Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Haftung von Eisenbahnunternehmen: Schadensersatz bei Fahrgastverletzungen im Fokus
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Sorgfaltspflichten haben Eisenbahnunternehmen gegenüber ihren Fahrgästen beim Ein- und Aussteigen?
- Ab wann liegt ein Mitverschulden des Fahrgasts bei Unfällen während des Ein- und Aussteigens vor?
- Welche Beweismittel sind bei Unfällen im Bahnverkehr wichtig für die Durchsetzung von Ansprüche?
- Welche Fristen müssen bei der Geltendmachung von Ansprüchen gegen Eisenbahnunternehmen beachtet werden?
- Welche Versicherungen greifen bei Unfällen im Bahnverkehr und wie sollte man im Schadenfall vorgehen?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Würzburg
- Datum: 09.10.2023
- Aktenzeichen: 94 O 1288/22
- Verfahrensart: Klageverfahren auf Schmerzensgeld und Schadenersatz
- Rechtsbereiche: Haftungsrecht, Zivilrecht
Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Eine Zugpassagierin, die nach einem Sturz beim Ausstieg aus einem Zug Verletzungen erlitten hat, fordert Schmerzensgeld und Schadenersatz. Sie argumentiert, dass die fehlende Auslösung der Einstiegshilfe (Trittbrett) der Beklagten zu einer Haftung aufgrund der bestehenden Sicherheitsvorschriften verpflichtet.
- Beklagte: Ein Eisenbahnunternehmen, bestreitet die Ansprüche der Klägerin. Es argumentiert, dass die erforderlichen Sicherheitsnormen eingehalten wurden und dass der Unfall durch ein überwiegendes Eigenverschulden der Klägerin verursacht wurde.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Bei einem Zughalt in Würzburg verunglückte die Klägerin beim Ausstieg, weil die Einstiegshilfe nicht ausfuhr. Sie erlitt erhebliche Verletzungen und machte Schmerzensgeld- und Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte geltend, da ihrer Meinung nach die Sicherheitsvorschriften missachtet wurden.
- Kern des Rechtsstreits: Ob die Beklagte für die Verletzungen haftet und ob die Klägerin eine erhebliche Mitschuld trägt, da sie trotz erkennbarer Risiken ohne Hilfe ausstieg.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage der Klägerin wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- Begründung: Das Gericht stellte fest, dass der Klägerin ein überwiegendes Eigenverschulden zur Last gelegt wird. Die Klägerin hat die Gefahr erkannt und dennoch ohne Hilfe den Zug verlassen, was als Grob verkehrswidrig eingestuft wurde. Die Sicherheitsvorschriften, auf die sich die Klägerin berief, führten nicht zu einer Erhöhung der Betriebsgefahr der Bahn. Zudem waren die spezifischen Regelungen für Menschen mit Behinderung hier nicht einschlägig.
- Folgen: Mit der Abweisung der Klage erhält die Klägerin keine Schmerzensgeld- oder Schadensersatzzahlungen von der Beklagten. Die Entscheidung verdeutlicht Anforderungen an die Eigenverantwortung von Passagieren beim Ausstieg aus einem Zug. Das Urteil kann gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckt werden. Weitere Rechtsmittel wurden nicht angegeben.
Haftung von Eisenbahnunternehmen: Schadensersatz bei Fahrgastverletzungen im Fokus
Die Haftung von Eisenbahnunternehmen spielt eine entscheidende Rolle, wenn es um die Sicherheit von Reisenden geht. Insbesondere bei Fahrgastverletzungen, wie sie durch nicht ausgefahrene Trittbretter entstehen können, müssen rechtliche Aspekte sorgfältig betrachtet werden. Eisenbahnen sind verpflichtet, Sicherheitsvorschriften einzuhalten, um den Schutz ihrer Passagiere sicherzustellen. Kommt es dennoch zu Verletzungen, können Haftungsansprüche auf Schadensersatz geltend gemacht werden, wodurch die Verantwortung von Fahrdienstanbietern in den Fokus rückt.
