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Eilantrag auf Ausstellung eines 6-monatigen Genesenennachweises

VG Schwerin – Az.: 7 B 177/22 SN – Beschluss vom 28.02.2022

1. Der Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin unverzüglich nach Zustellung dieses Beschlusses einen Genesenennachweis auszustellen mit einem Immunschutz vom 22.02.2022 bis zum 25.07.2022 und der Angabe, dass die Dauer des Genesenenstatus nicht durch die COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung in der Fassung vom 14.01.2022 verkürzt worden ist.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

2. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Das Gericht legt den auf eine Dauer des Genesenenstatus bis „mindestens zum 24.07.2022“ abzeichnenden Antrag der Antragstellerin in der sich aus dem Tenor ergebenen Weise aus. Dies entspricht dem Begehren der Antragstellerin (§§ 122 Absatz 1, 86 Absatz 3, 88 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -), in der bisher praktizierten Weise einen sechsmonatigen Genesenenstatus zu erhalten. Einer darüber hinausgehenden Anordnung bedarf es nicht, zumal der Antragstellerin insoweit das Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde. Mit Blick auf den so verstandenen Antrag war gemäß § 78 Absatz 1 Nummer 2 VwGO in Verbindung mit § 14 Absatz 2 des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsstrukturgesetzes Mecklenburg-Vorpommern eine Rubrumsberichtigung geboten.

II. Der so verstandene Antrag hat Erfolg.

1. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist der Verpflichtungsantrag statthaft, weil die Antragstellerin in der Hauptsache ein Verpflichtungswiderspruch und im Weiteren eine Verpflichtungsklage gemäß § 42 Absatz 1 Variante 2 VwGO statthaft ist. Bei der begehrten Bescheinigung über den Genesenenstatus handelt es sich um einen feststellenden Verwaltungsakt (vgl. VG Halle (Saale), B. v. 16.02.2022 – 1 B 41/22 HAL -, juris Rn. 15; VG Osnabrück, B. v. 04.02.2022 – 3 B 4/22 -, juris Rn. 8). Denn es handelt sich um eine Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen hat und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 35 Satz 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes – VwVfG M-V -). Insbesondere liegen die Voraussetzungen für eine Regelung vor.

Eine Maßnahme hat Regelungscharakter, wenn sie nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt darauf gerichtet ist, eine Rechtsfolge zu setzen. Sie muss für den Betroffenen rechtsverbindlich Rechte oder Pflichten begründen, inhaltlich ausgestalten, ändern, aufheben, feststellen oder einen derartigen Ausspruch rechtsverbindlich ablehnen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.11.2009 – 4 C 3/09 -, juris Rn. 15; Urt. v. 29.04.1988 – 9 C 54/87 -, juris Rn. 7). Ob eine behördliche Maßnahme einen Verwaltungsakt darstellt, ist entsprechend den zu §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches entwickelten Maßstäben nach ihrem objektiven Erklärungswert zu beurteilen. Maßgebend ist, wie der Empfänger die Erklärung unter Berücksichtigung der ihm erkennbaren Umstände bei objektiver Würdigung verstehen muss; Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.11.2009 – 4 C 3/09 -, juris Rn. 21). Die Auslegung beschränkt sich dabei nicht auf das äußere Erscheinungsbild und formale Äußerlichkeiten wie etwa den Kopf des Bescheids. Vielmehr ist grundsätzlich der gesamte Inhalt des Bescheids einschließlich seiner Begründung heranzuziehen (vgl. OVG Thüringen, Urt. v. 14.12.2009 – 4 KO 482/09 -, juris, Rn. 29).

Dies zu Grunde gelegt, konnte die Antragstellerin den Genesenennachweis bei objektiver Würdigung aller Umstände nur so verstehen, dass der Antragsgegner das Vorliegen einer rechtserheblichen Eigenschaft der Antragstellerin (hier: Genesenenstatus) für einen konkreten Zeitraum festgestellt hat und sie nach der Rechtsauffassung des Antragsgegners für diese Zeit als genesen gilt. Denn der Antragsgegner hat in Bezug auf die Antragstellerin einen Immunschutz für die Zeit vom 22.02.2022 bis zum 24.04.2022 festgestellt.

