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Einsichtsrecht des ausgeschiedenen Kommanditisten: Abfindungsguthaben noch prüfbar?

Der Insolvenzverwalter eines verstorbenen Kommanditisten forderte das umfassende Einsichtsrecht des ausgeschiedenen Kommanditisten in mehrere Jahresabschlüsse, um ungeklärte Millionenposten zu überprüfen. Die Gesellschaft hielt dagegen: Der Gesellschafter hatte die Bilanzen jahrelang anerkannt – kann dieses Anerkenntnis das Prüfungsrecht plötzlich vollständig erlöschen lassen?

Zum vorliegenden Urteil Az.: 7 U 1479/23 e | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht
  • Datum: 06.08.2025
  • Aktenzeichen: 7 U 1479/23 e
  • Verfahren: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Gesellschaftsrecht, Zivilrecht (Informationsrechte)

  • Das Problem: Der Insolvenzverwalter eines ausgeschiedenen Kommanditisten verlangte Einsicht in Gesellschaftsunterlagen seit 2009. Er wollte die Berechnung eines behaupteten negativen Abfindungsguthabens überprüfen. Die Kommanditgesellschaft lehnte die umfassende Einsicht als unbegründet ab.
  • Die Rechtsfrage: Darf ein ausgeschiedener Gesellschafter Geschäftsunterlagen einsehen, die lange zurückliegen und denen er bereits zugestimmt hatte, um die Höhe seiner Abfindung zu prüfen?
  • Die Antwort: Das Gericht bejahte das Recht auf Einsicht und Auskunft grundsätzlich. Einsicht wurde gewährt, weil konkrete Hinweise auf Unregelmäßigkeiten in den Bilanzen vorlagen. Die Einsicht war jedoch für Jahresabschlüsse unzulässig, denen der Gesellschafter zuvor ausdrücklich zugestimmt hatte.
  • Die Bedeutung: Ausgeschiedene Gesellschafter behalten ein starkes Prüfungsrecht ihrer Abfindungsberechnung. Die frühere Zustimmung zu Jahresabschlüssen wirkt jedoch als Anerkenntnis und schließt eine spätere Überprüfung dieser spezifischen Jahre aus.

Der Fall vor Gericht


Darf ein ausgeschiedener Gesellschafter alte Bilanzen prüfen, denen er nie zugestimmt hat?

Ein Insolvenzverwalter stand vor einem Rätsel. Er vertrat den Nachlass eines verstorbenen Kommanditisten, eines Teilhabers an einer Gesellschaft. Die Gesellschaft legte ihm die Zahlen vor: Das Kapitalkonto des Verstorbenen sei nicht nur leer, es weise ein sattes Minus von fast 400.000 Euro auf. Ein Abfindungsanspruch existiere nicht.

Ein Kommanditist prüft Stapel von Geschäftsunterlagen, um sein Einsichtsrecht auf Bilanz-Unstimmigkeiten zu nutzen.
Zustimmung zu Bilanzen sperrt Einsichtsrecht aus, bei Unregelmäßigkeiten bleibt es bestehen. | Symbolbild: KI

Doch dem Verwalter fielen Ungereimtheiten auf. Die im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschlüsse passten nicht zu internen Versionen. Zahlen änderten sich, Vorjahreswerte wichen voneinander ab. Eine Bilanz schien ein finanzielles Desaster zu belegen, während die Gesellschaft trotzdem keinen Insolvenzantrag stellte. Der Verwalter forderte Aufklärung. Er wollte tief in die Bücher blicken – viel tiefer und weiter zurück, als der Verstorbene überhaupt Teil der Gesellschaft war.

Warum wollte der Insolvenzverwalter so weit in die Vergangenheit blicken?

Der Insolvenzverwalter hatte einen klaren Auftrag: Er musste prüfen, ob dem Nachlass des Verstorbenen tatsächlich kein Abfindungsguthaben zustand. Seine Zweifel speisten sich aus konkreten Beobachtungen. In den Bilanzen tauchten gigantische Posten mit vagen Bezeichnungen auf, etwa „handelsrechtliche Entnahmen“ von über 800.000 Euro in einem Jahr oder „Aufwendungen aus Verlustübernahme“ von mehr als einer halben Million Euro in einem anderen. Diese Posten waren für ihn nicht nachvollziehbar.

