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Einigungsgebühr bei Rücknahme der Kündigungsschutzklage

 BUNDESARBEITSGERICHT

Az.: 3 AZB 69/05

Beschluss vom 29.3.2006


Die Rechtsbeschwerde der Klägerin des Ausgangsverfahrens (Antragsgegnerin) gegen den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 26. September 2005 - 13 Ta 383/05 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten des Rechtsbeschwerdeverfahrens streiten darüber, ob dem Antragsteller als ehemaligem Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin eine Einigungsgebühr zusteht.

Die Klägerin wurde von der Beklagten des Ausgangsverfahrens durch Kündigung vom 30. November 2004 zum 28. Februar 2005 gekündigt. Dagegen erhob sie, vertreten durch den Antragsteller, Kündigungsschutzklage. Es kam danach zu Verhandlungen zwischen der Beklagten des Ausgangsverfahrens und dem Antragsteller als Vertreter der Klägerin. Im Ergebnis nahm die Beklagte des Ausgangsverfahrens unter dem 11. Februar 2005 die Kündigung schriftlich „unwiderruflich“ zurück. Der Antragsteller schrieb daraufhin an die Beklagte des Ausgangsverfahrens Folgendes:

„…

wir nehmen Bezug auf das mit Ihnen am 11.02.2005 geführte Telefonat und teilen namens und im Auftrag unserer Mandantin mit, dass diese der inzwischen erfolgten Rücknahme der Kündigung zustimmt und damit einverstanden ist, das Arbeitsverhältnis zu den bisherigen Bedingungen unverändert fortzusetzen.

Wie bereits besprochen, werden wir dementsprechend die beim Arbeitsgericht Limburg anhängige Klage zurücknehmen.

…“

Die Kündigungsschutzklage nahm der Antragsteller für die Klägerin zurück, noch bevor eine Güteverhandlung stattgefunden hatte.

Nach Übermittlung einer entsprechenden Kostenrechnung an die Antragsgegnerin beantragte der Antragsteller verzinsliche Vergütungsfestsetzung gem. § 11 RVG beim Arbeitsgericht Limburg. Er brachte ua. eine Einigungsgebühr mit darauf entfallender Umsatzsteuer iHv. 714,56 Euro in Ansatz. Das Arbeitsgericht lehnte die Festsetzung dieses Betrages ab. Das dagegen gerichtete Rechtsmittel des Antragstellers hatte Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat den Betrag nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Eingang des Festsetzungsantrages beim Arbeitsgericht festgesetzt und in seinem Beschluss, der der Antragsgegnerin am 15. Oktober 2005 zugestellt wurde, die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die dem Beschluss beigefügte Rechtsmittelbelehrung lautet ua.:

„Die Rechtsbeschwerde ist bei ihrer Einlegung oder innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen.“

Mit ihrer am 9. November 2005 beim Bundesarbeitsgericht eingegangen und mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2005, eingegangen am 8. Dezember 2005, begründeten Rechtsbeschwerde macht die Antragsgegnerin geltend, eine Einigungsgebühr sei nicht angefallen.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

1.

Gegen die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde bestehen keine durchgreifenden Bedenken.

a) Allerdings hat die Rechtsbeschwerdeführerin die gesetzliche Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde nicht eingehalten.

Nach § 575 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO ist die Rechtsbeschwerde binnen eines Monats seit der Zustellung des Beschlusses zu begründen. Die Begründung der Beschwerde gegen den am 15. Oktober 2005 zugestellten Beschluss ging beim Bundesarbeitsgericht am 8. Dezember 2005 und damit nach Ablauf dieser Frist ein.

Die Beschwerdebegründungsfrist wurde auch nicht nach § 9 Abs. 5 Satz 3 und 4 ArbGG verlängert, weil eine falsche Rechtsmittelbelehrung erteilt wurde. Die Regelung des § 9 Abs. 5 ArbGG schreibt nur eine Belehrung über die Einlegung eines Rechtsmittels, nicht jedoch über seine Begründung vor (BAG 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - BAGE 109, 265, zu II 1 d cc der Gründe).

b) Der Rechtsbeschwerdeführerin ist jedoch ohne Rücksicht auf ihren dahin gehenden Antrag jedenfalls von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren (§ 236 Abs. 2 Satz 2, § 233 ZPO).

