AG Berlin-Wedding
Az: 22a C 308/09
Urteil vom 20.05.2010
Leitsatz: Ein Vermieter kann von seinem Mieter die Entfernung einer an der Hauswand des Mietshauses angebrachten Parabolantenne verlangen, wenn der Mieter die von ihm benötigten Fernsehprogramme auch über das Internet empfangen kann.
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt. die an der Außenfassade der Wohnung im ……….angebrachte Parabolantenne zu beseitigen.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von einer Darstellung des Tatbestandes wird nach § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Entfernung der Parabolantenne nach §§ 541, 421 BGB zu. Die Anbringung der Parabolantenne an der Außenfassade und die fortgesetzte Nutzung stellen einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache dar, dessen Beseitigung die Klägerin nach erfolglos gebliebener Abmahnung verlangen kann.
Die auch im Rahmen des zivilrechtlichen Beseitigungsanspruches zu berücksichtigende Abwägung der wechselseitigen Interessen und grundrechtlich geschützten Belange geht zu Lasten der Beklagten. Dabei ist im Ansatz davon auszugehen, dass das aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG folgende Recht des Mieters, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, gleichrangig neben dem Grundrecht des Vermieters als Eigentümer aus Art. 14 GG steht. Die erforderliche Abwägung, ob das Informationsrecht des Mieters das Eigentumsrecht des Vermieters überwiegt, ist auf der Grundlage der konkreten Umstände des Einzelfalls zu treffen (BGH GE 2009, 1550 f. m. w. N., BVerfGE 60, 27, 32, BverfG GE 2007, 902, st. Rspr.).
Das Informationsrecht der Beklagten ist berührt, soweit sie mittels der Parabolantenne die arabischen Programme Aljazeera, MBC, DW-TV arabia, Russia Today arabia, BBC arabia, CC TV arabic, und Arabia empfangen, die – unstreitig – über den vorhandenen Breitbandkabelanschluss nicht zugänglich sind. Auf der anderen Seite ist das nach § 14 GG mittelbar geschützte Eigentumsrecht der Klägerin zu berücksichtigen. Zunächst liegt ein Eingriff in die Eigentumssubstanz vor, da die Parabolantenne unstreitig wenigstens über eine gesonderte Halterung mit Dübeln und Schrauben an der Außenfassade des Gebäudes angebracht worden ist. Ob dies durch die Vormieter oder durch die Beklagten selbst erfolgt ist, ist im Ergebnis unerheblich, da die damit einhergehende Eigentumsverletzung durch die Beklagten im Rahmen der dauerhaften Nutzung jedenfalls fortgesetzt wird. Eine das Eigentumsrecht berührende Beeinträchtigung liegt auch in der Von der Klägerin dargelegten optischen und ästhetischen Beeinträchtigung. Denn Art 14 GG umfasst auch das Recht, ungewünschten optischen und ästhetischen Veränderungen entgegenzutreten (BverfG NJW-RR 2005, 661, st. Rspr.). Durch die Befestigung an der Außenfassade wird die einheitlich gestaltete und sowohl vertikal als auch horizontal gegliederte Außenfassade in ihrem einheitlichen Erscheinungsbild deutlich abgeschwächt. Die Antenne ist aufgrund der Installation an der Fassadenfront deutlich und weithin sichtbar angebracht.
Zudem müssen sich die Beklagten entgegenhalten lassen, dass sämtliche von ihnen aufgeführte Programme auch über Internet empfangen werden können, was von den Beklagten nicht bestritten wird. Insoweit ist allgemein bekannt, dass neue technische Möglichkeiten einen problemlosen Empfang ermöglichen, Sendeanstalten ihre Sendungen per Videostream, also mittels einer Übertragung komprimierter Video- und Autodateien, per Internet anbieten oder über diese Leitungen Sendungen eingespeist werden könne. Dass dies mit unzumutbaren Kosten oder Aufwand für die Beklagten verbunden wäre, ist nicht ersichtlich und nicht vorgetragen. Die Beklagten berufen sich vielmehr darauf, dass es beim Empfang von Datensätzen via Internet zu Übertragungsstörungen kommen könne. Bei Internetverbindungen handele es sich um kontrollierte Prozesse, die nicht selten mit rechtsgeschäftlichen Handlungen verknüpft würden. Nur über die Parabolantenne sei eine authentische Berichterstattung über regionale Geschehnisse gewährleistet. Diese Ausführungen bieten keine hinreichend konkreten Anhaltspunkt dafür, dass und aus welchen Gründen der – grundsätzlich verfügbare – Internetzugang die Beklagten unverhältnismäßig belasten würde. Die pauschal aufgeworfenen Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit und Vollständigkeit der übertragenen Signale werden nicht belegt; der allgemein gehaltenen Hinweis auf die Möglichkeit von Zensur reicht insoweit nicht aus. Eine ansprechendere Bildqualität kann ohne nennenswerte Probleme erreicht werden, indem der PC mit einem Fernsehgerät verbunden wird. Die insoweit darlegungsbelasteten Beklagten (vgl. AG Frankfurt, Urteil vom 21.07.2008, 33 C 3540/07 Rn 17, Zitiert nach JURIS) haben nicht konkret vorgetragen, aus welchen Gründen ihnen eine Nutzung des Internets nicht zumutbar ist.
Auf Seiten der Beklagten zu 2. führt auch der Umstand, dass sie Informationen durch Nutzung der genannten arabischen Sender im Rahmen ihrer Berufstätigkeit verwendet, nicht zu einer anderen Bewertung. Soweit hier Art 12 GG in die vorzunehmende Güterabwägung einfließen würde, müsste sich die Beklagte auch hier die Möglichkeit zumutbarere anderweitiger Alternativen entgegenhalten lassen. Auf die Frage, inwieweit der Gebrauch der Mietsache vorliegen auch eine berufliche Nutzung umfasst, kommt es deshalb nicht an.
Dem Anspruch der Klägerin steht auch nicht die dolo-petit-Einrede nach § 242 BGB entgegen. Den Beklagten steht kein Anspruch auf Genehmigung zum Anbringen einer Parabolantenne an einer anderen Stelle zu. Die von den Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung thematisierte Installation einer Gemeinschaftsantenne auf dem Dach unterliegt anderen Voraussetzungen. Eine von der Klägerin angebotene Installation im Bereich des Wintergartens wurde von den Beklagten als nicht praktikabel abgelehnt. Die Frage des Anbringens einer mobilen Parabolantenne ist vorliegend nicht im Streit.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 100 Abs. 4, 708 Nr. 11, 713 ZPO. Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 511 Abs. 4 ZPO nicht gegeben sind. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Berufungsgerichts, da die hier entscheidungserheblichen Kriterien in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinlänglich geklärt sind.