordnet, sind die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den streitigen Zeitraum auf der Basis des ursprünglichen Bewilligungsbescheids vom 21. Dezember 2004 fortzuzahlen. Die vorläufige Zahlungseinstellung entfaltet mit Erlass des Aufhebungsbescheides keine rechtlichen Wirkungen mehr. Einer ausdrücklichen Verurteilung der Antragsgegnerin bedarf es nicht. Gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht entscheidet über die beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach Ermessen und aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung. Sie ist in der Regel anzuordnen, wenn das Interesse des belasteten Leistungsempfängers an der aufschiebenden Wirkung überwiegt und die Behörde keine Umstände dargelegt hat, die einen Vorrang an alsbaldiger Vollziehung erkennen lassen (Meyer- Ladewig, SGG-Kommentar 7. Auflage, § 86b RdNr. 12). Vorliegend hat bei Abwägung der gegenseitigen Interessen eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 4. April 2005 zu ergehen, weil die Erfolgsaussichten der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren schutzwürdiger sind als das aktuelle Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Entscheidungserheblich im Hauptsacheverfahren ist, ob die Eigenheimzulage als Einkommen im Sinne von § 11 SGB II zu berücksichtigen ist, oder ob es sich insoweit um Einnahmen im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II handelt. Nach dieser Vorschrift sind zweckbestimmte Einnahmen, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären, nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Nach Ansicht des Senats ist die Eigenheimzulage bei der Einkommensermittlung nach § 11 SGB II nicht zu berücksichtigen, wenn und soweit bestimmte weitere Voraussetzungen erfüllt sind. Folgende rechtliche Überlegungen führen zu diesem Ergebnis: § 11 SGB II normiert seit dem 1. Januar 2005 für Personen, die selber erwerbsfähig sind oder mit einem Erwerbsfähigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, in welchem Umfang das jeweilige Einkommen bei der Ermittlung der (anspruchsbegründenden) Hilfsbedürftigkeit zu berücksichtigen ist. Mit anderen Worten: Es grenzt den Personenkreis der Hilfebedürftigen vom Kreis der nicht Hilfedürftigen ab und bestimmt zusammen mit weiteren Vorschriften den Umfang der Hilfebedürftigkeit. Für den Bereich der Sozialhilfe findet sich eine Definition des Einkommens in § 82 Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII), ergänzt durch die §§ 83 und 84 SGB XII. Die jeweiligen Einkommensbegriffe stimmen weder untereinander überein noch sind sie mit anderen Einkommensbegriffen, beispielsweise im Einkommensteuerrecht kompatibel. Bis zum 31. Dezember 2004 war die Situation ähnlich. Für Arbeitslose war der Einkommensbegriff in § 194 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) geregelt und bestimmte damit den Umfang der Bedürftigkeit für Arbeitslosenhilfeberechtigte, für den Bereich der Sozialhilfe definierten die §§ 76 bis 78 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) das dort maßgebende Einkommen. Hinsichtlich der hier entscheidungserheblichen Frage, ob es sich bei der Eigenheimzulage um Einkommen im Sinne der jeweiligen Regelungen handelt, war die Bestimmung im SGB III (insoweit wortidentisch mit der Vorläufervorschrift in § 138 Abs. 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG)) eindeutig. Nach § 194 Abs. 3 Nr. 3 SGB III galten im Hinblick auf die Arbeitslosenhilfe (Alhi) zweckgebundene Leistungen, insbesondere nichtsteuerpflichtige Aufwandsentschädigungen und Leistungen zur Erziehung, Erwerbsbefähigung und Berufsausbildung, nicht als Einkommen, ebenso sowie nach Nr. 4 der Vorschrift die Eigenheimzulage, soweit sie nachweislich zur Herstellung oder Anschaffung einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung in einem im Inland gelegenen eigenen Haus oder in einer eigenen Eigentumswohnung oder zu einem Ausbau oder einer Erweiterung an einer solchen Wohnung verwendet wurde. Im Regelfall beeinflusste die Eigenheimzulage damit nicht die Bedürftigkeit des Alhi-Empfängers. Anders war die Rechtslage für Personen, die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG bezogen oder beziehen wollten. Insoweit bestimmte § 77 Abs. 1 Satz 1 BSHG, dass Leistungen, die auf Grund öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen zu einem ausdrücklich genannten Zweck gewährt wurden, nur soweit als Einkommen zu berücksichtigen waren, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck diente. Hinsichtlich der Eigenheimzulage hat das BVerwG in seinem Urteil vom 28. Mai 2003 – 5 C 41/02 – (FEVS 55, 102, 106) entschieden, dass diese Einkommen iS des § 76 Abs. 1 BSHG darstelle und nicht nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BSHG privilegiert sei.

