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Eigentumswohnungskauf – Beschaffenheitsabweichung – „Wohnung in einem reinen Wohngebäude“

LG München I – Az.: 11 O 8272/11 – Urteil vom 04.10.2011

Dem Grunde nach gerechtfertigt ist der Anspruch der Klägerin auf Herabsetzung des für ihr Wohneigentum (straße …, … M., 1. Stock, Wohnung Nr. 4) bezahlten Kaufpreises und Zahlung des Herabsetzungsbetrages zum Ausgleich dafür, dass die Beklagte in der im Erdgeschoss gelegenen Einheit Nr. 2 des selben Anwesens eine Physiotherapiepraxis statt einer Wohnung errichtet hat.

Tatbestand

Die Klägerin macht Schadensersatz aus einem Bauträger-Kaufvertrag geltend.

I.) Unstreitiges

1. Vertrag der Parteien

Durch notarielles Angebot der Klägerin vom 17.06.2010 (Anlage K 1) und notarielle Annahmeerklärung der Beklagten vom 07.07.2010 (Anlage K 2) schlossen die Parteien einen „Kaufvertrag“ in dem sich die Beklagte als Bauträgerin verpflichtete, für die Klägerin eine Eigentumswohnung im 1. Obergeschoss des Bauvorhabens K.straße …, … M., nebst Kellerraum und Tiefgaragenstellplatz zu errichten. Der Kaufpreis betrug 412.200,– €.

In Abschnitt B Ziffer I Nr. 2 des von der Klägerin abgegebenen Angebots vom 17.06.2010 (Anlage K 1) steht, dass auf dem streitgegenständlichen Grundstück von der Beklagten ein Mehrfamilienhaus mit sechs Wohnungen sowie eine Tiefgarage mit sechs Einstellplätzen errichtet wird.

Die Klägerin erhielt vor Abschluss des Kaufvertrages einen Prospekt der Beklagten übergeben. Dieser bezeichnet die streitgegenständliche Wohnanlage in der Überschrift als „6 Eigentumswohnungen in M.-H., K. Str. … (Anlage K 3).

An sämtlichen der in der streitgegenständlichen Wohnanlage errichteten sechs Einheiten ist Wohnungseigentum gemäß § 1 Abs. 2 WEG mit Teilungserklärung vom 05.10.2009 (Anlage B 1) begründet worden.

In § 1 c der Gemeinschaftsordnung (Teil der Anlage B 1) ist folgende Regelung enthalten:

„Bei den Wohnungen ist eine gewerbliche und/oder freiberufliche Nutzung jederzeit zulässig, soweit dadurch keinem der anderen Miteigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst.

Die öffentlich-rechtlichen Vorschriften, insbesondere über eine etwaige Zweckentfremdung, bleiben unberührt.“

2. Vertrag der Beklagten mit der Physiotherapeutin

Mit notarieller Angebotserklärung vom 21.10.2009 (Anlage B 2) und Annahmeerklärung, die die Beklagte zu einem nicht bekannten Zeitpunkt abgab, erwarb die Physiotherapeutin B. von der Beklagten die Wohnung, die im streitgegenständlichen Gebäude direkt unter derjenigen der Klägerin liegt, nämlich: einen Miteigentumsanteil, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung im Erdgeschoss samt Kellerraum im Kellergeschoss, im Aufteilungsplan mit Nr. 2 bezeichnet, zuzüglich eines Tiefgaragenstellplatzes. Dem notariellen Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages der Zeugin B. war ein Grundriss der von ihr zu erwerbenden Zweizimmerwohnung beigefügt, der folgendes vorsah:

– eine Küchenzeile in einem 25,17 qm großen Wohn-/Esszimmer/Küche

– eine Diele mit 7,25 qm,

– ein Badezimmer

– sowie ein Schlafzimmer mit 13,25 qm.

So wurde die Einheit aber nicht gebaut.

Sondern mit Änderungsantrag vom 30.08.2010 beantragte die Beklagte bei der Stadt M. eine Tektur, betreffend einer „Nutzungsänderung der Wohnung 2 in eine Gewerbeeinheit für Physiotherapie/freiberufliche Tätigkeit“, die mit Bescheid der Landeshauptstadt M. vom 21.10.2010 genehmigt wurde (Anlage K 4). Dem Änderungsantrag war ein Grundriss der von der Zeugin B. erworbenen Einheit beigefügt, der folgendes vorsah

– ein Behandlungszimmer mit 25,17 qm (ohne Küchenzeile)

– eine Diele mit 12,82 qm (also deutlich größer),

– ein Duschbad

– sowie (statt des Schlafzimmers) ein (wesentlich kleineres) Büro mit 8,5 qm.

