Landesarbeitsgericht Köln
Az: 7 Sa 1283/09
Urteil vom 22.07.2010
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 12.05.2009 in Sachen16 Ca 6233/08 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin während ihrer dreijährigen Elternzeit die betriebsübliche Jahressondervergütung zustand.
Die im Jahre 1965 geborene Klägerin war seit dem 01.04.1999 bei dem Beklagten als Zahnarzthelferin beschäftigt. Sie verdiente 1.636,13 EUR brutto monatlich. Nach der Geburt ihres Sohnes am 28.07.2005 nahm sie ab dem 10.08.2005 für 3 Jahre Elternzeit in Anspruch. Nach Ablauf der Elternzeit wurde das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich einvernehmlich beendet.
Vor Beginn ihrer Elternzeit hatte die Klägerin – wie auch die übrigen Mitarbeiter/-innen des Beklagten – jeweils mit der Abrechnung für den Monat November eine zusätzliche Zahlung in Höhe eines Monatsgehalts erhalten. Eine schriftliche Regelung hierüber existiert nicht. Auch der Arbeitsvertrag der Klägerin enthält hierzu keine Aussage.
Im Jahre 2005 erhielt die Klägerin ausweislich der Juni-Abrechnung für die Zeit bis zum Beginn der Mutterschutzfrist/Elternzeit eine anteilige Zahlung in Höhe eines halben Bruttomonatsgehalts. Im Betreff der Abrechnung heißt es hierzu „13. Gehalt anteilig J.“ (vgl. Bl. 59 d. A.).
Als die Parteien gegen Ende der Elternzeit der Klägerin im Jahre 2008 Kontakt miteinander aufnahmen, um das weitere Schicksal des Arbeitsverhältnisses zu besprechen, reklamierte die Klägerin für sich auch für die dreijährige Elternzeit eine (Nach-)Zahlung der Jahressonderleistung in Höhe von insgesamt drei Bruttomonatsgehältern.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie habe unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung einen Rechtsanspruch auf die alljährliche Jahressonderleistung, der sich auch auf die Jahre der Elternzeit beziehe. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass der Beklagte mit seiner alljährlichen Sonderzahlung augenscheinlich (nur) die Betriebstreue der Mitarbeiter habe belohnen wollen. Die Betriebszugehörigkeit habe aber auch während der Elternzeit fortbestanden. Für etwaige einschränkende Leistungsvoraussetzungen sei der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig.
Nach einer Neuberechnung hat die Klägerin zuletzt beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie Gratifikation zwischen dem Ende ihres nachgeburtlichen Mutterschutzes und dem Ende ihrer Elternzeit in Höhe von 4.635,70 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.12.2007 (mittleres Zinsdatum) zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Klägerin habe während ihrer Elternzeit die betriebsübliche Jahressonderzahlung nicht zugestanden. Diese habe nämlich einzig und allein den Zweck verfolgt, die im laufenden Jahr erbrachten Leistungen zusätzlich zu belohnen. Auch anderen Mitarbeitern/-innen, die sich in Elternzeit befunden hätten, sei niemals die Jahressonderleistung gezahlt worden.
Mit am 12.05.2009 verkündeten Urteil hat die 16. Kammer des Arbeitsgerichts Köln die Klage abgewiesen. Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde den Parteien erst nach Ablauf der am 12.10.2009 endenden 5-Monatsfrist des § 66 Abs. 1 S. 1 letzter Halbsatz ArbGG zugestellt. Die Klägerin hat gegen das arbeitsgerichtliche Urteil am 12.11.2009 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 14.01.2010 am 13.01.2010 begründet.
Die Klägerin und Berufungsklägerin wiederholt und vertieft ihre erstinstanzlich geäußerte Rechtsauffassung.
Sie beantragt nunmehr, das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 12.05.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 4.635,70 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.12.2007 (mittleres Zinsdatum) zu zahlen.
Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, die gegnerische Berufung zurückzuweisen.
