BAG
Az: 2 AZR 596/04
Urteil vom 02.02.2006
In Sachen hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 2. Februar 2006 für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 29. Oktober 2004 – 5 Sa 8/04 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Klägerin macht die Unwirksamkeit einer in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses ausgesprochenen ordentlichen Kündigung geltend.
Die Klägerin ist Ärztin. Sie nahm in ihrem zum Kreiskrankenhaus F. bestehenden Vollzeitarbeitsverhältnis in der Zeit von Juni 2002 bis Dezember 2003 Elternzeit in Anspruch. Während dieser Zeit trat sie auf Grund eines bis zum 30. September 2003 befristeten Arbeitsvertrages am 1. Januar 2003 als teilzeitbeschäftigte Assistenzärztin in die Dienste der Beklagten. Unter Einhaltung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. April 2003.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Kündigung sei gemäß § 612a BGB unwirksam. Grund für die Kündigung sei gewesen, dass sie sich geweigert habe, über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu arbeiten. Außerdem sei die Kündigung auch wegen Verstoßes gegen § 18 BErzGG unwirksam.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, Grund für die Kündigung sei die mangelhafte fachliche Qualifikation der Klägerin gewesen. Auf den Sonderkündigungsschutz des § 18 BErzGG könne sich die Klägerin nicht berufen, da er nicht für „andere“ Arbeitgeber iSd. § 15 Abs. 4 Satz 2 BErzGG gelte.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei nicht nach § 612a BGB iVm. § 134 BGB unwirksam. Die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin habe nähere Tatsachen zu dem von ihr behaupteten Beweggrund der Beklagten vortragen müssen, wozu sie nach eigener Bekundung nicht in der Lage sei. Die Kündigung sei auch nicht nach § 18 BErzGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Da die Klägerin in dem mit der Beklagten eingegangenen Arbeitsverhältnis keine Elternzeit in Anspruch genommen habe, seien die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Satz 1 BErzGG und § 18 Abs. 2 Nr. 1 BErzGG nicht erfüllt. Auch § 18 Abs. 2 Nr. 2 BErzGG sei nicht einschlägig. Die Vorschrift sei nicht auf Arbeitsverhältnisse anzuwenden, die der Arbeitnehmer bei einem anderen Arbeitgeber eingehe, während er bei seinem ursprünglichen Arbeitgeber („seinem“ Arbeitgeber) Elternzeit in Anspruch nehme. Das ergebe sich aus dem Wortlaut von § 18 Abs. 2 Nr. 2 BErzGG, der dem Elternzeitberechtigten Sonderkündigungsschutz nur bei „seinem“ Arbeitgeber gewähre. Sinn des § 18 Abs. 2 Nr. 2 BErzGG sei, den Sonderkündigungsschutz auf diejenigen Arbeitnehmer zu erstrecken, die schon bei ihrem bisherigen Arbeitgeber teilzeitbeschäftigt seien und deshalb Elternzeit nicht in Anspruch nähmen. Die Regelung solle eine Schlechterstellung dieser Gruppe der teilzeitbeschäftigten Elternzeitberechtigten gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern verhindern, die Elternzeit in Anspruch nähmen und während der Elternzeit einer Teilzeitbeschäftigung nachgingen.
B. Dem stimmt der Senat zu.
I. Die Kündigung ist nicht nach §§ 612a, 134 BGB unwirksam. Das Landesarbeitsgericht hat die vom Senat zu § 612a BGB entwickelten Grundsätze (22. Mai 2003 – 2 AZR 426/02 – AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 2) zutreffend angewandt. Das sieht offenbar auch die Klägerin so, die insoweit keine Rügen erhebt.
II. Die Kündigung ist entgegen der von der Revision vorgetragenen Auffassung nicht nach § 18 BErzGG in der auf den Fall anwendbaren, vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2003 in Geltung gewesenen Fassung (Bekanntmachung vom 7. Dezember 2001, BGBl. I S. 3358) iVm. § 134 BGB unwirksam.
1. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die Klägerin Sonderkündigungsschutz nach § 18 Abs. 1 BErzGG ebenso wenig in Anspruch nehmen kann wie nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 BErzGG. In beiden Fällen ist Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber, der die Kündigung ausgesprochen hat, Elternzeit in Anspruch genommen hat. Diese Voraussetzung ist im Arbeitsverhältnis der Klägerin zur Beklagten nicht erfüllt.