Er argumentierte, dass der Wert eines Gesellschaftsanteils nicht im luftleeren Raum entsteht. Die Entwicklung der Kapitalkonten über Jahre hinweg bestimmt den finalen Wert. Fehler oder Unregelmäßigkeiten in der Vergangenheit – selbst aus der Zeit eines Rechtsvorgängers – können das Abfindungsguthaben direkt beeinflussen. Um die Behauptung der Gesellschaft – kein Geld da – zu überprüfen, müsse er die gesamte Kette der Buchungen nachvollziehen können. Sein rechtliches Werkzeug dafür: das Einsichtsrecht in Urkunden und Unterlagen, das der Gesetzgeber in § 810 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verankert hat, sowie der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Wie wehrte sich die Gesellschaft gegen die umfassende Einsichtsforderung?

Die Gesellschaft versuchte, die Tür zu ihren Büchern fest verschlossen zu halten. Ihre Argumentation stützte sich auf mehrere Pfeiler. Erstens sei das Einsichtsrecht zeitlich eng begrenzt. Der Verwalter dürfe allenfalls Unterlagen aus der Zeit einsehen, in der der Verstorbene selbst Gesellschafter war – keine Sekunde davor. Zweitens habe der Verstorbene zu Lebzeiten bestimmten korrigierten Jahresabschlüssen für die Jahre 2010 bis 2014 ausdrücklich zugestimmt. Diese Zustimmung wirke wie ein Siegel. Was einmal abgenickt wurde, könne später nicht mehr infrage gestellt werden.

Drittens verwies die Gesellschaft auf eine abgeschlossene Betriebsprüfung des Finanzamts. Die Steuerbehörde habe die Zahlen für die Jahre 2010 bis 2012 geprüft und für in Ordnung befunden. Das müsse als Nachweis genügen. Eine weitere Ausforschung sei unzulässig. Im Kern lief die Verteidigung darauf hinaus: Der Verwalter solle sich mit den offiziellen Buchwerten zufriedengeben und die Vergangenheit ruhen lassen.

Welchen klaren Schnitt machte das Gericht zwischen erlaubter und verbotener Einsicht?

Das Oberlandesgericht zog eine präzise Linie. Es bestätigte den Grundsatz: Ein ausgeschiedener Gesellschafter oder sein Rechtsnachfolger hat ein Anrecht darauf, die Berechnung seines Abfindungsguthabens zu kontrollieren. Dafür gewährt ihm § 810 BGB Einblick in die relevanten Geschäftsunterlagen. Dieses Recht kann sich sogar auf die Zeit vor der eigenen Mitgliedschaft erstrecken, wenn es – wie hier – handfeste Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten gibt, die den heutigen Wert beeinflussen könnten.

Den entscheidenden Unterschied machte aber die Zustimmung des Verstorbenen. Das Gericht stellte fest, dass der Mann den Jahresabschlüssen der Jahre 2010 bis 2014 per Stimmabgabe zugestimmt hatte. Diese Handlung werteten die Richter als Rechtlich bindendes Anerkenntnis. Wer einem Abschluss zustimmt, verliert das Recht, dessen Richtigkeit später durch eine Einsichtnahme zu überprüfen. Für diese vier Jahre blieb die Tür für den Insolvenzverwalter verschlossen.

Für alle anderen Jahre, in denen eine solche Zustimmung fehlte – insbesondere für das Jahr 2009 und die Jahre ab 2015 –, bejahte das Gericht das Einsichtsrecht. Der Verwalter darf die Gesellschafterbeschlüsse zur Feststellung dieser Jahresabschlüsse und zur Gewinnverwendung einsehen. Die bloße Durchführung einer Betriebsprüfung durch das Finanzamt änderte daran nichts. Steuerrecht und Gesellschaftsrecht sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

Musste die Gesellschaft auch die dubiosen Millionenposten erklären?

Ja, das musste sie. Neben dem Recht auf Einsicht in Dokumente gewährte das Gericht dem Insolvenzverwalter auch einen Anspruch auf Auskunft zu drei ganz konkreten Punkten. Dieser Anspruch ergibt sich aus dem Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Regel ist einfach: Wenn eine Partei in entschuldbarer Weise über ihr Recht im Unklaren ist und die andere Partei die nötigen Informationen ohne großen Aufwand geben kann, dann muss sie das auch tun.