Die Frage der Verkehrssicherheit ist dabei nicht nur für Eisenbahnbetreiber, sondern auch für die betroffenen Reisenden von großer Bedeutung. Bei einem Trittbrettunfall können betroffene Personen nicht nur um ihre Gesundheit, sondern auch um ihre rechtlichen Ansprüche bangen. Im folgenden Abschnitt wird ein konkreter Fall behandelt, der die komplexen rechtlichen Fragestellungen rund um Eisenbahnunfälle und Fahrgastrechtsschutz beleuchtet.
Der Fall vor Gericht
Sturzunfall beim Aussteigen: Gericht weist Klage gegen Bahn wegen überwiegenden Eigenverschuldens ab

Das Landgericht Würzburg hat die Schadenersatz- und Schmerzensgeldforderungen einer Klägerin gegen die Deutsche Bahn nach einem Sturz beim Aussteigen aus einem Zug abgewiesen. Der Vorfall ereignete sich am 30. Januar 2020 am Würzburger Hauptbahnhof, als die Reisende aus einem aus Zürich kommenden Zug aussteigen wollte.
Sturz trotz erkannter Gefahrensituation
Die Klägerin stand beim Halt des Zuges an erster Stelle vor der Ausstiegstür. Dabei bemerkte sie die erhebliche Distanz zwischen Zug und Bahnsteig von 19 Zentimetern und dachte sich noch „Da muss ich ja springen“. Dennoch versuchte sie ohne Hilfe auszusteigen, wobei sie mit dem rechten Bein auf das Knie fiel und mit dem linken Bein zwischen Bahnsteigkante und Zug geriet. Die nicht ausgefahrene fahrzeuggebundene Einstiegshilfe spielte nach Ansicht des Gerichts für die rechtliche Bewertung keine Rolle.
Gericht sieht grob verkehrswidriges Verhalten
Das Gericht stellte in seiner Urteilsbegründung fest, dass die Klägerin grob verkehrswidrig gehandelt habe. Trotz der von ihr selbst erkannten Gefahrensituation unternahm sie keinen Versuch, das anwesende Zugpersonal um Hilfe zu bitten. Ein verständiger Mensch hätte in dieser Situation Unterstützung angefordert, um Schaden von sich abzuwenden. Die Richter sahen darin ein schwerwiegendes Eigenverschulden, das die grundsätzlich bestehende Haftung der Bahn vollständig ausschließt.
Schmerzensgeld und Schadenersatz abgelehnt
Die Klägerin hatte ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.000 Euro sowie den Ersatz weiterer Kosten für Taxi, Haushaltshilfe und medizinische Behandlungen gefordert. Sie machte geltend, durch den Sturz eine traumatische Knieverletzung mit Quetschung, ein ausgeprägtes Hämatom, eine Innenbandläsion sowie weitere Verletzungen erlitten zu haben. Das Gericht wies diese Forderungen aufgrund des überwiegenden Eigenverschuldens vollständig ab.
Technische Vorschriften nicht verletzt
Die von der Klägerin angeführten europarechtlichen Vorschriften zum Fahrgastschutz führten nach Ansicht des Gerichts zu keiner anderen Bewertung. Die technischen Vorgaben für den Abstand zwischen Zug und Bahnsteig waren mit 19 Zentimetern eingehalten. Die speziellen Schutzvorschriften für Menschen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität waren im konkreten Fall nicht anwendbar, da die Klägerin nicht zu diesem Personenkreis gehörte.