Diese neue Planzeichnung war zuletzt am 4.11.2009 geändert worden. Im Rahmen der Tektur wurde auch die neue räumliche Aufteilung dieser Einheit genehmigt.

Das Gemeinschaftseigentum wurde am 30.08.2010 übergeben.

II.) streitiges Klägervorbringen

Die Klägerin ist der Meinung, ungeachtet der Vollmacht in Anlage II (Buchstabe A.b.) habe die Beklagte die Errichtung ihrer Wohnung umgeben von lediglich solchen Einheiten geschuldet, die rechtlich und faktisch Wohneigentum sind (Blatt 56 unten). Die errichtete und übereignete Wohnung habe somit nicht die vereinbarte Sollbeschaffenheit (Blatt 12 Mitte, 33 unten).

Die Klägerin sieht den Anspruchsgrund darin, von der Beklagten vor Abschluss des Kaufvertrages arglistig getäuscht worden zu sein: Man habe ihr verschwiegen, dass die im Erdgeschoss gelegene Wohnung Nr. 2 nicht als Wohnung, sondern als Physiotherapiepraxis mit sehr regem Parteiverkehr betrieben werden solle.

Die Klägerin trägt vor, dass der Zeuge O., der das Verkaufsgespräch auf Seiten der Beklagten führte, dem Ehemann der Klägerin auf dessen Nachfrage unter anderem mitgeteilt habe:

– Die Erdgeschosswohnung unter der klägerischen Einheit erwerbe eine Physiotherapeutin,

– diese erwerbe auch die Wohnung im ersten Obergeschoss neben derjenigen der Klägerin.

– Die Physiotherapeutin werde beide Wohnungen auch persönlich bewohnen.

– Sie betreibe in der Nähe eine entsprechende Praxis, die sie auch weiterhin beibehalten und in unverändertem Umfang weiterhin betreiben würde.

Auf nochmalige Nachfrage des Zeugen G., ob die Physiotherapeutin nicht doch in zumindest einer der beiden von ihr gekauften Wohnungen eine Praxis betreiben wolle oder werde, habe der Zeuge O. dies ausdrücklich verneint. Er habe lediglich angegeben, dass die (namentlich damals noch nicht bekannte) Physiotherapeutin möglicherweise gelegentlich einmal einen guten Privatpatienten abends in der EG-Wohnung behandeln würde, wenn sie zuhause sei, also außerhalb der üblichen Praxiszeit. Im Übrigen würde die Einheit im EG aber als Wohnung genutzt werden.

Die Klägerin trägt vor, dass die Bewohner der übrigen Wohnungen durch die Physiotherapiepraxis nicht unerheblich beeinträchtigt werden, im Einzelnen wird hierzu auf die Klageschrift vom 18.04.2011, Ziffer 9 (Bl. 9/11 d.A.) verwiesen.

Sie ist weiter der Meinung, aus der Tatsache, dass es sich nicht um eine reine Wohnanlage handele, ergäben sich Risiken für die Vermietung. Ferner sei ihre Wohnung im Wert gemindert. Unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes könne sie deshalb verlangen, dass der Kaufpreis auf das angemessene Maß herabgesetzt wird, und Rückzahlung des geleisteten Mehrbetrages fordern. Das angemessene Maß, in dem der Kaufpreis zu reduzieren sei, betrage 20 % des Kaufpreises, also 88.440,– €.

III.) Anträge

1. Die Klägerin beantragt (Bl. 2 d.A.):

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 82.440,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2. Die Beklagte beantragt: Klageabweisung.

IV.) streitiges Beklagtenvorbringen

Die Beklagte verweist auf § 1 c der Gemeinschaftsordnung und meint, bereits hierwegen sei eine freiberufliche Nutzung zulässig.

Sie meint weiter, dass die Beklagte nicht passivlegitimiert sei, da sie die Einheit im EG an die Physiotherapeutin „als Wohnung“ verkauft habe. Die Nutzungsänderungsgenehmigung habe sie erst nach Abschluss dieses Kaufes erholt. Dies habe die Beklagte nicht im eigenen Namen getan, sondern in Vollmacht und im Auftrag der Physiotherapeutin. Wenn die Klägerin überhaupt irgendwelche Ansprüche habe, könnten diese sich bestenfalls gegen die Physiotherapeutin richten.