Dass sich die Dauer des Genesenenstatus generell-abstrakt aus § 2 Nummer 5 SchAusnahmV ergibt, steht dem nicht entgegen. Denn mit dem Genesenennachweis vom 28.01.2022 legt der Antragsgegner im Einzelfall fest, was im Fall der Antragstellerin rechtens ist. Er beseitigt zugleich bestehende Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit von § 2 Nummer 5 SchAusnahmV, indem er die generelle und abstrakte Regelung des Gesetzes verbindlich konkretisiert und hinsichtlich der Antragstellerin individualisiert (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.11.2009 – 4 C 3/09 -, juris Rn. 15; Urt. v. 29.04.1988 – 9 C 54/87 -, juris Rn. 7). Solche feststellenden Verwaltungsakte sind in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt: Feuerstättenbescheid, der die gesetzlichen Pflichten des Grundstückseigentümers konkretisiert (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, B. v. 19.09.2016 – 4 E 549/16 -, juris Rn. 5), Übertragung des Liegenschaftszahlenwerks in die Örtlichkeit im Wege der Grenzfeststellung (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 13.01.2016 – 1 A 10955/13.OVG -, NVwZ-RR 2016, 530 Rn. 22).

Vor diesem Hintergrund vermag sich die Kammer der Rechtsauffassung, dem Genesenennachweis fehle deshalb die Regelungswirkung, weil die Behörde lediglich behördliches Wissen kundtue (so: VG Dresden, B. v. 11.02.2022 – 6 L 97/22 -, juris Rn. 7), nicht anzuschließen. Denn auch die Kenntnis der Rechtslage und die Subsumtion auf den Einzelfall fällt unter „behördliches Wissen“. Der Annahme eines feststellenden Verwaltungsaktes steht dies nicht entgegen. Insbesondere fehlt es nicht an einem Bindungswillen der Behörde, wie etwa bei Auskünfte oder Mitteilungen.

Eilantrag auf Ausstellung eines 6-monatigen Genesenennachweises
(Symbolfoto: Tasha Cherkasova/Shutterstock.com)

Der Antragstellerin fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Insbesondere ist die Hauptsache nicht offensichtlich unzulässig. Denn die Erhebung eines in der Hauptsache statthaften Verpflichtungsrechtsbehelfs ist noch möglich, weil die Widerspruchsfrist noch nicht abgelaufen ist. Sie endet erst mit Ablauf des 31.01.2023 (§ 41 Absatz 2 Satz 1 VwVfG M-V). Denn die Widerspruchsfrist beträgt gemäß §§ 70 Absatz 2, 58 Absatz 2 Satz 1 VwGO ein Jahr, weil der Genesenennachweis vom 28.01.2022 keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält. Ob die E-Mail der Mutter der Antragstellerin vom 05.02.2022 auf Abänderung des Genesenennachweises einen formwirksamen Widerspruch darstellt, bedarf keiner Entscheidung. Denn das Gericht kann eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 Absatz 1 Satz 1 VwGO auch bereits vor Klageerhebung treffen. Nichts Anderes gilt im Falle eines erforderlichen Vorverfahrens für die Widersprucherhebung. Der Genesenenstatus – und damit auch seine Dauer – haben erhebliche Auswirkungen auf die Teilnahme der Antragstellerin am gesellschaftlichen und sozialen Leben. Nach derzeit geltender Rechtslage können nur Personen, die als geimpft oder genesen gelten, Ausnahmen von den in zahlreichen Bereichen des sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens geltenden Beschränkungen der Corona-Landesverordnung Mecklenburg-Vorpommern (Corona-LVO M-V) in Anspruch nehmen. Verstöße hiergegen werden gemäß § 11 Corona-LVO M-V als Ordnungswidrigkeiten geahndet. Im Übrigen erscheint die Durchführung eines Widerspruchsfahrens vorliegend als bloße Förmelei. Denn der Antragsgegner hat bereits mit E-Mail vom 09.02.2022 erklärt, eine Abänderung des Genenesenennachweises aufgrund der aktuellen Rechtslage nicht vornehmen zu können. Ohne gerichtliche Klarstellung droht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Zurückweisung des noch zu erhebenden Widerspruchs, wofür der Antragsgegner vorrangig zuständig wäre. Der Antragsgegner ist mit Blick auf Artikel 1 Absatz 3 und Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) an Recht und Gesetz gebunden. Er kann die Vorgabe des § 2 Nummer 5 SchAusnahmV und die Vorgabe durch das RKI nicht ohne Weiteres übergehen.