Die Klägerin muss nach dem Urteil auch die Kosten des Rechtsstreits tragen. Das Gericht setzte den Streitwert auf 23.189,55 Euro fest.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass Reisende beim Aussteigen aus Zügen grundsätzlich eine Eigenverantwortung tragen, auch wenn technische Hilfsmittel wie Trittbretter nicht funktionieren. Die Spaltdistanz zwischen Zug und Bahnsteig von 19 cm wurde als normgerecht eingestuft. Besonders wichtig ist die Erkenntnis, dass das Erkennen einer größeren Distanz beim Aussteigen und der dennoch erfolgte Ausstiegsversuch zu einem überwiegenden Eigenverschulden führen kann, wodurch Schadenersatzansprüche ausgeschlossen werden können.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie aus einem Zug aussteigen, müssen Sie besondere Vorsicht walten lassen und die Situation eigenverantwortlich einschätzen. Selbst wenn technische Hilfsmittel wie Trittbretter nicht funktionieren, können Sie bei einem Sturz keine automatischen Ersatzansprüche geltend machen. Erkennen Sie eine gefährliche Situation beim Aussteigen, sollten Sie unbedingt das Bahnpersonal um Hilfe bitten oder einen anderen Ausstieg wählen. Beachten Sie, dass die Kosten eines erfolglosen Rechtsstreits von Ihnen getragen werden müssen.
Sicherer Halt im Reiserecht
Unfälle beim Ein- und Aussteigen passieren leider immer wieder. Das Urteil zeigt, wie wichtig es ist, die Rechtslage zu kennen, um Ihre Ansprüche richtig geltend zu machen. Gerade bei der Beurteilung von Eigenverschulden und der Haftung der Bahn gibt es viele Fallstricke. Wir helfen Ihnen, Ihre Rechte als Fahrgast zu verstehen und im Schadensfall die bestmögliche Unterstützung zu erhalten.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Sorgfaltspflichten haben Eisenbahnunternehmen gegenüber ihren Fahrgästen beim Ein- und Aussteigen?
Eisenbahnunternehmen tragen eine hohe Verantwortung für die Sicherheit ihrer Fahrgäste, insbesondere beim Ein- und Aussteigen. Diese Sorgfaltspflichten ergeben sich aus gesetzlichen Regelungen, technischen Standards und der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht.
Rechtliche Grundlagen
- Vertragliche Verpflichtungen: Nach § 241 Abs. 2 BGB sind Eisenbahnunternehmen im Rahmen des Personenbeförderungsvertrags verpflichtet, die Sicherheit der Fahrgäste zu gewährleisten. Dies umfasst nicht nur die eigentliche Beförderung, sondern auch den sicheren Zu- und Abgang zum Zug.
- Verordnung (EU) 2021/782: Diese Verordnung regelt europaweit die Rechte und Pflichten von Fahrgästen im Eisenbahnverkehr. Sie verpflichtet Unternehmen, Maßnahmen zur persönlichen Sicherheit der Fahrgäste zu ergreifen, insbesondere für Personen mit eingeschränkter Mobilität.
Verkehrssicherungspflichten
Die Verkehrssicherungspflicht verlangt von Eisenbahnunternehmen, dass sie alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um Gefahren für Fahrgäste zu minimieren:
- Technische Ausstattung: Züge müssen mit funktionierenden Trittbrettern ausgestattet sein, die den Spalt zwischen Bahnsteig und Zug sicher überbrücken. Fehlerhafte Systeme, wie ein nicht ausgefahrenes Trittbrett, können zu Unfällen führen und eine Haftung des Unternehmens begründen.
- Bahnsteige: Auch die Beschaffenheit des Bahnsteigs fällt unter diese Pflicht. Er muss so gestaltet sein, dass das Ein- und Aussteigen gefahrlos möglich ist. Beispielsweise dürfen Abstände zwischen Bahnsteigkante und Zug nicht übermäßig groß sein.
- Überwachung und Wartung: Technische Systeme wie Türmechanismen oder Trittstufen müssen regelmäßig überprüft werden, um Fehlfunktionen zu vermeiden.
Beispiele für Verletzungen der Sorgfaltspflicht
- Ein Unfall durch ein nicht ausgefahrenes Trittbrett kann dem Eisenbahnunternehmen zugerechnet werden, wenn es seine Wartungs- oder Überwachungspflichten verletzt hat.