Die Einheit könne innerhalb kürzester Zeit wieder in eine Wohnung umgewandelt werden, es müsse nämlich nur eine Küchenzeile eingebaut werden (Bl. 23 d.A.).

Unrichtig sei, dass der für die Beklagte tätige Zeuge O. die Klägerin getäuscht und diese nicht über die Praxis informiert habe. Im Gegenteil habe der Zeuge O. der Klägerin und ihrem Ehemann ganz eindeutig erklärt, dass in der Zweizimmer-EG-Wohnung eine physiotherapeutische Praxis geführt werden solle und werde.

Die Behauptung, dass durch den Betrieb der physiotherapeutischen Praxis eine über Gebühr hinausgehende Belästigung vorliege, werde im Übrigen ausdrücklich bestritten. Ebenso werde eine Wertminderung der Wohnung der Klägerin bestritten, ebenfalls der angebliche Wertverlust von 20 %.

V.) Prozessuales

Die Kammer hat Beweis erhoben durch uneidliche Einvernahme der Zeugen …. (Bl. 49 ff d.A.), Franz-Josef O. (Bl. 51 ff d.A.) und Richard Bö. (Bl. 54 ff d.A.). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 12.07.2011 (Bl. 46/58 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist dem Grunde nach begründet. Der Höhe nach ist der klägerische Anspruch nicht entscheidungsreif.

A) Zulässigkeit

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht München I örtlich zur Entscheidung zuständig, § 17 Abs. 1 ZPO.

B) Begründetheit

Die Klage ist dem Grunde nach begründet. Die Klägerin kann Minderung nach § 638 Abs. 4 S. 1 verlangen. Ferner hat sie gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB. Fristsetzungen zur Nacherfüllung sind jedenfalls deshalb entbehrlich, weil die Beklagte diese ernsthaft und endgültig spätestens im Prozess verweigert, indem sie einen Mangel bestreitet und auch sonst jede Pflichtverletzung entschieden in Abrede stellt.

Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass Anspruchsgrundlagen in Betracht kommen, bei denen zu prüfen ist, was entstanden ist, was geschuldet war, und – im Falle einer Abweichung – inwieweit diese von der Beklagten zu vertreten ist (Blatt 48 unten).

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Die Höhe des Minderungs- und/oder Schadenersatzanspruches hängt von einer Mehrzahl einzelner (wechselseitig umstrittener) Tatsachen und von einer sachverständigen Bewertung ab.

1.

Die der Klägerin überlassene Wohnung ist mangelhaft, da sie nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist, § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB.

a.

Die Klägerin hat ausweislich des Angebots auf Abschluss eines Kaufvertrages vom 17.06.2010 (Anlage K 1), das am 07.07.2010 (Anlage K 2) angenommen wurde, eine Wohnung in einem zu errichtenden Mehrfamilienhaus mit sechs Wohnungen sowie einer Tiefgarage mit sechs Einstellplätzen erworben (Ziffer B, I.2. der Anlage K 1).

So hat die Beklagte die Anlage auch explizit beworben. In dem Prospekt heißt es unter anderem „Auf dem Grundstück K. Str. … – in absolut ruhiger Wohnlage – werden 6 Eigentumswohnungen mit attraktiven Grundrissen und einer hochwertigen Ausstattung errichtet. Die Erdgeschoßwohnungen erhalten ein Sondernutzungsrecht an einer großen Gartenfläche.“ (Anlage K 3).

b.

Tatsächlich übergeben jedoch wurde der Klägerin eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, das fünf Wohnungen sowie eine Physiotherapiepraxis aufweist. Bei der Physiotherapiepraxis handelt es sich nicht um eine Wohnung, sondern um eine gewerblich/freiberuflich genutzte Einheit.

Faktisch handelt es sich bei der Physiotherapiepraxis somit um Teileigentum, auch wenn die Teilungserklärung nicht geändert wurde, sondern darin nach wie vor sechs Wohnungen ausgewiesen sind.

Das Gesetz unterscheidet Wohn- von Teileigentum: Nach § 1 Abs. 1 WEG kann an Wohnungen das Wohnungseigentum und an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes das Teileigentum begründet werden. Das Gericht hat hierauf hingewiesen (Blatt 47).

Für die Frage, ob eine Wohnung vorliegt, ist maßgebend die Verkehrsauffassung auf der Grundlage der baulichen Gestaltung (vgl. Palandt, BGB, 70. Aufl., Rdnr. 2 zu § 1 WEG).

