LAG Köln
Az.: 4 Sa 8/13
Urteil vom 28.06.2013
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 04.12.2012 – 6 Ca 9950/11 – abgeändert:
1 Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung des Beklagten vom 18.04.2012, zugegangen am 18.04.2012, nicht aufgelöst worden ist.
2 Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.
3 Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den im Arbeitsvertrag vom 14.02.2002 geregelten Arbeitsbedingungen als Anleiter im Fachbereich „Beratung und Hilfe“ bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.
4 Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob das zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis durch außerordentliche, hilfsweise fristgerechte Kündigung des Beklagten, die wegen eigenmächtigen Urlaubsantritts ausgesprochen wurde, beendet worden ist.
Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 3 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
Gegen dieses ihm am 28.01.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.01.2013 Berufung eingelegt und diese am 25.02.2013 begründet.
Der Kläger beruft sich zunächst darauf, dass bei dem Beklagten – was als solches unstreitig ist – keine schriftlichen niedergelegten Regeln für das Prozedere bei der Urlaubsbeantragung und -bewilligung existieren. Die bisherige Praxis habe so ausgesehen, dass die Urlaubsanträge durch die Arbeitnehmer bei der Zeugin B eingereicht und von dieser an den Einrichtungsleiter weitergegeben worden seien, der sie dann beschieden habe. Die Entscheidung sei jedoch nie schriftlich an den antragstellenden Arbeitnehmer verkündet worden -was als solches ebenfalls unstreitig ist. Eine positive Bescheidung des Urlaubsantrages sei vielmehr daran abzulesen gewesen, dass der entsprechende Urlaub in die zentrale Tafel mit den Dienstplänen aller Beschäftigten eingetragen worden sei.
Der Zeuge B habe ihm, dem Kläger, in dem Gespräch am 26.03.2012 auch tatsächlich mitgeteilt, wegen seines Urlaubsanspruches für die Zeit vom 02.04. bis zum 13.04.2012 müsse man „nochmal sehen“. Bis zum Urlaubsantritt sei es zu keiner weiteren Begegnung mit dem Zeugen B gekommen, weil dieser vom 28.03. bis zum 30.03.2012 nicht im Hause gewesen sei – was als solches ebenfalls unstreitig ist. Da sein beantragter Urlaub aber in den genannten Urlaubsplan eingetragen gewesen sei – wiederum unstreitig, habe er, der Kläger, nachdem er sich diesbezüglich noch einmal versichert habe, seinen Urlaub wie beantragt angetreten.
Der Kläger kritisiert sodann, dass das Arbeitsgericht den vernommenen Zeugen hinsichtlich der Frage gefolgt sei, ob dem Kläger von diesen explizit mitgeteilt worden sei, er könne seinen beantragten Urlaub nicht antreten.
Im Übrigen beruft sich der Kläger darauf, dass er nach §§ 1 und 7 Abs. 1 BUrlG einen Anspruch auf den Erholungsurlaub gehabt habe. Der Beklagte habe entsprechende Gründe, den Urlaub zu verweigern, weder vorgetragen noch seien sie sonst zu sehen. In seiner Eigenschaft als Leiter des Bereichs Renovierung der Einrichtung habe er, der Kläger, vor Antritt des Erholungsurlaubs alle offenstehenden Aufgaben in seinem Bereich abgeschlossen gehabt – dieses bestreitet der Beklagte ebenso wenig wie den nachfolgenden Vortrag: Die Durchführung des nächsten Auftrages, eine Fassadenrenovierung, sei in Absprache mit dem stellvertretenden Einrichtungsleiter,, Herrn S auf den 16.04.2012, also nach dem Urlaub terminiert worden. Andere Aufgaben hätten in der Zeit des geplanten Urlaubs nicht angestanden, was u. a. mit der ursprünglich drohenden Schließung der Einrichtung zusammengehangen habe.