Dass das RKI inzwischen auf seiner Internetseite bekanntgegeben hat, dass die Verkürzung des Genesenenstatus auf 90 Tage nach der positiven Testung nur für ungeimpfte Personen gilt und geimpfte Personen bis 180 Tage nach der positiven Testung als genesen gelten, ändert an der Zulässigkeit des Antrages nichts. Denn die Antragstellerin ist nach telefonischer Auskunft der Mutter der Antragstellerin ungeimpft.

Das Normverwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts steht der Zulässigkeit nicht entgegen. Die Antragstellerin wendet sich nicht gegen ein förmliches Gesetz, sondern letztlich gegen § 2 Nummer 5 SchAusnahmV. Untergesetzliche Normen – sowohl des Landes- als auch des Bundesrechts – sind von einer Überprüfung im Rahmen eines konkreten Normenkontrollverfahrens im Sinne des Artikel 100 GG jedoch ausgeschlossen (vgl. VG Hamburg, B. v. 14.02.2022 – 14 E 414/22 -, juris Rn. 6).

2. Der Antrag ist auch begründet.

Gem. § 123 Absatz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Nach § 123 Absatz 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Absatz 2 der Zivilprozessordnung hat die Antragstellerin sowohl die Eilbedürftigkeit der begehrten gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) als auch seine materielle Anspruchsberechtigung (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Genesenennachweis ist derzeit als einziges Surrogat zum Impfnachweis Voraussetzung für die Teilnahme des Einzelnen am gesellschaftlichen und sozialen Leben in vielen Bereichen. Der Antragstellerin drohen ohne Erlass einer einstweiligen Anordnung unzumutbare und irreversible Nachteile, da sie ihr Rechtsschutzbegehren ohne die begehrte einstweilige Regelung im Hauptsacheverfahren nicht mehr effektiv in dem Sinne des Artikel 19 Absatz 4 GG durchsetzen könnte. Der Ausschluss von der Teilnahme am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben hat für den Einzelnen eine hohe Grundrechtsrelevanz, insbesondere in Bezug auf die in Artikel 2 Absatz 2 GG verankerte körperliche Unversehrtheit unter dem Gesichtspunkt der psychischen Gesundheit und auf die Berufsausübungsfreiheit des Artikel 12 Absatz 1 GG (vgl. VG Osnabrück, B. v. 04.02.2022 – 3 B 4/22 -, juris Rn. 11).

Die Antragstellerin hat zudem einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Denn sie hat einen Anspruch auf die Feststellung des Immunschutzes für die Zeit bis zum 25.07.2022.

Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Ausstellung eines Genesenennachweises, der den rechtlichen Vorgaben entspricht. Dies ist nur der Fall, wenn der Nachweis auch den konkreten Zeitraum des Genesenenstatus, hier: 6 Monate, enthält. Denn nach § 1c Absatz 2 Nummer 2 der Corona-LVO M-V ist eine genesene Person eine asymptomatische Person, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Genesenennachweises im Sinne von § 2 Nummer 5 SchAusnahmV ist. Gemäß § 2 Nummer 5 SchAusnahmV in der vom 12.12.2021 bis zum 14.01.2022 gültigen Fassung (SchAusnahmV a. F.) ist ein Genesenennachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens einer vorherigen Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn die zugrundeliegende Testung durch eine Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) erfolgt ist und mindestens 28 Tage sowie maximal sechs Monate zurückliegt.

