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Elternunterhalt – Vorrangige Deckung des Lebensbedarfs durch Einsatz des eigenen Immobiliarvermögens

AG St. Ingbert, Az.: 4 F 236/13 UV, Beschluss vom 27.03.2015

Der Antrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Verfahrenswert wird auf 14.168 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin macht als Trägerin der Sozialhilfe aus übergegangenem Recht gegen die Antragsgegnerin Ansprüche aus Elternunterhalt ab September 2012 geltend.

Die 1939 geborene Mutter der Antragsgegnerin zog am 30.03.2011 in ein Pflegeheim.

Sie erhält seit November 2011 Leistungen der Sozialhilfe in Form von Hilfe zur Pflege in Einrichtungen nach dem siebten Kapitel SGB XII. Hiervon wurde die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 23.7.2012 von der Antragstellerin unterrichtet.

Elternunterhalt - Vorrangige Deckung des Lebensbedarfs durch Einsatz des eigenen Immobiliarvermögens
Symbolfoto: style-photographs/Bigstock

Für den Aufenthalt im Pflegeheim schuldet die Mutter tägliche Kosten für Unterkunft in Höhe von 16,25 € (ab September 2013: 16.68 €), für Verpflegung 12,51 € (ab September 2013: 12,85 €), als Pflegesatz 90,59 € (ab September 2013: 92,29 €), für Altenpflegeumlage 2,18 € (ab Januar 2013: 2,35 €, ab Januar 2014: 2,99 €).

Die entstehenden Investitionsaufwendungen werden zusammen mit dem Einzelzimmerzuschlag vom Land Nordrhein-Westfalen als Pflegewohngeld dem Heim gewährt (§ 12 PfG NW, bei juris).

Die Antragstellerin gewährt der Mutter einen monatlichen Barbetrag gemäß § 27b Abs. 2 SGB XII von 100,98 € (ab Januar 2013: 103,14 €, ab Januar 2014: 105,57 €, ab Januar 2015: 107,73 €).

Die Mutter erhält Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe III in Höhe von monatlich 1550 € (ab Januar 2015: 1612 €).

Die Mutter bezieht Altersrente in Höhe von monatlich 455,00 € netto (ab 1.7.2013: 456,13 €).

Zusätzlich erhält sie Wohngeld von monatlich 228 € (ab Dezember 2012: 224 €).

Der 1937 geborene Ehemann der Mutter bezieht Altersrente in Höhe von monatlich 1389,79 € netto (ab 1.7.2013: 1393,26 €).

Der Ehemann der Mutter lebt in einer 78 m2 großen Eigentumswohnung, die nach unbestrittenem Vortrag beiden Elternteilen gemeinsam gehört.

Die Antragstellerin gibt an, dass gegen die Kinder der Antragsgegnerin Schenkungswiderrufsverfahren eingeleitet seien. Da diese Erfolg versprächen, seien sie bei der Unterhaltsberechnung bereits berücksichtigt, was die Antragsgegnerin nicht bestreitet.

Die Antragsgegnerin ist alleinstehend. Ihre beiden Kinder (Sohn …, geb. am …, Tochter …, geb. am …) wohnen nicht bei ihr zu Hause. Wegen einer Krebserkrankung (im Stadium der Heilungsbewährung) wurde ihr ein Grad der Behinderung von 50 zuerkannt. Sie ist im Außendienst der Pharmabranche tätig.

Die Antragsgegnerin hat eine Schwester. Diese ist verheiratet und bezieht Gehalt als Lehrerin im gehobenen Dienst. Ihr Ehemann erzielt Einkommen aus abhängiger Beschäftigung und aus Gewerbebetrieb.