Er, der Kläger, wäre – so dieser weiter- in der Zeit des angeblich versagten Erholungsurlaubs also ohne konkrete Beschäftigung gezwungen gewesen, die Arbeit bei seinem Arbeitgeber abzusitzen. Er habe auch – auch dieses bestreitet der Beklagte nicht – im März 2012 alle Vorbereitungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses treffen, insbesondere Farbe und Materialien zur Renovierung entsorgen müssen. Auch seien zum Zeitpunkt des Urlaubsantritts nach seinem Kenntnisstand keinerlei Beschäftigte mehr zur Anleitung vorhanden gewesen.
Schließlich habe der Beklagte einer Reihe von anderen Mitarbeitern in der fraglichen Zeit Urlaub gewährt. Der Kläger nennt diese Mitarbeiter und die gewährten Urlaubstage konkret. Insoweit wird auf Bl. 92 – 93 d. A. Bezug genommen.
Schließlich verweist der Kläger darauf, dass im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigten sei, dass er zehn Jahre beanstandungsloser Betriebszugehörigkeit aufzuweisen habe und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet sei.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 04.12.2012 – 6 Ca 9950/11 – abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu 1.), 2.) und 4.) zu erkennen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Handhabung beim Beklagten sei dergestalt, dass der Urlaubsantrag der Zeugin B übergeben worden sei, anschließend der Urlaubswunsch auf der Urlaubstafel eingetragen werde, um eine optische Übersicht über die einzelnen Wünsche und eventuelle Überschneidungen zu haben. Sodann werde der Urlaubsantrag dem Einrichtungsleiter zur Entscheidung vorgelegt. Soweit er bewilligt werde, werde er von diesem unterschrieben und die Bewilligung dem Arbeitnehmer mitgeteilt. Das erfolge grundsätzlich mündlich. Gleichzeitig erfolge eine Eintragung im Urlaubskalender der Zeugin B, der nicht mit der Urlaubstafel identisch sei.
In dem Gespräch am 28.03. sei dem Kläger auch mitgeteilt worden, dass der Urlaub nicht bewilligt werden könne, da zunächst eine Entscheidung über den Fortbestand der Einrichtung abgewartet werden müsse.
Auch die vom Kläger vorgebrachte Einwendung, wonach der Einrichtungsleiter B „nochmal sehen“ habe wollen, sei nicht als Bewilligung des Urlaubs zu verstehen gewesen. Der Kläger habe schließlich durch die Zeugen B , B und G am 30.03.2012 gewusst, dass sein Urlaub nicht genehmigt gewesen sei. Das Gericht habe auch die Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit dieser Zeugen zutreffend gewürdigt.
Der Kläger habe nicht daran gedacht, sich vertragsgetreu zu verhalten. Er habe sich über das Verbot des Beklagten kurzerhand hinweggesetzt. Er habe damit die Autorität des Beklagten in erheblichem Masse untergraben.
Weiter sei zu berücksichtigen, dass zum damaligen Zeitpunkt die Existenz der Einrichtung auf dem Spiel gestanden habe und der Beklagte durch intensive Verhandlungen mit dem J und dem L R versucht habe, die finanzielle Existenz zu retten. Der Kläger habe darauf keine Rücksicht genommen, sondern den Beklagten zusätzlich in die Gefahr versetzt, keine funktionsfähige Einrichtung darstellen zu können.
Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Gründe
Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hatte in der Sache Erfolg.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Beklagten vom 18.04.2012 nicht beendet worden. Dem Kläger steht dementsprechend ein Anspruch auf ein Zwischenzeugnis zu. Der Beklagte ist verpflichtet, den Kläger weiter zu beschäftigen.
A. Zur Wirksamkeit der Kündigung:
I. Zur Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung ist von folgenden, in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts niedergelegten Grundsätzen auszugehen:
1. Tritt ein Arbeitnehmer eigenmächtig einen vom Arbeitgeber nicht genehmigten Urlaub an, so verletzt er seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Ein solches Verhalten ist „an sich“ geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung (§ 626 BGB) darzustellen. Erteilt der Arbeitgeber ohne ausreichende Gründe nicht den beantragten Urlaub, so kann der Arbeitnehmer durch eine Leistungsklage oder gegebenenfalls einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung seiner Ansprüche durchsetzen. Ein Recht, sich selbst zu beurlauben, hat der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keinen Urlaub erteilt, so verletzt dieser seine Arbeitspflicht, wenn er eigenmächtig den Urlaub antritt (BAG 20.01.1994 – 2 AZR 521/93).
