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Eigenkündigung – Schadensersatzanspruch gegen Arbeitgeber

Bundesarbeitsgericht

Az: 8 AZR 623/07

Urteil vom 21.05.2008


In Sachen hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der Beratung vom 21. Mai 2008 für Recht erkannt:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. März 2007 – 8 Sa 2276/05 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger auf Grund einer von der Beklagten durch vertragswidriges Verhalten veranlassten Eigenkündigung ein Schadensersatzanspruch wegen des Verlustes seines Arbeitsplatzes zusteht.

Der Kläger war seit August 1994 bei der E GmbH als Auslieferungsfahrer beschäftigt. Die Beklagte ist die im Jahre 1998 ausgegliederte Vertriebsgesellschaft für die von der E GmbH hergestellten Brot- und Backwaren. Bei ihr war der Kläger seit dem 1. Februar 1998 tätig. Sie beschäftigte zwölf Arbeitnehmer in Voll- und einen Arbeitnehmer in Teilzeit. Am 9. Januar 2005 wurden durch eine Explosion, deren Ursache nicht geklärt ist, die Produktionsanlagen der E GmbH zerstört.

Der Kläger war Mitglied des Betriebsrates. Am 8. März 2005 beantragte die Beklagte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Am 10. März 2005 bestellte das Amtsgericht Essen den Rechtsanwalt N zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Mit Beschluss vom 6. Mai 2005 wies das Amtsgericht Essen den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse ab. Durch das Amtsgericht Gelsenkirchen wurde die Beklagte wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht. Die Auflösung der Beklagten wurde am 3. August 2005 im Handelsregister eingetragen.

Die Beklagte hatte dem Kläger für den Monat Dezember 2004 nur einen Teil des ihm zustehenden Monatslohnes ausbezahlt. Danach stellte sie jegliche Vergütungszahlungen ein. Der Kläger erhielt für den Zeitraum 1. Dezember 2004 bis 28. Februar 2005 Insolvenzgeld. Mit Schreiben vom 16. März 2005 kündigte er sein Arbeitsverhältnis „fristlos zum 16.03.2005“. Seit dem 17. März 2005 bezog der Kläger Arbeitslosengeld.

Mit Schreiben vom 6. April 2005 forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung der Arbeitsvergütung bis einschließlich 30. Juni 2005 und zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 21.076,55 Euro auf.

Der Kläger hat zunächst die Zahlung von Arbeitsvergütung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 30. Juni 2005 und die Zahlung einer Abfindung als Schadensersatz für den Verlust seines Arbeitsplatzes in Höhe von 21.076,55 Euro klageweise geltend gemacht.

Er behauptet, sein Arbeitsverhältnis am 16. März 2005 außerordentlich auf Grund des Zahlungsverzuges der Beklagten gekündigt zu haben. Ihm sei die Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar gewesen. Er bestreitet, dass die Zahlungsschwierigkeiten der Beklagten im Zusammenhang mit der Explosion bei der E GmbH gestanden haben. So sei bereits sein Lohn für Dezember 2004 nicht vollständig ausbezahlt worden, obwohl die Explosion erst im Januar 2005 erfolgt sei. Auch habe die E GmbH mit der Beklagten einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet. Eine Abmahnung der Beklagten vor Ausspruch seiner außerordentlichen Kündigung sei nicht erforderlich gewesen, da zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches der Insolvenzgeldzahlungszeitraum abgelaufen gewesen sei und die Beklagte darüber hinaus mehrere Wochen mit den Lohnzahlungen im Rückstand gewesen sei.

Die Beklagte beruft sich darauf, die Explosion bei der E GmbH habe zu einem vollständigen Produktionsausfall geführt. Sie habe ihren Betrieb durch Zukäufe bei anderen Herstellern bis zum 22. Februar 2005 aufrechterhalten können. Bezüglich der geltend gemachten Schadensersatzansprüche auf Lohnzahlung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 30. Juni 2005 habe der Kläger ebenso wenig eine konkrete Pflichtverletzung der Beklagten dargelegt wie hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruches wegen des Verlustes seines Arbeitsplatzes.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zum Schadensersatz in Höhe der Vergütung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 30. Juni 2005 verurteilt. Die Klage auf Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 21.076,55 Euro wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes hat das Arbeitsgericht abgewiesen.

