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Verwandtenunterhalt – Elternunterhalt

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

Az.: 11 UF 338/01

Verkündet am 22.01.2002

Vorinstanz: AG Sinzig – Az.: 13 F 382/00


In der Familiensache wegen Verwandtenunterhalt hat der 11. Zivilsenat – 3. Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Koblenz auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2001 für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts – Familiengerichts – Sinzig vom 9. Mai 2001 – 13 F 382/00 – abgeändert und neu gefasst wie folgt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Elternunterhalt aus übergegangenem Recht.

Der Kläger hat für die am 21. Februar 2001 verstorbene Mutter des Beklagten in der Zeit vom 1. Juli 1999 bis 30. Juni 2000 Hilfe zur Pflege nach den Bestimmungen des BSHG in Höhe von insgesamt 8.242,94 DM aufgewandt, da die eigenen Einkünfte der verstorbenen Mutter des Beklagten aus ihrer Rente sowie der Pflegeversicherung nicht zur Finanzierung des Heimaufenthaltes ausreichten.

Nach Abzug eines Teilbetrages, den eine Schwester des Beklagten zahlte sowie unter Berücksichtigung der von dem Beklagten erbrachten Zahlungen in Höhe von 2.400 DM in diesem Zeitraum begehrte der Kläger ursprünglich noch 4.912,08 DM von dem Beklagten.

Das Amtsgericht hat unter teilweiser Abweisung der Klage, den Beklagten verurteilt, an den Kläger 3.351,72 DM zu zahlen.

Dabei ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte ein Einkommen in Höhe von 2.296,96 DM monatlich und seine Ehefrau ein Einkommen in Höhe von 3.351,72 DM monatlich erziele und er im lastenfreien Eigenheim seiner Ehefrau wohne. Der dem Beklagten zu belassende Selbstbehalt in Höhe von 2.250 DM sei zu kürzen, da die von dem Beklagten aufgewandten Wohnkosten, die das Amtsgericht mit 367,65 DM anteilsmäßig auf den Beklagten und seine Ehefrau umgelegt hat, erheblich geringer seien, als der im Selbstbehalt ausgewiesene Betrag von 800 DM für Wohnkosten.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Er ist der Ansicht, dass der Selbstbehalt mit 3.000 DM anzusetzen sei. Das mietfreie Wohnen könne nicht berücksichtigt werden. Auch müsse ihm ein gewisser Notgroschen verbleiben.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass der Beklagte zumindest in Höhe des ausgeurteilten Betrages leistungsfähig sei; die Wohnkosten seien sogar noch zu hoch angesetzt. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass der Beklagte mindestens 120 DM monatlich mehr verdiene als dies das Amtsgericht angenommen habe.

Die zulässige Berufung ist begründet.

Der Beklagte ist nicht verpflichtet, über die von ihm in der Zeit vom 1. Juli 1999 bis 30. Juni 2000 geleisteten Beträge in Höhe von 2.400 DM hinaus weiteren Unterhalt zu zahlen, da er nicht leistungsfähig ist.

Der Unterhaltsanspruch der Mutter des Beklagten, der auf den Kläger gemäß § 91 BSHG übergegangen ist, ergibt sich aus § 1601 BGB, wonach Verwandte in gerader Linie verpflichtet sind, einander Unterhalt zu leisten. Diese Verpflichtung wird begrenzt einerseits durch die Bedürftigkeit, § 1602 BGB, anderseits durch die Leistungsfähigkeit, § 1603 BGB.

Die Bedürftigkeit der Mutter des Beklagten ist für den fraglichen Zeitraum unstreitig, da ihre eigenen Einkünfte aus der Rentenversicherung und der Pflegeversicherung nicht ausreichten, den Heimaufenthalt zu finanzieren.