Die Beweislast für die Nichtgenehmigung des Urlaubs liegt entsprechend den Grundsätzen zum Kündigungsschutzrecht beim Arbeitgeber (vgl. BAG 31.01.1996 – 2 AZR 282/95 – Rn. 17).
Grundsätzlich gleich Grundsätze gelten für die Rechtfertigung einer Kündigung als verhaltensbedingt im Sinne des § 1 KSchG.
Auch wenn der eigenmächtige Urlaubsantritt ein Kündigungsgrund zu einer außerordentlichen Kündigung „an sich“ darstellen kann und gleiches für die ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen gilt, so ist nach dem grundsätzlichen Prüfungsschema des Bundesarbeitsgerichts zur außerordentlichen ebenso wie zur ordentlichen Kündigung in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob im Rahmen einer allseitigen Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine außerordentliche Kündigung, eine ordentliche Kündigung oder gegebenenfalls nur eine Abmahnung gerechtfertigt ist (vgl. speziell zum eigenmächtigen Urlaubsantritt BAG 20.01.1994 und 31.01.1996 aaO).
2. Für die stets vorzunehmende Interessenabwägung gilt nach heutiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z. B. BAG 27.09.2012 – 2 AZR 646/11):
a. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG, aaO., Rn. 40).
Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf.
Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Als mildere Mittel gegenüber der außerordentlichen Kündigung sind neben der ordentlichen Kündigung auch Abmahnung und Versetzung anzusehen. Diese sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – die Vermeidung künftiger Störungen – zu erreichen. Einer Abmahnung bedarf es demnach nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG aaO.).
b. Speziell zu dem Kündigungsgrund der eigenmächtigen Selbstbeurlaubung hat das BAG auf Folgendes hingewiesen:
Ist auch ein Recht zur Selbstbeurlaubung grundsätzlich abzulehnen, so ist eine unberechtigte Urlaubsverweigerung durch den Arbeitgeber jedenfalls bei der Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmer mit zu berücksichtigen (BAG 20.01.1994, aaO.).
Dabei ist davon auszugehen, dass die Bestimmung des Urlaubszeitpunkts nicht etwa im billigem Ermessen des Arbeitgebers im Sinne von § 315 BGB bzw. § 106 GewO liegt, sondern der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs verpflichtet ist, nach § 7 Abs. 1 1. Halbsatz BUrlG die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen und daher auch den Urlaub für den vom Arbeitnehmer angegebenen Termin festzusetzen, jedenfalls dann, wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 2. Halbsatz BUrlG nicht gegeben sind. Dabei liegt die Beweislast dafür, dass der Urlaub zu Recht verweigert wurde, jedenfalls im Kündigungsschutzprozess beim Arbeitgeber (vgl. BAG 31.01.1996, aaO.).
Die – vom Arbeitgeber darzulegenden und zu beweisenden – dringenden betrieblichen Belange im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG liegen nicht bereits dann vor, wenn die Berücksichtigung des vom Kläger geäußerten Wunsches zu Störungen im Betriebsablauf führt. Diese treten regelmäßig beim Fehlen eines Mitarbeiters auf. Sie sind hinzunehmen und durch entsprechende Personaldispositionen auszugleichen (vgl. statt vieler ErfK/Dörner/Gallner, 11. Auflage, § 7 Rn. 18 m. w. N.). Dringende betriebliche Belange können z. B. sein: Die Unterbesetzung des Betriebs oder der Abteilung wegen eines besonders hohen Krankenstandes und wegen der Kündigung anderer Arbeitnehmer, eine unerwartet große Menge von Arbeit durch einen zusätzlichen Auftrag, eine besonders arbeitsintensive Zeit wegen der Eigenart einer Branche (Schlussverkauf, Weihnachten im Einzelhandel; Grippewelle bei Krankenhäusern und Apotheken), ein notwendiger Betriebsurlaub oder die Abhängigkeit eines Vertriebsunternehmens von der Produktionszeit eines Herstellers (vgl. ErfK/Dörner/Gallner, aaO.).
