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Eilantrag gegen Mund-Nase-Bedeckung während des Schulunterrichts

Oberverwaltungsgericht für Nordrhein-Westfalen – Az.: 13 B 1197/20.NE – Beschluss vom 20.08.2020

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller sind Schüler, die weiterführende Schulen im Kreis Euskirchen besuchen. Sie wenden sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die im Zuge der Bekämpfung der Corona-Pandemie angeordnete Verpflichtung, während des Unterrichts grundsätzlich eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen.

§ 1 der Verordnung zur Neuregelung der Bestimmungen zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 im Bereich der Betreuungsinfrastruktur (Coronabetreuungsverordnung – CoronaBetrVO) vom 11. August 2020 (GV. NRW. S. 767a), berichtigt durch Verordnung vom 12. August 2020 (GV. NRW. S. 738), lautet wie folgt:

§ 1

Eilantrag gegen Mund-Nase-Bedeckung während des Schulunterrichts
Symbolfoto: Von Halfpoint/Shutterstock.com

Schulische Gemeinschaftseinrichtungen

(1) Zur Verringerung von Infektionsrisiken bezogen auf das SARS-CoV-2-Virus ist die unterrichtliche, die sonstige schulisch-dienstliche und – nach Zulassung durch den Schulträger – die außerschulische Nutzung von öffentlichen Schulen, Ersatzschulen und Ergänzungsschulen im Sinne des Schulgesetzes NRW nur nach Maßgabe der folgenden Absätze zulässig. Eine darüber hinausgehende Nutzung der Schulgebäude ist unzulässig und das Betreten der Schulgebäude insoweit untersagt.

(2) Die unterrichtliche Nutzung (insbesondere Unterricht, Arbeitsgemeinschaften, Angebote im Sinne von § 9 des Schulgesetzes NRW und die jeweils damit im Zusammenhang stehenden Annexnutzungen wie beispielsweise Pausen und Freistunden) bestimmt sich nach den Absätzen 3 bis 7, wobei das Nähere durch das für Schule zuständige Ministerium geregelt wird.

(3) Alle Personen, die sich in einem Schulgebäude oder auf einem Schulgrundstück aufhalten, sind, auch im Unterricht, verpflichtet, eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen, soweit sich aus den Absätzen 4 bis 6 nichts anderes ergibt.

(4) In Schulen der Primarstufe oder mit Primarstufe ist keine Mund-Nase-Bedeckung erforderlich für die Schülerinnen und Schüler der Klassen 1 bis 4, solange Unterricht stattfindet und sie auf ihren Sitzplätzen sitzen, sowie in den Räumen der Ganztags- und Betreuungsangebote.

(5) Für Lehrkräfte und die Betreuungskräfte ist keine Mund-Nase-Bedeckung erforderlich, wenn sie einen Mindestabstand von 1,5 Metern zu den anderen Personen im Raum einhalten.

(6) Abweichend von Absatz 3 kann

1. die Lehrkraft entscheiden, dass das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung zeitweise oder in bestimmten Unterrichtseinheiten mit den pädagogischen Erfordernissen und den Zielen des Unterrichts nicht vereinbar ist, insbesondere im Sportunterricht oder bei Prüfungen,

2. die Schulleiterin oder der Schulleiter entscheiden, dass das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung im Einzelfall aus medizinischen Gründen oder auf Grund einer Beeinträchtigung ausgeschlossen ist.

In diesen Fällen muss mit Ausnahme des Sportunterrichts ein Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen Personen gewährleistet sein. Beim Gebrauch einer besonderen Schutzausrüstung bei schulischen Tätigkeiten mit Schülerinnen und Schülern mit einer Behinderung kann der Mindestabstand unterschritten werden.

(7) In den Räumen für den Unterricht und andere schulische Angebote soll mit Ausnahme von Ganztags- und Betreuungsangeboten für alle Klassen, Kurse und Lerngruppen eine feste Sitzordnung eingehalten und dokumentiert werden. Für jede Unterrichtsstunde und vergleichbare Schulveranstaltung sowie für jedes Ganztags- und Betreuungsangebot sind darüber hinaus die Namen der Personen verlässlich zu dokumentieren, die daran teilgenommen haben. Die Dokumentationen nach den Sätzen 1 und 2 sind zur Rückverfolgbarkeit vier Wochen lang aufzubewahren.

(8) Eine sonstige schulisch-dienstliche Nutzung im Sinne von Absatz 1 ist insbesondere gegeben bei

1. der Vor-Ort-Betreuung (Notbetreuung) gemäß den Absätzen 9 und 10 sowie der Wahrnehmung der damit verbundenen Dienstgeschäfte,

2. der Erledigung von nicht unterrichtlichen Dienstaufgaben durch Lehrkräfte,

3. Staatsprüfungen, Berufsabschlussprüfungen der zuständigen Stellen oder Auswahlgesprächen (Einstellung/Laufbahnwechsel) und bei der Wahrnehmung der damit verbundenen Dienstgeschäfte,

4. der Wahrnehmung von Aufgaben der Mitwirkung in der Schule (§§ 65 bis 75 des Schulgesetzes NRW),

5. der Wahrnehmung der Aufgabe der Schulbegleitung als Teilhabe an Bildung gemäß § 112 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und § 35a des Achten Buches Sozialgesetzbuch sowie

6. Schulveranstaltungen unter Beteiligung außerschulischer Personen, wenn diese Veranstaltungen keinen überwiegend geselligen Charakter haben.

(9) Zulässig ist die Vor-Ort-Betreuung (Notbetreuung) von Schülerinnen und Schülern, in der Regel der Jahrgangsstufen 1 bis 6, mit besonderem Betreuungsbedarf im Sinne von § 3 Absatz 1 in den Schulräumlichkeiten. Das Nähere regelt das Ministerium für Schule und Bildung.

(10) Zulässig ist die Vor-Ort-Betreuung (Notbetreuung) von Schülerinnen und Schülern der jeweiligen Schule, wenn wegen einer Kindeswohlgefährdung die Aufnahme in die Vor-Ort-Betreuung als Folge einer familiengerichtlichen Entscheidung oder im Rahmen von Maßnahmen oder Schutzplänen nach § 8a des Achten Buches Sozialgesetzbuch erforderlich ist. Die Aufnahme in die Vor-Ort-Betreuung kann auch erforderlich sein, wenn die Schülerin oder der Schüler im regelhaften Schulbetrieb als Folge einer Entscheidung nach den §§ 27 ff. des Achten Buches Sozialgesetzbuch am Offenen Ganztag teilnimmt. Das Jugendamt hat vorrangig zu prüfen, ob das Kindeswohl auch mit anderen verfügbaren Maßnahmen gewährleistet werden kann. Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Aufnahme in die Vor-Ort-Betreuung ist von der Jugendamtsleitung oder einer von ihr benannten Person zu treffen und zu dokumentieren; die Notwendigkeit der Aufnahme ist der Schulleitung schriftlich zu bestätigen. Die Schulleitung kann die Aufnahme nur ablehnen, wenn andernfalls die Durchführung der Vor-Ort-Betreuung insgesamt gefährdet wäre; sie beteiligt das Jugendamt und die Schulaufsicht.

