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Entlassungsentschädigung und sonstige Leistungen

BUNDESFINANZHOF

Az.: XI R 2/01

Urteil vom 24.01.2002

Vorinstanz: FG Düsseldorf


Leitsatz:

Aus sozialer Fürsorge in späteren Veranlagungszeiträumen erbrachte Leistungen sind für die Steuerbegünstigung der Entlassungsentschädigung schädlich, wenn sie diese nicht als Zusatz ergänzen, sondern insgesamt betragsmäßig fast erreichen.

Normen: EStG § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1


Gründe

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Frühjahr 1992 teilte der Arbeitgeber dem Kläger mit, dass das Arbeitsverhältnis zum Ende des Jahres beendet werden solle. Nach Verhandlungen kamen die Beteiligten überein, das Arbeitsverhältnis zum 28. Februar 1993 zu beenden. Der Kläger erhielt im Februar 1993 eine Abfindung von 99 085 DM. Gemäß einer Zusatzvereinbarung vom 7. April 1992 garantierte der Arbeitgeber dem Kläger ab 1993 bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Versorgung, die unter Einbeziehung des Arbeitslosengeldes zunächst 90 %, dann 80 % und bis 1998 70 % des letzten Bruttogehaltes von 132 786 DM sichern sollte. Die Aufstockung des Arbeitslosengeldes bis zum 28. Februar 1994 wurde in die Abfindung eingerechnet und anschließend mit monatlichen Zuschusszahlungen von 997 DM brutto vom 1. März 1994 bis 28. Februar 1995 und 2 805 DM brutto vom 1. November 1995 bis 28. Februar 1998 abgedeckt (insgesamt 90 504 DM). Weiter leistete der Arbeitgeber vereinbarungsgemäß für die (befreiende) Lebensversicherung des Klägers die Differenz zwischen der Leistung der Bundesanstalt für Arbeit und dem Höchstbetrag in der Angestelltenversicherung. Mit Schreiben vom 25. Januar 1994 erhöhte der Arbeitgeber auf Grund der Verringerung des Arbeitslosengeldes um 67 DM pro Monat die Abfindung um den entsprechenden Differenzbetrag von 1 474 DM (22 Monate x 67 DM) auf 100 560 DM.

Der Kläger erklärte im Streitjahr 1993 bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einen Bruttoarbeitslohn von 15 978 DM und ermäßigt zu besteuernde Entschädigungen in Höhe von 63 085 DM. Die beigefügte Lohnsteuerkarte enthielt zwei getrennte Abrechnungen, eine für den Zeitraum vom 1. Januar 1993 bis zum 28. Februar 1993 (Bruttoarbeitslohn von 7 123 DM und Entschädigung von 63 085 DM), die zweite für den Zeitraum 1. März 1993 bis 31. Dezember 1993 (Bruttoarbeitslohn in Höhe von 8 855 DM). Der Bearbeiter des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–) addierte die Beträge zur Summe von 79 063 DM und notierte diese handschriftlich auf dem Erklärungsvordruck. Die Veranlagung wurde antragsgemäß vorgenommen; nach Einreichung zusätzlich angeforderter Spendenbescheinigungen wurde der zunächst aufgenommene Nachprüfungsvorbehalt aufgehoben.

Nach einer Lohnsteueraußenprüfung kam das FA zu der Auffassung, dass die Entschädigung wegen der ab 1994 gezahlten Zuschussleistungen nicht habe ermäßigt besteuert werden dürfen. Der Einkommensteuerbescheid wurde gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) entsprechend geändert. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, da sich die aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geleisteten Zahlungen über mehrere Veranlagungszeiträume erstreckt hätten, fehle es an der erforderlichen Zusammenballung der Einkünfte. Die Entschädigung könne nicht ermäßigt besteuert werden. Das FA sei zur Änderung berechtigt gewesen. Zwar habe das FA seine Ermittlungspflicht verletzt, da die Angaben auf der Lohnsteuerkarte Anlass zur Nachfrage gegeben hätten. Andererseits hätten es die Kläger versäumt, auf die gemeinsame vertragliche Grundlage von Abfindung und der nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geleisteten Zahlungen hinzuweisen. Den Anteil der Kläger an der mangelnden Aufklärung überwiege aber; denn es hätte zunächst ihnen oblegen, den Sachverhalt vollständig darzulegen.

Mit der (vom FG zugelassenen) Revision machen die Kläger geltend:

1. Das FA habe gegen seine Amtsermittlungspflicht verstoßen; angesichts der gemachten Angaben hätte es Veranlassung gehabt, den Unklarheiten nachzugehen. Hingegen seien die Kläger ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen. Diese beschränke sich darauf, die Steuererklärung abzugeben und die abgefragten Angaben zu machen. Angesichts der auf der Lohnsteuerkarte ausgewiesenen weiteren Zahlungen sei zusammen mit den Bescheinigungen des Arbeitsamtes der Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne weiteres erkennbar gewesen. Insbesondere habe das FA nicht davon ausgehen können, dass die weiteren Zahlungen aus einem neuen Arbeitsverhältnis stammten, da ein solches Entgelt auf das Arbeitslosenentgelt anzurechnen gewesen und auf der Bescheinigung des Arbeitsamtes ausgewiesen wäre.