Gegen dieses Urteil hat nur der Kläger Berufung eingelegt und zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 21.076,55 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie macht ua. geltend, es fehle ihr an der erforderlichen Partei- und Prozessfähigkeit, weil sie nach Ablehnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse von Amts wegen im Handelsregister gelöscht worden sei. Außerdem sei eine dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wegen vollständiger Betriebsschließung nicht mehr in Frage gekommen. Selbst wenn sie mit der E GmbH einen Gemeinschaftsbetrieb geführt hätte, wäre dieser durch die Zerstörung des Produktionsbetriebes, nämlich der E GmbH, zum Erliegen gekommen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Schadensersatzanspruch wegen des Verlustes seines Arbeitsplatzes weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht zurückgewiesen, da diesem der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zusteht.

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet.

I. Die Klage sei zulässig, weil der Kläger substantiiert behauptet habe, dass die mittlerweile gelöschte Beklagte noch über Aktiva verfüge. Aus dem Bericht des Insolvenzverwalters an das Insolvenzgericht ergebe sich, dass die Möglichkeit bestehe, die Beklagte könne als Vertriebsgesellschaft der E GmbH Ansprüche gegen diese durchsetzen, weil deren Feuer- und Betriebsunterbrechungsversicherung auch „Zulieferer- und Abnehmerrückwirkungsschäden“ abdecke.

II. Die Klage sei aber unbegründet. Ob dem Arbeitnehmer, der sein Arbeitsverhältnis zu Recht aus wichtigem Grund gekündigt habe, nach § 628 Abs. 2 BGB neben der entgangenen Vergütung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist auch noch eine Entschädigung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes zustehe, müsse nach den Regeln der „Differenzhypothese“ beurteilt werden. Es sei „die Gegenüberstellung der Vermögenslage des Geschädigten ohne Eintritt des schädigenden Ereignisses und unter Berücksichtigung desselben geboten“. Insoweit bedürfe es der realitätsgerechten Einschätzung eines hypothetischen Kausalverlaufes. Sei im Zeitpunkt der ausgesprochenen Eigenkündigung des Arbeitnehmers die Erwartung berechtigt gewesen, ohne den vom Arbeitgeber zu verantwortenden Kündigungsgrund werde das Arbeitsverhältnis aller Voraussicht nach noch auf längere Zeit fortgesetzt, so umfasse der dem Arbeitnehmer zu ersetzende Schaden auch den entsprechend §§ 9, 10 KSchG zu bestimmenden wirtschaftlichen Wert des Arbeitsverhältnisses. Sei dagegen zeitnah mit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu rechnen, so wirke sich dies bei der maßgeblichen „Differenzhypothese“ schadensrechtlich zu Lasten des Geschädigten aus. Stelle man bei der Beurteilung, ob dem Kläger in Folge seiner Eigenkündigung ein wirtschaftlicher Schaden, der über den Verlust der Arbeitsvergütung für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist hinausgehe, entstanden sei, auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ab, ergebe sich, dass der Kläger bei rückschauender Betrachtung auch ohne die arbeitgeberseitig veranlasste Eigenkündigung „einen wertmäßig auszugleichenden sozialen Besitzstand nicht aufgegeben“ habe. Aus den Insolvenzakten ergebe sich, dass weder der Produktionsbetrieb noch der Vertrieb fortgeführt worden seien. Unter Einbeziehung der nachfolgenden Entwicklung müsse davon ausgegangen werden, dass bereits zum Zeitpunkt der Eigenkündigung des Klägers für eine Betriebsfortführung keine Grundlage bestanden habe. Der Kläger sei mit seiner Kündigung einer ansonsten erforderlichen und zulässigen zeitnahen betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung zuvorgekommen. Werde bei der Feststellung, inwiefern dem Kläger durch den Verlust seines Arbeitsplatzes und seinen „Verzicht“ auf Kündigungsschutz ein wirtschaftlicher Schaden entstanden sei, auf die im Zeitpunkt der Eigenkündigung absehbare Entwicklung abgestellt, ergebe sich nichts anderes. Aus dem Bericht des vorläufigen Insolvenzverwalters sei zu entnehmen, dass für eine Fortführung des durch die Beklagte betriebenen Vertriebes von Backwaren eine ausreichende wirtschaftliche Grundlage nur dann bestanden hätte, wenn die von der E GmbH geschlossene Feuerversicherung kurzfristig Leistungen erbracht hätte. Damit sei aber wegen des Verdachtes auf Brandstiftung nicht zu rechnen gewesen. Deshalb sei bereits im Zeitpunkt der Eigenkündigung des Klägers nicht ernsthaft mit einer Fortführung des Betriebes zu rechnen gewesen.

Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

B. Die Klage ist zulässig.

I. Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht an, die Beklagte sei trotz ihrer am 3. August 2005 im Handelsregister bekannt gemachten Löschung parteifähig iSd. § 50 Abs. 1 ZPO. Danach ist parteifähig, wer rechtsfähig ist. Eine GmbH entsteht nach § 11 Abs. 1 GmbHG mit der Eintragung in das Handelsregister. Damit wird sie auch rechtsfähig. Sie erlischt mit dem Eintritt der sog. Vollbeendigung, welche die Vermögenslosigkeit und die Eintragung der Löschung der GmbH im Handelsregister voraussetzt.

Mit dem Wegfall der Rechtsfähigkeit erlischt grundsätzlich auch die Parteifähigkeit einer juristischen Person (BAG 4. Juni 2003 – 10 AZR 448/02 – BAGE 106, 217 = AP ZPO § 50 Nr. 13 = EzA ZPO 2002 § 50 Nr. 1). Dennoch wird eine GmbH trotz ihrer Löschung im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit oder Liquidation als parteifähig behandelt, wenn mit der Klage vermögensrechtliche Ansprüche verfolgt werden und der Kläger substantiiert behauptet, die GmbH habe noch Aktivvermögen. Vermögen in diesem Sinne liegt auch dann vor, wenn die gelöschte GmbH noch Ersatzansprüche, zB gegen den Liquidator, hat (vgl. Senat 25. September 2003 – 8 AZR 446/02 – AP BGB § 613a Nr. 256 = EzA ZPO 2002 § 50 Nr. 2).

Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, genügt bereits die Behauptung des Klägers, die Beklagte habe als Vertriebsgesellschaft gegen die Produktionsgesellschaft, die E GmbH, noch Ersatzansprüche, welche durch die abgeschlossene Feuer- und Betriebsunterbrechungsversicherung gedeckt seien, für die Annahme eines substantiierten Sachvortrages zum Vorhandensein von Aktivvermögen bei der Beklagten.

Die Beklagte ist auch prozessfähig. Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit, Prozesshandlungen selbst, oder durch selbstbestellte Vertreter wirksam vor- oder entgegenzunehmen. Eine GmbH ist als juristische Person als solche nicht fähig, Prozesshandlungen selbst vorzunehmen. Sie wird nach § 35 Abs. 1 GmbHG durch ihren Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten.

Zwar hat der vormalige Geschäftsführer der Beklagten, E, mit der Löschung der Beklagten seine Bestellung als gesetzlicher Vertreter der Beklagten verloren. Es entspricht jedoch der ständigen Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes, dass der Wegfall der Prozessfähigkeit dann ohne Bedeutung ist, wenn dem Prozessbevollmächtigten wirksam Prozessvollmacht erteilt worden war, weil diese Vollmacht nach § 86 ZPO weiter wirkt (Senat 25. September 2003 – 8 AZR 446/02 – AP BGB § 613a Nr. 256 = EzA ZPO 2002 § 50 Nr. 2 mwN). Dass dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten bereits vor der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht am 15. Juni 2005, also vor der Eintragung der Löschung der Beklagten im Handelsregister am 3. August 2005, Prozessvollmacht erteilt worden war, ist aus den Akten ersichtlich und zwischen den Parteien unstreitig.

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II. Die Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz wegen des Verlustes seines Arbeitsplatzes nach § 628 Abs. 2 BGB nicht zu.

1. § 628 Abs. 2 BGB rechtfertigt diesen Anspruch auch dann nicht, wenn man – wie vom Arbeitsgericht angenommen – davon ausgeht, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Anspruch nach § 628 Abs. 2 BGB vorliegen, nämlich eine fristgerecht ausgesprochene berechtigte außerordentliche Kündigung des Klägers, die durch ein vertragswidriges Verhalten der Beklagten veranlasst war.