Die Eheleute haben eine Tochter (…, geb. am …), die seit September 2006 ein Internat in Holland besucht. Die Internatskosten betrugen von August 2007 bis Juli 2013 insgesamt 199.989,86 €. Nachdem die ersten Schuljahre im Rahmen einer Eingliederungsmaßnahme vom zuständigen Landkreis bezahlt waren, weigerte sich der Kreis in der Folge, die Kosten für das Internat zu übernehmen. Ab dem Schuljahr 2011/2012 übernahmen die Eltern die Kosten, nachdem sie vergeblich bis zum OVG Münster auf Übernahme der Kosten geklagt hatten. Zur Finanzierung der Internatskosten haben sie im März 2012 einen Kredit bei der Santander Bank über 60.000 € aufgenommen, der seit Mai 2012 mit 1103 € monatlich bedient wird. Aus dem Verwaltungsrechtsstreit mit dem Landkreis wegen der verweigerten Übernahme der Internatskosten stehen noch Rechtsanwaltskosten offen. Diese betrugen im März 2012 ca. 7.700 € und werden in monatlichen Raten von 200 € abgetragen. Die Tochter C., die im Januar 2015 ein Kind zur Welt brachte, will voraussichtlich im Herbst 2015 mit dem Studium beginnen.

Die Schwester der Antragsgegnerin verdiente im Jahr 2012 brutto 48.167 € (2013: 51.514 €), ihr Ehemann 55.716 € (2013: 59.055 €; 2014: 58.881 € aus der nichtselbstständigen Tätigkeit). In 2013 erhielten die Eheleute eine Steuerrückerstattung von 3.234,50 € für 2012, in 2014 3.590,83 € für 2013.

Die Eheleute wohnen im eigenen Haus. Der angemessene Wohnwert beträgt 580 € monatlich. Das Haus ist finanziert. Anfang 2012 beliefen sich die Schulden auf ca. 200.000 €. Die Darlehen werden mit monatlich 1.030 € bedient.

Im Jahr 2004 erwarben sie ein Ferienhaus in Österreich, das sie nach Behauptung der Antragstellerin nicht vermieten können, sondern während der Ferien ausschließlich selbst nutzen.

Für den Kauf des Hauses haben sie einen Fremdwährungskredit aufgenommen. Dieser valutierte Mitte 2012 in Höhe von ca. 100.000 €. Er wird mit 426,57 € im Quartal bedient.

Die Antragsgegnerin erzielte im Jahr 2012 ein Bruttoeinkommen von 111.034,90 €.

Die Abzüge für Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer, gesetzliche Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung beliefen sich 2012 auf 44.749,11 €.

Die Antragsgegnerin erzielte im Jahr 2013 ein Bruttoeinkommen von 109.983,89 €.

Die Abzüge für Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer, gesetzliche Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung beliefen sich auf 44.509,07 €.

Für ihre private Kranken- und Pflegeversicherung und die Krankenversicherung ihrer beiden Kinder einschließlich der Selbstbeteiligung zahlte die Antragsgegnerin monatlich 1435,71 €. Dieser Betrag wird auch für das Jahr 2012 von der Antragstellerin angesetzt. Der Arbeitgeber zahlte für die private Krankenversicherung im Jahr 2013 einen Zuschuss von monatlich 297,55 €.

Die Antragsgegnerin erzielte im Jahr 2014 ein Bruttoeinkommen von 109.430,99 €.

Die Abzüge für Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer, gesetzliche Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung beliefen sich auf 44.635,31 €.

Die Aufwendungen für die private Kranken- und Pflegeversicherung beliefen sich auf 1.105,16 € monatlich zuzüglich der Selbstbeteiligung von 2050 € jährlich. Daraus ergibt sich ein monatlicher Aufwand von 1276 €. Der Arbeitgeber zahlte für die private Krankenversicherung im Jahr 2014 einen Zuschuss von monatlich 305,76 €.

Im Bruttoeinkommen der Antragsgegnerin enthalten ist ein geldwerter Vorteil für den vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Firmenwagen (Mercedes C-Klasse) von monatlich 458,57 €. Eine Selbstbeteiligung für den Firmenwagen von monatlich 42,43 € wird vom Arbeitgeber bei der Lohnabrechnung abgezogen. Seit Juli 2014 beträgt der vom Arbeitgeber angesetzte geldwerte Vorteil monatlich 486 €. Eine Selbstbeteiligung wird seitdem nicht mehr vom Einkommen abgezogen.

Die Antragsgegnerin zahlt für ihre zusätzliche Altersversorgung monatlich 224 € im Wege der Entgeltumwandlung und monatlich 25,56 € in einen Pensionsfond.

Darüber hinaus zahlt sie Beiträge für eine Berufsunfähigkeitsversicherung von 167,24 € monatlich.

