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Eigentumswohnungskauf – Bautenstandsberichte durch Architekt

BUNDESGERICHTSHOF

Az.: VII ZR 35/07

Urteil vom 25.09.2008

Vorinstanzen:

LG Itzehoe, Az.: 3 O 17/01, Urteil vom 27.06.2003

OLG Schleswig, Az.: 7 U 86/03, Urteil vom 01.02.2007


In dem Rechtsstreit hat der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2008 für Recht erkannt:

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 1. Februar 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als auf die Berufung des Beklagten zu 2 die Klage abgewiesen worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger nehmen den Beklagten zu 2, einen Architekten, wegen un-richtiger Bautenstandsberichte auf Schadensersatz in Anspruch.

Der am Revisionsverfahren nicht mehr beteiligte Beklagte zu 1 war Eigentümer eines eingeschossigen Zweifamilienhauses. 1995 erwirkte er auf der Grundlage der von dem Beklagten zu 2 gefertigten Pläne eine Baugenehmigung für den Ausbau von zwei Dachgeschosswohnungen. Im gleichen Jahr wurde auch der Anbau zweier Balkone baurechtlich genehmigt.

Unter Bezugnahme auf die Baugenehmigung begründete der Beklagte zu 1 Wohnungseigentum mit drei Miteigentumsanteilen.

Die Kläger erwarben im November 1995 von dem Beklagten zu 1 die im Dachgeschoss zu errichtende Wohnung Nr. 3. Der Erwerbspreis war in acht Raten nach einem Zahlungsplan zu entrichten. Die für die Raten 2 bis 8 erforderlichen Bautenstandsberichte waren im Auftrag des Beklagten zu 1 von dem Beklagten zu 2, dem die Leistungen nach den Leistungsphasen 6 bis 8 des § 15 HOAI übertragen worden waren, zu erstellen. Mit einem zur Vorlage bei der den Erwerbspreis finanzierenden Bank bestimmten Schreiben vom 22. Februar 1996 erklärte der Beklagte zu 2 verbindlich, der verantwortliche Bauleiter des Bauvorhabens zu sein und die von der Bank genehmigten und mit Prüfvermerk versehenen Baupläne einschließlich der dazu gehörigen Baubeschreibung zu kennen. Er bestätigte, dass das Bauvorhaben nach diesen Plänen errichtet werden solle. Außerdem gab er an, nach Baubeginn, Rohbaufertigstellung und Bezug/Fertigstellung unter Beachtung der ihm überlassenen Unterlagen eine dem jeweiligen Bautenstand entsprechende Bestätigung abzugeben.

Der Beklagte zu 2 hat sieben Bautenstandsberichte gefertigt. Die Kläger haben die letzte Rate, die aufgrund des achten Bautenstandsberichts zu zahlen gewesen wäre, nicht bezahlt. Die tatsächliche Bauausführung entspricht nicht der im Erwerbsvertrag in Bezug genommenen Baugenehmigung. Außerdem weisen sowohl das Sondereigentum als auch das Gemeinschaftseigentum teils erhebliche Mängel auf. Die Kläger haben den Beklagten zu 1 mit Erfolg wegen der Mängel des Objekts auf großen Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.

Den Beklagten zu 2 haben die Kläger als Gesamtschuldner neben dem Beklagten zu 1 auf Schadensersatz in Höhe von 166.793,57 € zuzüglich Zinsen verklagt. Sie machen geltend, der Beklagte zu 2 habe in den Bautenstandsberichten weder auf die Mängel noch auf die nicht der Baugenehmigung entsprechende Ausführung des Bauvorhabens hingewiesen. Seine unrichtigen Bautenstandsberichte seien Grundlage für die Auszahlung der Raten durch die finanzierende Bank gemäß dem Zahlungsplan gewesen. Wären die Bautenstandsberichte zutreffend erstellt worden, hätten die Kläger die Zahlungen nicht veranlasst, sondern von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht.

Das Landgericht hat den Beklagten zu 2 verurteilt, als Gesamtschuldner mit dem Beklagten zu 1 an die Kläger zur gesamten Hand 143.842,56 € nebst Zinsen zu zahlen. Es hat dem Architektenvertrag im Hinblick auf die zu erstellenden Bautenstandsberichte drittschützende Wirkung zugesprochen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten zu 2 die gegen ihn gerichtete Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstreben die Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit der Berufung des Beklagten zu 2 stattgegeben wurde, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Auf das Rechtsverhältnis der Parteien sind die bis 31. Dezember 2001 geltenden Rechtsvorschriften anwendbar (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass das von den Klägern erworbene Sondereigentum und insbesondere das Gemeinschaftseigentum viele, teils auch schwerwiegende Mängel aufweist und die Kläger deshalb von dem Beklagten zu 1 vollständige Rückabwicklung des Erwerbsvertrags und weitergehenden Schadensersatz verlangen können. Es hat des Weiteren festgestellt, dass die Bauausführung von der vertraglich in Bezug genommenen Baugenehmigung abweicht. Einen Mangel der Werkleistung hat es daraus im Hinblick auf die von ihm angenommene nachträgliche Genehmigung durch die Baubehörde nicht abgeleitet.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, den Klägern stehe gegen den Beklagten zu 2 selbst dann kein Schadensersatzanspruch zu, wenn dieser den mangelhaften Zustand des Bauvorhabens hätte erkennen können und müssen und mithin die von ihm dem Beklagten zu 1 erteilten und von diesem mit Wissen des Beklagten zu 2 an die finanzierenden Kreditinstitute weitergeleiteten Bautenstandsberichte falsch gewesen seien. Selbst wenn man einem „schlichten“ Architektenvertrag potentiell drittschützende Wirkung zusprechen wollte, fehle es für einen Schadensersatzanspruch der Kläger im konkreten Fall an zwei zentralen Voraussetzungen. Es sei nicht erkennbar, dass der Beklagte zu 1 ein besonderes Interesse gehabt habe, die Kläger in den Schutzbereich des Architektenvertrags einzubeziehen. Außerdem fehle es an dem erforderlichen Schutzbedürfnis, da die Kläger gegen den Beklagten zu 1 einen inhaltsgleichen vertraglichen Anspruch hätten.