II. Nach diesen Grundsätzen gilt im vorliegenden Fall Folgendes:
1. Es ist bereits nicht feststellbar, dass eine ungenehmigte Selbstbeurlaubung vorlag – dieses selbst dann, wenn man die Behauptungen der Beklagten zu dem bei ihr praktizierten Genehmigungsverfahren zugrundelegt. Diese hat ihren erstinstanzlichen Vortrag in der Berufungserwiderung wie folgt zusammengefasst: Der Urlaubsantrag werde der Zeugin B , einer Verwaltungsangestellten, übergeben, anschließend werde der Urlaubswunsch auf der Urlaubstafel eingetragen, um eine optische Übersicht über die einzelnen Wünsche und eventuelle Überschneidungen zu haben. Sodann werde der Urlaubsantrag dem Einrichtungsleiter, dem Zeugen B zur Entscheidung vorgelegt. Soweit der Urlaubsantrag bewilligt werde, werde dieser vom Zeugen B unterschrieben und die Bewilligung dem Arbeitnehmer mitgeteilt. Diese Mitteilung erfolge grundsätzlich mündlich. Gleichzeitig erfolge ein Eintrag im Urlaubskalender der Zeugin B , der nicht mit der Urlaubstafel identisch sei.
a. Unstreitig ist demgegenüber aber, dass Herr S , der stellvertretende Einrichtungsleiter dem Kläger gesagt hatte, dass er den Urlaubsantrag unterzeichnet habe. Dieses hat der Kläger im Schriftsatz vom 09.05.2012 vorgetragen. Die Beklagte hat sich darauf nicht eingelassen, so dass dieser Vortrag unstreitig ist.
Da die Beklagte – unstreitig – das Verfahren zur Urlaubsgenehmigung an nicht schriftlich niedergelegt und kommuniziert hat, durfte sich der Kläger darauf verlassen, dass der stellvertretende Einrichtungsleiter entsprechend seiner Funktion dann, wenn er ihm sagte, dass er den Urlaubsantrag unterzeichnet habe, auch intern zu einer entsprechenden Urlaubsgenehmigung bevollmächtigt war. Dem entspricht es, dass der Kläger (ebenso im Schriftsatz vom 09.05.2012) – unstreitig – vorgetragen hatte, dass er in den letzten zehn Jahren nur einen Urlaubsschein zurückerhalten habe, auf dem der Vermerk „nicht genehmigt“ gestanden habe, nämlich hinsichtlich des Urlaubsantrages für den 08.12.2011. Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 04.12.2012 ergibt sich, dass der Klägervertreter dem Zeugen B , dem Einrichtungsleiter, dieses Dokument vorlegte und der Einrichtungsleiter darauf erklärte: „Warum dieses Dokument von Herrn S gefertigt wurde, kann ich nicht sagen. Bei uns ist es jedenfalls Kultur, den Urlaub mit dem Arbeitnehmer zu besprechen und gleichermaßen eben auch mündlich eine Absage zu kommunizieren.“ Daraus ergibt sich, dass Herr S auch schon zuvor Entscheidungen über die Genehmigung des Urlaubs getroffen hatte. Da Herr S zugleich stellvertretender Einrichtungsleiter war, durften die Arbeitnehmer, durfte damit auch der Kläger davon ausgehen, dass Herr S die Befugnis hatte, über einen Urlaubsantrag zu entscheiden.
b. Soweit der Beklagte behauptet hat, am 26.03.2012 sei dem Kläger der Urlaubsantritt ausdrücklich untersagt worden, hat der Zeuge B , der Einrichtungsleiter, in der Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht bekundet (vgl. Bl. 62 d. A.): Er könne sich an das Gespräch vom 26.03.2012 erinnern. Es sei richtig, auch die Urlaubsanträge seien thematisiert worden. Die Planung für April habe in Rede gestanden. Es sei gesagt worden, dass diese Anträge vorerst nicht bewilligt werden könnten.