- Wenn der Abstand zwischen Bahnsteig und Zug unzumutbar groß ist oder technische Systeme versagen, haftet das Unternehmen für daraus resultierende Schäden.
Haftung
Kommt es zu einem Unfall aufgrund einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, haftet das Eisenbahnunternehmen gemäß § 280 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz. Dabei wird auch das Verschulden Dritter (z. B. eines Wartungsdienstleisters) dem Unternehmen zugerechnet (§ 278 BGB).
Eigenverantwortung der Fahrgäste
Fahrgäste sind ebenfalls verpflichtet, sich umsichtig zu verhalten. Grobe Unachtsamkeit kann zu einer Mithaftung führen. Dennoch tritt ein Eigenverschulden in der Regel hinter die Betriebsgefahr der Bahn zurück.
Praktische Hinweise
- Wenn Sie als Fahrgast einen Unfall beim Ein- oder Aussteigen erleiden, sollten Sie den Vorfall sofort melden und dokumentieren (z. B. durch Fotos oder Zeugenaussagen).
- Beachten Sie Sicherheitsanweisungen des Bahnpersonals und achten Sie auf mögliche Gefahrenstellen wie Spalten zwischen Zug und Bahnsteig.
Eisenbahnunternehmen sind rechtlich verpflichtet, die Sicherheit ihrer Fahrgäste umfassend zu gewährleisten. Wenn diese Pflichten verletzt werden, können betroffene Fahrgäste Ansprüche auf Schadensersatz geltend machen.
Ab wann liegt ein Mitverschulden des Fahrgasts bei Unfällen während des Ein- und Aussteigens vor?
Ein Mitverschulden des Fahrgasts bei Unfällen während des Ein- und Aussteigens liegt vor, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet und dadurch zu seinem eigenen Schaden beiträgt. Dies ist gemäß § 254 BGB relevant und kann die Schadensersatzansprüche erheblich mindern oder sogar ausschließen.
Sorgfaltspflichten des Fahrgasts
Als Fahrgast sind Sie verpflichtet, die notwendige Sorgfalt walten zu lassen, um sich vor Schäden zu bewahren. Beim Ein- und Aussteigen müssen Sie besonders aufmerksam sein und sich der möglichen Gefahren bewusst sein. Konkret bedeutet dies:
- Sie müssen auf Abstände zwischen Fahrzeug und Bahnsteig oder Bordstein achten.
- Bei erkennbaren Gefahren, wie großen Lücken oder Höhenunterschieden, sollten Sie besondere Vorsicht walten lassen.
- Es ist Ihre Pflicht, vorhandene Haltegriffe oder Handläufe zu benutzen.
- Sie müssen auf Ihre Schritte achten und dürfen nicht unachtsam ein- oder aussteigen.
Beispiele für Mitverschulden
Ein Mitverschulden kann in verschiedenen Situationen angenommen werden:
- Wenn Sie trotz erkennbarer großer Abstände zwischen Fahrzeug und Bahnsteig ohne Vorsichtsmaßnahmen aussteigen.
- Falls Sie sich beim Einsteigen in einen Bus nicht festhalten, obwohl Sie wissen, dass dieser jederzeit anfahren könnte.
- Wenn Sie beim Aussteigen nicht nach vorne schauen und dadurch Hindernisse oder Gefahren übersehen.
- Falls Sie am Ende der Treppe nicht zügig zur Seite gehen und nachfolgende Fahrgäste behindern.
Rechtliche Konsequenzen
Die Annahme eines Mitverschuldens kann Ihre Schadensersatzansprüche erheblich reduzieren. In manchen Fällen kann es sogar zum vollständigen Ausschluss der Haftung des Verkehrsunternehmens führen. Die Gerichte wägen dabei die Betriebsgefahr des Verkehrsmittels gegen Ihr Eigenverschulden ab.
