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Entschädigung wegen Flugverspätung nach Fluggastrechteverordnung

Außergewöhnliche Umstände

AG Düsseldorf – Az.: 235 C 129/18 – Urteil vom 09.05.2019

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Kläger begehren von der Beklagten, einem Luftfahrtunternehmen, eine Entschädigung wegen Flugverspätung nach der Fluggastrechteverordnung, VO (EG) Nr. 261/2004.

Die Kläger buchten bei der Beklagten für den 02.12.2017 einen Flug von Varadero (Kuba) nach Düsseldorf, Flugnummer …. Der Flug sollte am 02.12.2017 um 14:45 Uhr Ortszeit in Varadero abfliegen und am 03.12.2017 um 06:00 Uhr Ortszeit das Endziel Düsseldorf erreichen. Tatsächlich erfolgte die Ankunft am 03.12.2017 gegen 11:15 Uhr mit mehr als fünfstündiger Verspätung. Die Entfernung zwischen Düsseldorf und Varadero beträgt ausweislich öffentlich zugänglicher Quellen 7.916 km.

Mit Schreiben vom 09.12.2017 forderten die Kläger die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung auf. Die Beklagte lehnte mit E-Mail vom 04.01.2018 eine Erfüllung der geltend gemachten Forderung mit Verweis auf außergewöhnliche Umstände, die zur Verspätung des streitgegenständlichen Flugs geführt hätten, ab.

Die Kläger sind der Ansicht, ihnen stehe jeweils ein Ausgleichsanspruch nach der EG VO 261/2004 zu. Sie bestreiten mit Nichtwissen, dass für die geplante Landezeit in Düsseldorf Wetterbedingungen prognostiziert worden seien, die die geforderten Sichtbedingungen und Wolkenhöhen unterschritten hätten. Jedenfalls aber habe die Beklagte in Erwägung ziehen müssen, einen Ausweichflughafen wie Köln oder Frankfurt anzufliegen.

Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger zu 1) und 2) jeweils einen Betrag in Höhe von 600,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.01.2019 zu zahlen sowie die Kläger von Honoraransprüchen ihres Prozessbevollmächtigten für die vorgerichtliche Tätigkeit in Höhe von 201,71 EUR freizustellen.

Die Beklagte beantragt,  die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, am Zielort Düsseldorf seien am 03.12.2017 um 06:00 Uhr Ortszeit Sichtbedingungen prognostiziert worden, aufgrund derer eine sichere Landung nicht möglich gewesen sei. Für die geplante Landezeit seien Wetterbedingungen prognostiziert worden, die die geforderten Sichtgegebenheiten von mindestens 500 Metern und Wolkenhöhe unterschritten hätten. Bei einer Wolkenbedeckung von 5/8 dürfe die Wolkenhöhe 100 Fuß nicht unterschreiten. Die Prognosen seien mit fortschreitender Dauer immer schlechter geworden. Die für eine Landung notwendige Bodensicht von 500 m sei nicht gewährleistet gewesen, sodass ein Start auf Geratewohl dem im Flugverkehr einzuhaltenden Sicherheitsstandard nicht entsprochen hätte. Aufgrund der Prognose habe nicht von der Möglichkeit ausgegangen werden können, dass in Düsseldorf gelandet werden könne.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die tatsächlichen Feststellungen in den nachfolgenden Entscheidungsgründen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung des Zeugen L gemäß Beweisbeschluss vom 05.09.2018 (Bl. 60 GA). Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftliche Aussage vom 07.12.2018 (Bl. 118 GA), ergänzt durch die Aussage vom 27.12.2018 (Bl. 123 GA) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf die geltend gemachten Entschädigungsansprüche gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. c) in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. c) der Verordnung (EG) 261/2004 („Fluggastrechte-VO“) in der geltend gemachten Höhe.

Denn vorliegend sind die Voraussetzungen für eine Enthaftung der Beklagten nach Art. 5 Abs. 3 VO (EG) Nr. 261/2004 gegeben.

Nach Art. 5 Abs. 3 VO (EG) Nr. 261/2004 kann der Ausgleichsanspruch entfallen, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

Entschädigung wegen Flugverspätung nach Fluggastrechteverordnung
(Symbolfoto: Von Jaromir Chalabala /Shutterstock.com)

Der Begriff des außergewöhnlichen Umstandes ist in der Fluggastrechte-VO nicht definiert. Die zu einem Wegfall der Ausgleichspflicht führenden Umstände sind ihrem Wortlaut nach außergewöhnlich, wenn sie nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechen, sondern außerhalb dessen liegen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann. Es sollen Ereignisse erfasst werden, die nicht zum Luftverkehr gehören, sondern als jedenfalls in der Regel von außen kommende besondere Umstände seine ordnungs- und planmäßige Durchführung beeinträchtigen oder unmöglich machen können (vgl. BGH, Urteil vom 12.06.2014, Az. X ZR 121/13). Weitere Voraussetzung für die Annahme des Vorliegens eines außergewöhnlichen Umstandes ist die Nichtbeherrschbarkeit des Vorkommnisses für das Luftfahrtunternehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 22.12.2008, Az. C-549/07). Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Die Fluggesellschaft hat nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dabei nicht nur – nach Maßgabe des Wortlauts von Art. 5 Abs. 3 VO (EG) Nr. 261/2004 – die Unvermeidbarkeit des außergewöhnlichen Umstandes darzulegen, sondern darüber hinaus weiter – über den Wortlaut hinaus – die Unvermeidbarkeit der rechtlich relevanten Verspätung darzulegen (BGH, Urteil vom 24.09.2013 – X ZR 160/12).

