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Einbruchsdiebstahl: Leistungsfreiheit der Versicherung – Sicherheitsstandard

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

Az.: 7 U 189/99

Verkündet am 20.09.2000

Vorinstanz: Landgericht Frankfurt am Main – Az.: 2/20 O 11/99


In dem Rechtsstreit hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2000 für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 20. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12.08.1999 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 50.703,00 nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 09.07.1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte ist mit DM 50.703,00 beschwert.

Von der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gem. § 543 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat auch Erfolg. Dem Kläger steht in zuerkannter Höhe aufgrund des zwischen den Parteien abgeschlossenen Versicherungsvertrages gemäß § 1 VVG i. V. m. §§ 1 Nr. 1 a und Nr. 2,2 und 5 AERB 87 ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der bedingungsgemäß vereinbarten Versicherungsentschädigung zu. Nachdem zwischen den Parteien das Vorliegen eines Einbruchsdiebstahls am Versicherungsort unstreitig ist, hing die Entscheidung allein davon ab, ob die Beklagte leistungsfrei geworden ist. Keiner der von der Beklagten hierfür angeführten Gründe ist jedoch geeignet, von einer Leistungsfreiheit der Beklagten auszugehen.

Zunächst kann wegen des unstreitig unterbliebenen zweimaligen Umdrehens der Schlüssel der Werkstatt nicht von einem Freiwerden der Beklagten ausgegangen werden. Dies hat weder unter dem Gesichtspunkt der §§ 23 ff. i. V. m. § 7 Nr. 1 b aa AERB 87 zu einer Leistungsfreiheit der Beklagten geführt, noch stellte dies ein dem Kläger zuzurechnendes Verhalten eines etwaigen Repräsentanten dar, das zur grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles geführt hatte und deshalb eine Leistungsfreiheit der Beklagten zur Folge hafte (§ 61 VVG). Der Senat sieht in dem unterbliebenen doppelten Umschließen weder eine Abweichung von dem vom Versicherungsnehmer geschuldeten Sicherheitsstandard noch ein grob fahrlässiges Abweichen von dem Sicherheitsstandard, der jedem Versicherungsnehmer einleuchten musste. Es mag sein, dass ein doppeltes Umschließen die Mühe für Diebe größer machte, die Tür aufzuhebeln, indessen war von dem Kläger lediglich als einzuhaltender Sicherheitsstandard geschuldet, dass er abschloss, und nur dann, wenn die Tür lediglich geschossen aber nicht verschlossen gewesen ist, eine Verletzung der sich aus den allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten ergebenden Sorgfaltspflichten vorlag und eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles nahe lag (vgl. auch LG Hamburg VersR 1984, 752; OLG München VersR 1986, 585; LG Krefeld VersR 1988, 1285; OLG Bremen VersR 1989, 1044).

Die Beklagte ist auch nicht aufgrund einer dem Kläger zuzurechnenden Verletzung der sich aus § 13 Nr. 1 e AERB 87 ergebenden Obliegenheit leistungsfrei geworden, wonach dem Versicherer auf Verlangen jede Auskunft über Ursache und Höhe des Schadens zu geben war. Der Senat kann es offen lassen, ob die für den Kläger Handelnden Repräsentanten des Klägers gewesen sind und sie objektiv und in subjektiv vorwerfbarer Weise diese Verhaltensvorschrift verletzt haben, vor einer Prüfung durch die Beklagte die Tür insbesondere nicht gerade zu biegen und damit Feststellungen der Beklagten zu dem Einbruchsdiebstahl zu vereiteln. Das kann auf sich beruhen, da es an der Relevanz dieser Obliegenheitsverletzung jedenfalls deshalb fehlt, weil der Einbruchsdiebstahl zwischen den Parteien unstreitig ist, ein Aufklärungsinteresse der Beklagten damit nicht beeinträchtigt worden ist. Der Senat weist zusätzlich darauf hin, dass es wohl auch an einem Verschulden der Ehefrau des Klägers fehlte, auf das es freilich nur ankäme, wenn ihr Verhalten dem Kläger zugerechnet würde. Immerhin erschien es wohl kaum zumutbar, dass sie die Tür‘ offen stehen lassen musste, bis ein Bevollmächtigter der Beklagten erschien. Der Senat kann es deshalb auch offen lassen, ob die Tür auch ohne Geradebiegen wieder hätte verschlossen werden können.