Wenn Sie beispielsweise beim Aussteigen aus einem Zug stürzen, weil das Trittbrett nicht ausgefahren ist, könnte Ihnen dennoch ein erhebliches Mitverschulden angelastet werden. Dies wäre der Fall, wenn Sie die Gefahr erkannt haben, aber trotzdem versucht haben auszusteigen, ohne Hilfe anzufordern.
Besondere Umstände
In bestimmten Situationen kann die Schwelle für ein Mitverschulden niedriger sein:
- Bei älteren oder in ihrer Mobilität eingeschränkten Personen wird ein höheres Maß an Vorsicht erwartet.
- Bei ungewöhnlichen Wetterbedingungen wie Glatteis oder starkem Regen müssen Sie besonders achtsam sein.
- Wenn Sie Gepäck tragen, wird von Ihnen erwartet, dass Sie dies bei Ihren Bewegungen berücksichtigen.
Bedenken Sie: Jeder Fall wird individuell betrachtet. Die konkreten Umstände des Unfalls, Ihr Verhalten und die Maßnahmen des Verkehrsunternehmens spielen eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung eines möglichen Mitverschuldens.
Welche Beweismittel sind bei Unfällen im Bahnverkehr wichtig für die Durchsetzung von Ansprüche?
Bei Unfällen im Bahnverkehr sind folgende Beweismittel besonders wichtig für die Durchsetzung von Ansprüchen:
Dokumentation des Unfallhergangs
Detaillierte schriftliche Aufzeichnungen des Unfallablaufs sind von zentraler Bedeutung. Notieren Sie unmittelbar nach dem Vorfall alle relevanten Details wie Datum, Uhrzeit, Ort, Wetterbedingungen und den genauen Hergang des Unfalls. Je präziser Ihre Schilderung, desto wertvoller ist sie als Beweismittel.
Zeugenaussagen und Kontaktdaten
Sammeln Sie Kontaktinformationen von Zeugen und bitten Sie diese um eine kurze schriftliche Schilderung des Vorfalls. Zeugenaussagen können entscheidend sein, um den Unfallhergang zu rekonstruieren und Ihre Darstellung zu untermauern.
Foto- und Videomaterial
Visuelle Beweise in Form von Fotos oder Videos sind äußerst wertvoll. Dokumentieren Sie die Unfallstelle, eventuelle Schäden am Zug oder an der Infrastruktur sowie Ihre Verletzungen. Achten Sie dabei auf eine gute Qualität und aussagekräftige Perspektiven.
Medizinische Unterlagen
Bei Personenschäden sind ärztliche Atteste, Befunde und Behandlungsunterlagen unerlässlich. Diese Dokumente belegen Art und Umfang Ihrer Verletzungen und sind grundlegend für die Bemessung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen.
Offizielle Berichte
Unfallprotokolle der Bahn, Polizeiberichte oder Gutachten von Sachverständigen sind wichtige objektive Beweismittel. Fordern Sie Kopien dieser Dokumente an oder notieren Sie sich die Aktenzeichen, um später darauf zugreifen zu können.
Technische Aufzeichnungen
Bei Unfällen aufgrund technischer Mängel können Wartungsprotokolle, Fahrtenschreiber-Daten oder Aufzeichnungen der Zugsicherungssysteme relevant sein. Diese Informationen können Aufschluss über mögliche Fehlfunktionen oder Versäumnisse geben.
Persönliche Gegenstände
Bewahren Sie beschädigte persönliche Gegenstände wie Kleidung oder Gepäck auf. Diese können als Beweise für die Unfallfolgen dienen und bei der Schadensberechnung berücksichtigt werden.
Kommunikation mit dem Bahnunternehmen
Dokumentieren Sie sämtliche Korrespondenz mit dem Bahnunternehmen oder anderen beteiligten Parteien. E-Mails, Briefe oder Gesprächsnotizen können wichtige Informationen enthalten und den Verlauf der Schadensregulierung belegen.
Wenn Sie diese Beweismittel sorgfältig sammeln und aufbewahren, schaffen Sie eine solide Grundlage für die Durchsetzung Ihrer Ansprüche. Jedes einzelne Beweisstück kann dazu beitragen, den Unfallhergang zu klären und Ihre Forderungen zu untermauern.