2. Selbst bei Annahme der Verletzung einer Mitwirkungspflicht würde eine Änderung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil sowie den geänderten Einkommensteuerbescheid 1993 vom 20. November 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Mai 1999 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidend für die Versagung des begünstigten Steuersatzes sei der Umstand, dass es an einer Zusammenballung von Einkünften fehle, weil der Kläger in den Folgejahren zusätzliche Zahlungen erhalten habe. Das FA sei berechtigt gewesen, einen geänderten Bescheid zu erlassen.

II.

Die Revision der Kläger ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

1. Im Ergebnis zu Recht hat das FG die Berechtigung des FA zur Änderung des angefochtenen Bescheides bejaht. Gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 können Steuerbescheide geändert werden, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Die Änderung eines Bescheides ist nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das FA es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 10. April 1997 IV R 47/96, BFH/NV 1997, 757; vom 15. Oktober 1998 IV R 18/98, BFHE 187, 250, BStBl II 1999, 286, und vom 4. März 1999 II R 79/97, BFH/NV 1999, 1301; BFH-Beschluss vom 15. Juni 2000 IV B 6/99, BFH/NV 2000, 1445).

Im Streitfall hat das FA –entgegen der Auffassung des FG– seine Ermittlungspflichten nicht verletzt. Das FA braucht eindeutigen Steuererklärungen nicht mit Misstrauen zu begegnen; es kann regelmäßig von deren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., Stand April 1998, § 173 AO 1977 Tz. 65). Nur wenn sich Unklarheiten oder Zweifelsfragen aufdrängen, ist das FA zum Tun verpflichtet (BFH-Urteile vom 22. November 1988 VIII R 184/84, BFH/NV 1989, 726, und in BFH/NV 1997, 757). Der Kläger hatte ausweislich der vom Arbeitgeber ausgefüllten Lohnsteuerkarte eine von diesem ermäßigt besteuerte Entschädigung von 63 085 DM erhalten. Dass der Kläger in späteren Veranlagungszeiträumen noch erhebliche weitere Zahlungen erhalten sollte, ging aus seiner Erklärung und aus den Eintragungen auf der Lohnsteuer-Karte nicht hervor. Das ergab sich auch nicht aus der getrennten Abrechnung über die Zeiträume 1. Januar bis 28. Februar und 1. März bis 31. Dezember 1993. Für das FA bestand bei diesem Kenntnisstand keine Veranlassung, von sich aus weitere Ermittlungen anzustellen.

2. Die Entschädigung ist nicht ermäßigt zu besteuern. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 28. Juli 1993 XI R 74/92, BFH/NV 1994, 368) sind außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur gegeben, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen.

a) Die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG bezweckt, die Härten auszugleichen, die sich aus der progressiven Besteuerung der Entschädigung ergeben. Dementsprechend sind Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG grundsätzlich nur dann außerordentliche Einkünfte, wenn die Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen, die sich bei normalem Ablauf auf mehrere Jahre verteilt hätten, vollständig in einem Betrag gezahlt wird oder wenn die Entschädigung nur Einnahmen eines Jahres ersetzt, sofern sie im Jahr der Zahlung mit weiteren Einkünften zusammenfällt und der Steuerpflichtige im Jahr der entgangenen Einnahmen keine weiteren (nennenswerten) Einnahmen gehabt hat. Bei einer Entschädigungszahlung, die sich auf zwei oder mehr Veranlagungszeiträume verteilt, ist eine Zusammenballung nicht gegeben; eine Anwendung des § 34 EStG kommt grundsätzlich nicht in Betracht.

b) Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hält der Senat –wie in dem Urteil vom 14. August 2001 XI R 22/00 (BFH/NV 2002, 402) ausgeführt– in solchen Fällen für geboten, in denen –neben der Hauptentschädigungsleistung– in einem späteren Veranlagungszeitraum aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden. Das sind beispielsweise solche Leistungen, die der (frühere) Arbeitgeber dem Steuerpflichtigen zur Erleichterung des Arbeitsplatz- oder Berufswechsels oder als Anpassung an eine dauerhafte Berufsaufgabe und Arbeitslosigkeit erbringt. Eine dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widersprechende Beurteilung dieser Leistungen als schädlich setzt jedoch voraus, dass sie die Zusammenballung der Hauptleistung nicht in Frage stellen; denn sie sind Teil der einheitlichen Entschädigung. Das bedeutet, dass sie auch betragsmäßig einen ergänzenden Zusatz zur Hauptleistung bilden, diese also bei weitem nicht erreichen.

c) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Der Kläger hat in den nachfolgenden Veranlagungszeiträumen bis zum 28. Februar 1998 Zuschüsse zur Sicherstellung einer angemessenen Versorgung in Höhe von insgesamt 90 504 DM und weitere Leistungen, wie z.B. die Zahlungen für die Lebensversicherung erhalten. Die Zahlungen liegen damit in der Größenordnung der Abfindung in Höhe von 99 085 DM. Diese Leistungen beruhen zwar auf sozialer Fürsorge; sie sind aber keine ergänzenden Zusatzleistungen.

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