(11) Die Reinigung der Schulräume erfolgt regelmäßig und falls erforderlich mit kürzeren Abständen als im Normalbetrieb. Schultoiletten sind unter Berücksichtigung des Infektionsschutzes angemessen auszustatten (Seife, Einmalhandtücher). Wenn die Kapazität der Schultoiletten nicht ausreicht, um den Schülerinnen und Schülern eine regelmäßige Handygiene ohne unangemessene Wartezeiten zu ermöglichen, sind zusätzlich Handdesinfektionsspender bereitzustellen. Absatz 9 Satz 2 gilt entsprechend.

(12) Über eine außerschulische Nutzung der Schulgebäude entscheidet der Schulträger in Abstimmung mit der Schulleitung auf Grundlage der Coronaschutzverordnung. Eine außerschulische Nutzung zur Vorbereitung und Durchführung von Wahlen ist dabei generell zuzulassen. Die Auswirkungen einer solchen Nutzung für die Einhaltung der schulischen Hygiene sind im Hygieneplan der Schule (§ 36 des Infektionsschutzgesetzes) zu dokumentieren.

Die Antragsteller haben am 11. August 2020 einen Normenkontrollantrag gestellt (13 D 141/20.NE) und zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.

Zur Begründung machen sie im Wesentlichen geltend: Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung während des Unterrichts sei unverhältnismäßig. Der Nutzen einer Alltagsmaske sei wissenschaftlich nicht belegt. Schutz könne sie allenfalls bei korrekter Anwendung bieten, diese sei aber bei Kindern der Altersgruppe bis 14 Jahren unwahrscheinlich. Zudem führe das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung zu erheblichen Gesundheitsgefährdungen bei Kindern. Der Zufluss frischer Atemluft werde behindert, sodass verbrauchte Atemluft eingeatmet werde. Zudem steige bei durchfeuchteten Masken das Risiko einer Keimbildung und damit einer Selbstinfektion. Würden Alltagsmasken über einen längeren Zeitraum getragen, entstünden bei den Trägern überdies Kopfschmerzen und Konzentrationsmangel. Außerdem führten die textilen Masken zu einem wesentlich höheren Atemwiderstand als die im medizinischen Bereich verwendeten Operationsmasken, dafür sei der Atemapparat von Kindern nicht ausgelegt. Die Maske behindere die Teilnahme am Unterricht, da beispielsweise Wortbeiträge mit höherer Lautstärke vorgetragen werden müssten und schüchterne Schüler ausgegrenzt würden. Schließlich rechtfertige das aktuelle Infektionsgeschehen die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung während des Unterrichtsbetriebs nicht. Die Zahl der Neuinfektionen verteile sich im Land Nordrhein-Westfalen ganz unterschiedlich, an ihrem Schul- und Wohnort sei die Zahl gering. Angesichts der Fallzahlen sei eine drohende Überforderung des Gesundheitssystems nicht erkennbar, Intensivbetten stünden aktuell leer. Es gäbe auch keine erhärtenden Hinweise, dass in Schulen ein besonderes Infektionsrisiko bestehe. Bei Kindern und Jugendlichen verliefen Infektionen meist symptomlos und Erkrankungen allenfalls leicht. Die Infizierung durch symptomlos infizierte Personen stelle eine absolute Ausnahme dar. Dem steigenden Infektionsrisiko durch Urlaubsrückkehrer aus Risikogebieten könne effektiver und weniger einschneidend durch eine Testung der Rückkehrer begegnet werden.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß, im Wege der einstweiligen Anordnung den Vollzug von § 1 Abs. 3 CoronaBetrVO bis zur einer Entscheidung über ihren Normenkontrollantrag auszusetzen, soweit die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung auch während des Unterrichts angeordnet ist.

Der Antragsgegner verteidigt die angegriffene Vorschrift und beantragt, den Antrag abzulehnen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg. Der gemäß § 47 Abs. 6, Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 109a JustG NRW statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag ist unbegründet. Die von den Antragstellern begehrte einstweilige Anordnung ist nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten (§ 47 Abs. 6 VwGO).

1. Der Normenkontrollantrag in der Hauptsache bleibt voraussichtlich ohne Erfolg, weil sich der angegriffene § 1 Abs. 3 CoronaBetrVO bei einer wegen der Eilbedürftigkeit der Entscheidung nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich als rechtmäßig erweist.

Vgl. zu den Entscheidungsmaßstäben BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 VR 5.14 -, juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschlüsse vom 6. April 2019 – 13 B 398/20.NE -, juris, Rn. 32, und vom 26. August 2019 – 4 B 1019/19.NE -, juris, Rn. 12; Nds. OVG, Beschluss vom 17. Februar 2020 – 2 MN 379/19 -, juris, Rn. 24, m. w. N.; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395.

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a. § 1 Abs. 3 CoronaBetrVO beruht auf § 32 Satz 1 und 2 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG in der Fassung vom 27. März 2020 (BGBl. I 587). Der Senat hat bereits mehrfach entschieden,

vgl. grundlegend Beschluss vom 6. April 2020 – 13 B 398/20.NE -, juris, Rn. 37 ff., 50 ff.,

dass die Verordnungsermächtigung hinsichtlich der Regelungen der Coronaschutzverordnung voraussichtlich den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genügt und etwaige verfassungsrechtliche Bedenken mit Blick auf den Vorbehalt des Gesetzes jedenfalls im vorliegenden Pandemiefall nicht durchgreifen. Nichts anderes gilt für die Coronabetreuungsverordnung.

b. Die nach § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG erforderlichen tatbestandlichen Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 3 CoronaBetrVO normierte Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung während Unterrichts liegen angesichts der sich gegenwärtig wieder verschärfenden Pandemielage vor. Insbesondere stellt die Verpflichtung zum Tragen der Mund-Nase-Bedeckung auch während des Unterrichts in dieser Situation eine Schutzmaßnahme i. S. d. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dar.

Vgl. insoweit bereits Senatsbeschlüsse vom 30. April 2020 – 13 B 539/20.NE -, juris, Rn. 25 ff., und vom 28. Juli 2020 – 13 B 675/20.NE -, juris, Rn. 35 ff., jeweils zur allgemeinen „Maskenpflicht“.

c. Es spricht weiter Überwiegendes dafür, dass der Verordnungsgeber auf der Rechtsfolgenseite von dem ihm zukommenden Verordnungsermessen in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht hat.

(1) Nicht zu beanstanden ist, dass die Pflicht, auch im Unterricht eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen, sich unterschiedslos auf alle Schüler der Klassen 5 und höher (vgl. § 1 Abs. 4 CoronaBetrVO) – und gegebenenfalls auch auf die Lehrer, wenn der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann (vgl. § 1 Abs. 5 CoronaBetrVO) – erstreckt. Schutzmaßnahmen müssen sich nicht auf Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider (sog. „Störer“) beschränken, wenn dies eine effektive Gefahrenabwehr nicht gewährleistet,

vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16.11 -, juris, Rn. 26, unter Hinweis auf BT-Drs. 8/2468, S. 27; Senatsbeschlüsse vom 6. April 2020 – 13 B 398/20.NE -, juris, Rn. 70, sowie vom 15. April 2020 – 13 B 440/20.NE -, juris, Rn. 82 ff.; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 23. März 2020 – OVG 11 S 12/20 -, juris, Rn. 8; Nds. OVG, Beschluss vom 29. Mai 2020 – 13 MN 185/20 -, juris, Rn. 24, etwa weil – wie hier – aus tatsächlichen Gründen vielfach gar nicht klar ist, ob eine Person „Störer“ oder „Nichtstörer“ ist. Nach aktuellem Erkenntnisstand kann nämlich eine Übertragung des Coronarvirus durch eine infizierte Person schon vor Symptombeginn oder auch bei einem asymptomatischen Verlauf der Erkrankung, den der Betroffene selbst gar nicht wahrgenommen hat, stattfinden.