Die vorliegende bauliche Gestaltung der Erdgeschosseinheit Nr. 2, wie sie sich aus Anlage B 4 ergibt, ist nicht auf ein Bewohnen ausgelegt. So wurde, im Vergleich zur ursprünglichen Planung (Anlage B 3) das ursprüngliche Schlafzimmer zu einem wesentlich kleineren Büro verkleinert und dafür ein für Praxen typischer großer Dielenbereich geschaffen. Auch ist entgegen der ursprünglichen Planung keine Küchenzeile im nunmehrigen Behandlungszimmer vorhanden. Wie sich aus der Anlage B 4 und der Nutzungsänderungsgenehmigung (Anlage K 4) ergibt, ist die Erdgeschosseinheit Nr. 2 nicht mehr zum Wohnen, sondern für den Betrieb einer Praxis bestimmt. Die Kammer hat hierauf hingewiesen (Blatt 47/48).

Dies bekräftigt die Beklagte selbst, indem sie vortragen lässt: „Die Einheit kann innerhalb kürzester Zeit wieder in eine Wohnung umgewandelt werden, es muss nämlich nur eine Küchenzeile eingebaut werden“ (Bl. 23 d.A.). Dabei übersieht die Beklagte lediglich folgendes: Entscheidend für die Frage, ob eine Wohnung vorliegt, ist nicht, ob eine solche innerhalb kurzer Zeit durch Veränderungen entstehen kann, sondern ob eine solche nach der Verkehrsauffassung derzeit gegeben ist. Dies ist hier eindeutig nicht der Fall. Das Gericht hat hierauf hingewiesen (Blatt 47).

c.

Unbehelflich ist es, wenn sich die Beklagte hier auf § 1 c der Gemeinschaftsordnung berufen möchte. Danach ist „bei den Wohnungen eine gewerbliche und/oder freiberufliche Nutzung jederzeit zulässig, soweit dadurch keinem der anderen Miteigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidlich Maß hinaus ein Nachteil erwächst. …“.

Denn diese Regelung nimmt Bezug auf „Wohnungen“ und um eine solche handelt es sich bei der von der Beklagten errichteten Erdgeschosseinheit Nr. 2 nicht, da sie nicht zum Wohnen bestimmt ist und darauf nach der Verkehrsauffassung auch nicht ausgelegt ist. Bewohnt wird sie überdies auch nicht. Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass es daher die Einheit im EG faktisch als „reinstes Teileigentum“ ansieht (Blatt 47).

d.

Ebenso unbehelflich ist es, wenn die Beklagte sich ferner darauf beruft, von der Klägerin die Vollmacht in A b) der Anlage 1 zum Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages (Anlage K 1) erhalten zu haben.

Richtig ist zwar, dass diese Vollmacht die Beklagte dazu berechtigt in uneingeschränkter Vertretung der Klägerin beim begründeten Wohnungs- und Teileigentum Änderungen und Ergänzungen vorzunehmen. Tut die Beklagte dies, so sind diese Änderungen auf der dinglichen Ebene wirksam. Die Beklagte meint: Da es somit in ihrer Macht stand, sogar rechtlich Teileigentum aus der Wohnung im EG zu machen, sei sie erst recht befugt gewesen, die Wohnung im EG als faktisches Teileigentum zu bauen (oder als Wohnung mit freiberuflicher Nutzung entstehen zu lassen).

Das trifft auf der dinglichen Ebene zu, ändert aber nichts an der schuldrechtlichen Verpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin, ihr eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus mit ausschließlich sechs Wohnungen zu verschaffen. Die Beklagte irrt, indem sie meint, die Vollmacht gebe ihr „auch schuldrechtlich“ (Blatt 56) Änderungsbefugnisse. Vielmehr ist der Klägerin darin zu folgen, dass die vereinbarte Beschaffenheit der Wohnung geschuldet bleibt (Blatt 56; vgl. ferner BGH 17.6.2005, V ZR 328/03). Denn die Auffassung der Beklagten liefe auf ein geradezu „brutales“ einseitiges Bestimmungsrecht des Bauträgers hinaus, bezogen auf praktisch alle wertbildenden Merkmale der Wohnung. Der Bauträger könnte dann beispielsweise die verkaufte Wohnung nachträglich durch Neuaufteilung der Einheiten um ein Zimmer verkleinern, und das bei gleichbleibendem Kaufpreis. Das kann mit der Vollmacht aus Sicht verständiger Parteien (§§ 133, 157 BGB) nicht gemeint sein.

e.