Der Insolvenzverwalter war genau in dieser Lage. Er konnte sich die Herkunft der „handelsrechtlichen Entnahmen“ von 824.537,60 Euro oder der „Aufwendungen aus Verlustübernahme“ von 534.706,59 Euro nicht erklären. Ebenso unklar war für ihn, warum die Gesellschaft trotz eines bilanziellen Fehlbetrags von fast drei Millionen Euro keinen Insolvenzantrag gestellt hatte. Die Gesellschaft musste nun detailliert Auskunft erteilen und die Hintergründe dieser Posten offenlegen. Die Richter machten klar, dass die Anerkenntnisse für die Jahre 2010 bis 2014 diese speziellen Fragen nicht beantworteten und die Ungewissheit des Verwalters daher fortbestand.

Die Urteilslogik

Die Berechnung eines Abfindungsguthabens eröffnet dem ausgeschiedenen Gesellschafter weitreichende Kontrollrechte, doch diese verlieren ihre Wirkung, sobald er die zugrundeliegenden Zahlen anerkennt.

  • [Umfang des Einsichtsrechts]: Rechtsnachfolger dürfen Unterlagen einsehen, die für die Überprüfung des Abfindungsguthabens unverzichtbar sind, wobei sich dieses Einsichtsrecht auch auf Jahre vor der eigenen Mitgliedschaft erstreckt, falls dortige Unregelmäßigkeiten den aktuellen Kapitalwert beeinflussen.
  • [Verlust des Kontrollrechts]: Wer einem Jahresabschluss zustimmt, verzichtet bindend auf das Recht, die Richtigkeit der zugrundeliegenden Berechnung nachträglich durch Einsichtnahme in die entsprechenden Geschäftsunterlagen zu prüfen.
  • [Auskunftspflicht bei Unklarheit]: Das Prinzip von Treu und Glauben verpflichtet eine Gesellschaft, detaillierte Auskunft über große, nicht nachvollziehbare Bilanzposten zu erteilen, wenn diese Unklarheiten die korrekte Berechnung des Gesellschafterguthabens verhindern.

Die Durchsetzung von Informationsrechten erfordert somit eine genaue Prüfung, inwieweit frühere Zustimmungen die Kontrolle über bestimmte Rechnungsperioden rechtlich verbauen.


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Experten Kommentar

Formale Zustimmung ist im Gesellschaftsrecht keine bloße Formsache, sondern ein klares juristisches Anerkenntnis. Wer Jahresabschlüsse aktiv abnickt, verliert das Recht, diese Jahre später bei der Überprüfung des Abfindungsguthabens detailliert zu zerpflücken – das Gericht zieht hier eine konsequente rote Linie. Entscheidend ist die pragmatische Trennlinie: Zwar bleibt die Buchhaltung für die anerkannten Jahre versiegelt, die Gesellschaft muss aber trotzdem Auskunft über spezifische, unerklärliche Millionenposten geben. Das Einsichtsrecht ist mächtig, aber es stoppt genau dort, wo der Gesellschafter durch eigene Stimmabgabe eine Entscheidung bindend getroffen hat.


Symbolbild für Rechtsfragen (FAQ): Allegorische Justitia mit Waage und Richterhammer.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Habe ich als ausgeschiedener Gesellschafter ein Recht auf Einsicht in die alten Bilanzen meiner Firma?

Ja, ausgeschiedene Gesellschafter behalten ein wichtiges Kontrollrecht. Sie dürfen grundsätzlich die alten Bilanzen und Geschäftsunterlagen einsehen, sofern Sie den betreffenden Jahresabschlüssen nicht zugestimmt haben. Dieses Einsichtsrecht dient der lückenlosen Überprüfung, ob die Gesellschaft Ihr Abfindungsguthaben korrekt berechnet hat. Die rechtliche Grundlage hierfür finden Sie in § 810 BGB.

Die Basis für diesen Anspruch bildet die Notwendigkeit, die Geltendmachung Ihrer Rechte zu gewährleisten. Wenn die Gesellschaft behauptet, Ihr Kapitalkonto weise einen Minusbetrag auf, benötigen Sie alle relevanten Buchungsdaten, um diesen Wert nachzuvollziehen. Die Einsichtnahme erstreckt sich dabei nicht nur auf die Jahresabschlüsse, sondern auch auf alle Gesellschafterbeschlüsse zur Gewinnverwendung der fraglichen Jahre. Dieses Kontrollrecht ist auch nicht auf aktive Gesellschafter beschränkt, sondern geht beispielsweise auf Erben oder andere Rechtsnachfolger über.