Der Senat hat bereits Bedenken, ob dieser Rechtsprechung hinsichtlich der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Bestimmungen gefolgt werden kann. Das BVerwG hat die Eigenheimzulage nicht als privilegiert angesehen, weil sie nicht zu einem ausdrücklich genannten Zweck gewährt werde und daher bei der Bemessung der Hilfe zum Lebensunterhalt berücksichtigt werden müsse. Ein bestimmter Zweck werde im Gesetz nicht ausdrücklich genannt. Die Zweckneutralität der Eigenheimzulage folge aus den in §§ 2, 4 und 5 Eigenheimzulagengesetz (EigZulG) geregelten Anspruchsvoraussetzungen, vor allem dem Umstand, dass die Eigenheimzulage ohne jeden „Verwendungsnachweis“ und unabhängig davon gewährt werde, ob bzw. in welchem Umfange sie tatsächlich zur Finanzierung eines Eigenheims verwendet wird (bzw. wegen der Aufnahme eines Kredites verwendet werden soll). Das BVerwG hat damit entscheidend auf den normativen Charakter der Zweckbindung abgestellt. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass die Eigenheimzulage als Teil des Gesetzes zur Neuregelung der steuerrechtlichen Wohneigentumsförderung eine verstärkte Förderung der sogenannten Schwellenhaushalte und dabei vorrangig der Familien mit Kindern bezwecken sollte. Durch Umgestaltung der früheren Förderung nach § 10 e des Einkommensteuergesetzes sollten die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, auch Haushalten mit geringerem Einkommen, die an der Schwelle zum Wohneigentum stehen, den Zugang zum Kauf oder Erwerb eigenen Wohneigentums zu erleichtern. Die Abkehr von der früheren Progressionsabhängigkeit der Eigenheimförderung sollte bewirken, dass auch nicht steuerbelastete Bezieher kleinerer Einkommen im vollen Umfang an der Förderung teilhaben konnten (BT-Drucksache 13/2235 und 13/2476). Dieses gesetzgeberische Ziel würde konterkariert, wenn Haushalte mit nicht steuerbelastetem Einkommen wie der Sozialhilfe gerade nicht in den Genuss der Förderung kommen konnten. Vor diesem Hintergrund kann das Argument des BVerwG nicht überzeugen, dass die Eigenheimzulage dann nicht entfalle, wenn sie nachweislich nicht zur Deckung der mit dem Erwerb oder der Fertigstellung eines begünstigten Objekts verbundenen Aufwendungen eingesetzt wird. Ohne Bedienung der für das geförderte Objekt aufgenommenen Darlehensverpflichtungen werden die Darlehn gekündigt mit der Folge, dass mangels anderer finanzieller Mittel letztlich das Objekt verkauft oder versteigert werden muss. Auch wenn bei einer Änderung der Verhältnisse, insbesondere bei Wegfall der Voraussetzungen der §§ 1, 2, 4 und 6 EigZulG nach Verlust des Objekts, die Eigenheimzulage nicht für die Vergangenheit zurückzuzahlen, sondern allein eine Neufestsetzung für die Zukunft vorzunehmen ist (§ 11 Abs. 2 und 3 EigZulG), kann dann das gesetzgeberische Ziel des Gesetzes zur Neuregelung der steuerrechtlichen Wohneigentumsförderung nicht mehr erreicht werden. Die Auffassung des BVerwG, es handele sich mithin um eine – nur – kausal an den Erwerb bzw. die Fertigstellung eines im Sinne von § 2 EigZulG begünstigten Objekts geknüpfte, an eine Einkommensgrenze (§ 5 EigZulG) gebundene generell-abstrakte Leistung, deren Verwendung im Belieben des Empfängers stehe, nicht aber um eine Leistung, die final der Deckung eines bestimmten Bedarfs diene (Urteil vom 28. Mai 2003, aaO), übersieht die zwingenden Konsequenzen seiner Rechtsprechung. Unabhängig von diesen Überlegungen kann die Entscheidung des BVerwG auf die seit dem 1. Januar 2005 geltenden Regelungen im SGB II nicht übertragen werden. Das Urteil vom 28. Mai 2003 (aaO) ist offenbar durch den Wortlaut des § 77 Abs. 1 Satz 1 BSHG geprägt, der lediglich Leistungen, die „aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck gewährt werden“, als privilegierte Einnahmen ansah. Diese Einschränkung hat jedenfalls keinen Eingang in das Regelungswerk des SGB II gefunden. Zwar hat sich der Gesetzgeber