Vgl. Senatsbeschluss vom 30. April 2020 – 13 B 539/20.NE -, juris, Rn. 30 f.; Rixen, Gesundheitsschutz in der Coronavirus-Krise – Die (Neu-)

Regelungen des Infektionsschutzgesetzes, in: NJW 2020, 1097 (1101).

(2) Art und Umfang der hier in Rede stehenden Verpflichtung sind nicht erkennbar ermessensfehlerhaft. § 1 Abs. 3 CoronaBetrVO genügt voraussichtlich dem in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG zum Ausdruck kommenden Gebot strikter Verhältnismäßigkeit.

Die in Nordrhein-Westfalen zum 12. August 2020 erfolgte Wiederaufnahme des (angepassten) Regelbetriebs an weiterführenden Schulen, mit der der Verordnungsgeber dem für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen bedeutsamen Anspruch auf schulische Bildung und Erziehung (§ 1 Abs. 1 SchulG NRW) genügt und an der darüber hinaus auch ein schwerwiegendes (bildungspolitisches) öffentliches Interesse besteht, geht aus Sicht des Verordnungsgebers epidemiologisch mit einer erheblichen Gefahrensituation einher. Die Verpflichtung, auch während des Unterrichts grundsätzlich eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen, trägt dem Rechnung.

Die Maßnahme dient einem legitimen Zweck. Sie soll dazu beitragen, die Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus unter den Schülern und Lehrern sowie deren Bezugspersonen außerhalb des Unterrichts zumindest zu reduzieren und hierdurch die Virusausbreitung in der Bevölkerung insgesamt (bis zur Entwicklung von antiviralen Medikamenten oder von Impfstoffen) einzudämmen. Damit wiederum soll die mit einer unkontrollierten Infektionsausbreitung einhergehende Gefahr einer Erkrankung vieler Menschen mit teilweise schwerwiegenden und tödlichen Krankheitsverläufen sowie einer Überforderung des Gesundheitssystems vermieden werden.

Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Verordnungsgeber weiterhin davon ausgeht, dass die Corona-Pandemie eine ernstzunehmende Gefahrensituation begründet, die staatliches Einschreiten nicht nur rechtfertigt, sondern mit Blick auf die Schutzpflicht des Staates für Leib und Gesundheit der Bevölkerung grundsätzlich gebietet.

Vgl. zu dieser Schutzpflicht z. B. BVerfG, Urteil vom 28. Januar 1992 – 1 BvR 1025/82 u. a. -, juris, Rn. 69, m. w. N., sowie – in Bezug auf die Corona-Pandemie – Kammerbeschluss vom 28. April 2020 – 1 BvR 899/20 -, juris, Rn. 13.

Auch wenn sich das Infektionsgeschehen aufgrund der ergriffenen Maßnahmen insgesamt verlangsamt hat, besteht die Gefahr der unkontrollierten Verbreitung der Infektion und daran anknüpfend einer Überlastung des Gesundheitswesens mit gravierenden Folgen für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung fort. Die Anzahl der an das Robert Koch-Institut übermittelten Neuinfektionsfälle war seit Mitte März bis Anfang Juli rückläufig, seitdem nimmt die Fallzahl stetig zu. Dieser Anstieg hat sich in den letzten Wochen deutlich beschleunigt. Gegenwärtig ist insbesondere in Nordrhein-Westfalen wieder ein Anstieg der Infektionszahlen zu verzeichnen, den das Robert Koch-Institut als beunruhigend bezeichnet.

Vgl. Robert Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/ N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-07-28-de.pdf?__blob=publicationFile, Stand: 19. August 2020.

Nach den Feststellungen des Robert Koch-Instituts handelt es sich weiterhin um eine sehr dynamische Situation. Die Gefährdung für die Bevölkerung wird nach wie vor als hoch eingeschätzt, für Risikogruppen sogar als sehr hoch.

Vgl. noch einmal Robert Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Aktualisierter Stand für Deutschland, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ /N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html, Stand: 19. August 2020.

In Rechnung zu stellen ist zudem, dass sich das Infektionsrisiko von Kindern und Jugendlichen sowie deren Relevanz bei der Übertragung des Virus auf andere Personen noch nicht abschließend beurteilen lässt. Nach gegenwärtigen Erkenntnissen können sich grundsätzlich auch Kinder und Jugendliche mit dem Coronavirus infizieren und dieses weitergeben. Lediglich für jüngere Kinder unter zehn Jahren mehren sich die Hinweise, dass sie eine geringere Rolle im Infektionsgeschehen spielen könnten. Sind Kinder und Jugendliche infiziert, zeigen sie häufiger als Erwachsene keine oder nur milde Krankheitssymptome; nur selten weisen sie schwere Symptome auf, und die Letalität ist äußerst gering. Für die Kontrolle des Infektionsgeschehens stellt der oftmals asymptomatische bzw. sehr milde unspezifische Verlauf eine besondere Herausforderung dar, weil sich dadurch Infektionen unbemerkt ausbreiten können.

Vgl. Robert Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Kinder und Jugendliche, abrufbar unter: https://www.rki.de/ DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText5, Stand: 7. August 2020, und Epidemiologisches Bulletin 19/2020, Wiedereröffnung von Bildungseinrichtungen – Überlegungen, Entscheidungsgrundlagen und Voraussetzungen, abrufbar unter: https://www.rki.de/ DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/19/Art_03.html, Stand: 7. Mai 2020; Gesellschaft für Virologie e. V., Stellungnahme der Ad-hoc-Kommission SARS-CoV-2 der Gesellschaft für Virologie: SARS-CoV-2-Präventionsmassnahmen bei Schulbeginn nach den Sommerferien, 6. August 2020, abrufbar unter: https://www.g-f-v.org/node/1326; Leopoldina, Coronavirus-Pandemie: Für ein krisenresistentes Bildungssystem, 5. Ad-hoc-Stellungnahme, 5. August 2020, S. 5 f., abrufbar unter: https://www.leopoldina. org/fileadmin/redaktion/Publikationen/Nationale_Empfehlungen/2020_08_05_Leopoldina_Stellungnahme _Coronavirus_Bildung.pdf.

Grundsätzlich kann es auch in Bildungseinrichtungen zur Verbreitung von SARS-CoV-2 kommen, wie z. B. Ausbrüche an Schulen in Frankreich, Südkorea oder Israel gezeigt haben. Auch in Nordrhein-Westfalen mussten, nachdem die Grundschulen im Juni 2020 zwei Wochen vor Beginn der Sommerferien den Regelbetrieb wieder aufgenommen hatten, einzelne Schulen wegen nachgewiesener Infektionsfälle wieder geschlossen bzw. für einzelne Schüler und Lehrer Quarantänemaßnahmen angeordnet werden.

Vgl. Gesellschaft für Virologie e. V., Stellungnahme der Ad-hoc-Kommission SARS-CoV-2 der Gesellschaft für Virologie: SARS-CoV-2-Präventionsmassnahmen bei Schulbeginn nach den Sommerferien, 6. August 2020, abrufbar unter: https://www.g-f-v.org/sites/default/files/Stellungnahme%20GfV_Bildungseinrichtungen_20200806_final_sent.pdf; Leopoldina, Coronavirus-Pandemie: Für ein krisenresistentes Bildungssystem, 5. Ad-hoc-Stellungnahme, 5. August 2020, S. 6, abrufbar unter: https://www.leopoldina.org/fileadmin/redaktion/Publikationen/Nationale_Empfehlungen/2020_08_05 _Leopoldina_Stellungnahme_Coronavirus_Bildung.pdf; WDR, Erste Grundschulen nach neuen Corona-Fällen schon wieder zu, 16. Juni 2020, abrufbar unter: https://www1.wdr.de/nachrichten/schulschliessungen-wegen-coronafaellen-100.html.

