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Sammelklage-Inkasso – Entscheidung des BGH

Nach Auffassung des BGH ist das Sammelklage-Inkasso keine unzulässige Rechtsdienstleistung

Noch zu beginn des Jahres 2021 waren die Aussichten für einige Legal-Tech Angebote, wie etwa das Sammelklage Inkasso, noch auf etwas unsicherem Terrain, hatten doch einige Gerichte Bedenken gegen eine gebündelte Durchsetzung von Kundenforderungen geäußert. Auch die Aussage des BGH, was noch von der Inkassolizenz gedeckt wäre, brachte keine wirkliche Rechtssicherheit. Erst zwei Gundsatzurteile des Bundesgerichtshofes brachten etwas mehr Klarheit.

Es gibt in Deutschland durchaus Geschäftsmodelle bzw. Geschäftspraktiken, mit denen sich früher oder später Gerichte auseinandersetzen müssen. Nicht immer ist der Anbieter derartiger Geschäftsmodelle oder auch Geschäftspraktiken jedoch mit den gerichtlichen Entscheidungen auch wirklich einverstanden, sodass der Fall auf kurz oder lang dann vor dem Bundesgerichtshof (BGH) zur finalen Entscheidung landet. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Fall des sogenannten Sammelklage-Inkasso, welcher von dem BGH entschieden werden musste. In Deutschland sind auf dem Markt sogenannte Legal-Tech-Unternehmen tätig, welche über eine Inkasso-Lizenz verfügen und Sammelklagen gegen andere Unternehmen oder Anbieter von Dienstleistungen durchführen. Die Frage, welche nunmehr von dem BGH beantwortet werden musste, ging in die Richtung, ob es sich hierbei um eine rechtlich unzulässige Rechtsdienstleistung handelt oder ob das Vorgehen der Legal-Tech-Unternehmen mit dem deutschen Recht vereinbar ist.

Wichtig: Der Bundesgerichtshof sieht in dem Vorgehen der Legal-Tech-Unternehmen ausdrücklich keine rechtlich unzulässige Rechtsdienstleistung. Dies gilt auch dann, wenn das Unternehmen direkt von Anfang an lediglich auf die gerichtliche Forderungseinziehung abzielt.

Stärkung der Legal-Tech-Unternehmen

Sammlelklage-Inkasso - Entscheidung BGH zur Rechtmäßigkeit
Sammlelklage-Inkasso – Entscheidung BGH zur Rechtmäßigkeit – (Symbolfoto: orig. Von WESTOCK PRODUCTIONS/Shutterstock.com)

Durch die Entscheidung des BGH wurde den auf dem deutschen Markt tätigen Legal-Tech-Unternehmen als Inhaber von Inkasso-Lizenzen ausdrücklich höchstrichterlich der Rücken gestärkt. Überdies wurde auch mit der Entscheidung des BGH direkt der Begriff „Inkassodienstleistung“ auch genau gefasst. Für die Legal-Tech-Unternehmen bedeutet dies, dass sie auch künftig völlig rechtmäßig gleichlautende Forderungen als Abtretung von ihren Kunden übertragen und in einer einzigen Klage in einem einzigen Verfahren auf dem gerichtlichen Weg geltend machen dürfen.

Das betreffende Inkassounternehmen hat zum Ziel, Kundenforderungen gegen die Fluggesellschaft „Air Berlin“ durchzusetzen

Die Entscheidung des BGH beruht auf einer Klage, welche von einem Inkassounternehmen mit der Rechtsform „GmbH“ angestrengt wurde. Das Inkassounternehmen ist als Rechtsdienstleister tätig und bietet gem. § 10 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 als registriertes Unternehmen Inkassodienstleistungen an. Selbstverständlich verfügt das Unternehmen auch über eine eigene Internetpräsenz, auf welcher besonders die Anspruchsgeltendmachung von Kunden der insolventen Airline „Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG“ mit dem Ziel von Rückzahlungen für bereits gezahlte Flugpreise beworben wurde. Dies sollte im Zuge einer Sammelklage realisiert werden und sollte für die Kunden des Inkassodienstleisters keinerlei Kosten mit sich bringen. Sollte die Sammelklage jedoch Erfolg haben würde das Inkassounternehmen als Provision 35 Prozent des erzielten Nettoerlöses nach dem erfolgreichen Einzug der entsprechenden Forderungen für sich einbehalten.

Insgesamt 7 Kunden nahmen die Dienstleistung in Anspruch

Das Angebot des Inkassounternehmens wurde von insgesamt 7 Kunden in Anspruch genommen, welche dem Unternehmen einen Auftrag für die Einziehung von Forderungen erteilten. Das Inkassunternehmen reichte daraufhin auf der Grundlage des abgetretenen Rechts eine Klage auf Schadensersatz ein, welche sich gegen den damaligen Geschäftsführer der Airline richtete. Als Begründung wurde angegeben, dass der Geschäftsführer der Airline den erforderlichen Insolvenzantrag mit Verspätung gestellt hatte und daher die Geschäftsleitung persönlich aufgrund von Insolvenzverschleppung zu einem Schadensersatz verpflichtet sei. Dieser Schadensersatz müsste durch eine Erstattung von bereits seitens der Kunden des Inkassounternehmens geleisteten Zahlungen der Flugpreise zugunsten der Kunden von der Airline geleistet werden.