Auch der Beklagte bleibt bei seiner erstinstanzlichen Rechtsauffassung und betont erneut, dass es sich bei der von ihm erbrachten Jahressonderzahlung um ein reines Leistungsentgelt gehandelt habe.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde nach Maßgabe des § 66 Abs. 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet.
II. Die Berufung der Klägerin konnte jedoch keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht Köln hat die Klage der Klägerin zu Recht abgewiesen.
1. Zwar hatte die Klägerin ursprünglich grundsätzlich – unstreitig – unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung einen Rechtsanspruch auf die jährliche Sonderzahlung im Umfang eines Monatsgehaltes erworben, nachdem der Beklagte diese Zahlung über mehr als drei Jahre hinweg jährlich vorbehaltlos erbracht hatte.
2. Ob der aus der betrieblichen Übung entstandene Anspruch der Klägerin jedoch auch während der Dauer ihrer Elternzeit fortbestanden hat, hängt vom Rechtscharakter der vom Beklagten erbrachten Leistung ab.
a. Während der sog. Elternzeit ruht das Arbeitsverhältnis der Arbeitsvertragsparteien. Dies bedeutet, dass die beiderseitigen Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsvertrag suspendiert sind. Weder ist die Arbeitnehmerin verpflichtet, ihre vertraglich zugesagte Arbeitsleistung anzubieten und zu erbringen, noch bleibt der Arbeitgeber verpflichtet, die für die Arbeitsleistung zugesagte Vergütung fortzuzahlen.
b. Handelte es sich somit, wie der Beklagte darlegt, bei der von ihm in seinem Betrieb üblicherweise erbrachten jährlichen Sonderzahlung um ein zusätzliches Leistungsentgelt, also eine zusätzliche Belohnung der von der Arbeitnehmerin im laufenden Kalenderjahr erbrachten Arbeitsleistungen, so ist der Anspruch auf die Sonderzahlung während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses ebenso suspendiert wie die Verpflichtung der Arbeitnehmerin zur Arbeitsleistung und die dem gegenüberstehende Verpflichtung des Arbeitgebers zur Gehaltszahlung.
c. Handelte es sich bei der vom Arbeitgeber erbrachten Jahressonderzahlung um eine sog. Gratifikation mit Mischcharakter, ergäbe sich dasselbe Ergebnis. Eine Gratifikation mit Mischcharakter liegt dann vor, wenn mit der Zahlung des Arbeitgebers zum einen die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zusätzlich abgegolten werden soll, zum anderen aber daneben noch weitere Zwecke verfolgt werden, etwa wenn die Sonderzahlung auch den Sinn haben soll, den Arbeitnehmer zu weiterer Betriebstreue zu motivieren. Werden mit einer Sonderzahlung also mehrere Zwecke verfolgt, müssen die den Zwecken korrespondierenden Zahlungsvoraussetzungen auch kumulativ vorliegen. Bestanden während des Kalenderjahres keine Leistungspflichten des Arbeitnehmers, kann der Zweck einer zusätzlichen Belohnung erbrachter Leistungen nicht erreicht werden, so dass dann auch kein Anspruch auf eine Gratifikation mit Mischcharakter besteht.
d. Nur wenn der mit einer Sonderzahlung verfolgte Zweck gänzlich außerhalb des Bereichs der Leistungsvergütung liegt, der Zweck also z. B. ausschließlich darin besteht, die Betriebstreue des Arbeitnehmers anzuerkennen und ihn zu weiterer Betriebstreue zu motivieren, oder darin, dem Arbeitnehmer und seiner Familie eine Weihnachtsfreude zu verschaffen, wird der Zweck der Sonderzahlung von der Suspendierung der Hauptleistungspflichten während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses nicht berührt. Solche nicht leistungsbezogenen Sonderzahlungen können daher grundsätzlich auch während der Elternzeit beansprucht werden, da während dieser ja die Betriebszughörigkeit des Arbeitnehmers weiterläuft.