Wird ein Prozessbeteiligter - wie hier die Rechtsbeschwerdeführerin - durch eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung davon abgehalten, sein Rechtsmittel rechtzeitig zu begründen, so ist die Frist ohne sein Verschulden versäumt und es muss Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt werden (vgl. BAG 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - BAGE 109, 265, zu II 1 d cc der Gründe). Da die Rechtsbeschwerdeführerin, bevor ihrem Prozessbevollmächtigten die Verspätung durch gerichtliches Schreiben mitgeteilt wurde, bereits eine Rechtsbeschwerdebegründung eingereicht hatte und damit die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Antragsfrist (§ 234 ZPO) nachgeholt hatte, konnte ihr die Wiedereinsetzung ohne Rücksicht auf den von ihr auch ausdrücklich gestellten Antrag gewährt werden.

2.

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die - in der Höhe unbeanstandete - Einigungsgebühr ist dem Antragsteller entstanden und war demnach gem. § 11 RVG festzusetzen.

a) Nach Nr. 1003, 1000 Abs. 1 Satz 1 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zum RVG entsteht die Einigungsgebühr „für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht“. Diese Regelung weicht von der entsprechenden Regelung in § 23 Abs. 1 der bei Erlass des RVG aufgehobenen BRAGO ab. Die in Abs. 1 Satz 1 der aufgehobenen Bestimmung geregelte Vergleichsgebühr verlangte die Mitwirkung beim Abschluss eines Vergleichs iSd. § 779 BGB. Nach dieser Regelung liegt ein Vergleich nur vor, wenn der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis „im Wege des gegenseitigen Nachgebens“ beseitig wird. Auf dieses Tatbestandsmerkmal kommt es für den Anfall der Einigungsgebühr nach dem RVG nicht mehr an.

Durch diese Änderung wollte der Gesetzgeber die streitvermeidende oder -beendende Tätigkeit des Rechtsanwalts weiter fördern und damit gerichtsentlastend wirken. Es sollten zudem die bisher häufigen kostenrechtlichen Auseinandersetzungen über die Frage, ob ein Vergleich iSv. § 779 BGB vorliegt, vermieden werden (BT-Drucks. 15/1971 S. 204).

Allerdings reicht es auch nach der Änderung nicht aus, wenn sich der Vertrag, an dessen Zustandekommen der Anwalt mitgewirkt hat, „ausschließlich“ auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht beschränkt. Das RVG nimmt damit Begriffe auf, wie sie in den §§ 306, 307 ZPO, die das Anerkenntnis- und das Verzichtsurteil regeln, verwendet werden. Daraus ist zu schließen, dass eine vertragliche Regelung, die materiell-rechtlich keine weitergehenden Wirkungen hat, als sie an ein Anerkenntnis- oder Verzichtsurteil geknüpft werden, keine Einigungsgebühr auslöst. Sonstige Vereinbarungen, durch die der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt werden, sollen jedoch den Gebührentatbestand erfüllen.

b) Gemessen daran steht dem Antragsteller die Einigungsgebühr zu. Die unter Mitwirkung des Antragstellers gefundene Regelung zwischen den Prozessparteien des Ausgangsverfahrens beseitigt deren Streit und deren Ungewissheit über die Wirksamkeit der Kündigung und das Bestehen des Arbeitsverhältnisses. Die Vereinbarung ging auch über die Wirkungen eines Anerkenntnisurteils hinaus und betraf deshalb nicht ausschließlich ein Anerkenntnis iSd. Ausschlusstatbestandes in Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zum RVG:

Die Einigung beinhaltete mehr als die „Rücknahme“ der Kündigung. Eine derartige einseitige Rücknahme ist nämlich nicht möglich. Vielmehr bleibt es auch danach denkbar, dass der Arbeitnehmer seine Kündigungsschutzklage fortführt und einen Auflösungsantrag nach § 9 KSchG stellt (BAG 19. August 1982 - 2 AZR 230/80 - BAGE 40, 56). Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber hinsichtlich des Kündigungsschutzantrages Anerkenntnisurteil gegen sich ergehen lässt. Diese Möglichkeit war der seinerzeitigen Klägerin durch die getroffene Regelung über die Rücknahme der Kündigung genommen.

Darauf, ob im konkreten Fall tatsächlich ein Auflösungsantrag im Raume stand, kommt es nicht an. Dies wäre allenfalls dann von Bedeutung, wenn - was durch die Rechtsänderung aber nicht mehr der Fall ist - noch die Frage gegenseitigen Nachgebens für den Anfall der Gebühr erheblich wäre.

c) Die Zinsen waren nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO festzusetzen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Mit der Kostenentscheidung ist keine Entscheidung darüber verbunden, ob außergerichtliche Kosten erstattungsfähig sind (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 6 RVG).

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