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Eigentumsvermutung zugunsten des Besitzers


Fahrzeugkauf

Zusammenfassung:

Welche Reichweite hat die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB? Gemäß § 1006 BGB wird vermutet, dass der Besitzer einer beweglichen Sache auch Eigentümer dieser Sache ist. Inwieweit ist der Besitzer, um die Vermutungswirkung auszulösen, verpflichtet darzulegen, unter welchen Umständen er Eigentümer geworden ist? Muss er beispielsweise vortragen, wann und unter welchen Umständen er das Fahrzeug von wem erworben hat? Mit diesen Fragen setzte sich das Oberlandesgericht Koblenz im Rahmen des anliegenden Berufungsurteils auseinander.


Oberlandesgericht Koblenz

Az: 12 U 991/14

Urteil vom 01.06.2016


Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten zu 2) wird das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kreuznach vom 25. Juli 2014 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.


Gründe

I.

Mit der Klage hat der Kläger Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls vom 27. November 2010 auf der B 50 in Fahrtrichtung …[Z] geltend gemacht.

Er hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

a) an den Sachverständigen …[A] 946,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2012 zu zahlen,
b) an ihn 6.395 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2012 zu zahlen und
c) ihm die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 306,93 € zu erstatten.

Die Beklagte zu 2) hat, zugleich als Nebenintervenientin für den Beklagten zu 1), beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Kläger habe bereits seine Aktivlegitimation als Eigentümer des verunfallten Fahrzeuges nicht ausreichend dargelegt.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht der Schadensersatzklage ganz überwiegend stattgegeben. Hinsichtlich der bestrittenen Aktivlegitimation des Klägers hat es ausgeführt, dass die Eigentumsvermutung nach § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB hier für den Kläger streite; der Eigenbesitzer sei durch sie gerade des Nachweises der Erwerbstatsachen enthoben. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Die Beklagte zu 2) hat – auch als Nebenintervenientin für den Beklagten zu 1) – gegen das Urteil Berufung eingelegt und beantragt,

das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 25. Juli 2014 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur ergänzenden Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Es fehlt bereits an der Aktivlegitimation des Klägers.

Der Kläger kann sich auf die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs.1 Satz 1 BGB nicht berufen. Danach wird vermutet, dass der Besitzer einer beweglichen Sache auch Eigentümer dieser Sache ist. Nach allgemeiner Meinung verkürzt § 1006 BGB die Behauptungs- und Beweislast des Besitzers. Es wird vermutet, dass er bei Erwerb des Besitzes Eigenbesitz begründete, dabei unbedingtes Eigentum erwarb und es während der Besitzzeit behielt (vgl. für viele: Palandt-Bassenge, BGB, 74. Aufl., § 1006 Rn. 4). Der Bundesgerichtshof hat hierzu im Urteil vom 4. 02. 2002 (II ZR 37/00) ausgeführt, dass § 1006 BGB den Besitzer nicht nur von der Beweis-, sondern auch von der Darlegungslast, wie er Eigentümer geworden ist, befreie. Damit sei allerdings nicht entschieden, inwieweit dem Besitzer nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen eine sekundäre Darlegungslast dann treffe, wenn sich der fragliche Eigentumswechsel ausschließlich in seiner (des Besitzers) Sphäre abgespielt hat. Eine solche Konstellation hat der Bundesgerichtshof noch nicht entschieden. Auch im Urteil vom 16.10. 2003 (Az.: IX ZR 55/02) ist eine solche Entscheidung nicht getroffen worden. Hier lag der Besitzerwerb nicht in der ausschließlichen Sphäre des von der Vermutung des Begünstigten. Hier ging es vielmehr um den Besitz- und Eigentumserwerb einer GmbH und ihrer Organe.

Im vorliegenden Fall betont der Kläger, dass er das Auto im Umfallzeitpunkt gefahren sei, dass er die Schadensabwicklung vorangetrieben habe und in den Fahrzeugpapieren als Halter eingetragen sei. Damit ist nach seiner Auffassung sein Eigenbesitz dargetan und somit auch die Eigentumsvermutung im Sinne des § 1006 BGB zu seinen Gunsten ausreichend dargelegt. Darüber hinaus hat er vorgetragen, zu Beginn des Jahres 2011 den streitgegenständlichen Mercedes bei einem Hofhändler im Bereich …[Y] als Gebrauchtwagen durch ein Bargeschäft für 11.000,-€ erworben zu haben. Einen schriftlichen Kaufvertrag habe es nicht gegeben, an den Namen oder die genaue Geschäftsadresse des Händlers könne er sich nicht mehr erinnern. Ende November 2011 hat er den behaupteten Unfall erlitten und Ansprüche gegen die Beklagte zu 2) gestellt. Die vorliegende Klage ist im Mai 2012 erhoben worden. Auch wenn der Senat nachvollziehen kann, dass man beim Autokauf gegebenenfalls ein Bargeschäft abwickelt und auf einen schriftlichen Kaufvertrag verzichtet, erscheint es jedoch völlig unglaubhaft, dass man im Zeitraum von weniger als einem Jahr, der zwischen dem behaupteten Eigentumserwerb und dem Unfalltag lag, Adresse und Namen des Händlers vollständig vergisst und auch später durch Recherche nicht mehr ermitteln kann. Angesichts dieses Vortrags kann zur Überzeugung des Senats die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zur Anwendung kommen. Würde man bei dieser allgemein gehaltenen, lückenhaften und unglaubwürdigen Schilderung des Besitzerwerbs des Klägers die Vermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB ohne Einschränkung anwenden, wäre der Beklagten zu 2) grundsätzlich die Möglichkeit zum Gegenbeweis abgeschnitten, zunächst zu ermitteln und darauf darzulegen und zu beweisen, dass der Anspruchsteller nicht Eigentümer geworden ist. Die Schilderung des Klägers gibt der Beklagten nämlich keinen Anhaltspunkt selbst zu recherchieren, ob die Darlegung des Klägers der Wahrheit entspricht (vgl. auch zur Beweisnot des Gegners: OLG Hamm, I-9 U 238/12, Beschluss vom 1.02. 2013, Staudinger/Gursky, BGB, Aufl. 2012, § 1006 Rn. 49). Daher findet die Vermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB hier keine Anwendung. Der Kläger hat sein Eigentum am streitgegenständlichen Fahrzeug nicht bewiesen. Da die Ansprüche, die der Kläger geltend macht, seine Rechtstellung als Eigentümer voraussetzen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl., § 823 Rdnr. 13), ist seine Aktivlegitimation nicht ausreichend dargelegt. Die Klage ist daher allein aus diesem Grund abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, bestehen nicht. Wie oben dargelegt, beruht die Nichtanwendung der Vermutung des § 1006 BGB allein auf den Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.241,81 € festgesetzt.


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