3. Nach den allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast, nach denen jede Partei die für sie günstigen Rechtsvoraussetzungen darzulegen und zu beweisen hat, war es vorliegend Sache der Klägerin, darzulegen, dass die vom Beklagten betriebsüblich gezahlte Jahressonderleistung ihrem Rechtscharakter nach auch während einer Periode, in der das Arbeitsverhältnis ruht, beansprucht werden kann. Diese Darlegung ist der Klägerin nicht gelungen.
a. Eine schriftliche Vereinbarung, aus der heraus der Rechtscharakter der Jahressonderzahlung des Beklagten hätte bestimmt werden können, liegt unstreitig nicht vor.
b. Die Klägerin hat auch keinen Beispielsfall benennen können, in dem der Beklagte in der Vergangenheit die Sonderzahlung auch an eine Arbeitnehmerin/einen Arbeitnehmer erbracht hätte, während deren/dessen Arbeitsverhältnis geruht hätte.
c. Die Klägerin hat zwar vage angemerkt, dass Zeiten krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht zu einer Einschränkung der jährlichen Jahressonderzahlung geführt hätten. Dies allein widerlegt aber schon deshalb nicht die Behauptung des Beklagten, die Jahressonderzahlung sei rein leistungsbezogen gewesen, weil nach der Gesetzeslage der Arbeitgeber verpflichtet ist, in gewissem Umfang sogar die fortlaufende Arbeitsvergütung weiterzuzahlen, ohne dass dem eine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gegenübersteht. Einen konkreten Beispielsfall dafür, dass der Beklagte etwa solchen Arbeitnehmern, die ganzjährig krankheitsbedingt arbeitsunfähig gewesen wären, die Sonderzahlung erbracht hätte, hat die Klägerin nicht benennen können. Dabei wäre aber auch zu beachten gewesen, dass selbst während länger anhaltender Arbeitsunfähigkeitsperioden die arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten nicht zum Ruhen gelangen, sondern es ist dem Arbeitnehmer lediglich in tatsächlicher Hinsicht unmöglich, die ihn prinzipiell weiter treffenden Leistungspflichten zu erfüllen.
d. In umgekehrter Richtung finden sich jedoch in den Umständen des vorliegenden Einzelfalles Anhaltspunkte dafür, dass die Angabe des Beklagten tatsächlich zutrifft, wonach es sich bei der von ihm geleisteten Sonderzahlung um ein reines Leistungsentgelt handeln sollte:
aa. Hierfür spricht zum einen indiziell die Bezeichnung der Leistung als 13. Gehalt in der Gehaltsabrechnung für Juni 2005.
bb. Noch gewichtiger erscheint jedoch der Umstand, dass der Beklagte im Jahre 2005 zu einem Zeitpunkt, als zwischen den Parteien noch keinerlei Streit über die Jahressonderzahlung bestand, diese Zahlung für den ersten Teil des Jahres bis zum Beginn der Mutterschutz-/Elternzeit zeitanteilig erbracht hat. Wird in einem Kalenderjahr, in welchem die Betriebszugehörigkeit ganzjährig gegeben ist, die Hauptleistungspflichten aber in der zweiten Jahreshälfte aufgrund von Elternzeit suspendiert sind, die Jahressonderzahlung pro rata temporis für die erste Jahreshälfte gezahlt, stellt dies ein starkes Indiz dafür dar, dass der Zweck der Sonderzahlung mit der Leistungserbringung in Zusammenhang steht und nicht mit der reinen Betriebszugehörigkeit.
4. Die Klägerin und Berufungsklägerin hat somit keine aussagekräftigen tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorbringen können, dass die von dem Beklagten betriebsüblich erbrachte Jahressonderzahlung keinerlei Bezug zu den arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten haben und somit auch nicht von deren Bestand im Kalenderjahr abhängen sollte. Im Gegenteil sprechen die Umstände des Einzelfalls eher dafür, dass die Jahressonderzahlung des Beklagten ein echtes 13. Gehalt im arbeitsrechtlichen Sinne darstellen sollte. Dann aber kann die Klägerin diese Leistung für die Dauer ihrer Elternzeit nicht beanspruchen.
III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht gegeben.