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Einbruchdiebstahl – Nachweis von Einbruchspuren und Ausschluss von Nachschlüsseldiebstahl

BGH, Az.: IV ZR 116/94, Urteil vom 14.06.1995

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 2. März 1994 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Einbruchdiebstahl Beweislast
Symbolfoto: AndreyPopov/bigstock

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine Einbruchdiebstahlversicherung. Er verlangt Ersatz für einen behaupteten Diebstahl.

Er betrieb in F. einen Pelzgroßhandel im vierten Obergeschoß eines Geschäftshauses. Am späten Abend des 28. Dezember 1991 bemerkte das in dem Geschäftshaus wohnende Hausmeisterehepaar W., daß der Glaseinsatz in der Tür zu den Geschäftsräumen des Klägers eingedrückt war. Im Inneren der Räume waren zudem die Alarmanlage zerstört, die Aktenablage durchwühlt und außer einigen am Boden liegenden Rohpelzen nur leere Bügel vorhanden. Der Kläger hat behauptet, ihm seien Felle und Pelze im Gesamtwert von 652.199 DM entwendet worden.

Die Beklagte lehnt eine Entschädigung ab, weil ein versicherter Diebstahl nicht erwiesen sei und der Kläger sich außerdem einer Obliegenheitsverletzung schuldig gemacht habe.

Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage nicht stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat schon kein äußeres Bild angenommen, von dem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf einen bedingungsgemäßen Einbruchdiebstahl geschlossen werden könne. Die offene Haustür, die zerstörte Korridortür, die Unordnung und die leeren Bügel in den Ständern und am Boden der Geschäftsräume seien für das äußere Bild nicht ausreichend, weil weitere Umstände hinzuträten. Es erscheine ausgeschlossen, daß die Pelze durch das Treppenhaus abtransportiert worden seien. Das hätte dem Hausmeisterehepaar W. und dem Inhaber der im dritten Obergeschoß liegenden Geschäftsräume auffallen müssen. Das Licht im Treppenhaus habe nicht immer wieder eingeschaltet und der Fahrstuhl habe wegen der deutlichen Geräusche nicht benutzt werden dürfen. Schließlich hätte ein solcher Transport auch Spuren von Pelzresten oder -fusseln im Treppenhaus hinterlassen. Ausgeschlossen sei auch eine Beförderung der Ware durch die Fenster in den Hof, etwa in Säcken, weil bei dem Aufprall auf dem Boden ein Geräusch entstanden wäre, das den Eheleuten W. nicht entgangen wäre. Auch seien trotz der Fallhöhe keine Staubfusseln, Pelzreste oder Fellhaare im Hinterhof zu finden gewesen. Unerklärlich sei, wie die vielen Pelze vom Haus hätten wegtransportiert werden können. Das Rolltor sei geschlossen gewesen. Deshalb scheide ein Abtransport vom Hof durch Lastwagen aus. Ein Wegtragen durch die Haustür komme nicht in Betracht, weil Gäste eines benachbarten Lokals keine Aktivitäten beobachtet hätten. Daß die Ware über die Hinterhöfe abtransportiert wurde, sei unwahrscheinlich. Das sei umständlich und fliehende oder wegfahrende Personen seien nicht beobachtet worden. Es erscheine ausgeschlossen, daß die Eheleute W. die Alarmanlage nicht gehört hätten. Näher liege, daß die Alarmanlage schon vorher innerhalb der Räume zerstört und damit abgestellt worden sei.

Die Revision wendet dagegen ein, das Berufungsgericht habe die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zum Beweismaß bei Einbruchdiebstählen verkannt. Das ist richtig.

2. Das Berufungsgericht hat unzutreffend eine Fülle von Einzelheiten unter der Fragestellung behandelt, ob das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls gegeben sei. Zum anderen hat es auf Feststellungen verzichtet, die für das äußere Bild eines bedingungsgemäßen Diebstahls unerläßlich sind.