Welche Fristen müssen bei der Geltendmachung von Ansprüchen gegen Eisenbahnunternehmen beachtet werden?
Bei der Geltendmachung von Ansprüchen gegen Eisenbahnunternehmen müssen Sie verschiedene Fristen beachten, um Ihre Rechte zu wahren. Diese Fristen variieren je nach Art des Anspruchs und der rechtlichen Grundlage.
Fristen für Entschädigungs- und Erstattungsansprüche
Wenn Sie eine Entschädigung oder Erstattung aufgrund von Verspätungen oder Zugausfällen fordern möchten, gilt grundsätzlich eine Frist von drei Monaten. Diese Frist beginnt mit dem Ablauf der Gültigkeit Ihrer Fahrkarte. Stellen Sie sich vor, Ihr Zug hatte am 1. Juli eine Verspätung von über einer Stunde. In diesem Fall hätten Sie bis zum 30. September Zeit, Ihren Anspruch geltend zu machen.
Beachten Sie jedoch, dass einige Eisenbahnunternehmen, wie die Deutsche Bahn, derzeit noch kulant sind und Anträge auch nach Ablauf der Drei-Monats-Frist annehmen und bearbeiten. Es empfiehlt sich dennoch, Ihren Antrag möglichst zeitnah zu stellen.
Fristen bei Gepäckproblemen
Falls Ihr Gepäck verspätet ankommt, müssen Sie sich innerhalb von 21 Tagen bei der Bahn-Gesellschaft beschweren. Bei beschädigtem Gepäck gelten kürzere Fristen: Bei sichtbaren Schäden müssen Sie sich sofort nach der Gepäckannahme beschweren, bei nicht sofort sichtbaren Schäden innerhalb von 3 Tagen nach Bemerken des Schadens.
Verjährungsfristen für Schadensersatzansprüche
Für Schadensersatzansprüche, wie sie beispielsweise bei einer Verletzung aufgrund eines nicht ausgefahrenen Trittbretts entstehen können, gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren. Diese Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und Sie von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt haben.
In besonderen Fällen, etwa bei vorsätzlicher Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, gilt eine verlängerte Verjährungsfrist von 30 Jahren. Diese längere Frist beginnt mit der Begehung der Handlung oder der Pflichtverletzung.
Besonderheiten im Eisenbahnrecht
Im Eisenbahnrecht gibt es einige spezielle Regelungen zu beachten:
- Die Durchsetzung eines Anspruchs aus einem rechtskräftigen Titel (z.B. Kostenbeitragsbescheid) ist innerhalb einer Frist von 30 Jahren möglich.
- Bei der Gefährdungshaftung der Bahn müssen Sie als Geschädigter nachweisen, dass der Schaden beim Betrieb der Eisenbahn entstanden ist. Die Beweislast für höhere Gewalt oder Ihr mögliches Mitverschulden liegt hingegen beim Eisenbahnunternehmen.
Wenn Sie einen Schaden erlitten haben, etwa durch eine Verletzung beim Aussteigen, sollten Sie umgehend handeln. Dokumentieren Sie den Vorfall, sammeln Sie Beweise und melden Sie den Schaden so schnell wie möglich dem Eisenbahnunternehmen. Je früher Sie Ihre Ansprüche geltend machen, desto besser sind Ihre Chancen auf eine erfolgreiche Durchsetzung.
Beachten Sie, dass diese Fristen verbindlich sind und ihre Nichteinhaltung zum Verlust Ihrer Ansprüche führen kann. Im Zweifelsfall ist es ratsam, sich frühzeitig über Ihre Rechte und Pflichten zu informieren, um keine wichtigen Fristen zu versäumen.
Welche Versicherungen greifen bei Unfällen im Bahnverkehr und wie sollte man im Schadenfall vorgehen?
