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Originalbehandlungsakten – Einsichtsrecht des Patienten

Oberlandesgericht Frankfurt/Main

Az: 8 W 20/11

Beschluss vom 09.05.2011


Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird die Kostenentscheidung im Anerkenntnisurteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17.03.2011 (Az.: 2/14 O 434/10) abgeändert und die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens, dem Kläger auferlegt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Mit Schreiben vom 21.05.2010 forderte die Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte auf, ihr die Behandlungsdokumentation des Klägers vollständig in Kopie zukommen zu lassen (K1, Bl. 7 d. A.). Mit Schreiben vom 09.07.2010 erinnerte sie die Beklagte mit dem Hinweis, dass die Herausgabe der Behandlungsdokumentation bzw. die Übersendung von Kopien eine Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag darstelle, an die Übersendung der Behandlungsdokumentation (K2, Bl. 9 d. A.). Mit Einwurf-Einschreiben vom 06.08.2010 forderte sie die Beklagte letztmalig auf, ihr Kopien der Behandlungsdokumentation zukommen zu lassen (K3, Bl. 10, 11 d. A.). Die Beklagte reagierte nicht. Mit Klageschrift vom 29.09.2010 kündigte der Kläger die folgenden Anträge an:

1. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Fotokopien über die von ihr gefertigte Behandlungsdokumentation betreffend die Behandlung des Klägers seit dem 01.10.2008 bis heute, bestehend aus objektiven physischen Befunden, Berichten über durchgeführte Behandlungsmaßnahmen nebst Medikation sowie über die erfolgte Aufklärung, herauszugeben;

2. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, die Behandlungsunterlagen im Sinne der Ziffer 1 zu Händen eines Bevollmächtigten des Klägers zur Einsichtnahme im Original zur Verfügung zu stellen.

Mit Klageerwiderung vom 03.01.2011 wies die Beklagte auf die anerkannte Rechtslage zu §§ 810, 811 BGB hin und erklärte hilfsweise unter Verwahrung gegen die Kostenlast:

Die Beklagte erkennt an, dem Kläger Fotokopien über die von ihr gefertigte Behandlungsdokumentation betreffend die Behandlung des Klägers seit dem 04.09.2008 bis einschließlich 17.06.2010, bestehend aus objektiven physischen Befunden, Berichten über durchgängige Behandlungsmaßnahmen nebst Medikation sowie über erfolgte Aufklärung, Zug um Zug gegen Erstattung der Kosten herauszugeben.

Die Kosten der Fertigung und Übersendung der Kopien bezifferte die Beklagte auf insgesamt 7,45 Euro. Nach Überweisung des Betrages anerkannte die Beklagte den Anspruch zu Ziffer 1 der Klageschrift vom 29.09.2010 mit Schriftsatz vom 11.03.2011 und überreiche dem Kläger die im Einzelnen bezeichneten Unterlagen in Fotokopie (Bl. 36a bis 36m d. A.).

Mit Anerkenntnisurteil vom 17.03.2011 hat das Landgericht Frankfurt am Main die Beklagte nach dem Klageantrag zu Ziffer 1 der Klageschrift vom 29.09.2010 verurteilt und ihr die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Gegen die Kostenentscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten.

II. Das Rechtsmittel ist zulässig.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 99 Abs. 2 S. 1 ZPO). Der Streitwert der Hauptsache übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstandes von 600,- Euro (§§ 99 Abs. 2 S. 2, 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Der Kläger hat die in einem künftigen Arzthaftungsprozess zu verfolgenden immateriellen und materiellen Schadensersatzansprüche mitgeteilt und ausreichend begründet. Danach beziffert sich der Streitwert einer künftigen Klage auf insgesamt 690.000,- Euro. Da die Geltendmachung eines Anspruchs auf Einsichtnahme in Krankenunterlagen ein in der ärztlichen Dokumentation verkörpertes Auskunftsbegehren hinsichtlich des Ablaufs der Behandlung darstellt, wird dieses Auskunftsbegehren regelmäßig mit einem Teilwert der Hauptsache bewertet. Dabei ist die Höhe des Bruchteils davon abhängig, in welchem Maß die Durchsetzung der Hauptsacheforderung von der begehrten Auskunft abhängt (OLG Saarbrücken MedR 2007, 308). Die Behandlungsdokumentation bildet hier die entscheidende Grundlage für die künftige Haftungsklage, sodass die Festsetzung des Landgerichts mit 2/10 des Hauptsachewertes nachvollziehbar ist.

Der Gegner ist gehört (§ 99 Abs. 2 S. 3). Die sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 569 ZPO).

III. Die sofortige Beschwerde ist begründet.

Die Beklagte hat keinen Anlass zur Klage gegeben, vielmehr hat sie nach Kostenzahlung den Anspruch sofort anerkannt (§ 93 ZPO).

Nach allgemein anerkannter Rechtsprechung hat der Patient grundsätzlich ein Einsichtsrecht in die Originalbehandlungsakten, was zum Einen aus einer Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag, zum Anderen aus § 810 BGB hergeleitet wird und darüber hinaus von der Rechtsprechung unter anderem mit dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten und seiner personalen Würde begründet wird (BGH Z 85, 327). Ein Anspruch auf Zusendung besteht jedoch nicht. Gemäß § 811 Abs. 1 BGB ist in den Fällen des § 810 BGB der Vorlegungsort derjenige, an dem sich die Unterlagen befinden, hier also die Praxis der Beklagten. Erfüllungsort für die Einsichtnahmerechte des Klägers ist folglich die Praxis der Beklagten. Darüber hinaus ist ebenso anerkannt, dass der Arzt seiner Verpflichtung, dem Patienten Einsicht in die Krankenakte zu gewähren dadurch genügen kann, in dem er ihm vollständige Kopien der Behandlungsunterlagen gegen Kostenerstattung zur Verfügung stellt, §§ 810, 811 Abs. 2 BGB (Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, 6. Aufl., RdNr. 630, LG Dortmund, Beschluss vom 07.04.2000, 17 T 31/00; LG München I, Urteil vom 19.11.2008, 9 O 5324/08; LG Magdeburg, Beschluss vom 26.01.2001, 9 O 1997/09 (537)). Der Kläger hat mit den vorgerichtlichen Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten und der Klageschrift aber lediglich die Zusendung der Kopien der Behandlungsunterlagen verlangt, ohne eine Kostenerstattung anzubieten. Damit hat er den Anspruch auf Überlassung von Kopien der Behandlungsunterlagen, für den er die Kosten zu tragen hat (§ 811 Abs. 2 S. 1 BGB) nicht ausreichend dargelegt. Die Beklagte musste vorgerichtlich nicht reagieren. Vielmehr hätte der Kläger der Beklagten zunächst den Vorschuss der zu erwartenden Kosten anbieten müssen.

Da das Rechtsmittel erfolgreich ist, hat der Kläger auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen (§ 574 Abs. 2 ZPO).

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