Darüber hinaus hat die Beklagte behauptet, Herr B habe auch mit dem Kläger am 28.03.2012 ein Gespräch geführt, in welchem der Kläger angeboten habe – was als solches unstreitig ist – er verzichte auf eine der beiden beantragen Wochen Urlaubs, das sei ausdrücklich von Herrn B abgelehnt worden (Bl. 42 d. A.).
Der Zeuge B selbst bekundete dazu (Bl. 63 d. A.): „Es ist richtig, wenn der Kläger sagt, dass er vorgeschlagen habe, den Urlaub nicht in vollem Umfang zu nehmen. Ich habe aber in dem Gespräch gesagt, dass ich den Urlaub derzeit nicht bewilligen könne, weil kurzfristig zunächst entschieden werden müsste, ob die Einrichtung weiter fortbesteht.“
Selbst wenn man diese Äußerungen des Zeugen B als Widerruf der zuvor von Herrn S erteilten Genehmigung auslegen wollte, so wäre eine solche spätere Zurücknahme der zuvor von Herrn S mitgeteilten Unterzeichnung des Urlaubsantrages, die der Kläger als Genehmigung verstehen durfte, unwirksam.
Der Arbeitgeber ist nämlich an die einmal erteilte Freistellungserklärung gebunden (vgl. BAG 20.06.2000 – 9 AZR 405/99 – sowie ErfK/Dörner/Gallner aaO. Rn. 26).
2. Selbst dann aber, wenn der vom Kläger (so der von dem Beklagten nicht bestrittene Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 24.09.2012 (Bl. 50 d. A.)) am 02.01.2012 beantragte Urlaub bis zum Urlaubsantritt am 02.04.2012 nicht genehmigt gewesen sein sollte und man davon ausgeht, dass der Kläger angesichts der Äußerungen Herrn B in den Gesprächen am 26. und 28.03.2012 davon ausgehen musste, dass der Urlaub auch nicht genehmigt war, so dass eine eigenmächtige Selbstbeurlaubung und damit ein Grund zur außerordentlichen oder jedenfalls ordentlichen Kündigung „an sich“ gegeben war, scheitert die Kündigung als außerordentliche und als hilfsweise ordentliche jedenfalls an der umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes:
a. Der Kläger ist verheiratet und hat 2 schulpflichtige Kinder. Er befand sich in der hier strittigen Urlaubszeit, den Osterferien, zunächst in einer zuvor gebuchten Reise in P , um das „Disneyland“ in der Nähe von P mit den Kindern zu besuchen. Den Urlaub hatte der Kläger bereits im Januar beantragt.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Beklagte den Urlaub nicht genehmigt hatte, so ist doch zumindest festzuhalten und im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass der Beklagte einen für die Osterferien von einem verheirateten Mann mit 2 Schulkindern gebuchten Urlaub bis unmittelbar vor den Osterferien, d. h. also fast 4 Monate lang, nicht beschieden hatte. Dieses verstößt gegen die dem Beklagten obliegenden allgemeinen Fürsorgepflichten und insbesondere gegen die dem Beklagten obliegende Pflicht, seinen Betrieb so zu organisieren, dass rechtzeitig und in zumutbarer Zeit über einen Urlaubsantrag entschieden wird (vgl, dazu auch BAG 22.01.1998 – 2 ABR 19/97).
b. Ein weiteres Mal ist das Verschulden des Klägers als geringer zu bewerten, als der Beklagte seinen Betrieb nicht so organisiert hat, dass für die Mitarbeiter eindeutig erkennbar wird, wann der Urlaub genehmigt ist.
