Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Az: 9 C 13.2454
Beschluss vom 09.01.2014
I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 29. Oktober 2013 wird aufgehoben. Der Antrag auf Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom 9. April 2013 wird abgelehnt.
II. Der Vollstreckungsgläubiger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Der Streitwert wird auf 1.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Vollstreckbarkeit eines in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 9. April 2013 geschlossenen Vergleichs. Die Niederschrift dieser mündlichen Verhandlung enthält keinen Vermerk, dass der streitgegenständliche Vergleich vorgelesen und genehmigt wurde.
Mit Beschluss vom 29. Oktober 2013 ordnete das Verwaltungsgericht die Vollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 9. April 2013 an und drohte der Vollstreckungsschuldnerin für den Fall, dass sie der in diesem Vergleich unter Ziffer I bezeichneten Verpflichtung nicht bis zum 15. Dezember 2013 nachkomme, ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro an. Zur Begründung heißt es dazu im Wesentlichen, die Vollstreckung sei nach § 168 Abs. 1 Nr. 3 VwGO anzuordnen gewesen, Anhaltspunkte, die der Wirksamkeit des gerichtlichen Vergleichs entgegenstünden, seien weder erkennbar noch geltend gemacht.
Die Vollstreckungsschuldnerin hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt und beantragt, den Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 29. Oktober 2013 aufzuheben.
Eine Vollstreckung aus dem Vergleich vom 9. April 2013 sei mangels eines Verlesungsvermerks nicht möglich.
Der Vollstreckungsgläubiger tritt dem unter Hinweis auf die mögliche materielle Wirksamkeit des Vergleichs entgegen und hat im Übrigen keinen Antrag gestellt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Dementsprechend war die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Würzburg aufzuheben und der Antrag auf Vollstreckung aus dem Vergleich vom 9. April 2013 abzulehnen.
Gemäß § 168 Abs. 1 Nr. 3 VwGO wird aus gerichtlichen Vergleichen vollstreckt. Allerdings sind nur die in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren nach § 106 VwGO (formgültig) geschlossenen Vergleiche taugliche Vollstreckungstitel (vgl. Kraft in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 168, Rn. 14; Kopp, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 168, Rn. 5). Der Text eines – wie hier – zu Protokoll des Gerichts geschlossenen Vergleichs ist gemäß § 105 VwGO i.V.m. § 162 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu verlesen und von den Parteien genehmigen zu lassen. Der Verlesungs- und Genehmigungsvermerk („v.u.g.“) ist in die Niederschrift aufzunehmen (vgl. zum Ganzen: Geiger in Eyermann, VwGO, § 106, Rn. 23). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Ein wegen eines derartigen Formmangels (fehlender v.u.g.-Vermerk) unwirksamer gerichtlicher Vergleich mag zwar – worauf auch der Vollstreckungsgläubiger hinweist – unter Umständen wegen seiner Doppelnatur als Prozesshandlung und materiell-rechtlicher Vertrag als außergerichtlicher Vergleich wirksam sein, er ist jedoch nicht gemäß § 168 Abs. 1 Nr. 3 VwGO vollstreckbar.
Die Kostenentscheidung für beide Instanzen ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).