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Einstweiliger Rechtschutz gegen Baugenehmigung des Nachbarn

VG Köln – Az.: 2 L 1882/21 – Beschluss vom 13.12.2021

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller als Gesamtschuldner. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

Das vorläufige Rechtsschutzgesuch der Antragsteller mit dem sinngemäßen Antrag, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage 2 K 5400/21 gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 29. Juni 2021 (Az.00000000000000000000) anzuordnen, ist zulässig, aber nicht begründet.

Die im Verfahren nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem Interesse des Beigeladenen an der sofortigen Ausnutzung der erteilten Baugenehmigung und dem Interesse der Antragsteller, die (weitere) Errichtung des Bauvorhabens auf dem Grundstück C. Straße 00, Gemarkung C1. , Flur 0, Flurstück 0000 vorerst zu verhindern, fällt zum Nachteil der Antragsteller aus. Denn die Baugenehmigung vom 29. Juni 2021 verletzt die Antragsteller mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in ihren Rechten als Eigentümer des Grundstücks X. -L. -Straße 00, 00000 E. , mit der Folge, dass ihre Klage 2 K 5400/21 aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird.

Die Baugenehmigung der Antragsgegnerin verstößt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gegen Rechtsvorschriften, die auch dem Schutz der Rechte der Antragsteller zu dienen bestimmt sind.

1. Den Antragstellern steht kein Gebietsgewährleistungsanspruch zu. Nach ständiger Rechtsprechung haben Festsetzungen von Baugebieten als Bestimmung der Art der zulässigen Nutzung (§ 1 Abs. 2 BauNVO) nachbarschützende Funktion zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet. Grundstückseigentümer, die sich gegen eine gebietsfremde Nutzung in einem benachbarten Baugebiet wenden, haben Nachbarschutz hingegen nur nach Maßgabe von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, siehe nur BVerwG, Urteil vom 23. August 1996 – 4 C 13/94 -, BVerwGE 101, 364, 374.

Gemessen daran scheidet hier der Gebietserhaltungsanspruch offensichtlich aus. Denn die Grundstücke der Antragsteller und des Beigeladenen liegen nicht in demselben Baugebiet. Während der Bebauungsplan Nr. 0000-00″C. Straße“ für das Grundstück der Antragsteller ein reines Wohngebiet festsetzt, setzt er für das Grundstück des Beigeladenen ein Allgemeines Wohngebiet fest. Im Übrigen würde ein solcher Anspruch auch daran scheitern, dass Wohnen (wie es hier genehmigt ist) in beiden Gebieten allgemein zulässig ist (vgl. § 3 Abs. 1 bzw. § 4 Abs. 1 BauNVO).

2. Es liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch kein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme vor. Das Vorhaben des Beigeladenen ist bauplanungsrechtlich nach § 30 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) i.V.m. § 4 Baunut-zungsverordnung (BauNVO) zu beurteilen. Denn es liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 0000-00″C. Straße“ der Antragsgegnerin vom 03. Juni 1977, 1. Änderung vom 12. April 1996, der für das Grundstück der Beigeladenen ein Allgemeines Wohngebiet festsetzt. Das Vorhaben des Beigeladenen ist als Wohnhaus dort allgemein zulässig gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNO. Nachbarschutz kann den Antragstellern hier allein über § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO vermittelt werden. Danach sind bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden. Innerhalb des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO beinhaltet der unbestimmte Rechtsbegriff der Unzumutbarkeit das nachbarliche Rücksichtnahmegebot.

Eine erfolgreiche Berufung auf das drittschützende Rücksichtnahmegebot setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass das Bauvorhaben bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Gewicht der mit ihm verfolgten Interessen auf der einen Seite und der Empfindlichkeit und der Schutzwürdigkeit der Belange des Nachbarn auf der anderen Seite für diesen die Schwelle der Zumutbarkeit ersichtlich überschreitet, vgl. nur Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. Mai 1986 – 4 C 34.85 -, BRS 46 Nr. 171.

Dies ist hier offensichtlich nicht der Fall.