Bis Februar 2013 wohnte die Antragsgegnerin im Haus ihres ehemaligen Lebensgefährten in einer eigenen Wohnung.

Am 04.02.2013 mietete sie eine Doppelhaushälfte mit ungefähr 100 m2 Wohnfläche für 600 € monatlich mit Nebenkostenvorauszahlungen von 120 € monatlich. Am 06.02.2013 kaufte sie 1509 Liter Heizöl für 1376,41 €.

In der Zeit von September 2012 bis April 2013 war die Tochter … im Rahmen einer Jugendhilfemaßnahme stationär untergebracht. Die Antragsgegnerin wurde zu einem Kostenbeitrag von monatlich 471 € herangezogen, wobei das Kindergeld von monatlich 184 € weiterhin an sie ausbezahlt wurde. An monatlichen Fahrtkosten für … fielen im Jahr 2012 44,80 €, ab 2013 46,95 € monatlich an. Die Antragsgegnerin zahlte ihrer Tochter ein Taschengeld in Höhe von monatlich 80 €. Für eine Kinderunfallversicherung waren im August 2012 70,51 € als Jahresbeitrag fällig.

Ab Mai 2013 – nach Ende der Maßnahme – mietete die Antragsgegnerin für ihre Tochter eine eigene Wohnung in Düsseldorf. Dort wollte diese ihren Hauptschulabschluss nachholen, was sie bis zu ihrem 18. Geburtstag im September 2014 nicht schaffte. Die Miete beträgt 280 € monatlich. Die Nebenkostenvorauszahlungen betrugen bis Dezember 2013 monatlich 75 €, seit Januar 2014 95 €.

Bis Dezember 2013 befand sich der Sohn … in Ausbildung. Er wohnte außerhalb der elterlichen Wohnung an seinem Ausbildungsort in Landau i.d.Pfalz in einer Wohngemeinschaft. Die anteiligen Miet- und Nebenkosten betrugen 217,50 € monatlich, die Abschläge für Gas 31 €, für Strom 19 € monatlich. Die Antragsgegnerin zahlte für … ein Schulgeld von 1260 € pro Semester, das sind 210 € pro Monat.

In der Zeit vom 06.01.2014 bis 06.07.2014 machte … ein Praktikum in Pirmasens. Dort verdiente er brutto 500 € monatlich. Nach Abzug der Sozialversicherung verblieben netto 399 €. Er erhielt in dieser Firma einen zeitlich befristeten Vertrag als Aushilfsangestellter vom 07.07.2014 bis 30.09.2014 mit einem Bruttoeinkommen von 2379 € monatlich. Während dieser Zeit wohnte er bei seiner Mutter, behielt jedoch seinen Wohnungsanteil in Landau, da er plante, dort ein Fachhochschulstudium aufzunehmen. In der Zeit von 1.10.2014 bis 06.01.2015 war er arbeitslos und erhielt ALG II Leistungen. Seit 07.01.2015 ist er wieder in Arbeit.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass das Eigenvermögen der Mutter der Antragsgegnerin nicht die Bedürftigkeit entfallen lasse. In der Eigentumswohnung lebe der Ehemann der Mutter. Diesem könne ein Umzug nicht zugemutet werden. Eine Aufhebung der Gemeinschaft, selbst im Wege der Teilungsversteigerung, sei auch nach § 1365 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, da dafür die Zustimmung des Ehemanns der Mutter vorliegen müsse.

Die Antragstellerin beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, für die Zeit von September 2012 bis Oktober 2013 rückständigen Unterhalt von 7.472 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 02.10.2013 und für die Zeit ab November 2013 einen monatlichen Unterhalt von 558 € zu zahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin ist zusammen mit ihrem Vater für den Fall, dass dieser verhindert ist, zur Betreuerin ihrer Mutter bestellt. Sie behauptet, seit Aufnahme der Mutter ins Pflegeheim sei sie wenigstens einmal im Monat mit ihrem privaten Pkw zum Besuch ihrer Mutter nach Bielefeld gefahren. Ihr Sohn M. habe das Auto gefahren, da sie diese Strecke aufgrund der Folgen ihrer Krebserkrankung nicht alleine zurücklegen könne. Den Firmen wagen habe sie nicht benutzt, weil M. diesen nach den Bestimmungen ihres Arbeitgebers nicht fahren dürfe.