Versicherungsschutz der Bahnunternehmen
Die Bahnunternehmen verfügen über eine Bahnbetriebs-Sacheigenschadenversicherung, die Schäden an Schienenfahrzeugen und Bahnanlagen bei Unfällen abdeckt. Ergänzend besteht eine Bahnbetriebs-Haftpflichtversicherung, die den gesamten Bahnbetrieb einschließlich Fahrbetrieb und Infrastrukturbetrieb umfasst.
Die Deckungshöchstsumme beträgt 100 Millionen Euro pro Schadenereignis ohne Beschränkung auf eine bestimmte Anzahl von Schadenereignissen pro Jahr. Dies übertrifft die gesetzliche Mindestanforderung von 20 Millionen Euro deutlich.
Haftung und Entschädigung bei Personenschäden
Bei Personenschäden greift die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung der Bahnbetreiber. Die Entschädigungssumme kann bis zu 600.000 Euro betragen. Nach der europäischen Fahrgastverordnung muss das Bahnunternehmen innerhalb von 15 Tagen einen Vorschuss von 21.000 Euro leisten und die vollständigen Heilbehandlungskosten übernehmen.
Vorgehen im Schadenfall
Wenn Sie einen Unfall im Bahnverkehr erleiden, sollten Sie folgende Schritte beachten:
- Sofortige Dokumentation: Lassen Sie sich den Vorfall vom Zugpersonal oder am Bahnhof schriftlich bestätigen.
- Beweise sichern: Bewahren Sie alle relevanten Unterlagen wie Fahrkarten und Belege auf.
- Unfallmeldung: Melden Sie den Schaden unverzüglich beim Bahnunternehmen.
Die Haftung erstreckt sich auch auf Unfälle wegen Verkehrssicherungspflichtverletzungen mit Bahnbetriebsbezug, wie etwa Stürze auf vereisten Treppen zum Bahnsteig. Bei Vandalismusschäden besteht ebenfalls Versicherungsschutz für Schäden an Bahneigentum und Schienenfahrzeugen.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Grob verkehrswidrig
Ein Verhalten, das in besonders schwerwiegender Weise gegen die im Straßen- und Schienenverkehr erforderliche Sorgfalt verstößt. Es geht über eine einfache Fahrlässigkeit deutlich hinaus und zeigt eine besondere Missachtung der Verkehrssicherheit. Die Bewertung erfolgt nach § 276 BGB in Verbindung mit den jeweiligen verkehrsrechtlichen Vorschriften. Beispiel: Wenn jemand trotz erkennbarer Gefahr und verfügbarer Hilfe einen gefährlichen Ausstieg aus einem Zug versucht.
Eigenverschulden
Bezeichnet das Verhalten einer geschädigten Person, die durch ihr eigenes Handeln oder Unterlassen zu ihrem Schaden beigetragen hat. Nach § 254 BGB kann dies zu einer Minderung oder sogar zum vollständigen Ausschluss von Schadensersatzansprüchen führen. Im Eisenbahnrecht ist dies besonders relevant, wenn Reisende erkennbare Sicherheitsrisiken ignorieren, wie etwa das Aussteigen trotz erkannter großer Spaltbreite zwischen Zug und Bahnsteig.
Schadenersatz- und Schmerzensgeldforderungen
Rechtliche Ansprüche auf finanzielle Entschädigung nach einer Körperverletzung oder einem Sachschaden. Schadensersatz (§§ 249 ff. BGB) deckt konkrete materielle Schäden ab, während Schmerzensgeld (§ 253 BGB) eine Entschädigung für körperliche und seelische Leiden darstellt. Beispiel: Nach einem Unfall können Behandlungskosten, Verdienstausfall (Schadensersatz) sowie Ausgleich für Schmerzen (Schmerzensgeld) gefordert werden.
Verkehrssicherungspflicht
Die rechtliche Verpflichtung, Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer im zumutbaren Rahmen zu verhindern. Sie basiert auf § 823 BGB und ist für Verkehrsunternehmen besonders relevant. Betreiber müssen ihre Anlagen so gestalten und warten, dass Nutzer bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nicht zu Schaden kommen. Beispiel: Eisenbahnunternehmen müssen funktionsfähige Einstiegshilfen bereitstellen und angemessene Abstände zwischen Zug und Bahnsteig gewährleisten.