Schließlich kann eine Leistungsfreiheit der Beklagten auch nicht deshalb angenommen werden, weil entgegen § 13 Nr. 2 AERB 87 das Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen nicht unverzüglich der Polizei zugegangen ist. Der Senat kann es offen lassen, ob ein etwaiges Verschulden an der unverzüglichen Erstellung und Übersendung der Stehlgutliste dem Kläger zuzurechnen ist, so dass von einer Leistungsfreiheit der Beklagten gem. § 6 Abs. 3 VVG auszugehen ist. Zunächst kann ein Organisationsverschulden des Klägers nicht deshalb angenommen werden, dass er für den Fall seiner krankheitsbedingten Abwesenheit keinen instruierten Vertreter bestellt hatte, dass die Erstellung und Übersendung einer etwaigen notwendigen Stehlgutliste nach Vorliegen eines Diebstahls gesichert war. Eine solche Obliegenheit lässt sich den Bedingungen, die dem Versicherungsverhältnis der Parteien zugrunde liegen, nicht entnehmen (vgl. § 13 AERB 87). Der Senat kann es auch offen lassen, ob dem Kläger eine etwa verzögerte Erstellung und Übersendung der Stehlgutliste zuzurechnen ist. Es kann auf sich beruhen, ob die Ehefrau des Klägers als seine Wissenserklärungsvertreterin tätig geworden ist, der Kläger sie mit der Erfüllung seiner Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles und zur Abgabe von Erklärungen anstelle des Versicherungsnehmers betraut hatte. Da eine ausdrückliche Betrauung nicht vorlag, es auch zweifelhaft erscheint, ob der Kläger, der zu diesem Zeitpunkt aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes andere Sorgen hatte als die Erfüllung von Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag, seine Ehefrau stillschweigend mit der Erfüllung seiner Obliegenheiten betraut hat.. Aber selbst, wenn man dies zugrunde legt und davon ausgeht, dass der Kläger seine Ehefrau stillschweigend mit der Erstellung der Stehlgutliste und deren Übersendung betraut hatte, kann von einer danach dem Kläger zuzurechnenden groben Fahrlässigkeit der Ehefrau des Klägers nicht ausgegangen werden. Der Senat vermag nicht der Auffassung der Beklagten zu folgen, dass eine grob fahrlässige Verletzung der Obliegenheit zur unverzüglichen Erstellung der Stehlgutliste schon darin gelegen hafte, dass die Ehefrau des Klägers die Stehlgutliste erst am 06.04.1998 fertiggestellt hatte. Es würde eine Überspannung der an die Ehefrau des Klägers als etwaige Wissenserklärungsvertreterin zu stellenden Anforderungen bedeuten, davon auszugehen, dass die Fertigstellung der Stehlgutliste am 10. Tage nach Eintritt des Versicherungsfalles grob fahrlässig gewesen sei. Das wird schon objektiv den Besonderheiten des Sachverhaltes nicht gerecht. Da allein der Kläger den Umfang der entwendeten Gegenstände und deren Wert hätte angeben können seine Ehefrau damit gezwungen war, durch Einschaltung von Helfern eine Stehlgutliste zu erstellen, ist schon deshalb davon auszugehen, dass ein größerer Zeitbedarf bestand, eine Erstellung am 10. Tage nach dem Versicherungsfall noch nicht eine unerträgliche Abweichung von den von einem Versicherungsnehmer und seinem Wissenserklärungsvertreter zu erwartenden Beschleunigung der Bearbeitung darstellte. Jedenfalls fehlte es an einem subjektiv unentschuldbaren Fehlverhalten der als Wissenserklärungsvertreterin anzusehenden Ehefrau des Klägers.

Der Ehefrau des Klägers kann auch nicht ein grob fahrlässiges Verhalten deshalb vorgeworfen werden, weil sie bei dem von ihr zunächst unternommenen Versuch der Übersendung der Stehlgutliste eine unvollständige Anschrift auf den Briefumschlag hinsichtlich der Polizeidienststelle aufgebracht hatte. Auch dieser Umstand beruhte jedenfalls nicht auf einem subjektiv schlechthin unentschuldbaren Fehlverhalten der Ehefrau des Klägers, die zur damaligen Zeit unstreitig auch ihren schwer erkrankten Ehemann zu betreuen hatte, so dass die fehlende Adressierung in einem milderen Licht erscheint. Es lag allenfalls ein Fehlverhalten vor, dass auch einem ordentlichen Versicherungsnehmer, auch einer Wissenserklärungsvertreterin leicht unterlaufen kannte und für das deshalb ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufzubringen vermochte (vgl. auch BGH VersR 1984, 228; BGH VersR 1977, 1021; OLG Hamm VersR 1982,1891; OLG Köln r + s 1994, 316, OLG Saarbrücken VersR 1993, 569). Da die vom Sachverständigen festgestellte Entschädigungshöhe zwischen den Parteien nicht streitig ist, ist die Beklagte damit antragsgemäß, auch unter Berücksichtigung der 284, 286 BGB zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung folgt aus 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Bemessung der Beschwer orientiert sich am Ausmaß des Unterliegens der Beklagten im Rechtsstreit.

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