Hinzu kommt ein zum gegenwärtigen Zeitpunkt bestehender weiterer Unsicherheitsfaktor bei der Bewertung des Infektionsgeschehens, der daraus resultiert, dass kurz vor Beginn des neuen Schuljahres eine nicht unbeträchtliche Zahl von Schülern und Lehrern von Reisen (auch aus sog. Risikogebieten) zurückgekehrt ist. Etwa jede vierte Corona-Neuinfektion in Nordrhein-Westfalen ist auf Reiserückkehrer aus dem In- und Ausland zurückzuführen.

Vgl. dazu die Pressemitteilung der Landesregierung vom 3. August 2020, Ministerin Gebauer: Achtsam, und sorgsam sein – klare Vorgaben für einen angepassten Schulbetrieb in Corona-Zeiten, abrufbar unter: https://www.land.nrw/de/presse-mitteilung/ministerin-gebauer-achtsam-und-sorgsam-sein-klare-vorgaben-fuer-einen-angepassten; WDR, Steigende Infektionszahlen: Müssen wir uns Sorgen machen?, 13. August 2020, abrufbar unter: https://www1.wdr. de/nachrichten/themen/coronavirus/infektionszahlen-anstieg-reiserueckkehrer-100.html.

Angesichts dieser Risikobewertung lässt weder der Umstand, dass die Infektionszahlen regional unterschiedlich hoch sind, noch der Hinweis darauf, dass gegenwärtig Intensivbetten in einem erheblichen Umfang frei sind, auf eine Verminderung oder gar einen Wegfall der Gefährdungssituation schließen. Die Risikobewertung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Verordnungsgeber bisher keine eigene Studie zur pandemischen Verbreitung des Virus, insbesondere mit Blick auf die Relevanz von Kindern und Jugendlichen, in Auftrag gegeben hat, sondern stattdessen auf die Einschätzung des Robert Koch-Instituts zurückgreift, die sich auf unterschiedliche Surveillance-Instrumente, Modellierungen und Studien stützt.

Wenn der Verordnungsgeber daher die seit dem sogenannten Shutdown zugelassenen Lockerungen (auch) in den Schulen schrittweise,

 

vgl. zum eingeschränkten Regelbetrieb vor Beginn der Sommerferien den Senatsbeschluss vom 12. Juni 2020 – 13 B 779/20.NE -, juris,

und unter Beachtung der weiteren Entwicklung des Infektionsgeschehens vollzieht, um die errungenen Erfolge – mit nicht absehbaren sozialen und wirtschaftlichen Folgen – nicht wieder zu verspielen,

vgl. dazu auch die Pressemitteilung der Landesregierung vom 3. August 2020, Ministerin Gebauer: Achtsam, und sorgsam sein – klare Vorgaben für einen angepassten Schulbetrieb in Corona-Zeiten, abrufbar unter: https://www.land.nrw/de/presse-mitteilung/ministerin-gebauer-achtsam-und-sorgsam-sein-klare-vorgaben-fuer-einen-angepassten, ist dies nicht zu beanstanden.

Dabei ist ihm wegen der Fragilität der Lage und wegen der fortbestehenden tatsächlichen Ungewissheiten nach wie vor eine Einschätzungsprärogative im Hinblick auf das gewählte Mittel einzuräumen, soweit und solange sich nicht andere Maßnahmen eindeutig als gleich geeignet und weniger belastend darstellen.

So im Einzelnen z. B. bereits die Senatsbeschlüsse vom 29. April 2020 – 13 B 512/20.NE -, juris, Rn. 44 ff., und vom 19. Mai 2020 – 13 B 557/20.NE -, juris, Rn. 71 ff.; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. Mai 2020 – 1 BvR 1021/20 -, juris, Rn. 10; VerfGH Saarl., Beschluss vom 28. April 2020 – Lv 7/20 -, juris, Rn. 32.

Nach dieser Maßgabe dürfte sich die grundsätzliche Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung auch während des Unterrichts als geeignet zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks erweisen, die mit der Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts in den weiterführenden Schulen verbundene Ansteckungsgefahr zu reduzieren.

Ein Mittel ist bereits dann geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Es ist nicht erforderlich, dass der Erfolg in jedem Einzelfall auch tatsächlich erreicht wird oder jedenfalls erreichbar ist; die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. April 1997 – 2 BvL 45/92 -, juris, Rn. 61, m. w. N.

Dass der Verordnungsgeber die Grenzen seines Einschätzungsspielraums insoweit überschritten haben könnte, ist nicht festzustellen. Die streitgegenständliche Regelung beruht auf der Grundannahme, dass sich das Coronavirus nach derzeitigen Erkenntnissen bei direkten persönlichen Kontakten im Wege einer Tröpfcheninfektion oder über Aerosole, bestehend aus kleinsten Tröpfchenkernen, die längere Zeit in der Umgebungsluft schweben und sich z. B. in Innenräumen anreichern und größere Distanzen überwinden können, besonders leicht von Mensch zu Mensch verbreitet. Grundsätzlich ist die Wahrscheinlichkeit einer Exposition gegenüber Tröpfchen und Aerosolen im Umkreis von 1 bis 2 Metern um eine infizierte Person herum erhöht.

Vgl. Robert Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Übertragungswege, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/ Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief. html#doc13776792bodyText1, Stand: 7. August 2020.

Zwar dürfte der wissenschaftliche Diskurs über die Eignung sog. Behelfsmasken als Mittel zur Verringerung der Infektionszahlen bisher nicht abgeschlossen sein. Nach den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts,

vgl. zu deren Stellenwert Senatsbeschluss vom 6. April 2020 – 13 B 398/20.NE -, juris, Rn. 76 f., m. w. N.,

denen der Verordnungsgeber gefolgt ist, ist bei dem derzeitigem Erkenntnisstand aber davon auszugehen, dass auch privat hergestellte textile Mund-Nase-Bedeckungen eine (wenn auch im Vergleich zu einem chirurgischen Mund-Nasen-Schutz geringere) Filterwirkung auf feine Tröpfchen und Partikel entfalten können, die als Fremdschutz zu einer Reduzierung der Ausscheidung von Atemwegsviren über die Ausatemluft führen kann. Hierdurch erscheint es wiederum möglich, dass ihr Tragen einen Beitrag zur weiteren Verlangsamung der Ausbreitung des von Mensch zu Mensch übertragbaren Coronavirus leistet, wenn mehrere Menschen – wie im Schulunterricht – über einen längeren Zeitraum zusammentreffen oder ein physischer Abstand von mindestens 1,5 Metern nicht immer eingehalten werden kann.

Vgl. Robert Koch-Institut, Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2 / Krankheit COVID-19, Was ist beim Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in der Öffentlichkeit zu beachten?, abrufbar unter: https://www.rki.de/Shared Docs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html?nn=13490888, Stand: 15. Juli 2020, und Epidemiologisches Bulletin 19/2020, Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Raum als weitere Komponente zur Reduktion der Übertragungen von COVID-19, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20_MNB.pdf?__blob=publicationFile, Stand: 3. Update vom 7. Mai 2020.