Auch aus den von der Beklagten im Schriftsatz vom 10.08.2011 zitierten Kommentarstellen folgt nicht, dass im vorliegenden Fall bei der Erdgeschosseinheit Nr. 2 eine Wohnung geschaffen worden wäre:

(1)

Die Beklagte zitiert zunächst Staudinger, WEG Band 1, § 1, Anmerkung 3 wie folgt:

„Nicht maßgeblich ist die subjektive Zweckbestimmung, die der Eigentümer einer Einheit gibt, oder die tatsächliche Nutzung. Wird danach eine Wohnung (Fettdruck durch das Gericht) – nach der Gemeinschaftsordnung zu Recht oder zu Unrecht – für beruflichen oder gewerbliche Zwecke genutzt, so wird aus dem Wohnungseigentum nicht automatisch Teileigentum“.

Hier fehlt es jedoch bereits am Vorliegen einer Wohnung. Nach der von der Beklagten zitierten Fundstelle bei Staudinger, dort Rdzi. 4, ist der Begriff Wohnung wie folgt definiert: „Eine Wohnung ist die Summe der Räume, welche die Führung eines Haushaltes ermöglichen; dazu gehören stets eine Küche oder ein Raum mit Kochgelegenheit sowie Wasserversorgung, Ausguss und WC. Die Eigenschaft als Wohnung geht nicht dadurch verloren, dass einzelne Räume vorübergehend oder dauernd zu beruflichen oder gewerblichen Zwecken benutzt werden. Räume, die zwar zu Wohnzwecken bestimmt sind, aber die genannten Voraussetzungen nicht erfüllen, können nicht als Wohnung im Sinne der oben angeführten Vorschriften angesehen werden.“

Hier ist nach der baulichen Ausführung entsprechend Anlage B 4 eine Küche bzw. Kochgelegenheit nicht vorgesehen. Darauf, ob eine solche leicht nachgerüstet werden kann, kommt es nicht an. Nach der Verkehrsauffassung ist in der Einheit Nr. 2 im Erdgeschoss eine Praxis, und keine Wohnung, errichtet worden. Es liegt somit gar nicht der Fall vor, dass eine Wohnung für berufliche Zwecke genutzt wird, da überhaupt keine Wohnung errichtet worden ist.

(2)

Soweit die Beklagte auf Rdnr. 1 zu § 1 WEG im Palandt verweist, liegt hier schon keine gemischte oder alternative Zweckbestimmung vor, nachdem die Erdgeschosseinheit Nr. 2 im neuen Plan (Anlage B 4), ausdrücklich als Praxis ausgewiesen ist, und bei Plan entsprechender Ausführung auch nach der Verkehrsauffassung nur eine Praxis, und eben keine Wohnung, darstellt.

(3)

Auch aus dem Zitat aus dem Kommentar zum WEG von Bärmann (§ 13 Anm. 35) ergibt sich nichts, was die Beklagte vorliegend für sich nutzbar machen könnte. Soweit darin steht, dass in Wohnräumen der Betrieb einer Krankengymnastenpraxis zulässig ist, ergibt sich daraus nicht mehr, als bereits im § 1 c der Gemeinschaftsordnung steht. Vorliegend fehlt es eben bereits daran, dass in der Erdgeschosseinheit Nr. 2 eine Wohnung errichtet wurde. Denn tatsächlich wurde eine Teileigentumseinheit errichtet, auch wenn die Teilungserklärung nicht geändert wurde. Faktisch hat die Beklagte Teileigentum und nicht Wohnungseigentum geschaffen.

2.

Durch die Erstellung eines Mehrfamilienhauses mit faktisch fünf Wohnungen und einer Teileigentumseinheit hat die Beklagte pflichtwidrig einen Mangel der an die Klägerin übergebenen Wohnung begründet. Vereinbarte Beschaffenheit war – wie gezeigt – von der Prospektierung bis zur Beurkundung eine „Wohnung in einem reinen Wohngebäude“.