Die Rechtsauffassung, dass es an einer Anspruchsgrundlage für die Ausstellung eines Genesenennachweises generell oder jedenfalls mit dem konkreten Zeitraum des Genesenenstatus fehlt (so etwa VG Dresden, B. v. 11.02.2022 – 6 L 97/22 -, juris; VG Berlin, B. v. 20.09.2021 – 14 L 512/21 -, juris), teilt die Kammer nicht. Es mag zutreffen, dass es keine Vorschrift gibt, in der ausdrücklich geregelt ist, dass ein Genesenennachweis durch die Gesundheitsämter auszustellen ist. Dies ist aber auch nicht erforderlich. Denn es genügt, wenn sich eine solche Rechtsgrundlage im Wege der Auslegung ergibt (vgl. BVerwG, B. v. 02.07.1991 – 1 B 64/91 -, juris Rn. 3). So liegt der Fall hier. Denn ein Anspruch ergibt sich aus dem Zusammenspiel von § 3 Absatz 1 in Verbindung mit § 2 Nummer 5 SchAusnahmV a. F. in Verbindung mit § 1c Absatz 2 Nummer 2 Corona-LVO M-V. Danach sind genesene Personen von bestimmten Ge- und Verboten ausgenommen, wenn sie einen Genesenennachweis vorlegen. Gäbe es keinen Anspruch auf einen Genesenennachweis, würden die Ausnahmen von den Coronaschutzmaßnahmen ins Leere gehen. Die Betroffenen unterfielen sodann ausnahmslos den Coronaschutzmaßnahmen. Ob Letztere dann insgesamt noch verhältnismäßig wären, wäre höchst zweifelhaft. Wie Betroffene dann ohne einen Anspruch auf einen Genesenennachweis belegen sollen, dass bestimmte Ge- und Verbote im Zusammenhang mit dem Coronavirus für sie nicht gelten, weil sie genesen sind, ist nicht erkennbar. Hinzu kommt, dass die Corona-LVO M-V ausdrücklich die Vorlage eines Genesenennachweises vorsieht. Ohne die Angabe des Zeitraums, in dem der Betroffene als genesen gilt, wären zudem Rechtsunsicherheiten in der Praxis vorprogrammiert. Dann müssten die Einrichtungen, die Ge- und Verboten nach dem Infektionsschutzgesetz und der Corona-Landesverordnung unterliegen, beurteilen, ob der Betroffene als genesen gilt oder nicht. Dazu müssten sie nicht nur die ständig Änderungen unterliegende Rechtslage verfolgen, sondern auch die Fristberechnungen vornehmen. Beides kann nicht ernsthaft verlangt werden.

Dass der Antragsgegner als zuständige Gesundheitsbehörde für das Ausstellen des Genesenennachweises zuständig ist, ergibt sich aus § 54 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes in Verbindung mit § 2 Absatz 1 Nummer 1 des Infektionsschutzausführungsgesetzes. Danach nehmen die Landkreise und kreisfreien Städte die Aufgaben des Gesundheitsamtes nach dem Infektionsschutzgesetz wahr, soweit – wie hier – nichts Anderes bestimmt ist. Die Vorschrift des § 22 Absatz 4a IfSG vermag an der Zuständigkeit des Antragsgegners nichts zu ändern. Danach hat die zur Durchführung oder Überwachung einer Testung in Bezug auf einen positiven Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 befugte Person zwar die Durchführung oder Überwachung einer solchen Testung unverzüglich zu dokumentieren. Allerdings enthält diese sogenannte Genesenendokumentation nur folgende zwingende Angaben: Datum der Testung, personenbezogene Daten des Betroffenen und der zur Testung befugten Person sowie Angaben zur Testung (§ 22 Absatz 4b IfSG). Angaben dazu, wie lange der Betroffene als genesene Person gilt, enthält die Genesenendokumentation nicht. Das Gleiche gilt für das COVID-19-Zertifikat nach § 22 Absatz 6 IfSG.

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Ungeachtet dessen ergibt sich ein Anspruch auf Ausstellung eines tauglichen Genesenennachweises jedenfalls aus dem in Artikel 3 Absatz 1 GG verankerten Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung. Denn in der Praxis stellt der Antragsgegner entsprechende Genesenennachweise aus. Indem der Antragsgegner generell Genesenennachweise ausstellt, kann er die Antragstellerin hiervon nicht ausnehmen, ohne willkürlich zu handeln.