Der Beklagte verwendet unstreitig Urlaubsformulare. Aus seinem Vorbringen und insbesondere aus der Aussage seines Einrichtungsleiters B ergibt sich aber, dass der Beklagte zwar schriftliche Urlaubsanträge seiner Arbeitnehmer verlangt, diesen aber grundsätzlich nicht schriftliche Mitteilung über die Urlaubsgenehmigung macht.
Des Weiteren ist es für die Arbeitnehmer verwirrend, dass der Beklagte eine unstreitig im Büro des stellvertretenden Einrichtungsleiters, Herrn S , aufgehängte große Urlaubstafel führt (so der Vortrag des Klägers Bl. 35 d. A. und Foto Bl. 52 d. A.), in der die beantragten Urlaubszeiten eingetragen sind, demgegenüber aber davon ausgeht, dass diese große und gut erkennbare Tafel nicht verbindlich ist, wo hingehend nur soll die Eintragung im Urlaubskalender der Zeugin B . Der Beklagte hat selbst nicht behauptet, dass – im Gegensatz zur Urlaubstafel – dieser Urlaubskalender für die Mitarbeiter in gleicher Weise einsehbar ist.
Der Beklagte hat mithin ein verwirrendes und die Arbeitnehmer in ihrer Rechtssicherheit benachteiligendes System der Urlaubsbewilligung geschaffen. Während er von den Arbeitnehmern schriftliche Urlaubsanträge verlangt, verzichtet er seinerseits auf eine schriftliche Kommunikation mit den Arbeitnehmern hinsichtlich der Urlaubsgewährung.
Hinzu kommt, dass der Beklagte das von ihm geschaffene System und die Bedeutung der verschiedenen Tafeln und Kalender den Mitarbeitern nicht dokumentiert hat.
c. Im Rahmen der Interessenabwägung ist zugunsten des Klägers ferner zu berücksichtigen, dass dieser bereits seit dem Jahre 2002 bei dem Beklagten beschäftigt ist und mithin im Zeitpunkt der Kündigung eine Betriebszugehörigkeit von annahe 10 Jahren aufwies. Dass jemals ein vergleichbarer Fall vorgekommen wäre oder sonst das Arbeitsverhältnis in nennenswerter und einschlägiger Weise gestört worden sei, hat die Beklagte – jedenfalls substantiiert – nicht vorgetragen. Es ist daher von einem langjährigen ungestörten Bestand des Arbeitsverhältnisses auszugehen.
d. Ganz wesentlich im Rahmen der Interessenabwägung ist zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass der Kläger einen Anspruch auf Genehmigung hatte. Die Grundsätze dazu sind bereits Oben dargestellt. Der Kläger hat bereits erstinstanzlich vorgetragen – ohne dass der Beklagte das bestritten hätte – dass er mit Herrn S auf dem Bauvorhaben E abgesprochen habe, dass die Fassade am 16.04.2012 nach dem Urlaub des Klägers angefangen werden solle (Bl. 30 d. A.). In einem weiteren Schriftsatz (Bl. 50 d. A.) hat der Kläger – ebenso unbestritten – vorgetragen, er habe auf Anweisung des Einrichtungsleiters B bereits im März Vorbereitungen dafür getroffen, angesichts der damals abzusehenden Beendigung des Projekts zum 30.03.2012 sein Gewerk zu beenden. Dementsprechend hat der Kläger – ebenfalls wieder unbestritten – in der Berufungsbegründung vorgetragen, er habe in seiner Eigenschaft als Leiter des Bereichs Renovierung der Einrichtung vor Antritt des Erholungsurlaubs alle offenstehenden Aufgaben in seinem Bereich abgeschlossen gehabt. Die Durchführung des nächsten Auftrages, die Fassadenrenovierung, sei in Absprache mit dem stellvertretenden Leiter Herrn S auf den 16.04.2012 terminiert gewesen. Der Kläger trägt seinem erstinstanzlichen Vorbringen entsprechend weiter vor, dass andere Aufgaben in der Zeit des geplanten Erholungsurlaubs nicht angestanden hätten, zumal aufgrund der bis dahin drohenden Schließung der Einrichtung der Beklagte damals keine nennenswerten Neuaufträge angenommen habe. Angesichts der seinerzeit drohenden Schließung habe er, der Kläger – was ebenso unstreitig ist- im März 2012 alle Vorbereitungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen, insbesondere Farben und Materialien zur Renovierung entsorgt.