2. Auch die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Nr. 2 BErzGG liegen nicht vor.
Das ergibt die Auslegung der Norm, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat.
a) Bereits der Wortlaut von § 18 Abs. 2 Nr. 2 BErzGG spricht für dieses Ergebnis.
aa) In § 18 Abs. 1 Satz 1 BErzGG verwendet das Gesetz den Ausdruck „der“ Arbeitgeber, um denjenigen Arbeitgeber zu kennzeichnen, der den Sonderkündigungsschutz nach § 18 BErzGG zu beachten hat. Dagegen verwenden § 18 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Satz 1 BErzGG, in denen der Sonderkündigungsschutz für Teilzeitbeschäftigte geregelt ist, insoweit das Wort „sein“ Arbeitgeber. Diese Abweichung im Sprachgebrauch ist nur verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass eine Teilzeitbeschäftigung nicht nur bei dem Arbeitgeber möglich ist, dem gegenüber Elternzeit in Anspruch genommen wird, sondern auch bei dem Arbeitgeber, in dessen Dienste der in Elternzeit befindliche Arbeitnehmer nach § 15 Abs. 4 Satz 2 BErzGG mit Zustimmung des Erstarbeitgebers treten darf. Jener Arbeitgeber, zu dem während der Elternzeit mit Zustimmung des Erstarbeitgebers ein Teilzeitarbeitsverhältnis eingegangen wird, wird von § 15 Abs. 4 Satz 2 BErzGG als „anderer“ Arbeitgeber bezeichnet. Indem also das Gesetz in § 18 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BErzGG von „seinem“ Arbeitgeber spricht, wird eben jener „andere“ Arbeitgeber von der Anwendung des Sonderkündigungsschutzes ausgeschlossen (ebenso: APS-Rolfs 2. Aufl. § 18 BErzGG Rn. 8 mwN; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 1440; KDZ-Zwanziger 6. Aufl. § 18 BErzGG Rn. 11; KR-Bader 7. Aufl. § 18 BErzGG Rn. 16; HWK-Zirnbauer § 18 BErzGG Rn. 13; insoweit auch: Glatzel AR-Blattei SD 656 Rn. 184; offen gelassen in Senat 27. März 2003 – 2 AZR 627/01 -BAGE 105, 366).
bb) Auch der systematische Zusammenhang der §§ 15 ff. BErzGG bestätigt dieses Ergebnis. Die gesetzliche Regelung des Anspruchs auf Elternzeit zielt darauf, das Verhältnis zwischen dem Elternzeitberechtigten und demjenigen Arbeitgeber zu regeln, dem gegenüber Elternzeit beansprucht wird oder werden kann. Beiden Seiten werden Rechte und Pflichten zugewiesen, die zwei Zielen dienen sollen: Der Bestand des Arbeitsverhältnisses in der Phase der Elternzeit soll gewahrt werden und gleichzeitig sollen die Eltern sich ihren Kindern zuwenden können. In diesem Rahmen muss der Arbeitgeber mangels entgegenstehender dringender betrieblicher Gründe auch mit der Teilzeittätigkeit seines Arbeitnehmers bei einem „anderen“ Arbeitgeber einverstanden sein. Dieses „andere“ Arbeitsverhältnis wird also in § 15 BErzGG nur deshalb erwähnt, weil und soweit es die Gewährung von Elternzeit in dem geschützten Arbeitsverhältnis nicht stört, sondern im Gegenteil die Inanspruchnahme von Elternzeit in dem geschützten Arbeitsverhältnis ermöglicht. Das legt es nahe, dass § 18 BErzGG jenes – vom Gesetz gewissermaßen in einer dienenden Funktion gegenüber dem Erhalt des Erstarbeitsverhältnisses gesehene – „andere“ Arbeitsverhältnis nicht betrifft, sondern umgekehrt voraussetzt, dass dort die Sondervorschriften über die Elternzeit nicht gelten.
cc) Dieses Normenverständnis wird durch die Motive des Gesetzgebers bestätigt.
Da § 18 Abs. 1 Satz 1 BErzGG und § 18 Abs. 2 Nr. 1 BErzGG, wie ausgeführt, allein das Arbeitsverhältnis betreffen, in dem Elternzeit in Anspruch genommen wird, kommt besonderes Gewicht denjenigen Gründen zu, die den Gesetzgeber zur Einführung des § 18 Abs. 2 Nr. 2 BErzGG bewogen haben.