Dem Anspruch auf Ausstellung eines Genesenennachweises für sechs Monate steht § 2 Nummer 5 SchAusnahmV in der aktuellen Fassung nicht entgegen. Danach ist ein Genesenennachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens eines durch vorherige Infektion erworbenen Immunschutzes gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn der Nachweis den vom RKI im Internet unter der Adresse www.rki.de/covid-19-genesenennachweis unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft veröffentlichten Vorgaben hinsichtlich bestimmter Kriterien entspricht: a) Art der Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion, b) Zeit, die nach der Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion vergangen sein muss, oder Nachweis zur Aufhebung der aufgrund der vorherigen Infektion erfolgten Absonderung, c) Zeit, die die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion höchstens zurückliegen darf. Mit Blick auf die derzeitige Einschätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) beträgt der Zeitraum nach § 2 Nummer 5 Buchstabe c) für geimpfte Personen 180 Tage nach dem Datum der Abnahme des positiven Tests und für ungeimpfte Personen 90 Tage.

Der § 2 Nummer 5 SchAusnahmV, mit dem die Gültigkeit des Genesenennachweises für ungeimpfte Personen auf 90 Tage begrenzt wird, ist auf die Antragstellerin nicht anzuwenden, weil er verfassungswidrig ist (vgl. VG Halle (Saale), B. v. 16.02.2022 – 1 B 41/22 HAL -, juris Rn. 18 ff.; VG Hamburg, B. v. 14.02.2022 – 14 E 414/22 -, juris Rn. 20; VG Ansbach, B. v. 11.02.2022 – AN 18 S 22.00234 -, juris Rn. 39; VG Osnabrück, B. v. 04.02.2022 – 3 B 4/22 -, juris). Das VG Osnabrück hat in seinem Beschluss vom 04.02.2022 (3 B 4/22) dazu Folgendes ausgeführt:

„(bb) § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022, mit dem die Gültigkeit des Genesenennachweises auf 90 Tage begrenzt wird, ist nach Ansicht der Kammer aus mehreren, im Folgenden dargelegten Gesichtspunkten verfassungswidrig, daher unwirksam und entfaltet mithin keine Bindungswirkung, soweit dort die Dauer des Genesenenstatus mittelbar durch einen Verweis auf die vom RKI im Internet veröffentlichen Vorgaben auf – aktuell – 90 Tage nach festgestellter Infektion beschränkt wird.

Mit dem wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages („Ausarbeitung zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung des Genesenennachweises durch Rechtsverordnung“ vom 28. Januar 2022, Az. WD 3 – 3000 – 006/22 -, abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource/blob/879942/99eedf2b3492882053bd1 6491ec42a7c/WD-3-006-22-pdf-data.pdf) geht die Kammer von einer Verfassungswidrigkeit des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 aus, da

· § 28c IfSG und die auf ihn gestützte SchAusnahmV, insbesondere der hier streitgegenständliche § 2 Nr. 5, gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz des Art. 20 Abs. 3 GG insoweit verstoßen, als hier im Verordnungswege Sachverhalte geregelt werden, die zumindest mittelbar in die Grundrechte der Betroffenen eingreifen, da ein Genesenennachweis im Rahmen der sogenannten 2G – Regelung für die Teilhabe am öffentlichen Leben neben einer Impfung essenziell ist und diese Regelungen aufgrund des Verweises auf die entsprechenden Vorgaben des RKI nicht durch den Verordnungsgeber selbst, sondern durch die Exekutive getroffen werden. § 2 Nr. 5 selbst gibt keine Kriterien dazu vor, wann eine Immunisierung vorliegt, durch wen diese festgestellt wird, wie lange sie gilt und welche Ausnahmen möglich sind. Ob insoweit sogar – weitergehend – ein Parlamentsvorbehalt besteht, lässt die Kammer ausdrücklich offen;

· die dynamische Verweisung auf die Internetseite des RKI gegen das Verkündungsgebot verstößt. Eine schlichte Verweisung auf eine Internetseite genügt den Anforderungen des Art. 82 Abs. 1 GG insbesondere aufgrund der Tatsache, dass sich der Inhalt dieser Seite quasi sekündlich ändern kann, nicht.“

Diesen Ausführungen schließt sich das Gericht an und macht sie sich für dieses Verfahren zu eigen. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer solchen dynamischen Verweisung äußert auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 10.02.2022 (1 BvR 2649/21) zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Insoweit enthält § 20a IfSG ebenfalls eine doppelte dynamische Verweisung, indem zunächst der Gesetzgeber auf die SchAusnahmV verweist, die ihrerseits zur Konkretisierung der Anforderungen an den vorzulegenden Impf- oder Genesenennachweis auf Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des RKI verweist. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit bestehen nach dem Bundesverfassungsgericht dahingehend, ob und inwieweit eine bindende Außenwirkung der dynamisch in Bezug genommenen Regelwerke der genannten Bundesinstitute noch eine hinreichende Grundlage im Gesetz findet.

