LANDESARBEITSGERICHT RHEINLAND-PFALZ
Az: 4 Sa 606/04
Urteil vom 04.11.2004
Vorinstanz: Arbeitsgericht Trier – Az.: 3 Ca 987/04
In dem Rechtsstreit hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Verhandlung vom 4. November 2004 für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 13.07.2004 – 3 Ca 987/04 – abgeändert:
Es wird festgestellt, dass sich die Klägerin im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien auch über den 21.07.2004 hinaus in Elternzeit befindet und zwar bis zum 21.07.2005.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.000,00 € festgesetzt.
4. Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d:
Die Parteien streiten um die Frage, ob die Klägerin aufgrund Verlangens sich in Elternzeit befindet. Sie ist bei der Beklagten als Arbeitnehmerin beschäftigt. Ihre Tochter M wurde am 22.07.2002 geboren. Die Klägerin nahm zunächst 2 Jahre Elternzeit bis zum 21.07.2004 in Anspruch.
Mit Schreiben vom 08.04.2004 schrieb sie wörtlich:
„Aus familiären Gründen möchte ich die bisher in Anspruch genommene Elternzeit von 2 Jahren um ein weiteres Jahr verlängern. Ich bitte Sie höflichst mir Ihr Einverständnis schriftlich mitzuteilen.“
Die Beklagte antwortete unter dem 17.05.2004, dass sie dem Wunsch leider nicht nachkommen könne.
Die Klägerin hat mit Klageschrift, eingegangen beim Arbeitsgericht Trier am 11.06.2004 zunächst beantragt, die Beklagte zur Zustimmung der Verlängerung der bisher in Anspruch genommenen Elternzeit um ein weiteres Jahr ab dem 21.07.2004 zu verurteilen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein Zustimmungserfordernis bestehe nicht. Wäre die Regelelternzeit von 3 Jahren in Anspruch genommen worden, müsse der Arbeitgeber innerhalb dieser ersten 3 Jahre nach der Geburt nicht zustimmen. Selbst wenn die Auffassung der Beklagten zutreffend wäre, wonach eine Zustimmung erforderlich sei, könne diese nicht willkürlich verweigert werden.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte wird verurteilt, die Zustimmung zur Verlängerung der bisher in Anspruch genommenen Elternzeit der Klägerin von zwei Jahren um ein weiteres Jahr ab dem 21.07.2004 zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, aus der gesetzlichen Fassung ergebe sich für die Inanspruchnahme der Elternzeit im dritten Jahr nach Geburt des Kindes ein Zustimmungserfordernis, da es sich um eine Verlängerung der Elternzeit handele. Sie habe aus betrieblichen Gründen die Zustimmung nicht erteilen können.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 13.07.2004 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Verlängerung der Elternzeit im Rahmen des § 15 Abs. 2 BErzGG bedürfe nach dem eindeutigen Wortlaut des § 16 Abs. 3 BErzGG der Zustimmung, die im gegebenen Fall nicht erteilt worden ist und da das Verhalten der Beklagten nicht rechtsmissbräuchlich sei, auch nicht zu erteilen war.
Gegen das der Klägerin am 13.07.2004 zugestellte Urteil hat sie am 26.07.2004 Berufung eingelegt. Sie hat diese Berufung mit Schriftsätzen vom 06.08.2004, eingegangen am 09.08.2004 und nach Mandatswechsel mit am 23.09.2004 ein-gegangenem Schriftsatz erneut begründet. Mittlerweile hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis wegen Arbeitsverweigerung gekündigt. Das betreffende Kündigungsschutzverfahren ist ausgesetzt.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass sie als Berechtigte gegenüber der Beklagten durch einseitige Erklärung einen unbedingten Rechtsanspruch auf Elternzeit bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres ihres Kindes M hatte und hat. Eine Zustimmung des Arbeitgebers sei nur dann erforderlich, wenn der Anspruchszeitraum von bis zu 12 Monaten auf die Zeit bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres des Kindes übertragen werden solle, was hier nicht der Fall sei. Sie habe innerhalb der allgemeinen Frist von spätestens 8 Wochen vor Beginn der Elternzeit für das 3. Jahr die Erklärung abgegeben. Dieser Erklärung komme Gestaltungswirkung zu mit der Folge, dass die Elternzeit bereits mit dem Verlangen verbindlich festgelegt werde. Im Übrigen bestreitet die Klägerin, dass der Beklagten sachlich und anerkennenswerte Gründe für die Versagung der Zustimmung zustehen.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 13.07.2004 – 3 Ca 987/04 – festzustellen, dass sich die Klägerin im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien auch über den 21.07.2004 hinaus in Elternzeit befindet, und zwar bis zum 21.07.2005, hilfsweise, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier – 3 Ca 987/04 – vom 13.07.2004 die Beklagte zu verurteilen, im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien die über den 21.07.2004 hinaus bis zum 21.07.2005 laufende Elternzeit der Klägerin zu genehmigen, äußerst hilfsweise, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier – 3 Ca 987/04 – vom 13.07.2004 die Beklagte zu verurteilen, im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien die Zustimmung zur Verlängerung der Elternzeit der Klägerin über den 21.07.2004 hinaus bis zum 21.07.2005 zu erteilen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und stellt sich auf den Rechtsstandpunkt, dass ausweislich der gesetzlichen Bestimmungen eine Zustimmung der Beklagten erforderlich war, welche aus anerkennenswerten Gründen nicht erteilt werden musste.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 04.11.2004.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
I.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO).
Der aufgrund des gleichen Lebenssachverhalts geänderte Antrag der Klägerin ist als zulässige Klageänderung im Berufungsverfahren anzusehen, auch da sich die Beklagte hiergegen nicht gewendet hat. Im Übrigen wäre sie auch als sachdienlich zuzulassen.