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Die Antragsgegnerin habe Mehraufwendungen wegen ihrer Krankheit, die sie mit 150 € monatlich schätze.

Für Therapien und Medikamente, die ihre psychisch kranke Tochter benötige, fielen ebenfalls Mehrkosten von 150 € im Monat an.

Wegen der näheren Einzelheiten des Vorbringens und dem Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 31.01.2014, 09.05.2014 und 30.01.2015 verwiesen.

II.

Der Antrag ist zulässig, da die Antragstellerin Ansprüche der Mutter der Antragsgegnerin auf Elternunterhalt nach §§ 1601 ff. BGB geltend machen kann, soweit sie Hilfe zur Pflege nach SGB VII erbracht hat, § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII.

Die Mutter der Antragsgegnerin hat jedoch mangels Bedürftigkeit keinen Elternunterhaltsanspruch gegen die Antragsgegnerin.

Der Unterhaltsbedarf eines im Pflegeheim lebenden Unterhaltsberechtigten ist durch die Pflegekosten vorgegeben. Hinzu kommt ein Taschengeldanspruch in angemessener Höhe. Abzuziehen sind allerdings die Eigeneinkünfte, wie Rente und Wohngeld sowie Pflegegeld (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. August 2001 – 1 UF 63/01 -, juris).

Gemäß § 1602 Abs. 1 BGB ist unterhaltsbedürftig nur, wer außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten. An Unterhaltsbedürftigkeit fehlt es, soweit Einkünfte oder verwertbares Vermögen vorhanden sind. Verwertbares Vermögen ist zunächst zu verbrauchen, bevor Unterhalt verlangt wird. Die Verwertung muss zumutbar sein (Palandt/Brudermüller, BGB, 74. Auflage 2015, § 1602 Rn. 3).

Für den nachehelichen Unterhalt macht § 1577 Abs. 3 BGB eine Einschränkung. Danach braucht der Unterhaltsberechtigte den Stamm des Vermögens nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre. Einige empfehlen eine entsprechende Anwendung von § 1577 Abs. 3 BGB für den Elternunterhalt »im Grundsatz« (Dose in FamRZ 2013, 993, 995).

Die allgemeine Billigkeitsklausel des § 1577 Abs. 3 BGB gilt im Verwandtenunterhalt, der eigens geregelt ist, nicht. Für eine analoge Anwendung fehlt es an einer Gesetzeslücke. Die entsprechende Vorschrift zum Einsatz des Vermögens beim Verwandtenunterhalt ist § 1602 BGB. Danach wird vorausgesetzt, dass auch Vermögen des Unterhaltsberechtigten einzusetzen ist. Eine Einschränkung für die Verwertung des Vermögensstamms wird nur bei minderjährigen Kindern gemacht, § 1602 Abs. 2 BGB. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass volljährige Kinder, Eltern und andere Verwandte ihr Vermögen ohne Beschränkung einzusetzen haben.

Die Zumutbarkeitsgrenze muss folglich enger gezogen werden (Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Auflage 2011, § 2 Rn. 940). Beim Unterhalt für vermögende volljährige Kinder hat der BGH als Grenze für die Verwertung des Vermögensstamms durch das Kind „grobe Unbilligkeit“ vorgeschlagen (BGH, Urteil vom 5. 11. 1997 – XII ZR 20/96 in NJW 1998, 978, 980).

Der Unterhaltsanspruch der Eltern ist schwächer ausgestaltet als der Unterhaltsanspruch von volljährigen Kindern. Dies ergibt sich auch aus der Rangfolge der Unterhaltsberechtigten nach § 1609 BGB: Die Eltern rangieren hinter Ehegatten (Nr. 3), volljährigen (nicht privilegierten) Kindern (Nr. 4) und Enkelkindern (Nr. 5). Damit spricht vieles dafür, dass das Vermögen nur dann nicht verwertet werden braucht, wenn dies unter keinen Umständen erwartet werden kann.

Für den vorliegenden Fall kommen mehrere Vermögensgegenstände in Betracht, die vorab von der Mutter verbraucht werden müssen.