Diese Beurteilung wird nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass das Robert Koch-Institut zu Beginn der Pandemie noch keine allgemeine Empfehlung zum Tragen einer Maske abgegeben und mitgeteilt hatte, es gebe keine hinreichende Evidenz dafür, dass der Mund-Nase-Schutz das Risiko einer Ansteckung für eine gesunde Person, die ihn trage, signifikant verringere. Diese Einschätzung über die Schutzwirkung sog. Behelfsmasken steht zu der jetzigen Empfehlung nicht im Widerspruch, die anders als zunächst den Fokus nicht in erster Linie auf den Aspekt des Eigenschutzes richtet, sondern vorrangig den Gesichtspunkt des Fremdschutzes in den Blick nimmt. Die Neubewertung von Schutzmaßnahmen, auch unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse über das Virus, ist notwendiger Bestandteil eines wissenschaftlichen Diskurses.

Vgl. dazu den Senatsbeschluss vom 19. Mai 2020 – 13 B 557/20.NE -, juris, Rn. 92 f., m. w. N.

Auch die Weltgesundheitsorganisation hat nach ursprünglich kritischer Einstellung ihren Standpunkt zur Maskenpflicht zwischenzeitlich geändert und empfiehlt diese bei sachgemäßer Anwendung insbesondere in Situationen, in denen die Abstandsregelungen nicht eingehalten werden können.

Vgl. WHO, Q&A: Masks and COVID-19, What is WHO’s view on masks?, abrufbar unter: https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/ q-a-on-covid-19-and-masks, Stand: 7. Juni 2020.

Schließlich bejaht etwa auch die Ad-hoc-Kommission SARS-CoV-2 der Gesellschaft für Virologie unter Hinweis auf neuere wissenschaftliche Erkenntnisse eine zunehmende Evidenz zur Schutzwirkung von Alltagsmasken bei deren konsequentem und korrektem Einsatz und spricht sich vor diesem Hintergrund aus (alleiniger) virologischer Sicht für das konsequente Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen in allen Schuljahrgangsstufen und während des Unterrichts aus.

Vgl. Gesellschaft für Virologie e. V., Stellungnahme der Ad-hoc-Kommission SARS-CoV-2 der Gesellschaft für Virologie: SARS-CoV-2-Präventionsmassnahmen bei Schulbeginn nach den Sommerferien, 6. August 2020, abrufbar unter: https://www.g-f-v.org/sites/default/files/Stellungnahme%20GfV_Bildungseinrichtungen_20200806_final_sent.pdf; vgl. dazu auch Leopoldina, Coronavirus-Pandemie: Für ein krisenresistentes Bildungssystem, 5. Ad-hoc-Stellungnahme, 5. August 2020, S. 6, abrufbar unter: https://www.leopoldina.org/fileadmin/redaktion/Publikationen/Nationale_Empfehlungen/2020_08_05_Leopoldina_Stellungnahme_Coronavirus_Bildung.pdf; aus der Rechtsprechung siehe im Übrigen etwa Nds. OVG, Beschluss vom 14. August 2020 – 13 MN 300/20 -, juris, Rn. 13 ff.; Hamb. OVG, Beschluss vom 21. Juli 2020 – 5 Bs 86/20 -, juris, Rn. 17 ff.; Bay. VGH, Beschluss vom 7. Juli 2020 – 20 NE 20.1477 -, juris, Rn. 16 ff.; OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 6. Juli 2020 – 6 B 10669/20 -, juris, Rn. 30; Thür. OVG, Beschluss vom 3. Juli 2020 – 3 EN 391/20 -, juris, Rn. 66 ff.

Diesen Einschätzungen steht nicht entgegen, dass es unter der Vielzahl wissenschaftlicher Meinungen andere Stimmen gibt, die die Wirksamkeit einer einfachen Mund-Nase-Bedeckung gänzlich verneinen oder jedenfalls für vernachlässigbar halten. Der Verordnungsgeber verletzt seinen Einschätzungsspielraum grundsätzlich nicht dadurch, dass er bei mehreren vertretbaren Auffassungen einer den Vorzug gibt, solange er dabei nicht feststehende, hiermit nicht vereinbare Tatsachen ignoriert.

Vgl. so schon den Senatsbeschluss vom 30. April 2020 – 13 B 539/20.NE -, juris, Rn. 45 f., m. w. N.

Es ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht ersichtlich, dass Gefahren, die durch eine nicht sachgerechte Anwendung der Mund-Nase-Bedeckung im Einzelfall,

vgl. dazu Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin 19/2020, Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Raum als weitere Komponente zur Reduktion der Übertragungen von COVID-19, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20_MNB.pdf?blob=publicationFile, Stand: 3. Update vom 7. Mai 2020, entstehen können, die Eignung der sog. Maskenpflicht in Gänze in Frage stellen. Es ist schon zweifelhaft, ob für die betroffenen Schüler hierdurch ernsthaft Gefahren zu befürchten sind, da eine ordnungsgemäße Verwendung – auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Schulunterrichts – unschwer möglich erscheint. Leicht zugängliche Hilfestellung bieten zudem zahlreiche Institutionen, aber auch der Antragsgegner auf seiner Internetseite an. Diese enthalten unter anderem Anleitungen zur Benutzung und Reinigung der Alltagsmasken.

Vgl. MAGS NRW, Sonderseite des Gesundheitsministeriums zum Coronavirus in Nordrhein-Westfalen, Informationen zum Mund-Nasen-Schutz in Leichter Sprache, abrufbar unter: https://www.mags.nrw/coronavirus, letztes Update: 15. Juli 2020.

Überdies ist zu erwarten, dass den Schülern der Umgang mit der Alltagsmaske bereits aufgrund der in § 2 Abs. 3 CoronaSchVO angeordneten Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung in bestimmten Alltagssituationen, wie z. B. beim Einkaufen oder bei der Nutzung von Beförderungsleistungen, geläufig ist. Darüber hinaus können neben vorrangig den Eltern gegebenenfalls auch die Lehrer für verbleibende Fragen zur Dauer der Benutzung, zum richtigen Umgang und zur Reinigung der Alltagsmasken Hilfestellungen leisten.

Der Senat geht ferner nicht davon aus, dass das Tragen der Mund-Nase-Bedeckung in der Schule im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG maßgebliche allgemeine Gesundheitsgefahren für die Schüler hervorruft. Für eine solche Annahme fehlt es an hinreichend belastbaren Erkenntnissen. Insbesondere ist nicht feststellbar, dass Alltagsmasken, wie sie für die Schule ausreichend sind, die Aufnahme von Sauerstoff oder die Abatmung von Kohlendioxid objektiv in relevanter Weise beeinträchtigen.

Vgl. dazu bereits Senatsbeschluss vom 19. Mai 2020 – 13 B 557/20.NE -, juris, Rn. 102 f.; siehe auch Rodeck, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin und Chefarzt am Christlichen Kinderhospital Osnabrück, im Interview vom 10. August 2020, DGKJ – Selbstverständlich können auch Kinder das Virus übertragen, abrufbar unter: https://www.zeit.de/gesellschaft/2020-08/dgkj-burkhard-rodeck-schuloeffnungen-coronavirus-kinder-jugendmedizin.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Schulleitung nach § 1 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 CoronaBetrVO eine Ausnahme von der grundsätzlichen Verpflichtung erteilen kann, wenn das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung im Einzelfall aus medizinischen Gründen oder wegen einer Beeinträchtigung nicht möglich ist. Im Übrigen gilt unbeschadet der Regelungen der Coronabetreuungsverordnung weiterhin die sich aus dem Schulverhältnis ergebende Fürsorgepflicht, sodass erforderlichenfalls auch die Lehrer auf akut auftretende Beeinträchtigungen während des Unterrichts (etwa Atemprobleme) in geeigneter, den Infektionsschutz wahrender Weise reagieren können. Hiervon geht auch das Schulministerium aus, dass den Schulen angesichts der gegenwärtig hohen Temperaturen sogar die Ermöglichung von „Maskenpausen“ empfiehlt.