Die Leistungsfähigkeit des Beklagten dagegen ist nicht gegeben. Nach § 1603 BGB ist nämlich nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außer Stande ist, ohne Gefährdung seines eigenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Der eigene angemessene Unterhalt wird als Selbstbehalt bezeichnet. Dies bedeutet grundsätzlich, dass dem Beklagten ein angemessener Betrag seines monatlichen laufenden Einkommens zur Deckung des seiner allgemeinen Lebensstellung entsprechenden Bedarfes zu verbleiben hat. Diesen Bedarf bemisst der Senat gemäß der Düsseldorfer Tabelle, Stand: 1. Juli 1999, mit 2.250 DM monatlich (vgl. Düsseldorfer Tabelle, Anm. D., Nr. l, FamRZ 1999, 766 ff).

Danach verbleiben dem Beklagten angesichts seines Einkommens in Höhe von 2.296,96 DM nach Abzug des Selbstbehaltes lediglich 46,96 DM. Eine Zahlungsverpflichtung besteht nicht, da der Beklagte bereits Zahlungen in Höhe von 2.400 DM erbracht hat und „dieser Betrag den Betrag in Höhe von 557,52 DM (12 x 46,46 DM) übersteigt.

Eine Herabsetzung des Selbstbehaltes wegen geringerer Wohnkosten kommt nicht in Betracht.

Die Herabsetzung des Selbstbehaltes begegnet bereits grundsätzlichen Bedenken. Zwar kommt eine Herabsetzung der in den Tabellen und Leitlinien zur Bemessung des Unterhalts der Oberlandesgerichtc enthaltenen Selbstbetragsbeträge nach Auffassung einiger Oberlandesgerichte dann in Betracht, wenn bei besonders engen wirtschaftlichen Verhältnissen der Unterhaltsschuldner nicht einmal in der Lage ist, den niedrigsten Betrag nach der maßgebenden Tabelle zu leisten mit der Folge, dass das Existenzminimum des Unterhaltsgläubigers gefährdet wird (vgl. OLG Dresden, FamRZ 1999, 1522 f., m. w. N.).

Andere Oberlandesgerichte lehnen die Herabsetzung des Selbstbehaltes mit der Begründung ab, dass bereits in den Erläuterungen zur Düsseldorfer Tabelle nur die Rede davon ist, das die Selbstbehaltssätze angemessen erhöht werden könnten bzw. der Selbstbehalt bereits so niedrig bemessen ist, dass es dem Unterhaltsschuldner grundsätzlich überlassen bleiben muss, wie er seine Bedürfnisse gewichtet und welche Beträge er hierfür im Einzelnen aufwendet (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 1999, — 1522; OLG Düsseldorf, FamRZ 1999, 1020 f.; OLG Koblenz, FamRZ 2000, 608).

Bedenkt man weiter, dass nach den Empfehlungen des deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge (FamRZ 2000, 788) und den Empfehlungen des 13. Familiengerichtstages (FamRZ 2000, 273) sogar weitere 50 % des den Selbstbehalt übersteigenden Betrages bei der Bemessung des Unterhaltsanspruches unberücksichtigt bleiben sollen, ergibt sich, dass der Selbstbehaltsbetrag von 2.250 DM als Mindestbetrag zu verstehen ist und daher nicht herabgesetzt werden kann.

Die vom Amtsgericht gewählte Berechnungsmethode führt darüber hinaus dazu, dass das Einkommen der Ehefrau des Beklagten zur Berechnung der Unterhaltslast des Beklagten herangezogen wird.