Zunächst ist von Vermögen in Form von Schenkungsrückgewähransprüchen der Mutter aus § 528 Abs. 1 BGB gegenüber den Kindern der Antragsgegnerin auszugehen. Das trägt die Antragstellerin selbst vor. Diese Ansprüche gehören zum einzusetzenden Vermögen (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl. 2011, § 2 Rn. 941 ff. m.w.N.).

Zur Höhe der nach ihrer Überzeugung werthaltigen Ansprüche hat die Antragstellerin keine Angaben gemacht. Sie hat lediglich, von der Antragsgegnerin unwidersprochen, vorgetragen, dass diese Ansprüche bereits bei ihrer Berechnung zugunsten der Antragsgegnerin berücksichtigt seien. Da die Antragsgegnerin vorgerichtlich zu diesen Ansprüchen Auskunft verlangt hat und dem ausdrücklichen Vortrag im Termin der mündlichen Verhandlung nicht mehr entgegengetreten ist, geht das Gericht davon aus, dass dieser Punkt zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Dafür spricht, dass die Rückgewähransprüche auch Zeiträume der Bedürftigkeit abdecken können, die vor den im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Zeiträumen liegen (Wendl/Dose a.a.O.).

Die Pflicht zur Verwertung von Vermögen gilt ebenso für Immobiliarvermögen des bedürftigen Elternteils, auch wenn die Eltern Miteigentümer einer noch von einem Elternteil bewohnten Eigentumswohnung sind (vergleiche Hauß, Elternunterhalt, 4. Auflage 2012, Rn. 128-132).

Die Mutter ist nach unwidersprochenem Vortrag zumindest zusammen mit ihrem Ehemann Miteigentümerin einer Eigentumswohnung.

Nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII darf die Gewährung von Sozialhilfe nicht von der Verwertung der von dem Bedürftigen oder einem Angehörigen noch benutzten angemessenen Wohnung abhängig gemacht werden. Als angemessen wird Wohnraum von 60 m2 für eine Person in einer Eigentumswohnung angesehen, (vgl. Hauß a.a.O.; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 22. Mai 2014 – 4 WF 194/14 -, juris). Dabei werden Überschreitungen hingenommen, soweit ein Umzug dem verbleibenden Elternteil nicht zumutbar wäre. Dies könnte vorliegend für den 78 Jahre alten Ehemann der Mutter, der bereits lange in dieser Wohnung mit einer Größe von 78 m2 lebt, zutreffen. In diesem Fall kann die Sozialbehörde die Mutter nicht auf einsetzbares Vermögen verweisen mit der Folge, dass die Sozialhilfe auch nicht (ohne Zustimmung der Mutter) als Darlehen gewährt werden kann, § 91 SGB XII.

Vielfach wird angenommen, dass diese Wertung des Sozialhilferechts auch für das Unterhaltsrecht gilt mit der Folge, dass die Antragsgegnerin sich nicht auf ein vorrangig zu verwertendes Vermögen in Form des Miteigentums an der Eigentumswohnung berufen kann (vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 5. Auflage 2006, § 47 Rn. 11-13; Mleczko in FPR 2003, 616, 619). Zur Begründung wird angeführt, dass die Gewährung von Sozialhilfe subsidiär ist. Die Maßstäbe zur Bestimmung der Bedürftigkeit im Unterhaltsrecht könnten dann nicht restriktiver sein. Es sei nicht nachvollziehbar, dass bei strengerem Maßstab für den Vermögenseinsatz im zivilen Unterhaltsrecht der Sozialhilfeträger leisten muss, ohne bei den Unterhaltsverpflichteten Rückgriff nehmen zu können (so Mleczko a.a.O.).

Nach anderer Ansicht dürfen die Wertungen des Sozialrechts wegen der vom zivilen Unterhaltsrecht verschiedenen Zielsetzung nicht unbesehen übernommen werden. Die staatlichen Instanzen seien anders als private Personen direkt an die Grundrechte gebunden, hier insbesondere Art. 6 GG (Schutz der Ehe und Familie), was so nicht für die Angehörigen, die als Unterhaltsverpflichtete in Betracht kommen, gelte (Hauß, a.a.O.). Auch der BGH hat es abgelehnt, gesetzliche Wertungswidersprüche zwischen den verschiedenen Systemen auszugleichen (BGH vom 7.7.2004 – XII ZR 272/02 – in FamRZ 2004, 1370, 1372). Dabei ging es um die im Sozialhilferecht andersartige Anrechnung und Verteilung von Zahlungspflichten innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft.