Die Gesellschaft wird versuchen, jede Einsicht als unzulässige Ausforschungsfischerei abzuwehren. Deshalb müssen Sie die Forderung präzise begründen und darlegen, dass Sie die lückenlose Kette der Wertentwicklung Ihres Kapitalkontos nachvollziehen müssen. Nur dadurch können Sie die Behauptungen der Gegenseite, etwa über unklare Entnahmen oder nicht nachvollziehbare Verlustvorträge, wirksam widerlegen. Das Einsichtsrecht ist entscheidend, um zu verhindern, dass Ihr Abfindungsguthaben unrechtmäßig auf Null gesetzt wird.

Fordern Sie die Einsicht in die Gesellschafterbeschlüsse und zugrundeliegenden Jahresabschlüsse schriftlich an und berufen Sie sich dabei explizit auf den Kontrollanspruch nach § 810 BGB.


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Geht mein Einsichtsrecht verloren, wenn ich dem Jahresabschluss einmal zugestimmt habe?

Ja, Ihre Zustimmung zu einem Jahresabschluss mittels Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung wird als rechtlich bindendes Anerkenntnis gewertet. Dieses formelle Abnicken führt dazu, dass Sie die Richtigkeit der zugestimmten Abschlüsse nachträglich nicht mehr durch eine einfache Einsichtnahme überprüfen dürfen. Das gesetzliche Einsichtsrecht entfällt damit für diese spezifischen Jahre.

Gerichte sehen die Stimmabgabe zur Feststellung eines Jahresabschlusses als endgültige Billigung an. Sobald Sie einem Abschluss formal zugestimmt haben, verlieren Sie das allgemeine Einsichtsrecht nach § 810 BGB für diesen Zeitraum. Selbst wenn Ihnen später Ungereimtheiten auffallen, können Sie die Gesellschaft nicht zwingen, die zugestimmten Bilanzen erneut zur Prüfung offenzulegen. Wer einem Abschluss zustimmt, verliert das Recht, dessen Richtigkeit später durch eine Einsichtnahme zu überprüfen.

Nehmen wir an, Sie haben unaufmerksam einem Abschluss für das Jahr 2019 zugestimmt. Die Gesellschaft nutzt diesen Beschluss nun als juristische Barriere, um Ihnen die Einsicht zu verwehren. Wichtig: Dieses Anerkenntnis schließt das Recht auf Auskunft zu völlig unklaren Einzelposten nicht zwingend aus. Müssen Sie zur Prüfung Ihres Abfindungsguthabens die Herkunft dubioser Posten erklärt bekommen, bleibt der Anspruch aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) oft bestehen, da die reine Zustimmung keine Fragen beantwortet.

Prüfen Sie umgehend alle Protokolle der Gesellschafterversammlungen, um exakt festzustellen, welchen Jahresabschlüssen Sie rechtsverbindlich zugestimmt haben, und grenzen Sie Ihre Einsichtsforderung entsprechend ein.


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Wie muss die Gesellschaft dubiose oder unklare Buchungsposten im Jahresabschluss erklären?

Wenn ein Jahresabschluss bizarre Posten wie nicht nachvollziehbare „handelsrechtliche Entnahmen“ im sechsstelligen Bereich enthält, genügt die bloße Vorlage des Dokuments nicht. Die Gesellschaft muss die Hintergründe unklarer oder dubioser Buchungen detailliert erklären. Dieser Anspruch auf Auskunft existiert gesondert neben dem allgemeinen Einsichtsrecht in die Geschäftsunterlagen.

Der juristische Anspruch auf diese Erläuterung basiert auf dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Liegt eine Partei entschuldbar im Unklaren über die Berechnung ihres Abfindungsanspruchs und kann die Gesellschaft die notwendigen Informationen leicht bereitstellen, muss sie das tun. Ein Gesellschafter kann die Richtigkeit seiner Abfindungsberechnung nur prüfen, wenn er die Herkunft und den Zweck ungewöhnlicher Posten versteht. Dieser Auskunftsanspruch ist nicht identisch mit dem Einsichtsrecht in die Dokumente.

Nehmen wir an: Die Gesellschaft hat Posten wie „Aufwendungen aus Verlustübernahme“ oder hohe „Entnahmen“ in die Bilanz aufgenommen. Selbst wenn Sie früheren Jahresabschlüssen zugestimmt haben und die Einsicht für diese Jahre damit blockiert ist, bleibt der Auskunftsanspruch bestehen. Die Zustimmung bezog sich lediglich auf die formelle Feststellung, nicht auf die inhaltliche Erläuterung spezifischer, unverständlicher Buchungen. Die Gesellschaft muss somit aktiv die genaue Verwendung der Gelder offenlegen.