Der Beklagte ist allerdings nicht verpflichtet, aus seiner Teilhabe am Einkommen und Vermögen seiner Ehefrau, den Unterhalt für seine Mutter zu bestreiten. Es ist anerkannt, dass ein Ehegatte nicht verpflichtet ist, seinem Ehepartner Geldmittel zur Verfügung zu stellen, damit dieser leistungsfähig zur Zahlung von Elternunterhalt wird (vgl. nur OLG Frankfurt, FamRZ 2000, 1391 m. w. N.). Danach verbietet sich die Berechnung der Leistungsfähigkeit des Beklagten nach der sog. „Ein-Topf-Methode“. Diese Methode beruht im Wesentlichen darauf, dass das Einkommen des unterhaltspflichtigen Kindes und das seines Ehegatten zusammengerechnet wird, hiervon die Familienlast abgezogen wird und das verbleibende Einkommen sodann hälftig aufgeteilt wird. Diese Berechnung beruht jedoch auf der (Fehl-)Vorstellung, dass sich der rechnerisch ergebende Betrag als Einkommen des unterhaltspflichtigen Kindes darstellt. Dies ist jedoch nicht zutreffend, da der Fehlbetrag zwischen dem eigenen Einkommen des unterhaltspflichtigen Kindes und dem sich rechnerisch ergebenden Betrag durch Leistungen des anderen Ehegatten gedeckt werden müsste. Damit erhöht sich die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Kindes gerade nicht. Zudem beruht diese Methode auf der Vorstellung, dass innerhalb bestehender Ehe das Familieneinkommen den Ehepartnern zu bestimmten Anteilen oder hälftig zusteht. Dies lasst sich jedoch aus den §§ 1360, 1360 a BGB nicht herleiten (vgl. OLG Frankfurt, a. a. O.).

Dass es sich bei der vom Amtsgericht gewählten Berechnungsweise um eine zumindest indirekte Heranziehung des Einkommens der Ehefrau handelt, ergibt sich auch daraus, dass eine Herabsetzung des Selbstbehaltes sofort ausscheiden würde, sobald sich der Beklagte von seiner Ehefrau trennen würde.

Ein Wohnvorteil ist dem Beklagten nicht zuzurechnen. Das Wohnen im Haus seiner Ehefrau stellt sich hier als freiwillige Leistungen Dritter dar, da der Beklagte unbestritten vorgetragen hat, dass seine Ehefrau durch die Gewährung von Wohnung nicht beabsichtigt, sein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen zu erhöhen. Zu Recht weist der Berufungsführer auch darauf hin, dass der vorliegende Fall nicht anders zu beurteilen ist, als wenn der Unterhaltspflichtige bei seinen Eltern mietfrei wohnen wurde. Auch in einem solchen Fall würde der Vorteil des mietfreien Wohnens nicht einkommenserhöhend berücksichtigt werden.

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Soweit der Kläger im Berufungsverfahren mit Nichtwissen das Alleineigentum der Ehefrau des Beklagen an dem vom Beklagten und seiner Ehefrau bewohnten 1-Familien-Haus bestreitet, ist dies unbeachtlich, da der Beklagte diesen Umstand bereits im Fragebogen zur Unterhaltsüberprüfung (Bl. 19 GA) angegeben hatte und der Kläger bei seinen Berechnungen im Laufe des Verfahrens selbst vom Alleineigentum des Beklagten ausgegangen ist (Bl. 127/128 GA).

Eine Zurechnung eines Wohnvorteils kommt auch aus Zumutbarkeitsgesichtspunkten nicht in Betracht. Weder der Umstand, dass der Beklagte von den monatlichen Einkünften seine Ehefrau in Höhe von monatlich 3.351,72 DM „profitiert“ noch das mietfreie Wohnen stellen sich hier als so erhebliche oder gar außergewöhnliche Vorteile dar, die eine Heranziehung geboten erscheinen ließen.

Ein (weiterer) Zahlungsanspruch des Klägers ist auch dann nicht gegeben, wenn man wie der Kläger in der Berufungsinstanz davon ausginge dass der Beklagte durch Steuererstattung 120 DM monatlich mehr zur Verfügung hat. Das monatliche Einkommen des Beklagten würde sich nämlich sodann auf 2.296,96 DM + 120 DM = 2.416,96 DM belaufen. Abzüglich des Selbstbehaltes stünde dem Beklagten monatlich ein Betrag in Höhe von 166,96 DM zur Verfügung, d. h., dass er im fraglichen Zeitraum 12 x 166,96 DM = 2.003,52 DM hätte zahlen müssen. Da er jedoch bereits 2.400 DM erbracht hat, scheidet auch nach dieser Berechnung eine (weitere) Unterhaltsverpflichtung des Beklagten aus.

Auf die Berufung des Beklagten war daher das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 3.351,72 DM festgesetzt.

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