Entsprechend ist die Situation hier zu werten. Der Miteigentumsanteil der Mutter kann nicht deswegen unangetastet bleiben, weil der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebende Ehemann sozialhilferechtlich davon profitiert (vgl. Hauß in FamRZ 2006, 935, 938).

Das Gericht ist nach allem der Auffassung, dass vorhandenes Vermögen der Mutter über die vom Sozialhilferecht gezogenen Grenzen hinaus unterhaltsrechtlich vorrangig zur Bedarfsdeckung eingesetzt werden muss.

Die Verwertung ihres Miteigentumsanteils ist der Mutter auch möglich.

Dem könnte bei Eheleuten, die im Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, § 1365 Abs. 1 BGB entgegenstehen. Die Verfügung über das Vermögen im Ganzen bedarf danach der Einwilligung des anderen Ehegatten. Zum Vermögen im Ganzen gehört auch ein einzelner Vermögensgegenstand, der nahezu den Wert des gesamten Vermögens erreicht. Dies dürfte bei dem Miteigentum an der Eigentumswohnung der Fall sein, da die anderen Vermögensbestandteile in Gestalt der Schenkungsrückgewähransprüche bereits von der Antragstellerin der Verwertung zugeführt werden.

Die fehlende Einwilligung bewirkt ein absolutes Veräußerungsverbot mit der Folge, dass die Verfügung gegenüber jedermann, nicht nur gegenüber dem anderen Ehegatten, nichtig ist. Die Vorschrift dient primär dazu, die wirtschaftliche Existenzgrundlage der Familie zu erhalten. Wenn der andere Ehegatte die Zustimmung ohne ausreichenden Grund verweigert, kann sie durch das Familiengericht ersetzt werden, § 1365 Abs. 2 BGB. Als ausreichender Grund ist anzusehen, wenn die Weigerung des anderen Ehegatten dem Zweck dient, die wirtschaftliche Existenzgrundlage der Familie zu erhalten.

Vorliegend dient die Eigentumswohnung nur noch dem Ehemann als Wohnung, nicht mehr der Familie. Die Eheleute leben zwar nicht getrennt im Rechtssinne. Wegen ihrer absoluten Pflegebedürftigkeit kann die Mutter die Wohnung nicht mehr nutzen. Da das Vermögen nicht mehr der gemeinsamen Existenz dienen kann, kann das absolute Verfügungsverbot des § 1365 Abs. 1 BGB seinen Zweck nicht mehr erreichen.

Gegenüber der Antragsgegnerin wäre ihre Mutter verpflichtet, bei verweigerter Zustimmung des Ehemanns zur Verfügung über die Eigentumswohnung einen Antrag auf Ersetzung der Einwilligung nach § 1365 Abs. 2 BGB beim Familiengericht zu stellen. Dabei bedeutet Verfügung nicht nur eine Veräußerung, sondern auch eine Belastung des Eigentums mit einem Grundpfandrecht zur Sicherung eines Darlehens. Ein solches Darlehen kann die Antragstellerin zwar nicht nach § 91 SGB XII gegen den Willen der Mutter, aber mit ihrem Einverständnis gewähren. Damit wäre die Mutter auch nicht darauf angewiesen, auf dem Kapitalmarkt ein Darlehen aufzunehmen, was ihr mangels freier Einkünfte höchstwahrscheinlich schwerfallen dürfte.

Nach allem hat die Mutter im Verhältnis zur Antragsgegnerin zunächst ihren Miteigentumsanteil an der Eigentumswohnung zu verwerten.

Darüber hinaus ist folgendes zu beachten:

Die Mutter hat gegen ihren Ehemann einen Unterhaltsanspruch nach §§ 1360 f. BGB. Der Ehemann haftet im Range vor den Kindern, § 1608 Abs. 1 Satz 1 BGB. Lediglich wenn der eigene angemessene Unterhalt des Ehemanns gefährdet ist, haften ersatzweise die Verwandten, § 1608 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Der Unterhaltsbedarf richtet sich in erster Linie nach den Einkünften, wozu auch ein Wohnwert als geldwerter Vorteil zählt.