(1) In der Gesetzesbegründung heißt es (BT-Drucks. 10/4212 S. 6):
„Der Kündigungsschutz nach § 18 Abs. 1 gilt auch bei einer Reduzierung der Arbeitszeit auf eine zulässige Teilzeitarbeit. Diejenigen, die keinen Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen, weil sie bereits vorher an eine im Rahmen des § 2 Abs. 1 zulässige Teilzeitarbeit bei ihrem Arbeitgeber angeknüpft haben und diese weiter ausüben wollen, mussten gleichgestellt werden.“
(2) Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber die nach der vorherigen Regelung mögliche Schlechterstellung von Teilzeitbeschäftigten beseitigen wollte. Nicht nur derjenige Arbeitnehmer, der Elternzeit in Anspruch nimmt und währenddessen eine Teilzeittätigkeit aufnimmt (§ 18 Abs. 2 Nr. 1 BErzGG), sondern auch derjenige, der schon von vornherein eine sich im Rahmen des § 2 Satz 1 BErzGG haltende Teilzeittätigkeit ausübt und, obwohl er einen Anspruch auf Elternzeit hat, diesen nicht in Anspruch nimmt, soll den nach § 18 Abs. 1 BErzGG bestehenden Sonderkündigungsschutz haben. Damit soll derjenige, der auf eine Verringerung seiner bisherigen Arbeitszeit nicht angewiesen ist, weil er bereits bisher nur teilzeitbeschäftigt war, demjenigen gleichgestellt werden, der vorher vollbeschäftigt war und während der Elternzeit einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen will. Letztlich geht es darum, dass (von vornherein) Teilzeitbeschäftigte hinsichtlich des Sonderkündigungsschutzes nach § 18 BErzGG nicht gegenüber (früher) Vollzeitbeschäftigten benachteiligt werden. Mit dieser Zielsetzung hat jedoch das „andere“ Arbeitsverhältnis iSv. § 15 Abs. 4 BErzGG nichts zu tun. Die teilzeitbedingte Diskriminierungsgefahr besteht hier nicht bzw. sie wird gerade dadurch vermieden, dass die Möglichkeit der Eingehung eines Arbeitsverhältnisses sogar zu einem „anderen“ Arbeitgeber gegeben wird.
dd) Auch Sinn und Zweck des Bundeserziehungsgeldgesetzes, insbesondere der Zweck des Kündigungsverbotes nach § 18 BErzGG bestätigen das gefundene Ergebnis. Das Gesetz will die ständige Betreuung des Kindes in der ersten Lebensphase durch einen Elternteil fördern und mehr Wahlfreiheit für die Entscheidung zwischen Tätigkeit in der Familie und außerhäuslicher Erwerbstätigkeit schaffen. Deshalb soll dem Arbeitnehmer der Arbeitsplatz ab dem Verlangen der Elternzeit, höchstens jedoch sechs (jetzt acht) Wochen vor Beginn der Elternzeit, und während der Zeiträume, für die regelmäßig Anspruch auf Erziehungsgeld besteht, erhalten bleiben und ihm so die Furcht vor einer Kündigung genommen werden (vgl. die Begründung zum jeweiligen Entwurf eines ersten und zweiten Änderungsgesetzes zum Bundeserziehungsgeldgesetz: BT-Drucks. 11/4687 S. 6 und BT-Drucks. 12/1125 S. 7). Der Arbeitnehmer soll durch den starken Kündigungsschutz motiviert werden, die Elternzeit tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Diese Überlegungen treffen auf das Arbeitsverhältnis mit dem „anderen Arbeitgeber“ nicht zu. Denn dieses Arbeitsverhältnis kann nur zustande kommen, wenn der Elternzeitberechtigte die Elternzeit bereits in Anspruch nimmt. Die Kündigung dieses „anderen“ Arbeitsverhältnisses gefährdet nicht den Arbeitsplatz, hinsichtlich dessen Elternzeit in Anspruch genommen wird.
ee) Der auch von der Revision aufgenommene und in der Literatur erörterte Einwand, derjenige Arbeitnehmer, der bei Eintritt der Voraussetzungen des Anspruchs auf Elternzeit in mehreren Arbeitsverhältnissen stehe, erwerbe den Sonderkündigungsschutz in allen Arbeitsverhältnissen, weshalb es nicht einzusehen sei, warum das Arbeitsverhältnis zum „anderen Arbeitgeber“ ausgenommen sein solle, greift nicht durch. Er berücksichtigt nicht in ausreichendem Maße die vorstehend beschriebene besondere Funktion und Ausnahmestellung des in § 15 Abs. 4 Satz 2 BErzGG gekennzeichneten Teilzeitarbeitsverhältnisses.
C. Die Kosten der erfolglos gebliebenen Revision fallen der Klägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.