Vgl. WDR, Corona-Live-Ticker: Ministerium empfiehlt „Maskenpausen“ in Schulen, 11. August 2020, abrufbar unter: https://www1.wdr.de/nachrichten/ themen/coronavirus/ticker-corona-virus-nrw-466.html.

Damit könnte gegebenenfalls auch etwaig auftretenden Leistungs- und Konzentrationseinbußen infolge langer Tragezeiten entgegengewirkt werden. Zudem schreibt § 1 Abs. 3 CoronaBetrVO den Schülern nicht das Tragen einer bestimmten Maske vor. Es steht ihnen deshalb frei, die bei hohen Temperaturen von Seiten der Ärzteschaft empfohlenen, einfachen chirurgischen Mund-Nase-Masken zu verwenden, die meist erheblich dünner sind als selbst genähte Baumwollmasken, um so das Schwitzen unter der Bedeckung zu verringern.

Vgl. WDR, Schulstart mit Maskenpflicht: Hitzefrei-Regelung ausgeweitet, 10. August 2020, abrufbar unter: https://www1.wdr.de/nachrichten/themen/ coronavirus/maskenpflicht-schule-hitzefrei-100.html.

Die Maßnahme dürfte mit Blick auf die besonderen, die Infektionsausbreitung strukturell begünstigenden Bedingungen des Schulbetriebs auch erforderlich sein. Das Regelungskonzept der Coronabetreuungsverordnung orientiert sich an der Coronaschutzverordnung, wonach bei Nichteinhaltung eines Mindestabstands das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung vorgeschrieben wird. Flankiert werden die Regelungen zum Schulbetrieb unter anderem durch Hygienemaßnahmen und Dokumentationspflichten zur erleichterten Kontaktpersonennachverfolgung. Die streitige Maskenpflicht ist damit Teil eines Gesamtkonzepts des Verordnungsgebers zur Eindämmung des Coronavirus, das vor allem durch die sog. AHA-Regel (Abstand einhalten, Hygieneregeln beachten, Alltagsmaske tragen) gekennzeichnet ist. Dieses Konzept umfasst nach seiner – nicht zu beanstandenden Sicht – die gegenwärtig notwendige Anpassung des Schulalltags, weil der reguläre Schulbetrieb mit weitgehendem Präsenzunterricht typischerweise mit einem erhöhten Infektionsrisiko einhergeht. So bergen die gemeinsame Anwesenheit vieler Schüler und deren nicht unerhebliche Verweildauer in geschlossenen, regelmäßig eng begrenzten Räumen die Gefahr einer schnelleren Verbreitung des Virus durch Tröpfcheninfektionen und insbesondere virushaltige Aerosole. Je mehr Personen sich in einem geschlossenen Raum befinden und je länger die dort verbrachte Zeit ist, desto größer ist das Risiko einer Übertragung.

Vgl. Gesellschaft für Virologie e. V., Stellungnahme der Ad-hoc-Kommission SARS-CoV-2 der Gesellschaft für Virologie: SARS-CoV-2-Präventionsmassnahmen bei Schulbeginn nach den Sommerferien, 6. August 2020, abrufbar unter: https://www.g-f-v.org/node/1326.

Risikoerhöhend kommt hinzu, dass es im Normalbetrieb in Klassenzimmern aufgrund begrenzter räumlicher Kapazitäten üblicherweise zu physischen Nahkontakten zwischen den Schülern kommt und vor allem bei Wortbeiträgen vermehrt potenziell infektiöse Tröpfchen und kleine Partikel in die Umgebungsluft abgegeben werden können.

Nicht zu beanstanden ist deswegen, dass die sog. Maskenpflicht neben den allgemeinen Hygienemaßnahmen angeordnet wird. In der gegenwärtigen Lage, in der sich die mit der Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts einhergehenden Infektionsgefahren in tatsächlicher Hinsicht noch nicht sicher absehen lassen, überschreitet der Verordnungsgeber die Grenzen des ihm zukommenden Einschätzungsspielraums nicht, wenn er umfassende Vorsichtsmaßnahmen ergreift und das regelmäßige Durchlüften der Unterrichtsräume nicht als ausreichend erachtet, um eine Übertragung des Virus, insbesondere über Aerosole in den regelmäßig voll besetzten Klassenräumen, effektiv zu vermeiden. Nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts begünstigt insbesondere der längere Aufenthalt in kleinen, schlecht oder nicht belüfteten Räumen die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch Aerosole, sodass dort auch unter Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern eine Übertragung nicht ausgeschlossen werden kann, wohingegen Übertragungen z. B. im Freien aufgrund der Luftbewegung insgesamt selten vorkommen. Allerdings hält das Robert Koch-Institut die Einhaltung von Mindestabständen auch im Freien für notwendig, um eine Übertragung des Virus durch Aerosole zu verhindern. Allein das regelmäßige Lüften der Klassenzimmer dürfte deshalb keinen vergleichbaren Schutz vor einer Übertragung gewährleisten. Ebenso dürfte die konsequente Einhaltung von beispielsweise Hustenregeln und der Händehygiene zur Vermeidung von Übertragungen durch Oberflächen für sich genommen nicht genügen, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, weil Maßnahmen in den Bereichen Tröpfchen-, Aerosol- und Kontaktübertragungen nicht gegeneinander austauschbar sind.

Vgl. Robert Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Übertragungswege, abrufbar unter: https://www.rki.de/ DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText1, Stand: 7. August 2020; Gesellschaft für Virologie e. V., Stellungnahme der Ad-hoc-Kommission SARS-CoV-2 der Gesellschaft für Virologie: SARS-CoV-2-Präventionsmassnahmen bei Schulbeginn nach den Sommerferien, 6. August 2020, abrufbar unter: https://www.g-f-v.org/node/1326.

Überdies zeigen Untersuchungen, wie bereits erwähnt, dass ein hoher Anteil von Übertragungen – unabhängig vom Alter des Infizierten – asymptomatisch bzw. präsymptomatisch und unbemerkt erfolgt, sodass diese durch eine Verhaltensänderung des Betroffenen (wie eine Selbstquarantäne) nicht verhindert werden können. Diese Gefahr besteht besonders bei Kindern, die häufig keine Krankheitsanzeichen zeigen, aber nach aktuellen Studien keine geringere Viruslast aufweisen als Erwachsene.

Vgl. Gesellschaft für Virologie e. V., Stellungnahme der Ad-hoc-Kommission SARS-CoV-2 der Gesellschaft für Virologie: SARS-CoV-2-Präventions-massnahmen bei Schulbeginn nach den Sommerferien, 6. August 2020, abrufbar unter: https://www.g-f-v.org/node/1326; Robert Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Übertragung durch asymptomatische/präsymptomatische und symptomatische Infizierte, abrufbar unter: https://www.rki.de/ DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792body Text23, Stand: 7. August 2020, Epidemiologisches Bulletin 19/2020, Wiedereröffnung von Bildungseinrichtungen – Überlegungen, Entscheidungsgrundlagen und Voraussetzungen, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/ Infekt/EpidBull/Archiv/2020/19/Art_03.html, Stand: 7. Mai 2020.