Der Unterhaltsbedarf kann gegenüber dem Ehemann nicht lediglich mit der hälftigen Quote des Familieneinkommens bemessen werden, wozu die Antragstellerin im Rahmen ihrer sozialhilferechtlichen Einkommensberechnung (Heranziehung des Ehemanns nur in Höhe des hälftigen Familieneinkommens) gelangt ist. Denn der Unterhaltsanspruch richtet sich nach § 1360a BGB auf den gesamten Lebensbedarf, nicht lediglich auf eine Quote des Familieneinkommens (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. August 2001 – 1 UF 63/01 -, juris). Da nach § 1360a BGB zum angemessenen Unterhalt der Familie alles einzusetzen ist, was an Einkommen und Vermögen vorhanden ist, kann auf der Seite des Ehemanns nicht auf den „angemessenen“ Selbstbehalt beim Verwandtenunterhalt oder beim Unterhalt von getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten abgestellt werden. Allerdings muss dem Ehegatten so viel bleiben, dass er nicht selbst sozialhilfebedürftig wird. Dies wird durch den notwendigen Selbstbehalt sichergestellt (vgl. Mleczko in FPR 2003, 616, 617; Schürmann in FamRZ 2004, 1557, 1558). Er beläuft sich nach der Düsseldorfer Tabelle bis 31.12.2012 auf 770 €, ab 01.01.2013 bis 31.12.2014 auf 800 € und ab 01.01.2015 auf 880 € monatlich. Die darin enthaltenen Kosten für den Wohnbedarf belaufen sich auf 360 € bis 2014 und 380 € ab 2015.

Ihr Ehemann schuldet der Mutter daher wie folgt Unterhalt:

…………

In der Berechnung wurden an Stelle des Wohnwerts der Eigentumswohnung die ersparten Wohnkosten, die im Selbstbehalt enthalten sind, eingestellt. Die verbleibenden Beträge liegen immer über den Regelbedarfssätzen für die Sozialhilfe.

Somit errechnet sich der unterhaltsrechtliche Bedarf der Mutter wie folgt:

………………

Der Ehemann hat nach § 1360 Abs. 1 BGB allerdings auch sein Vermögen für den Familienunterhalt einzusetzen. Somit muss er grundsätzlich auch seinen Miteigentumsanteil an der Eigentumswohnung verwerten.

Dies könnte dadurch geschehen, dass der Miteigentumsanteil im Rahmen eines Darlehensvertrages der Antragstellerin mit seiner Ehefrau mit einem Grundpfandrecht belastet wird. Der Ehemann muss nicht selbst ein Darlehen bei einer Bank aufnehmen.

Damit wird auch deutlich, dass eine Einwilligung nach § 1365 Abs. 1 BGB zur Verwertung des Miteigentumanteils seiner Ehefrau auch in der Unterhaltspflicht des Ehemanns begründet liegt. Dies spräche dafür, dass eine Verweigerung der Einwilligung ohne ausreichenden Grund geschähe mit der Folge, dass das Familiengericht die Einwilligung ersetzen kann, § 1365 Abs. 2 BGB.

Da ein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch, der gemäß § 94 SGB XII auf die Antragstellerin übergegangen sein kann, mangels Bedürftigkeit der Mutter nicht besteht bzw. derzeit nicht festgestellt werden kann, braucht auf die Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerin und auf die anteilige Haftung ihrer Schwester nicht näher eingegangen zu werden.

Für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gibt es keinen Grund. Das Gericht hat zwar nach § 139 ZPO nach der mündlichen Verhandlung einen Hinweis erteilt. Dieser bezog sich auf eine rechtliche Bewertung. Neue Tatsachen wurden nicht behauptet, die eine Wiedereröffnung rechtfertigen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 243 FamFG. Es erscheint billig, der Antragstellerin die Kosten ganz aufzuerlegen, da ihr Antrag zurückgewiesen wurde.

Die Höhe des Verfahrenswerts folgt aus § 51 FamGKG.

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