Ungeachtet dessen hält das VG Osnabrück in seinem oben genannten Beschluss den § 2 Nummer 5 SchAusnahmV hinsichtlich der Begrenzung des Genesenennachweises auf 90 Tage auch deshalb für verfassungswidrig, weil

„· es sich bei dem Verweis auf die Vorgaben des RKI um eine verdeckte Subdelegation handelt, die mangels Ermächtigung seitens des Gesetzgebers unzulässig ist. § 28c IfSG enthält lediglich eine Verordnungsermächtigung in Bezug auf die Landesregierungen. Indem der Verordnungsgeber in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV die konkrete Ausgestaltung der Norm vollständig dem RKI überlässt, nimmt er gleichsam eine Unterermächtigung der Behörde vor, die nicht von der Verordnungsermächtigung gedeckt ist. Mit dieser Regelung hat die Bundesregierung als Verordnungsgeber eigene Aufgaben an das RKI weitergegeben, ohne dazu ermächtigt gewesen zu sein. Dieses Vorgehen verstößt gegen die Vorgaben des Art. 80 Abs. 1 Satz 4 GG.

· die Regelung durch den Verweis auf die Internetseite des RKI gegen den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 20 Abs. 3 GG verstößt, da der Inhalt dieser Internetseite – wie bereits ausgeführt – ohne großen Aufwand und viel schneller als ein Rechtsetzungsverfahren möglich ist. Der Rechtsanwender muss somit ständig überprüfen, ob die Internetseite weiterhin denselben Inhalt hat, um über die Rechtslage informiert zu bleiben. Zutreffend stellt der Wissenschaftliche Dienst auch darauf ab, dass fraglich ist, ob im Fall einer Änderung der Internetseite der frühere Inhalt archiviert abrufbar bleibt, um es sowohl für Bürger als auch Behörden und Gerichte nachvollziehbar zu machen, welche Regelung zu einem bestimmten Zeitpunkt gegolten hat. Dieser Aspekt hat insbesondere im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens erhebliche Bedeutung. Schließlich könnte es auch einen technischen Ausfall der Seite geben, die zur Folge hätte, dass die Regelungen nicht abgerufen werden könnten. Ein zeitlicher Regelungsdruck, der ein solches Vorgehen rechtfertigen könnte, ist auch für die Kammer nicht ersichtlich. Auch der parlamentarische Gesetzgeber scheint von einer besonderen Eilbedürftigkeit nicht auszugehen, da er die Bundesregierung in § 28c Satz 3 IfSG nur unter dem Vorbehalt der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat zum Erlass und zur Änderung der Ausnahmeverordnung ermächtigt.“

Auch diesen Ausführungen schließt sich das Gericht an und macht sie sich für dieses Verfahren zu eigen. Ob die Verkürzung des Genesenenstatus auf 90 Tage materiell rechtmäßig ist, bedarf daher keiner Entscheidung.

Soweit der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wird, in den Genesenennachweis die Angabe aufzunehmen, dass die Dauer des Genesenenstatus nicht durch die COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung in der Fassung vom 14.01.2022 verkürzt worden ist, trägt dies der allgemein in der Öffentlichkeit bestehenden Unsicherheit über die Anwendbarkeit der Rechtsvorschriften zum Genesenenstatus Rechnung. Denn von einem Genesenennachweis (ohne diese Angabe) kann die Antragstellerin im täglichen Rechtsverkehr nicht effektiv Gebrauch machen (vgl. VG Halle (Saale), B. v. 16.02.2022 – 1 B 41/22 HAL -, juris Rn. 9).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Absatz 1 in Verbindung mit § 53 Absatz 2 Nummer 1 des Gerichtskostengesetzes. Eine Reduzierung des Streitwertes auf die Hälfte des Streitwertes der Hauptsache erscheint dem Gericht mit Blick auf die Vorwegnahme der Hauptsache nicht sachgerecht.

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