Kosten des Rechtsstreits
Die bei einem Gerichtsverfahren entstehenden finanziellen Aufwendungen, geregelt im Gerichtskostengesetz (GKG) und Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Sie umfassen Gerichtsgebühren, Anwaltskosten und Auslagen. Die unterliegende Partei muss in der Regel sämtliche Kosten tragen. Bei einem Streitwert von 23.189,55 Euro können die Gesamtkosten mehrere tausend Euro betragen.
Technische Vorgaben
Verbindliche rechtliche Standards und Normen für die technische Ausgestaltung von Eisenbahnanlagen und -fahrzeugen. Sie basieren auf der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) sowie EU-Richtlinien. Diese definieren beispielsweise maximal zulässige Abstände zwischen Zug und Bahnsteig oder Anforderungen an Einstiegshilfen. Die Einhaltung dieser Vorgaben ist für die Haftungsfrage bei Unfällen oft entscheidend.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 1 Haftpflichtgesetz (HaftPflG): Dieser Paragraph regelt die Haftung von Eisenbahnunternehmen für Personen- und Sachschäden, die durch den Betrieb der Eisenbahn verursacht werden. Im vorliegenden Fall ist er relevant, da die Klägerin die Deutsche Bahn AG aufgrund eines Sturzes beim Aussteigen aus einem Zug auf Schadenersatz und Schmerzensgeld verklagt.
- § 254 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Mitverschulden: Dieser Paragraph besagt, dass der Schadenersatzanspruch eines Geschädigten gemindert werden kann, wenn er durch ein eigenes Verschulden zum Schaden beigetragen hat. Im vorliegenden Fall argumentiert das Gericht, dass die Klägerin die Gefahr beim Aussteigen erkannt, aber dennoch keine Hilfe angefordert hat, was als Mitverschulden gewertet werden kann.
- Art. 26 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr: Diese EU-Verordnung regelt die Rechte von Fahrgästen im Eisenbahnverkehr, einschließlich des Rechts auf Sicherheit und Unterstützung. Die Klägerin beruft sich auf diese Verordnung, um ihre Ansprüche zu begründen. Das Gericht führt jedoch aus, dass die technischen Vorgaben für den Abstand zwischen Zug und Bahnsteig eingehalten wurden und die speziellen Schutzvorschriften für Menschen mit Behinderungen im konkreten Fall nicht anwendbar waren.
- TSI PRM (Technische Spezifikationen für die Interoperabilität – Personen mit eingeschränkter Mobilität): Diese EU-Richtlinie legt technische Standards für die Zugänglichkeit von Bahnhöfen und Zügen für Personen mit eingeschränkter Mobilität fest. Im vorliegenden Fall wird geprüft, ob die TSI PRM hinsichtlich des Abstands zwischen Zug und Bahnsteig eingehalten wurde und ob das Nicht-Ausfahren des Trittbretts relevant ist.
- Verordnung (EU) Nr. 1302/2014 über die technischen Spezifikationen für die Interoperabilität des Teilsystems „Fahrzeuge — Personenverkehr“ des Eisenbahnsystems in der Europäischen Union: Diese Verordnung enthält detaillierte technische Anforderungen an die Konstruktion von Eisenbahnfahrzeugen, einschließlich der Einstiegshilfen. Im vorliegenden Fall ist sie relevant, da die Klägerin argumentiert, dass das Nicht-Ausfahren des Trittbretts einen Verstoß gegen diese Verordnung darstellt. Das Gericht kommt jedoch zu dem Schluss, dass dies für die rechtliche Bewertung des Falls keine Rolle spielt.
Das vorliegende Urteil
LG Würzburg – Az.: 94 O 1288/22 – Endurteil vom 09.10.2023
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