Es bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken mit Blick darauf, dass nach § 1 Abs. 5 CoronaBetrVO, (nur) Lehr- und Betreuungskräfte keine Mund-Nase-Bedeckung tragen müssen, wenn sie einen Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen Personen im Raum einhalten. Diese Ausnahmeregelung berücksichtigt, dass die Tische in den Klassen im Allgemeinen so angeordnet sind, dass der Lehrende den Unterricht vornehmlich in einem gewissen Abstand zu den Schülern gestalten kann und von ihm der durchgehend disziplinierte Umgang mit den Infektionsschutz- und Hygienemaßnahmen erwartet werden darf. Dagegen dürfte sich, aufgrund der regelmäßig begrenzten Räumkapazitäten, ein Mindestabstand zwischen den Schüler üblicherweise nicht herstellen lassen.

Es ist voraussichtlich auch unbedenklich, wenn der Verordnungsgeber in den weiterführenden und berufsbildenden Schulen eine grundsätzliche Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung (auch) während des Unterrichts anordnet, während die Schülerinnen und Schüler der Primarstufe eine solche Verpflichtung nicht trifft, soweit sie sich an ihren festen Sitzplätzen befinden und Unterricht stattfindet (§ 1 Abs. 4 CoronaBetrVO), obwohl auch dort während des Unterrichts üblicherweise keine Mindestabstände zwischen den Schülern eingehalten werden können. Mit dieser Unterscheidung dürfte der Verordnungsgeber in nicht zu beanstandender Weise berücksichtigt haben, dass nach den gegenwärtigen Erkenntnissen speziell Kinder unter zehn Jahren eine geringere Rolle im Infektionsgeschehen spielen.

Ebenfalls ist nicht davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber in der gegenwärtigen Situation seinen Beurteilungsspielraum überschritten hat, weil er anderen Regelungsmodellen nicht den Vorzug gegeben hat. Grundsätzlich dürfte zwar die Annahme zutreffen, dass die Einhaltung eines Mindestabstands in gut durchlüfteten Räumen eine effektive Maßnahme darstellt, um die Weiterverbreitung des Coronavirus einzudämmen. Das Abstandsgebot kann aber, wie bereits dargelegt, angesichts der begrenzten Raumkapazitäten in den Schulen regelmäßig nicht eingehalten werden. Es dürfte insoweit auch nicht zu beanstanden sein, dass die Landesregierung nicht die räumlichen und personellen Kapazitäten geschaffen hat, damit während des Unterrichtsbetriebs stets Mindestabstände zwischen den Schülern bestehen. Die zusätzliche Anmietung von – geeigneten – Räumen erscheint flächendeckend offenkundig nicht umsetzbar. Im Übrigen wurden Maßnahmen zur Verstärkung der Personalausstattung an den Schulen und zur Verbesserung des digitalen Lernens eingeleitet, die naturgemäß einer gewissen Umsetzungszeit bedürfen.

Vgl. Schulministerium, Wiederaufnahme eines angepassten Schulbetriebs in Corona-Zeiten zu Beginn des Schuljahres 2020/2021, abrufbar unter: https://www.schulministerium.nrw.de/presse/hintergrundberichte/wiederaufnahme-eines-angepassten-schulbetriebs-corona-zeiten-zu-beginn, abgerufen am: 20. August 2020.

Dies in Rechnung gestellt ist auch unbedenklich, dass der Verordnungsgeber, anders als vor den Sommerferien, kein „rollierendes“ System für den Unterrichtsbetrieb vorsieht. Abgesehen davon, dass die fortdauernde eingeschränkte Beschulung weder im öffentlichen Interesse noch im Interesse der Kinder bzw. Jugendlichen und deren Eltern liegt, stellt die Reduzierung von Klassen- und Kursgrößen und die Einschränkung von (direkten) Bildungsleistungen unter dem Aspekt der Bildungsgerechtigkeit den intensiveren Eingriff dar. Gleiches gilt für das Modell eines „Schichtbetriebs“, das nach den nachvollziehbaren Darlegungen des Antragsgegners angesichts begrenzter personeller Ressourcen allenfalls unter Inkaufnahme einer gravierenden Verringerung der Unterrichtsangebote realisierbar wäre.

Soweit die Antragsteller darauf hinweisen, dass sich die Schutzmaßnahmen nicht am landesweiten Infektionsgeschehen orientieren dürften, da die Zahl der Neuinfektionen in vielen Kommunen gering sei, lässt dies unberücksichtigt, dass der Regelbetrieb in Schulen in Nordrhein-Westfalen erst zum 12. August 2020 angelaufen ist und es sich bei einer nicht überschaubaren Vielzahl von Schülern und Lehrern zudem um Urlaubsrückkehrer auch aus Risikogebieten handeln dürfte. Besondere Infektionsrisiken, die von der Wiederaufnahme des Schulbetriebs ausgehen, lassen sich deshalb gegenwärtig (noch) nicht hinreichend sicher lokalisieren. Die epidemische Lage ist überdies weiterhin durch eine dynamische Entwicklung und erhebliche Unsicherheiten geprägt. Gerade in Nordrhein-Westfalen ist es im Vergleich zu anderen Bundesländern zu einem erheblichen Anstieg der Neuinfektionszahlen gekommen, sodass die Einschätzung des Verordnungsgebers über die Notwendigkeit einer landesweiten Regelung im Schulbereich nicht ermessensfehlerhaft sein dürfte.

Daran anschließend stellt auch der Hinweis der Antragsteller, es sei effektiver, zur Begrenzung des Infektionsgeschehens Testungen bei den Rückkehrern aus Risikogebieten anzuordnen, die Erforderlichkeit der Schutzmaßnahme nicht in Frage. Eine solche Testpflicht existiert bereits, vgl. § 1 Abs. 5 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in Bezug auf Ein- und Rückreisende (Coronaeinreiseverordnung – CoronaEinrVO) in der Fassung vom 11. August 2020 (GV. NRW. S. 763a) und § 1 der Verordnung zur Testpflicht von Einreisenden aus Risikogebieten vom 6. August 2020 (BAnz AT 07.08.2020 V1). Dass der Verordnungsgeber angesichts der steigenden Neuinfektionszahlen und der mit den Reiserückkehrern einhergehenden Unsicherheiten bei der Bewertung des weiteren Ausbruchsgeschehens gleichwohl jedenfalls für einen gewissen Übergangszeitraum nach Wiederaufnahme des Schulbetriebs nach den Sommerferien die Anordnung weiterer Schutzmaßnahmen für erforderlich hält, ist nicht zu beanstanden.