Der Beklagte hat – was dringende betriebliche Gründe anbelangt -demgegenüber nichts Substantiiertes dargetan. Er hat sich erstinstanzlich (Bl. 43 d. A.) lediglich pauschal auf eine „wirtschaftliche und betrieblich lebensnotwendige Situation“ berufen. Zweitinstanzlich hat er vorgetragen: Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass zum damaligen Zeitpunkt die Existenz der Einrichtung auf dem Spiel gestanden habe und der Beklagte durch intensive Verhandlungen mit dem Jobcenter und dem Landschaftsverband Rheinland versucht habe, die finanzielle Existenz der Einrichtung zu retten. Der Kläger habe nicht nur keine Rücksicht darauf genommen, sondern den Beklagten zusätzlich in die Gefahr versetzt, keine funktionsfähige Einrichtung darstellen zu können.
Dieses pauschale Vorbringen kann gegenüber dem substantiierten Vortrag des Klägers, dass in der Zeit seines Urlaubs überhaupt keine Aufgaben für ihn angestanden hätten, dringende betriebliche Gründe für die Anwesenheit des Klägers nicht darlegen, geschweige denn beweisen.
Die Beklagte wäre mithin verpflichtet gewesen, dem Kläger den beantragten Urlaub zu erteilen.
f. Der Beklagte hatte sich erstinstanzlich seinerseits darauf berufen, der Kläger habe durch sein Verhalten gegenüber den übrigen Mitarbeitern ein unkollegiales Verhalten an den Tag gelegt, da die übrigen Mitarbeiter sich nicht nur an die Anweisung des Beklagten gehalten hätten, sondern darüber hinaus durch Zurückstellung der eigenen Urlaubsansprüche ihren Beitrag zur Aufrechterhaltung ihres Betriebes geleistet hätten (Bl. 43 d. A.). Der Kläger hat jedoch substantiiert dargelegt, dass Herr B vom 09.04.2012 bis zum 20.04.2012 Urlaub hatte, dass Herr S (immerhin der stellvertretende Einrichtungsleiter) vom 29.03.2012 bis zum 05.04.2012 Urlaub hatte, dass Frau M K vom 10.04. bis zum 13.04.2012 Urlaub hatte und Frau R B vom 10.04. bis zum 16.04.2012.
Da der Beklagte sich darauf überhaupt nicht, erst Recht nicht substantiiert eingelassen hat, ist dieses als unstreitig anzusehen. Damit stellt sich nicht nur die Frage, was den Beklagten veranlassen konnte, erstinstanzlich gegenteiligen Pauschalvortrag zu halten. Die Tatsache des Urlaubs von vier weiteren Mitarbeitern, von denen zumindest Herr S eine herausragende Position bei der Beklagten hatte, widerlegt das Berufen der Beklagten darauf, der Kläger habe ihn durch seinen Urlaub in einer existentiellen und bedrohlichen Situation gefährdet. Sie widerlegt zugleich den Vorwurf des unkollegialen Verhaltens.
Im Rahmen der Gesamtwürdigung gelangt die Kammer zu dem Ergebnis, dass die Interessenabwägung dahingehend zu treffen ist, dass weder eine außerordentliche noch eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt war. Soweit der Beklagte dem Kläger vorwerfen könnte, den Urlaub trotz des ihm zustehenden Anspruchs auf Genehmigung den Urlaub ohne Genehmigung angetreten zu haben, reicht unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles in jedem Falle eine Abmahnung aus, um für die Zukunft einen entsprechenden Fall zu vermeiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.