In ständiger Rechtsprechung geht der Senat davon aus, daß dem Versicherungsnehmer bei einem behaupteten Diebstahl Beweiserleichterungen zugute kommen. Der Versicherungsnehmer genügt seiner Beweislast, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluß auf die Entwendung zulassen (zuletzt Senatsurteil vom 17. Mai 1995 – IV ZR 279/94 – zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Zu dem Minimum an Tatsachen, die bei einem Einbruchdiebstahl das äußere Bild ausmachen, gehört, daß die als gestohlen gemeldeten Sachen vor dem behaupteten Diebstahl am angegebenen Ort vorhanden und danach nicht mehr aufzufinden waren. Anders als beim Kraftfahrzeugdiebstahl gehört hier auch zum äußeren Bild, daß Einbruchspuren vorhanden sind, wenn nicht ein Nachschlüsseldiebstahl in Betracht kommt. Diese Voraussetzungen hat der Kläger behauptet. Die meisten von der Beklagten vorgebrachten Bedenken gegen einen bedingungsgemäßen Einbruchdiebstahl, wie etwa einzelne Fragen des Abtransports der Gegenstände, betreffen nicht mehr das äußere Bild, sondern können als Indizien für eine Vortäuschung des Versicherungsfalls in Betracht kommen. Sie müssen deshalb nicht nur mit hinreichender, sondern mit höherer, nämlich erheblicher Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, daß der Diebstahl nur vorgetäuscht ist. Schon weil das Berufungsgericht dies nicht genügend auseinandergehalten hat, muß die Sache aufgehoben und zurückverwiesen werden.

3. Für die erneute Beurteilung gibt der Senat dem Berufungsgericht noch folgende Hinweise:

a) Das Berufungsgericht hat zu der Frage, ob die Felle und Pelze im wesentlichen in der angegebenen Menge vor dem behaupteten Diebstahl vorhanden waren, keine konkreten Feststellungen getroffen. Für diese Tatsache, die zum äußeren Bild gehört, muß der Kläger den Vollbeweis führen.

b) Das Berufungsgericht geht unausgesprochen davon aus, daß der Diebstahl sich nur in der Zeit hätte ereignen können, in der das Hausmeisterehepaar W. sich im Hause aufhielt. Das ist nicht zwingend. Jedenfalls fehlen zur Begründung entsprechende Feststellungen des Berufungsgerichts.

c) Das Berufungsgericht führt aus, ein Abtransport der Ware durch das Fenster und über Nachbarhöfe erscheine ausgeschlossen. Der dumpfe Aufschlag beim Auftreffen auf dem Boden hätte den Eheleuten W. nicht entgehen können. Unwahrscheinlich sei auch, daß keiner der Säcke dabei aufgeplatzt sein solle und keine Staubfusseln und Pelzreste oder Fellhaare im Hinterhof zu finden gewesen seien. Für diese Ausführungen fehlen ebenfalls ausreichende Feststellungen. Bislang steht nicht fest, daß die Ware nur während der Zeit gestohlen worden sein kann, in der sich die Eheleute W. in dem Hause aufgehalten haben und deshalb einen Abtransport hätten hören müssen. Das Berufungsgericht hat die Eheleute W. nicht vernommen. Nicht ersichtlich ist, ob das Berufungsgericht die Aussage des Ehemannes W. vor der Polizei berücksichtigt hat, er könne in seiner Wohnung nicht jedes Geräusch, sondern nur sehr laute Geräusche hören (Bl. 24 der Beiakten). Der Beurteilung der örtlichen Verhältnisse für den Abtransport liegt keine Ortsbesichtigung zugrunde, die beantragt worden war. Das Berufungsgericht hat auch nicht festgestellt, ob die Polizei auf dem Dach unter dem Fenster der Geschäftsräume und im Nachbarhof nach Spuren, die das Berufungsgericht vermißt, gesucht hat. Lediglich der Hausmeister W. hat vor der Polizei ausgesagt, im Hof keine Fusseln oder dergleichen gefunden zu haben (Bl. 25 der Beiakten). Das Geräusch, das ihn zum Nachsehen veranlaßte, hörte er am 28. Dezember um 22.00 Uhr. Es war also dunkel. Auf welche Art und wie genau er nach Spuren gesucht hat, ist nicht festgestellt.