Der Ersatz des sog. Auflösungsschadens umfasst grundsätzlich die Pflicht, den Anspruchsberechtigten so zu stellen, wie er bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses stehen würde (§§ 249 ff. BGB), weil der Anspruch aus § 628 Abs. 2 BGB auf das volle Erfüllungsinteresse geht. Daraus folgt, dass dem Arbeitnehmer bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist der entgangene Verdienst im Wege des Schadensersatzes vom Arbeitgeber zu ersetzen ist (allgemeine Meinung; vgl. Senat 26. Juli 2001 – 8 AZR 739/00 -BAGE 98, 275 = AP BGB § 628 Nr. 13 = EzA BGB § 628 Nr. 19 mwN). Zu diesem, auf den Zeitraum der fiktiven Kündigungsfrist beschränkten Schadensersatzanspruch wegen Verdienstausfalles kann ein Anspruch auf eine den Verlust des Bestandsschutzes des Arbeitsverhältnisses ausgleichende angemessene Entschädigung entsprechend §§ 9, 10, 13 KSchG hinzutreten. Der kündigende Arbeitnehmer hat nämlich – veranlasst durch das vertragswidrige Verhalten des Arbeitgebers – auf den durch die Kündigungsschutzbestimmungen vermittelten Bestandsschutz verzichtet. Den Arbeitnehmer trifft neben der für die Dauer der Kündigungsfrist entfallenen Vergütung ein weiterer wirtschaftlicher Verlust, für den er einen angemessenen Ausgleich verlangen kann. Für die Bemessung dieses Ausgleiches bietet es sich an, auf die Abfindungsregelungen der §§ 9, 10, 13 KSchG abzustellen. Die Lage des wegen schuldhafter Vertragspflichtverletzung des Arbeitgebers selbst kündigenden Arbeitnehmers ist mit derjenigen des unberechtigt gekündigten Arbeitnehmers vergleichbar, der einen Auflösungsantrag nach § 9 oder § 13 KSchG gestellt hat, weil ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist (vgl. Senat 26. Juli 2001 – 8 AZR 739/00 – aaO; 22. April 2004 – 8 AZR 269/03 – AP BGB § 628 Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 628 Nr. 4). Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers ist jedoch, dass im Falle einer unberechtigten Arbeitgeberkündigung die §§ 9, 10 und/oder 13 KSchG Anwendung fänden.

2. An dieser Rechtsprechung ändert auch die am 1. Januar 2004 in Kraft getretene Neufassung des § 13 Abs. 1 Satz 4 KSchG nichts. Dieser bestimmt, dass das Gericht im Falle einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung bei einem begründeten Auflösungsantrag des Arbeitnehmers für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzulegen hat, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Eine solche Klarstellung enthielt § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG aF nicht. Dort hieß es: „Stellt das Gericht fest, dass die außerordentliche Kündigung unbegründet ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat auf seinen Antrag das Gericht das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessen Abfindung zu verurteilen; die Vorschriften des § 9 Abs. 2 und der §§ 10 bis 12 gelten entsprechend.“

Mit der gesetzlichen Neuregelung ist lediglich die herrschende Rechtsprechung zu § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG aF ausdrücklich in den neugefassten § 13 Abs. 1 Satz 4 KSchG übernommen worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts war die Verweisung in § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG auf § 9 Abs. 2 KSchG dahingehend zu verstehen, dass das Arbeitsverhältnis zu dem Zeitpunkt aufzulösen war, zu dem die außerordentliche Kündigung gewirkt hätte (vgl. BAG 22. Februar 1968 – 5 AZR 278/67 – BAGE 20, 324 = AP KSchG 1951 § 7 Nr. 22 = EzA KSchG § 7 Nr. 4; 9. April 1981 – 6 AZR 787/78 – BAGE 35, 200 = AP KSchG 1969 § 11 Nr. 1 = EzA KSchG § 11 Nr. 3). Für den Fall, dass der Arbeitgeber hilfsweise eine ordentliche Kündigung ausgesprochen hat oder eine unwirksame außerordentliche Kündigung nach § 140 BGB in eine ordentliche umgedeutet werden kann, bleibt es auch nach der Neufassung des § 13 Abs. 1 KSchG dabei, dass der Arbeitnehmer ein Wahlrecht hinsichtlich des Auflösungszeitpunktes hat. Er kann den Antrag nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG (Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum Ablauf der Kündigungsfrist, § 9 Abs. 2 KSchG) oder den nach § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG (Auflösung zum Zeitpunkt des Ausspruches der außerordentlichen Kündigung, § 13 Abs. 1 Satz 4 KSchG) stellen (allgemeine Meinung; ErfK/Kiel 8. Aufl. § 9 KSchG Rn. 33; AnwK-ArbR/Dreher/Schmitz-Scholemann § 13 KSchG Nr. 13; KFA-ArbR/Bröhl § 13 KSchG Rn. 9).