bei Verabschiedung des § 11 Abs. 3 SGB II grundsätzlich am Sozialhilferecht orientiert und bestimmte Einnahmen wegen ihres Charakters oder der Zweckbindung von der Einkommensberücksichtigung ausgenommen (BT-Drucksache 15/1516, abgedruckt in Hauck/Noftz, SGB II-Kommentar, M 010 Seite 100 zu § 11). Ein gesetzlich ausdrücklich genannter Zweck der Leistung ist aber nicht mehr erforderlich. § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II ähnelt vielmehr der Regelung in § 194 Abs. 3 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der bis zum 31. Dezember 2004 gültigen Fassung (früher: § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG). Daran muss sich die Auslegung der zweckbestimmten Einnahmen orientieren. Wie bereits das Bundessozialgericht (BSG) zu den Vorgängervorschriften entschieden hatte, erwächst die Zweckbindung nicht allein aus der Verwendung der gewährten Leistung; wesentliche Grundlage für die Zweckbindung ist vielmehr das Motiv, aus dem heraus die Leistung gewährt wird. Es ist daher nicht erforderlich, dass die Empfänger hinsichtlich des tatsächlichen Verbrauchs einer solchen Leistung zwingend und gesetzlich festgelegt sein muss (BSGE 19, 62, 63). Es genügt, wenn die Leistung aus einem bestimmten Anlass und in einer bestimmten Erwartung gegeben wird und im Allgemeinen mit einer Verwendung für den gedachten Zweck gerechnet werden kann (BSGE 19, 137, 138). Unerlässliche Voraussetzung ist allerdings, dass derartigen Leistungen eine bestimmte, vom Gesetzgeber erkennbar gebilligte Zweckrichtung zu eigen ist, die im Falle der Anrechnung der Leistung auf eine andere einkommensabhängige Sozialleistung zu einer Zweckvereitelung führen würde (BSG, SozR 4100 § 138 Nr. 3 und SozR 3-4100 § 138 Nr. 1). Die Voraussetzungen für eine zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II sind bei der Eigenheimzulage erfüllt (so auch Hengelhaupt, in Hauck/Noftz, SGB II-Kommentar, K § 11 RdNr. 235f; anderer Ansicht: Brühl in LPK-SGB II, § 11 RdNr. 43). Die Eigenheimzulage nach dem Eigenheimzulagengesetz vom 26. März 1997 (BGBl I S 734) bezweckt eine verstärkte Förderung der sog Schwellenhaushalte. Familien mit geringem oder mittlerem Einkommen soll der Zugang zum Kauf oder Erwerb eigenen Wohneigentums besser ermöglicht werden, da Wohneigentum als wesentlicher Bestandteil der privaten Alters-vorsorge angesehen wird. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde das Eigenheimzulagengesetz in Abkehr zum § 10e Einkommenssteuergesetz (EStG) unabhängig von der einkommensteuerrechtlichen Progression ausgestaltet. Das bewirkt, dass auch Bezieher von nicht oder nur geringfügig steuerbelasteten kleinen Einkommen eine gleich hohe Förderung erhalten und somit in vollem Umfange begünstigt werden (BT-Drucksache 13/2235 und 13/2476). Entscheidend für die zu beantwortende Rechtsfrage ist der Umstand, dass ohne die Herstellung oder Anschaffung einer selbstbewohnten Wohnung im Inland eine Förderung durch die Eigenheimzulage nicht möglich ist. Die Eigenheimzulage ist daher nicht dazu bestimmt, wie normales Arbeitseinkommen dem allgemeinen Lebensunterhalt zu dienen, sondern zur Schaffung von Vermögen (Wohneigentum) von Gering- und Mittelverdienern. Dabei handelt es sich um einen Zweck, der wegen der gesellschaftspolitischen Bedeutung eine besondere Begünstigung genießt, von der der Gesetzgeber bei Schaffung des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II nach seinem objektivierbaren Willen nicht offenkundig abweichen wollte. Es würde Sinn und Zweck der zur Schaffung von Wohneigentum gewährten Eigenheimzulage widersprechen, wenn diese als Einnahme auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II angerechnet würde. Gegen eine Anrechnung spricht auch, dass nach Ablauf des Förderungszeitraumes von 8 Jahren (§ 3 EigZulG) und der damit üblicherweise verbundenen Tilgung des Darlehns (vgl. beispielsweise die