Listen Sie die unklaren Posten exakt mit Betrag und Bezeichnung auf und fordern Sie unter Berufung auf § 242 BGB eine detaillierte Begründung.


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Kann ich Geschäftsunterlagen einsehen, die älter sind als meine Zeit als Gesellschafter?

Ja, in Ausnahmefällen ist die Einsicht in Dokumente aus der Vormitgliedschaftszeit möglich. Das gesetzliche Einsichtsrecht beschränkt sich nicht automatisch auf die Jahre Ihrer aktiven Zugehörigkeit zum Unternehmen. Es muss jedoch ein direkter und ursächlicher Zusammenhang zwischen den älteren Vorgängen und Ihrem aktuellen Abfindungswert bestehen. Sie müssen einen konkreten und handfesten Anhaltspunkt für die Notwendigkeit dieser erweiterten Prüfung liefern.

Der Wert Ihres Gesellschaftsanteils entsteht nicht isoliert, sondern basiert auf der lückenlosen Entwicklung des Kapitalkontos über viele Jahre. Wenn Ihr heutiges negatives Kapitalkonto durch einen Verlustvortrag aus der Vergangenheit verursacht wurde, müssen Sie in der Lage sein, diese Kette der Buchungen nachzuvollziehen. Wenn Fehler oder Unregelmäßigkeiten aus der Zeit Ihres Rechtsvorgängers den heutigen Abfindungswert direkt beeinflussen, muss die Gesellschaft die Nachvollziehbarkeit gewährleisten.

Gerichte akzeptieren eine solche Ausweitung, wenn konkrete Ungereimtheiten oder vage Großposten dies notwendig machen. Konkret fordern Sie die Einsicht in Unterlagen, die beispielsweise unklare Verlustvorträge oder dubiose Schulden aus diesen früheren Jahren belegen. Konzentrieren Sie Ihre Forderung auf die spezifischen Jahre, die laut Bilanz für die heutigen Fehlbeträge ursächlich sind, um keine unnötige Ausforschung der gesamten Unternehmenshistorie zu betreiben.

Prüfen Sie den Eröffnungsbilanzwert Ihres Beitrittsjahres und identifizieren Sie jene Vorjahresposten, die als Begründung für die erweiterte Einsicht dienen.


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Kann die Gesellschaft das Einsichtsrecht durch eine Betriebsprüfung des Finanzamts abwehren?

Nein, das Argument, eine behördliche Prüfung des Finanzamts ersetze die private Kontrolle, greift juristisch nicht. Gerichte sehen Steuerrecht und Gesellschaftsrecht als getrennte Materien an. Selbst wenn die Zahlen steuerlich korrekt sind, bedeutet dies nicht automatisch, dass die Berechnung Ihres Abfindungsguthabens richtig erfolgte. Eine abgeschlossene Betriebsprüfung verhindert Ihr Kontrollrecht nach § 810 BGB nicht.

Der zentrale Unterschied liegt im Prüfzweck: Die Finanzbehörde prüft die Einhaltung der steuerrechtlichen Pflichten, um die korrekte Besteuerung sicherzustellen. Diese Feststellung ist kein genügender Nachweis für die Richtigkeit des Gesellschaftsanteilswerts. Sie dürfen als ausgeschiedener Gesellschafter spezifisch nachforschen, ob die internen Buchungen zur Berechnung Ihres Anteils, wie unklare Verlustübernahmen oder Entnahmen, korrekt angesetzt wurden.

Die Gesellschaft versucht häufig, die Autorität des Staates zu nutzen, um eine weitere Einsichtnahme abzuwehren. Das Gericht hat klargestellt, dass die bloße Durchführung einer Betriebsprüfung das Kontrollinteresse des Gesellschafters nicht beseitigt. Die Steuerprüfung betrachtet die Buchungen durch die steuerliche Brille, hat jedoch die dubiosen Posten im Hinblick auf Ihren individuellen Abfindungsanspruch möglicherweise gar nicht geprüft.

Betonen Sie in Ihrem nächsten Schreiben, dass Ihr Anspruch auf § 810 BGB basiert und die Betriebsprüfung für die Überprüfung der Abfindungsberechnung irrelevant ist.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Juristisches Glossar: Symbolbild der Justitia mit Waage und Richterhammer.