Für einen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB fehle es in Bezug auf die Kläger an einer Schädigungsabsicht des Beklagten zu 2. Dieser habe allenfalls die Banken, für die die Bautenstandsberichte bestimmt gewesen seien, schädigen wollen; ein Schaden der Kläger sei allenfalls ein Reflex.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die Begründung, mit der das Berufungsgericht den Klägern einen Schadensersatzanspruch auf der Grundlage eines Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte abgesprochen hat, ist nicht tragfähig.

1.

Die Kläger waren in den Schutzbereich des zwischen den Beklagten geschlossenen Architektenvertrags einbezogen.

a) Der Beklagte zu 2 war von dem Beklagten zu 1 mit der Erstellung der Bautenstandsberichte beauftragt. Er gab die Bautenstandsberichte nicht nur gegenüber dem Beklagten zu 1 ab, sondern bescheinigte den Bautenstand jeweils auf einem von ihm und dem Darlehensnehmer zu unterzeichnenden „Auszahlungsauftrag für ein Grundschulddarlehen“. Ihm war dementsprechend bekannt, dass seine Bautenstandsberichte vor allem im Verhältnis zu Dritten, nämlich zu der finanzierenden Bank und zu den die jeweiligen Auszahlungsaufträge als Darlehensnehmer erteilenden Klägern, von Bedeutung waren. Die Kläger sind damit unmittelbar mit den von dem Beklagten zu 2 zu erbringenden Leistungen in Berührung gekommen.

b) Eines besonderen Interesses des Beklagten zu 1, die Kläger in den Schutzbereich des Architektenvertrags einzubeziehen, bedurfte es nicht. Der Beklagte zu 2 war als bauleitender Architekt tätig und hat sich als solcher der finanzierenden Bank gegenüber ausgewiesen. Seinen Bautenstandsberichten kam daher eine besondere Beweiskraft zu. Sie waren in hohem Maße geeignet, Vertrauen in die Richtigkeit der ausgewiesenen Bautenstände zu erwecken. Bei dieser Sachlage steht die zu vermutende Gegenläufigkeit der Interessen des Beklagten zu 1 und der Kläger deren Einbeziehung in den Schutzbereich des Architektenvertrags nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 2004 – III ZR 368/03, BGH NJW-RR 2004, 1356; Urteil vom 7. Februar 2002 – III ZR 1/01, BauR 2002, 814 = NZBau 2002, 229 = ZfBR 2002, 485; Urteil vom 2. April 1998 – III ZR 245/96, BGHZ 138, 257, 261; Urteil vom 10. November 1994 – III ZR 50/94, BGHZ 127, 378, 380).

2.

Ein Schadensersatzanspruch der Kläger scheitert auch nicht daran, dass ihnen – wie das Berufungsgericht annimmt – ein gleichgerichteter Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 1 zusteht. Der von den Parteien vereinbarte Zahlungsplan orientiert sich an der Makler- und Bauträgerverordnung. Die Bautenstandsberichte 2 bis 8 dienten dem Zweck, dem Beklagten zu 1 nur Zahlungen zukommen zu lassen, die dem Wert des vertragsgemäß zu erstellenden Bauvorhabens entsprachen und damit der Absicherung der Kläger im Hinblick auf eine eventuell unzureichende Leistungserbringung durch den Beklagten zu 1. In einem solchen Fall, in dem die Tätigkeit des Architekten gerade dazu dient, die Kläger vor Überzahlung und damit letzten Endes vor einem Verlust dieser Zahlung bei Zahlungsunfähigkeit ihres Vertragspartners zu schützen, entfällt ihre Schutzwürdigkeit nicht deshalb, weil sie Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten zu 1 besitzen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 2004 – III ZR 368/03, aaO; Urteil vom 10. März 2005 – VII ZR 220/03, BauR 2005, 1052, 1054 = NZBau 2005, 397 = ZfBR 2005, 460).

3.

Ein Schadensersatzanspruch kann den Klägern auch nicht deshalb abgesprochen werden, weil – so die Ausführungen des Berufungsgerichts zu § 826 BGB – nicht ihnen, sondern nur der finanzierenden Bank ein Schaden entstanden sei. Der Schaden ist den Klägern entstanden, weil sie die Bank zur Auszahlung der jeweiligen Raten veranlasst haben und zur Zurückzahlung dieser Beträge aufgrund des mit der Bank geschlossenen Darlehensvertrags verpflichtet sind.

III.

Das Berufungsgericht wird nach Zurückverweisung der Sache zu prüfen haben, ob und inwieweit die jeweiligen Bautenstandsberichte fehlerhaft waren und diese Fehlerhaftigkeit für die Auszahlung der Beträge nach dem Zahlungs-plan kausal geworden ist. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die Bautenstandsberichte bereits dann objektiv fehlerhaft gewesen sein dürften, wenn nicht auf eine von der Baugenehmigung und der vertraglich vereinbarten Ausführung abweichende Bauausführung hingewiesen wurde. Denn der Beklagte zu 2 hat gegenüber der Bank bestätigt, dass das Bauvorhaben nach den von dieser genehmigten und mit Prüfvermerk versehenen Bauplänen errichtet werden sollte. Auf die Frage, ob die geänderte Bauausführung zu einem späteren Zeitpunkt baurechtlich genehmigt wurde, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

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