Darlehensbestimmungen der LTS im Zusammenhang mit den jeweiligen Wohnungsbauprogrammen des Landes Niedersachsen, für das Jahr 2000 RdErl des MFAS vom 12. Juli 2000 – VORIS 23 400 00 00 45 014 -) das dann vorhandene selbstgenutzte Wohneigentum als Vermögen nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II bei der Zahlung von Arbeitslosengeld II (ALG II) nicht zu berücksichtigen ist. Die Eigenheimzulage ist deshalb als zweckgebunden im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II und somit als privilegiertes Einkommen anzusehen. Ihr ist eine bestimmte, erkennbar gebilligte Zweckrichtung zu eigen, die nicht in der Bestreitung des Lebensunterhaltes besteht. Die Zweckrichtung würde verfehlt, wenn der Empfänger die Leistung als Einkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts verwenden müsste und dadurch gehindert wäre, sie ihrer eigentlichen Zweckbestimmung zufließen zu lassen. Erforderlich ist allerdings der Verwendungsnachweis, dass die Eigenheimzulage tatsächlich zur Herstellung oder Anschaffung des selbstgenutzten Wohneigentums eingesetzt wird. Die Antragstellerin hat durch Vorlage des Bewilligungsbescheides der LTS vom 7. Januar 2000 belegt, dass sie ihre Ansprüche auf Auszahlung der Eigenheimzulage unwiderruflich an die Darlehensgeberin abgetreten hat. Unerheblich ist es, ob die Abtretung wirksam nach der Abgabenordnung gegenüber dem Finanzamt angezeigt wurde und ob die Eigenheimzulage zunächst zu Händen der Antragstellerin ausgezahlt wird. Die Antragstellerin hat glaubhaft dargelegt, dass die zu erwartende Eigenheimzulage fester Bestandteil der geplanten Wohnraumfinanzierung ist, die deshalb an die Darlehensgeberin zur Erfüllung der Kreditverbindlichkeiten abgeführt wird. Dadurch kommt die Antragstellerin der vom Gesetzgeber durch Gewährung der Eigenheimzulage an die Bevölkerungsschicht mit geringem Einkommen aufgestellten Erwartung nach. Bei der erforderlichen Interessenabwägung wertet der Senat das Interesse der Antragstellerin höher als das der Antragsgegnerin. Der Senat geht nach seinem derzeitigem Kenntnisstand davon aus, dass kurzfristig eine Änderung des SGB II im Sinne einer Klarstellung oder Änderung des § 11 Abs. 3 SGB II erfolgen wird. Hierfür spricht, dass die streitige Praxis der Träger der Grundsicherung, die Eigenheimzulage als Einkommen im Sinne des SGB II zu berücksichtigen, an maßgebenden Stellen auf Kritik gestoßen ist. So hat der Ombudsrat für die Grundsicherung in seiner Presseerklärung vom 14. April 2005 angeregt, die Eigenheimzulage „grundsätzlich nicht als Einkommen anzurechnen, wenn die Zulage nachweislich zur Tilgung eingesetzt wird und somit nicht dem Bezieher von Alg II zur Verfügung steht“ (http://www.ombudsrat.de/Ombudsrat/Navigation/pressemitteilungen,did=62442.html). Auch ist dem Senat bekannt, dass anlässlich der Sitzung der Fachkommission „Wohnungsbauförderung“ mehrere Bundesländer vereinbart haben, an das Bundesministerium für Wirtschaft, Arbeit und Soziales heranzutreten mit dem Ziel einer Nachbesserung des SGB II dahingehend, die Eigenheimzulage nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen der Bescheid der Antragsgegnerin 16. März 2005 ist deshalb in jedem Fall höher einzuschätzen als das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Diese wird lediglich verpflichtet, der Antragstellerin vorerst weiter Leistungen nach dem SGB II zu zahlen. Durch die Weiterleitung der Eigenheimzulage an die LTS verringert sich ihre Darlehensverpflichtung und sie schafft Sicherheiten, die der Antragsgegnerin im Falle des Obsiegens im Hauptsacheverfahren zu Gute kommen können.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Da die Antragstellerin zweitinstanzlich obsiegt, hat die Antragsgegnerin ihre außergerichtlichen Aufwendungen in beiden Rechtszügen zu erstatten. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

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