Ausgehend von diesen rechtlichen Maßstäben hat die Beklagte zur Überzeugung des Gerichts dargelegt und bewiesen (§ 286 ZPO), dass wegen der in Düsseldorf zum Landezeitpunkt prognostizierten Wetterbedingungen eine sichere Landung nicht möglich gewesen wäre und hierdurch die rechtlich relevante Verspätung maßgeblich verursacht wurde.

Zu dieser Überzeugung ist das Gericht auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme gelangt. Der Zeuge L hat im vorliegenden Verfahren bestätigt, dass die Flugverspätung auf den Wetterbedingungen in Düsseldorf zur geplanten Landezeit beruhte. Dabei seien seiner Ansicht nach nicht die Sichtgegebenheiten der limitierende Faktor, sondern die prognostizierte Wolkenhöhe. Die Wolkenhöhe habe 400 Fuß betragen. Um anfliegen zu dürfen, sei aber eine Wolkenhöhe von 500 Fuß notwendig gewesen. Wenn die Wolkenuntergrenzen  – wie in diesem Fall – bei Ankunft des Fluges nicht genügen, könne es durchaus Sinn machen den Flug aus Sicherheitsgründen verspätet durchzuführen.

Dass der Zeuge Mitarbeiter der Beklagten war, erschüttert die Glaubhaftigkeit der Aussage nicht. Der Zeuge kommunizierte offen, dass er aus eigener Erinnerung nichts zu dem Flug sagen könne. Auch ist seine Aussage strukturiert sowie nachvollziehbar. Dabei ging er auch auf den Umgang von Piloten mit Wetterprognosedaten allgemein ein. Der Zeuge ist als Pilot, auch wenn er nicht auf dem streitgegenständlichen Flug eingesetzt wurde, grundsätzlich geeignet, dem Gericht die vorgelegten Wetterdaten zu erläutern. Bei einem Piloten ist bereits aufgrund der Ausbildung davon auszugehen, dass er ausgeprägte Kenntnisse über die für einen Flug maßgeblichen Wetterparameter verfügt.

Das Gericht erachtet es auf Grundlage der überzeugenden Schilderung des Zeugen L für bewiesen, dass die große Ankunftsverspätung auf dem hier streitgegenständlichen Flug  auf einen außergewöhnlichen Umstand zurückzuführen war. Es handelt sich hierbei um unbeherrschbare Vorkommnisse, das Wetter ist nicht beeinflussbar.

Das Gericht geht ferner davon aus, dass sich die erhebliche Verspätung jedenfalls nicht durch der Situation angepasste Maßnahmen hätte vermeiden lassen, d.h. solche, die zu dem Zeitpunkt, zu dem die außergewöhnlichen Umstände auftreten, für das betroffene Luftfahrtunternehmen insbesondere in persönlicher, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht tragbar sind (EuGH – Wallentin-Hermann/Alitalia –  Urteil vom 12.05.2011 – C-294/10, NJW 2011, 2865). Der EuGH geht dabei von einem flexiblen und vom Einzelfall abhängigen Begriff der zumutbaren Maßnahme aus. Es ist Sache des nationalen Gerichts zu beurteilen, ob im Einzelfall angenommen werden kann, dass das Luftfahrtunternehmen die der Situation angemessenen Maßnahmen getroffen hat.

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Es ist vorliegend nicht ersichtlich, welche zumutbaren Maßnahmen die Beklagte hätte ergreifen können, um die große Flugverspätung zu vermeiden. Die Wetterlage entzieht sich dem Einfluss der Beklagten. Sobald die Landung in Düsseldorf wegen des besser werdenden Wetters möglich erschien, wurde der Flug durchgeführt. Weitere Maßnahmen als abzuwarten blieben der Beklagten nicht. Insbesondere war die Beklagte nicht gehalten, Ausweichflughäfen anzufliegen, was – wie von Beklagtenseite unwidersprochen vorgetragen – auch zu einer erheblichen Ankunftsverspätung geführt hätte (siehe Schriftsatz der Beklagten vom 26.07.2019, dort III.). Selbst wenn das auf dem streitgegenständlichen Flug eingesetzte Fluggerät der Beklagten nur über ein Instrumentlandesystems der Kategorie 1 (CAT I) verfügt hätte, kann sich die Beklagte dennoch auf Entlastung berufen. Ob andere Fluggesellschaften unter den Bedingungen von CAT II oder III haben landen können, ist ohne Belang.

In Ermangelung einer begründeten Hauptforderung steht den Klägern auch kein Anspruch auf Freistellung von ihren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.

Die Schriftsätze der Parteien vom 28.03.2019 sowie der Schriftsatz der Beklagten vom 03.04.2019 boten keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 BGB.

Der Streitwert wird auf 1.200,00 EUR festgesetzt.

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