Die Beklagte hat hiergegen zwar eingewandt, der Klägerin bereits vor Abschluss des Kaufvertrages offenbart zu haben, dass im Erdgeschoss eine physiotherapeutische Praxis errichtet wird. Damit behauptete die Beklagte, es sei anderes vereinbart als notariell beurkundet. Diese Behauptung hätte die Beklagte beweisen müssen (§ 415 Abs. 2 ZPO), da gemäß § 415 Absatz 1 ZPO der notarielle Kaufvertrag für die Richtigkeit und Vollständigkeit der dort vereinbarten Inhalte eine Vermutung begründet (vgl. a. Zöller Rn. 5 zu § 415). Diesen Beweis hat die Beklagte nicht geführt.

a.

Der Zeuge O., der die Verhandlungen für die Beklagte mit der Klägerin führte, gab an, er habe auch von der Physiotherapeutin erzählt, die die Wohnung im Erdgeschoss als Physiotherapiepraxis für „private Patienten“ nutzen wollte. Dies meine er im Unterschied zu „Privatpatienten“. Über den Umfang habe er sich nicht geäußert. Er habe aber auch gesagt, dass die Zeugin B. in der Nähe des W.platzes eine Praxis habe und die Wohnung zusätzlich für private Patienten nutze. Er habe keine Ahnung gehabt, was die Zeugin B. mit ihrer W.-Praxis anstellen werde.

Ähnliche Angaben machte der Zeuge G.: Er habe den Zeugen O. gefragt, ob nicht in der Wohnung unten eine Praxis betrieben werden solle. Herr O. habe diese Frage mit „nein“ beantwortet und angegeben, dass die Physiotherapeutin höchstens nach Feierabend mal einen Privatpatienten therapieren würde, für den sie sonst keinen Termin habe.

Die Aussagen der beiden Zeugen sind daher im wesentlichen deckungsgleich. Insbesondere hat der (beklagtenseits benannte) Zeuge O. – seinen Angaben zufolge – zwar von einer Physiotherapiepraxis für „private Patienten“ gesprochen aber hinzugesetzt, dass die Physiotherapeutin „Nähe W.platz“ bereits eine Praxis betreibt. Dies hat der Zeuge G. offensichtlich so verstanden, dass nur gelegentlich Personen in der Erdgeschosseinheit therapiert werden sollten. Dieses Verständnis entsprach auch dem Horizont eines verständigen Informationsempfängers (§§ 133, 157 BGB).

Die Beweiserhebung hat hingegen nichts dahingehend erbracht, dass etwa die Klägerin während der Vertragsverhandlungen darauf hingewiesen wurde, es werde die Einheit im Erdgeschoss überhaupt nicht mehr als Wohnung ausgebaut. Insbesondere haben sich keine Aufklärungsansätze in der Richtung ergeben, die Klägerin sei vor Vertragsschluss mit dem am 04.11.2009 zuletzt geänderten Plan (B 4) vertraut gemacht worden, aus dem sich herauslesen lässt, dass die Einheit im EG zu einer ausschließlichen Praxis werden sollte.

3.

Die Beklagte hat den Mangel ebenso zu vertreten wie die diesen begründende Pflichtverletzung. Die Beklagte hat die Räume entsprechend der Anlage B 4 errichtet und eine Genehmigung hierfür bei der Landeshauptstadt München erwirkt. Hierbei ist ohne Belang, ob sie im Genehmigungsverfahren „nur“ als Vertreterin der Physiotherapeutin auftrat. Denn dass im Erdgeschoss kein Wohneigentum, sondern faktisches Teileigentum entstanden ist, hat sich im Verhältnis der hiesigen Parteien allein die Beklagte zurechnen zu lassen, die sich der Klägerin gegenüber zur Errichtung einer reinen Wohnanlage verpflichtet hatte.

4.

Der Klägerin ist auch ein Schaden entstanden. Es versteht sich von selbst, dass von einer Physiotherapiepraxis, die regelmäßig von Patienten aufgesucht wird, Beeinträchtigungen ausgehen, die es bei reiner Wohnraumnutzung nicht gibt.

Dies wirkt sich natürlich auch auf den Wert der von der Klägerin erworbenen Einheit aus.

Da hinsichtlich der Schadenshöhe der Rechtsstreit jedoch noch nicht zur Entscheidung reif ist, konnte ein Grundurteil nach § 304 ZPO ergehen. Die Kammer hat den Parteien rechtzeitig signalisiert, dass sie ein solches erwägt (Blatt 48 unten). Ein Grundurteil erschien hier namentlich deshalb sachgerecht, weil hierdurch die Ausgangsfragen einer bindenden Klärung zugeführt werden können, bevor kostenträchtige Beweiserhebungen zur Höhe angestellt werden.

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