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Abfindungsguthaben

Das Abfindungsguthaben ist derjenige Betrag, der einem Gesellschafter zusteht und von der Gesellschaft ausgezahlt werden muss, wenn dieser aus dem Unternehmen ausscheidet oder verstirbt. Dieser Wert ergibt sich in der Regel aus dem aktuellen Wert des Gesellschaftsanteils (Kapitalkonto) und soll den fairen Ausgleich für die bisherige Beteiligung sicherstellen.
Beispiel: Der Insolvenzverwalter musste prüfen, ob das festgestellte negative Kapitalkonto bedeutete, dass dem Nachlass des Kommanditisten tatsächlich kein Abfindungsguthaben mehr zustand.

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Auskunftsanspruch

Der Auskunftsanspruch ist das Recht einer Partei, von der Gegenseite detaillierte Erläuterungen zu Sachverhalten zu verlangen, über die sie unverschuldet im Unklaren ist. Dieses Recht dient dazu, die Geltendmachung eigener Ansprüche zu gewährleisten; die Gegenseite muss Informationen liefern, wenn ihr dies ohne großen Aufwand möglich ist. Es ist ein Kontrollinstrument, das neben dem bloßen Recht, Dokumente einzusehen, existiert.
Beispiel: Das Gericht gewährte dem Insolvenzverwalter den Auskunftsanspruch, um die Herkunft der gigantischen „handelsrechtlichen Entnahmen“ in den Bilanzen detailliert erklärt zu bekommen.

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Einsichtsrecht in Urkunden (§ 810 BGB)

Juristen nennen das Einsichtsrecht in Urkunden die Befugnis, Geschäftsunterlagen physisch einzusehen und zu prüfen, um die Richtigkeit von Berechnungen oder Sachverhalten nachzuvollziehen. Der Gesetzgeber verankerte dieses Recht im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 810 BGB), um sicherzustellen, dass jeder Gesellschafter – auch der ausgeschiedene oder dessen Rechtsnachfolger – die Berechnung seines Abfindungsguthabens lückenlos kontrollieren kann.
Beispiel: Um festzustellen, ob dem Nachlass ein Abfindungsguthaben zusteht, forderte der Insolvenzverwalter mithilfe des Einsichtsrechts die Einsicht in die Gesellschafterbeschlüsse der Jahre 2009 und ab 2015.

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Kapitalkonto

Das Kapitalkonto ist die buchhalterische Darstellung der individuellen Beteiligung eines Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen und wird laufend durch Gewinne, Verluste und Entnahmen beeinflusst. Es fungiert als zentraler Indikator für den Wert des Anteils und dient als Berechnungsgrundlage für das Abfindungsguthaben im Falle des Ausscheidens.
Beispiel: Die Gesellschaft behauptete, das Kapitalkonto des verstorbenen Kommanditisten weise ein sattes Minus von fast 400.000 Euro auf, weshalb sie die Auszahlung einer Abfindung ablehnten.

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Rechtlich bindendes Anerkenntnis

Ein rechtlich bindendes Anerkenntnis liegt vor, wenn eine Partei durch eine formelle Erklärung, wie die Stimmabgabe in der Versammlung, die Richtigkeit eines Dokuments oder Sachverhalts ausdrücklich bestätigt. Diese Bestätigung wirkt wie ein Siegel und schließt spätere Überprüfungsrechte bezüglich des anerkannten Sachverhalts aus, weil der Gesetzgeber Rechtssicherheit schaffen und endlose Streitigkeiten verhindern will.
Beispiel: Da der verstorbene Gesellschafter den Jahresabschlüssen für die Jahre 2010 bis 2014 zugestimmt hatte, wertete das Oberlandesgericht dies als bindendes Anerkenntnis, wodurch das Einsichtsrecht für diese Zeit entfiel.

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Treu und Glauben (§ 242 BGB)

Der Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet alle Parteien im Rechtsverkehr zu einem redlichen und fairen Verhalten und dient als Korrektiv gegen formale Härten. Dieser Paragraf ist eine juristische Generalklausel, die immer dann Anwendung findet, wenn die reine Anwendung eines Paragrafen zu einem unzumutbar ungerechten Ergebnis führen würde.
Beispiel: Obwohl das Einsichtsrecht für bestimmte Jahre verwehrt blieb, konnte der Insolvenzverwalter seinen Auskunftsanspruch erfolgreich auf den Grundsatz von Treu und Glauben stützen, um die Herkunft unklarer Buchungen zu erfahren.

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Das vorliegende Urteil


OLG München – Az.: 7 U 1479/23 e – Endurteil vom 06.08.2025


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