3. Eine Entschädigung nach § 628 Abs. 2 BGB iVm. §§ 9, 10, 13 KSchG analog ist immer dann zu zahlen, wenn der durch das Kündigungsschutzgesetz vermittelte Bestandsschutz verloren geht. Das Gesetz bestimmt in §§ 9, 10, 13 KSchG den Wert des Bestandsschutzes, wenn das Festhalten am Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer unzumutbar ist. Diese gesetzliche Wertung rechtfertigt es, den Verlust des Bestandsschutzes als normative Schadensposition anzuerkennen. Für die Feststellung des Schadens kommt es daher nicht darauf an, ob unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände eine Abfindung gezahlt worden wäre, sondern darauf, ob der Arbeitnehmer in einem durch das Kündigungsschutzgesetz bestandsgeschützten Arbeitsverhältnis gestanden hat.

a) Dies ist vorliegend der Fall, weil das Arbeitsverhältnis des Klägers im Betrieb der Beklagten seit 1998 und damit länger als sechs Monate bestanden hat (§ 1 Abs. 1 KSchG) und diese zwölf Arbeitnehmer beschäftigt, so dass der erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes (§§ 1 – 14) auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung gefunden hat (§ 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG).

b) Ein Entschädigungsanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB wegen des Verlustes des Bestandsschutzes setzt neben der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes weiter voraus, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Arbeitnehmerkündigung das Arbeitsverhältnis seinerseits nicht selbst hätte kündigen dürfen, dass also kein Kündigungsgrund iSd. § 1 Abs. 2 KSchG oder § 626 BGB bzw. § 15 Abs. 4 oder 5 KSchG bestanden hat.

Nach dem Schutzzweck des § 628 Abs. 2 BGB ist der Einwand des Arbeitgebers, auch er hätte das Arbeitsverhältnis berechtigterweise kündigen können, erheblich. Der (hypothetische) Ausspruch einer Kündigung durch die Vertragspartei, welche die Auflösung des Dienstverhältnisses verschuldet hat, begrenzt den durch die Schadensersatzpflicht gewährleisteten Schutz. Es kommt nicht darauf an, ob der Kündigungsgegner sich auf seine Kündigungsmöglichkeit ausdrücklich beruft und beweist, dass er sie ausgeübt hätte (Senat 26. Juli 2007 – 8 AZR 796/06 – AP BGB § 628 Nr. 19 = EzA BGB 2002 § 628 Nr. 6 mwN; BGH 3. März 1993 – VIII ZR 101/92 – BGHZ 122, 9). Eine solche Kündigungsmöglichkeit stellt keine Reserveursache iSd. Allgemeinen Schadensersatzrechts dar, die als hypothetisches Ereignis keine Berücksichtigung findet, wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt aus anderem Anlass eingetreten wäre und denselben Erfolg wie das die Schadensersatzpflicht auslösende Ereignis herbeigeführt hätte (st. Rspr. vgl. BGH 22. Januar 1959 – III ZR 148/57 – BGHZ 29, 207; 1. Februar 1994 – VI ZR 229/92 – BGHZ 125, 56 mwN). Vielmehr besteht dann nach dem Schutzzweck des § 628 Abs. 2 BGB kein über den Verdienstausfall für die Dauer der Kündigungsfrist hinaus auszugleichender Schaden, wenn der Arbeitgeber seinerseits das Arbeitsverhältnis ordentlich kündigen könnte (Senat 26. Juli 2007 – 8 AZR 796/06 – aaO).

c) Die Beklagte hat sich ausdrücklich darauf berufen, dass sie ihren Betrieb zum Zeitpunkt der Eigenkündigung des Klägers am 16. März 2005 bereits stillgelegt habe, so dass ihr ein betriebsbedingter Kündigungsgrund zur Seite gestanden hätte.

Eine wegen Betriebsstilllegung erklärte Kündigung setzt den ernstlichen und endgültigen Entschluss des Unternehmers voraus, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufzuheben. Sie kann bereits erklärt werden, wenn die Umstände einer Betriebsstilllegung schon greifbare Formen angenommen haben und bei einer vernünftigen betriebswirtschaftlichen Betrachtung mit einiger Sicherheit davon auszugehen ist, dass bis zum Ablauf der einzuhaltenden Kündigungsfrist die Stilllegung durchgeführt sein wird (st. Rspr.; vgl. Senat 14. August 2007 – 8 AZR 1043/06 – AP BGB § 613a Nr. 325 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 74).

Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass vom vorläufigen Insolvenzverwalter weder der Produktionsbetrieb, dh. der Betrieb der E GmbH, noch der Vertrieb, dh. der Betrieb der Beklagten, fortgeführt worden sind. Für eine Betriebsfortsetzung habe auch zum Zeitpunkt der Kündigung „objektiv keine Grundlage bestanden“. Diese Feststellungen sind vom Kläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden und damit für das Revisionsgericht nach § 559 Abs. 2 ZPO bindend. Da der vorläufige Insolvenzverwalter mit Wirkung vom 10. März 2005 bestellt worden war und dieser – wie vom Landesarbeitsgericht festgestellt – den Betrieb der Beklagten nicht fortgeführt hatte und auch keine Wiederaufnahme der Betriebstätigkeit erfolgt war, lag zum Zeitpunkt der Eigenkündigung des Klägers am 16. März 2005 bereits eine zum Kündigungsausspruch berechtigende endgültige Betriebsstilllegung des Betriebes der Beklagten vor.

Damit wäre die Beklagte zum Zeitpunkt der Eigenkündigung des Klägers am 16. März 2005 ihrerseits zum Ausspruch einer Kündigung wegen Betriebsstilllegung gegenüber dem Kläger, als Mitglied des Betriebsrates, nach § 15 Abs. 4 KSchG berechtigt gewesen.

4. Der Kläger kann seinen geltend gemachten Entschädigungsanspruch nicht mit Erfolg auf den ihm als Betriebsratsmitglied zustehenden Sonderkündigungsschutz nach § 15 KSchG stützen.

Eine von der Beklagten wegen Stilllegung ihres Betriebes ausgesprochene Kündigung wäre auch gegenüber dem Kläger gem. § 15 Abs. 4 KSchG frühestens zum Zeitpunkt der Betriebsstilllegung zulässig gewesen. Ein durch § 15 KSchG geschützter Arbeitnehmer, der sein Arbeitsverhältnis wegen eines durch vertragswidriges Verhalten seines Arbeitgebers veranlassten Grundes gekündigt hat, hat keine weitergehenden Ansprüche auf Schadensersatz wegen Verlustes seines Arbeitsplatzes als ein nicht dem Sonderkündigungsschutz unterfallender Arbeitnehmer. Der Verlust dieses besonders geschützten Arbeitsplatzes begründet keinen über § 628 Abs. 2 BGB iVm. §§ 9, 10, 13 KSchG hinausgehenden Schadensersatzanspruch. Auch der Verlust eines besonders gegen Arbeitgeberkündigungen geschützten Arbeitsplatzes kann nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben der §§ 9, 10, 13 KSchG ausgeglichen werden. Für darüber hinausgehende Schadensersatzansprüche fehlt es an entsprechend heranzuziehenden gesetzlichen Regelungen (im Ergebnis ebenso: ErfK/Müller-Glöge 8. Aufl. § 628 BGB Rn. 31; HWK/Sandmann 3. Aufl. § 628 BGB Rn. 64; KR-Weigand 8. Aufl. § 628 BGB Rn. 35; offen gelassen: Senat 26. Juli 2001 – 8 AZR 739/00 – aaO).

III. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht hätte aufklären müssen, ob im Betrieb der Beklagten mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt waren, so dass sich die Kündigungen gegenüber allen Arbeitnehmern als Betriebsänderung in Form einer Betriebsstilllegung nach § 111 BetrVG dargestellt hätten, ist unbegründet.

Selbst wenn die Beklagte dem Kläger unter Verstoß gegen die Verpflichtungen aus §§ 111, 112 BetrVG betriebsbedingt gekündigt hätte, wäre diese Kündigung wegen der erfolgten Betriebsstilllegung zulässig gewesen. Dem Kläger hätte dann allenfalls gem. § 628 Abs. 2 BGB ein Schadensersatzanspruch wegen eines entgangenen Nachteilsausgleichs gem. § 113 Abs. 3 BetrVG zustehen können. Ob ein solcher in Frage gekommen wäre, wenn die Beklagte mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt hätte, war vom Landesarbeitsgericht nicht zu prüfen, weil der Kläger einen solchen Anspruch nicht geltend gemacht hatte.

C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des erfolglosen Revisionsverfahrens zu tragen.

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