Schließlich ist die streitgegenständliche Regelung unter Abwägung der gegenläufigen verfassungsrechtlichen Positionen derzeit auch noch angemessen. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es das einzig objektiv richtige angemessene Abwägungsergebnis nicht gibt. Dies gilt schon deshalb, weil der Abwägungsentscheidung des Verordnungsgebers eine von zahlreichen Unbekannten gekennzeichnete und stetig fortschreitende wissenschaftliche Erkenntnislage zu Grunde liegt, Folgen von bereits erfolgten Lockerungen der Schutzmaßnahmen erst mit Zeitverzögerungen ersichtlich werden und die einzelnen Schutzmaßnahmen ohnehin nicht isoliert betrachtet werden können, sondern Teil eines Gesamtpakets zur Reduzierung der Verbreitungsgeschwindigkeit des Virus sind. Lockerungen an einer Stelle können deswegen Beschränkungen an anderer Stelle zur Folge haben und umgekehrt. Hinzu tritt, dass der Verordnungsgeber bei seiner Entscheidung neben dem infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrad des jeweils zu regelnden Lebensbereichs auch alle sonstigen relevanten Belange, etwa medizinischer, psychologischer, sozialer oder wirtschaftlicher Art, zu bewerten und gewichten hat. Dies gilt auch im Bildungsbereich. Nach Auffassung des Verordnungsgebers ist nach den im März 2020 flächendeckend angeordneten Schulschließungen eine Wiederaufnahme des Regelbetriebs an Schulen geboten. Landesweite Schulschließungen sollen, das Recht auf Bildung und die staatliche Fürsorge für Kinder und Jugendliche sowie deren Familien berücksichtigend, tunlichst verhindert werden. Dieses Anliegen steht jedoch in einem Spannungsverhältnis mit dem vom Verordnungsgeber zugleich sicherzustellenden Schutz vor einer unkontrollierten Verbreitung des Coronavirus.

Ausgehend hiervon steht der beabsichtigte Verordnungszweck nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs. Unverkennbar führt die Maßnahme zuvörderst zu Beschränkungen des Grundrechts auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG). Diese Rechte gelten jedoch nicht unbeschränkt, sondern unterliegen einem Gesetzesvorbehalt und treten hier im Ergebnis gegenüber dem mit der Verordnung bezweckten Schutz von Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) sowie dem Recht auf schulische Erziehung und Bildung (§ 1 Abs. 1 SchulG NRW, Art. 8 Abs. 1 Satz 1 LV NRW) zurück. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die betroffenen Schüler, vorbehaltlich etwaiger Ausnahmen zum Eigenschutz oder Schutz vorerkrankter Angehöriger, zwar grundsätzlich der Schulpflicht unterliegen und sich der Maßnahme von daher nicht entziehen können. Diese Konsequenz wird jedoch zumindest partiell dadurch abgemildert, dass regelhaft Ausnahmen von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung im Einzelfall aufgrund pädagogischer (§ 1 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 CoronaBetrVO) und medizinischer (§ 1 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 CoronaBetrVO) Gründe zugelassen sind. Hinzu kommt, dass – wie dargelegt – die Vorgaben der Coronabetreuungsverordnung unter Fürsorgegesichtspunkten weiteren, kurzfristig wirkenden Ausnahmen in Reaktion auf plötzlich auftretende Unverträglichkeiten während des Unterrichts nicht entgegenstehen. Im Übrigen stellt das Tragen einer Alltagsmaske auch im Unterricht für die betroffenen Schülerinnen und Schüler nach der Überzeugung des Senats, dessen Mitglieder teilweise selbst Kinder haben, die eine weiterführende Schule besuchen, zwar fraglos eine erhebliche, in der Abwägung jedoch derzeit gleichwohl zumutbar erscheinende Belastung dar.

Soweit die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung darüber hinaus zu Beeinträchtigungen des Schulunterrichts und zu erschwerten Unterrichtsbedingungen führt, weil beispielsweise Wortbeiträge mit höherer Lautstärke vorgetragen werden müssen, die mimische Kommunikation eingeschränkt wird oder die Konzentration der Schüler infolge der Tragedauer leidet,

vgl. dazu z. B. Pressemitteilung der GEW NRW vom 3. August 2020, Ein strenges Konzept mit Leerstellen – Wiederaufnahme des angepassten Schulbetriebes, abrufbar unter: https://www.gew-nrw.de/meldungen/ detail-meldungen/news/ein-strenges-konzept-mit-leerstellen.html; Redaktionsnetzwerk Deutschland, Maskenpflicht in Schulen: Kinderärzte kritisieren Masken im Unterricht, 4. August 2020, abrufbar unter: https://www.rnd.de/politik/maskenpflicht-in-schulen-kinderarzte-kritisieren-masken-im-unterricht-IAZO3CNQRQGEA2K3SXRRTTLNKU.html; WDR, Offener Brief: Ärzte gegen Maskenpflicht für Schüler, 6. August 2020, abrufbar unter: https://www1.wdr.de/ nachrichten/ruhrgebiet/corona-mund-nasen-schutz-schule-offener-brief-aerzte-100.html,

stellt dies die Angemessenheit der Maßnahme nicht durchgreifend in Frage. Dabei ist insbesondere in Rechnung zu stellen, dass die Anordnung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung im Unterricht aus virologischer Sicht einen wesentlichen Beitrag dazu leistet, in der gegenwärtigen pandemischen Lage in Nordrhein-Westfalen erneute coronabedingte (Teil-)Schließungen von Schulen so weit wie möglich zu vermeiden. Die mit der Verpflichtung einhergehenden Einschränkungen sind insofern in Anbetracht des (auch) mit der Maskenpflicht sicherzustellenden regulären Schulbetriebs und der damit einhergehenden Gewährleistung des Rechts auf Bildung im Präsenzunterricht und von Bildungsgerechtigkeit für alle Schülerinnen und Schüler nicht nur hinnehmbar, sondern dienen einem interessengerechten Ausgleich der betroffenen Rechte der Schüler.

Schließlich ist die Verordnung in ihrer zeitlichen Geltung befristet und gilt aktuell nur bis zum 31. August 2020. Damit ist sichergestellt, dass die streitgegenständliche Regelung unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse und Entwicklungen fortgeschrieben werden muss. Insoweit wird der Verordnungsgeber nicht nur das weitere Infektionsgeschehen in Nordrhein-Westfalen und speziell in den Schulen in den Blick zu nehmen haben, sondern auch die bisherigen Erfahrungen in anderen Bundesländern, in denen keine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung während des Unterrichts angeordnet worden ist. Ferner wird auf der Grundlage der bis dahin gewonnenen Erfahrungen zu bewerten sein, wie sich die Maskenplicht im Unterricht auswirkt.

Vgl. zur wöchentlichen Befragung zum Unterrichtsbetrieb die Schulmail vom 12. August 2020, Befragung Unterrichtsbetrieb unter den Bedingungen der Corona-Pandemie, abrufbar unter: https://www.schul-ministerium.nrw.de/ministerium/schulverwaltung/ schulmail-archiv/archiv-2020/12082020-befragung-unterrichtsbetrieb.

2. Soweit im Hinblick auf die vorliegend nur summarisch mögliche Prüfung Unsicherheiten bei der rechtlichen Beurteilung verbleiben, gebietet auch eine ergänzend vorzunehmende folgenorientierte Interessenabwägung nicht dringend den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung. Die mit dem weiteren Vollzug der angegriffenen, zeitlich befristeten Schutzmaßnahmen einhergehenden Beschränkungen und Nachteile erscheinen im Anschluss an die vorstehenden Ausführungen nicht derart gewichtig, dass sie das mit diesen verfolgte Interesse, das Infektionsgeschehen trotz Wiederaufnahme des Schulbetriebs möglichst effektiv einzudämmen, deutlich überwiegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Da die angegriffene Regelung mit Ablauf des 31. August 2020 außer Kraft tritt, zielt der Antrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, sodass eine Reduzierung des Auffangstreitwerts für das Eilverfahren nicht veranlasst ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

 

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