II.
Die Berufung hat in der Sache auch Erfolg. Dem nunmehr gestellten Hauptantrag auf Feststellung, dass sich die Klägerin bis zum 21.07.2005 in Elternzeit befindet, war zu entsprechen.
Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung. Von dieser Feststellung hängt unter anderem die Wirksamkeit der seitens der Beklagten aus-gesprochenen Kündigung wegen Arbeitsverweigerung ab. Das Rechtschutzinteresse nach § 256 ZPO ist daher gegeben.
Dies folgt aus der gesetzlichen Bestimmung des § 16 Abs. 1 BErzGG.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und der Beklagten handelt es sich bei dem Verlangen der Klägerin, ihr auch für das 3. Jahr nach der Geburt des Kindes M Elternzeit zu gewähren, nicht um eine Verlängerung der Elternzeit, sondern um die Geltendmachung i. S. des § 16 Abs. 1 Satz 1 BErzGG.
Maßgebende gesetzliche Bestimmung ist § 16 BErzGG in der Fassung vom 09.02.2004, gültig ab 01.01.2004. Danach müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Elternzeit, wenn sie unmittelbar nach Geburt des Kindes oder nach der Mutterschutzfrist beginnen soll spätestens 6 Wochen, sonst spätestens 8 Wochen vor Beginn schriftlich vom Arbeitgeber verlangen und gleichzeitig erklären, für welche Zeiten innerhalb von 2 Jahren sie Elternzeit nehmen werden. Die Erklärungsfrist von 2 Jahren bezieht sich dabei auf den zeitlichen Rahmen, innerhalb derer die Elternzeit, welche mit dem betreffenden Verlangen geltend gemacht wird, genommen werden soll. Diese Regelung soll dem Arbeitgeber für 2 Jahre Planungssicherheit geben. Innerhalb dieser 2 Jahre kann eine Verlängerung oder Verkürzung nur mit Zustimmung des Arbeitgebers erfolgen. Bei Härtefällen gelten Sonderregelungen (vgl. § 16 Abs. 2 BErzGG).
Nach der ab 01.01.2004 gültigen Fassung des § 16 BErzGG kann die Elternzeit auch auf zwei Zeitabschnitte verteilt werden. Hierzu ist eine Zustimmung des Arbeitgebers nicht erforderlich.
Der Anspruch auf Elternzeit besteht nach § 15 Abs. 2 BErzGG bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres.
Die zu Beginn des Jahres 2001 neu eingefügte Bestimmung in § 15 BErzGG, dass ein Anteil der Elternzeit von bis zu 12 Monaten mit Zustimmung des Arbeitgebers auf die Zeit bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres übertragbar ist, ändert an diesem Ergebnis nichts. Nach wie vor besteht der Anspruch auf Elternzeit, der durch einseitiges Verlangen ausgelöst wird, für die ersten drei Jahre nach Geburt des Kindes auch ohne Zustimmung des Arbeitgebers. Die mit der Novelle Anfang 2001 gleichzeitig eingeführte Zwei-Jahres-Frist begrenzt die für Arbeitnehmer und Arbeitgeber verbindliche Festsetzung des Erziehungsurlaubs auf den Zeitraum von 2 Jahren. Da der flexibilisierte Erziehungsurlaub in zulässigem Rahmen und mit Zustimmung des Arbeitgebers bis zum 8. Geburtstag des Kindes verteilt werden kann, lässt sich von den Eltern nicht erwarten, dass sie bereits bei Beginn des Erziehungsurlaubs alle zulässigen Zeitabschnitte bis zum 8. Lebensjahr verbindlich festlegen. Für einen Zeitraum von 2 Jahren ist eine solche Verpflichtung aber angemessen. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Bestimmung also nicht das Recht eines jeden Elternteils, innerhalb des regelmäßigen Zeitraums der Elternzeit von 3 Jahren sich für die gesamte Elternzeit zu entscheiden, die innerhalb der 3 Jahre nach der Geburt des Kindes liegen, beschneiden. Vielmehr hat er lediglich verlangt, dass der Arbeitnehmer die entsprechenden Ankündigungsfristen einhält und mit seiner Erklärung eine für einen Rahmen von 2 Jahren verbindliche zeitliche Festlegung abgibt. Eine Einschränkung dahin gehend, dass die Eltern sich auf maximal 2 Jahre festlegen können, eine weitere Inanspruchnahme der Elternzeit innerhalb der Regelfrist des § 15 Abs. 2 Satz 1 BErzGG der Zustimmung des Arbeitgebers bedarf, lässt sich aus dem Gesetz nicht herleiten.
Soweit ersichtlich vertritt lediglich Dörner im Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 4. Aufl., § 16 BErzGG Rdnr. 9 die Auffassung, der Arbeitnehmer müsse bedenken, dass sowohl eine Verlängerung der Elternzeit im Anschluss an die zweijährige Arbeitspause also auch die Übertragung des letzten Teilabschnitts auf die Zeit nach Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes der Zustimmung des Arbeitgebers bedürfe. Diese Auffassung ist angesichts der oben aufgezeigten Begründung nicht zutreffend.
Es handelt sich wie dargelegt bei dem Verlangen der Klägerin nicht um eine Verlängerung der Elternzeit, sondern um die Geltendmachung des ihr zustehenden Rechts, Elternzeit bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes und innerhalb der Verteilung auf zwei Zeitabschnitte nach § 16 Abs. 1 Satz 5 BErzGG zu verlangen.
Allein durch ihr form- und fristgerecht gestelltes Verlangen befindet sich die Klägerin um ein weiteres Jahr vom 22.07.2004 bis 21.07.2005 in Elternzeit.
Die Kostenentscheidung folgt § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Kammer hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Revision zugelassen.