Soweit die Antragsteller unzumutbare Einsichtnahmemöglichkeiten auf ihr Grundstück geltend machen, gilt folgendes: In einem dicht bebauten Wohngebiet müssen Nachbarn hinnehmen, dass das Grundstück innerhalb des durch das Bauplanungs- und das Bauordnungsrecht (insbesondere § 6 BauO NRW) vorgegebenen Rahmens – wie hier – baulich ausgenutzt wird und es dadurch zu Einsichtsmöglichkeiten kommt. Gewähren Fenster, Balkone oder Terrassen eines neuen Gebäudes den Blick auf ein Nachbargrundstück, ist deren Ausrichtung, auch wenn der Blick von dort in einen Ruhebereich des Nachbargrundstücks fällt, nicht aus sich heraus rücksichtslos. Es ist in bebauten Gebieten üblich, dass infolge einer solchen Bebauung erstmals oder zusätzlich Einsichtsmöglichkeiten entstehen. Nach ständiger Rechtsprechung der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts ist dies regelmäßig hinzunehmen, vgl. nur: OVG NRW, Urteil vom 10. April 2020 – 10 A 352/19 – m.w.N..

Gemessen an diesen Grundsätzen sind die Einsichtnahmemöglichkeiten in den Garten und die Wohnräume der Antragsteller nicht unzumutbar. Die erforderlichen Abstandsflächen nach § 6 BauO NRW sind ersichtlich eingehalten. Zwischen dem Gebäude des Beigeladenen und dem Gebäude der Antragssteller liegen über 20 m. Von einem Einblick „aus nächster Nähe“ – wie die Antragsteller meinen – kann daher keine Rede sein. Die Möglichkeit der Einsichtnahme in den Garten und die Wohnräume im Erdgeschoss und Obergeschoss von der Dachterrasse des Beigeladenen entsprechen im Übrigen in dicht bebauten Wohngebieten – wie hier – der Normalität. Insoweit müssen sich die Antragsteller darauf verweisen lassen, sich vor Einblicken in ihre Wohnräume und in ihren Garten durch das Anbringen von Vorhängen, Sonnensegeln oder Ähnlichem zu schützen, vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. April 2020 – 10 A 352/19.

Hinsichtlich der Einsichtnahmemöglichkeiten in den Garten der Antragsteller dürften diese im Übrigen bereits durch den auf dem Grundstück der Antragsteller vorhandenen Bewuchs gemindert sein, worauf das Gericht ergänzend hinweist.

Eine zu einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme führende erdrückende Wirkung übt das Bauvorhaben des Beigeladenen auf das Grundstück des Klägers ersichtlich ebenfalls nicht aus. Eine bauliche Anlage hat erdrückende Wirkung, wenn sie wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem sie diesem förmlich „die Luft nimmt“, wenn für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins“ entsteht oder wenn die Größe des „erdrückenden“ Gebäudes auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls – und gegebenenfalls trotz Wahrung der erforderlichen Abstandsfläche – derartig übermächtig ist, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden“ Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird, vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2012 – 2 B 983/12 -, Rn. 10 m.w.N., juris.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Bereits aufgrund des Abstands zwischen den Gebäuden von über 20 m ist eine erdrückende Wirkung mehr als fernliegend. Daran ändern auch die Tatsachen nichts, dass das Gebäude des Beigeladenen das der Antragsteller um (lediglich) 1,4 m überragt und 2,5-geschossig ausgeführt wird, wohingegen das Gebäude der Antragsteller nur 1,5-Geschosse aufweist. Eine Massivität des Baukörpers, die das Gebäude als übermächtig erscheinen ließe, vermag das Gericht nicht ansatzweise zu erkennen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da er einen Sachantrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) unterworfen hat.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich am Streitwertkatalog der Bausenate des OVG NRW (BauR 2019, 610), hier Ziffer 7 a). Danach erscheint hier im Klageverfahren ein Betrag von 10.000,00 Euro als angemessen, der wegen der Vorläufigkeit des Verfahrens halbiert wird (vgl. Ziffer 12 a des Streitwertkataloges der Bausenate des OVG NRW).

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