d) Das Berufungsgericht führt aus, gegen den Kläger ergäben sich eine Reihe „weiterer Verdachtsmomente“, die Zweifel an seiner Redlichkeit weckten. Die Redlichkeit und damit die Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers kann unter zwei Gesichtspunkten von Bedeutung sein. Zum einen kann es auf sie bei der Feststellung der Tatsachen ankommen, die zum äußeren Bild gehören, sei es, daß der Richter den Versicherungsnehmer als Partei nach § 448 ZPO vernimmt oder ihn gemäß § 141 ZPO anhört (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. März 1992 – IV ZR 54/91 – VersR 1992, 867). Zum anderen kann die Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers auch bei der Feststellung der Tatsachen eine Rolle spielen, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, daß der Diebstahl nur vorgetäuscht ist. Der Tatrichter muß sich im Regelfall entscheiden, ob er dem Versicherungsnehmer glauben kann oder nicht; bloße Verdächtigungen reichen nicht aus.

e) Das Berufungsgericht begründet seine Zweifel an der Redlichkeit des Versicherungsnehmers damit, es sei „auffällig“, daß der Kläger die Versicherungssumme von 300.000 DM auf 800.000 DM einen Monat vor dem behaupteten Diebstahl erhöht habe, ohne dafür eine nachvollziehbare Begründung gegeben zu haben.

Die Erhöhung der Versicherungssumme begründet jedoch dann keinen Verdacht, wenn der Kläger für mehr als 650.000 DM Ware gelagert hatte, wie er behauptet. Zwar meint das Berufungsgericht, „Auffällig ist dann erst recht“, daß die nun geltend gemachte Schadensumme mit ca. 650.000 DM genau in den Erhöhungsrahmen falle. Das ist nicht nachvollziehbar. Das Berufungsgericht wird der Behauptung des Klägers über die Höhe seines Warenvorrats nachzugehen haben. Soweit das Berufungsgericht die Behauptung des Klägers über seinen Vorrat an Pelzen für „völlig unverständlich und unglaubhaft“ hält, weil der Umsatz des Vorjahres von 268.000 DM einem Warenvorrat für 2,5 Jahren entsprechen würde, ist die eigene Sachkunde des Berufungsgerichts jedenfalls im Urteil nicht dargetan. Als Beurteilungsmaßstab wäre zumindest auch heranzuziehen, in welchem Zeitraum sich der Warenvorrat im Pelzhandel üblicherweise umschlägt. Das Berufungsgericht scheint in seine Würdigung auch nicht einbezogen zu haben, daß der Kläger in der vorgelegten Bilanz (Bl. 79 der Beiakten) eigene Warenvorräte von 485.260 DM aufgeführt hat. Zieht man von der geltend gemachten Schadensumme von 652.199 DM die Kommissionsware mit 232.714 DM (149.950 DM + 82.764 DM, Bl. 9 GA) ab, ergibt sich ein eigener Warenvorrat von 419.485 DM, der in etwa der für das Vorjahr bilanzierten Vorratssumme entspricht. Im übrigen kann der Vortrag des Klägers zur Kommissionsware, die er für einen größeren Auftrag aus Italien benötigt habe, nicht als unsubstantiiert angesehen werden.

Das Berufungsgericht wird auch der Frage nachzugehen haben, ob die Versicherungssumme für die Einbruchdiebstahlversicherung überhaupt erhöht worden ist. Nach den vorgelegten Unterlagen hatte der Kläger neben der Einbruchdiebstahlversicherung auch eine Feuerversicherung mit der Nr. 43/214931. Diese ist von 300.000 DM auf 800.000 DM erhöht worden (Bl. 66 GA). Ob auch die Einbruchdiebstahlversicherung mit der Nr. 51/214932 (Bl. 65 GA) erhöht wurde, bedarf noch einer Prüfung.

f) Von seinem Standpunkt aus folgerichtig hat sich das Berufungsgericht nicht mit der Frage befaßt, ob darin eine Obliegenheitsverletzung des Klägers liegt, daß er statt – wie vereinbart – ein Gitter an der Eingangstür eine Holzplatte anbrachte, auf der er einen Kontakt zur Alarmanlage befestigt hatte. Sollte das Berufungsgericht bei seiner erneuten Verhandlung diese Frage prüfen, wird es zu erwägen haben, ob eine etwaige Obliegenheitsverletzung unverschuldet ist. Denn in dem Merkblatt der Beklagten (Bl. 16 GA) heißt es unter dem Stichwort „Holzblenden“, diese eigneten sich gut zur Sicherung von Glaseinsätzen.

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