Instanzenweg bis zum Bundesgerichtshof

Die Klagen wurden in den bisherigen Vorinstanzen bislang stets abgewiesen, allerdings ging das Inkassounternehmen bis vor den Bundesgerichtshof, um auf diese Weise eine Entscheidung herbeizuführen. Der BGH indes stufte die Klage des Inkassounternehmens als rechtlich zulässig ein. Im Zuge dieser Einschätzung kam der BGH zu der Ansicht, dass eine Klageerhebung auf der Grundlage von abgetretenen Rechten der Kunden eines Inkassounternehmens rechtlich nicht zu beanstanden und als Rechtsdienstleistung anzusehen ist. Diese Geschäftspraxis wird gem. BGH von dem Begriff „Inkasso“ gem. § 10 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 sowie § 2 Absatz 2 Satz 1 RDG ausdrücklich abgedeckt.

Der § 2 Absatz 1 RDG sieht als Rechtsdienstleistung jegliche Art von Tätigkeit vor, die in einer konkreten fremden Angelegenheit eine rechtliche Einzelfallprüfung ausdrücklich erfordert. Dementsprechend muss auch die Einziehung fremder Rechnungen oder der Zweck der Einziehung von fremden abgetretenen Rechnung auf der Grundlage des § 2 Absatz 2 RDG als eine rechtlich zulässige Inkassodienstleistung betrachtet werden. Derartige Inkassodienstleistungen bzw. Rechtsdienstleistungen dürfen von denjenigen Unternehmen angeboten und erbracht werden, welche sich zuvor bei den jeweilig zuständigen Behörden ordnungsgemäß registriert haben und wenn diese Unternehmen eine entsprechend vorhandene Sachkunde nachweisen und gem. § 10 Absatz 1 Ziffer 1 RDG die Erlaubnis für die Erbringung von entsprechenden Inkassodienstleistungen erhalten haben.

Laut Ansicht des BGH ergibt sich aus dem RDG und seinen Vorschriften keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Sammelklagen-Inkasso als Rechts- bzw. Geschäftsmodell gegen die Vorschriften des RDG verstößt oder seinem Wortlaut widerspricht. Dementsprechend ist das Sammelklagen-Inkasso ausdrücklich auch nicht als unzulässige Rechtsdienstleistung anzusehen. Vielmehr ist der Sinn des RDG, dass Rechtssuchende vor Anbietern unqualifizierter Rechtsdienstleistungen geschützt werden. Auch der Rechtsverkehr sowie die Rechtsordnung erfahren einen derartigen Schutz durch das RDG, allerdings wurde der Schutzzweck durch das Geschäfts- bzw. Rechtsmodell des Sammelklage-Inkasso überhaupt nicht berührt.

Es gilt auch die Berufsausübungsfreiheit

Der BGH führte im Rahmen seiner Entscheidungsfindung auch eine Abwägung zwischen dem Schutzzweck des RDG sowie den Rechten des Inkassodienstleisters durch. Hierbei kam der BGH zu der Ansicht, dass der Schutzzweck des RDG keinerlei Erfordernisse beinhaltet, diejenigen Inkassomodelle, welche sich lediglich oder primär mit der gerichtlichen Forderungseinziehung beschäftigen, als unzulässig einzustufen. Die Sammelklage als Klagemodell ist in Deutschland nicht unüblich und dementsprechend ändert die Sammelklage im Inkassobereich auch nichts an der Bewertung. Vielmehr ist für die Bewertung der rechtlichen Zulässigkeit einer Dienstleistung im rechtlichen Bereich auch die Berufsausübungsfreiheit des Anbieters gem. Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz ausdrücklich zu berücksichtigen.

Kein Interessenkonflikt beim Sammelklage-Inkasso Geschäftsmodell?

Aus dem Sammelklage-Inkasso Geschäftsmodell heraus ergeben sich auch keinerlei Anhaltspunkte für etwaige Interessenkonflikte oder Unvereinbarkeiten mit anderen vertraglichen Leistungspflichten des Inkassodienstleister. Dementsprechend war im aktuellen Fall die Forderungsabtretung der Kunden von der Airline „Air Berlin“ zugunsten des Inkassounternehmens rechtlich auch nicht zu beanstanden.

Bedingt durch den Umstand, dass der BGH nunmehr eine Entscheidung im Hinblick auf die rechtliche Zulässigkeit der Klage getroffen hat, wird sich nunmehr die Vorinstanz wieder mit dem Fall beschäftigen müssen. Das vorinstanzliche Urteil wurde mit der Entscheidung des BGH aufgehoben, sodass sich der ehemalige Geschäftsführer der Airline „Air Berlin“ mit dem Inkassounternehmen wieder in einem Gerichtssaal treffen wird. Der BGH hat bezüglich des Vorwurfs der Insolvenzverschleppung, der von der Klägerin gegen den Geschäftsführer der Airline erhoben wurde, keinerlei Entscheidungen getroffen. Diese Entscheidung muss nunmehr das vorinstanzliche Gericht fällen, da der Fall von dem BGH wieder zurückverwiesen wurde. Wann genau diesbezüglich eine Entscheidung getroffen wird ist aktuell noch unklar. Fakt ist jedoch, dass künftig wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit verstärkt Sammelklagen auch im Inkassobereich zu erwarten sind. Der BGH hat mit seiner Entscheidung ja festgestellt, dass dieses Geschäftsmodell durchaus als zulässige Rechtsdienstleistung anzusehen ist. Dementsprechend werden auch verstärkt Anbieter für derartige Rechtsdienstleistungen auf den Markt drängen, da die Provisionen im Erfolgsfall durchaus lukrativ sind. Dies kann für den Kunden, der eine Forderung gegen ein insolventes Unternehmen durchsetzen möchte, durchaus ein positiver Effekt sein.

Für die insolventen Unternehmen und die jeweiligen Gerichte, welche über die Fälle zu entscheiden haben, dürfte dies ein zusätzliches Maß an Arbeitsaufwand nach sich ziehen. Die Bewertung der Folgen ist jedoch nicht primär die Angelegenheit des BGH. Vielmehr ging es einzig und allein um die Beurteilung der rechtlichen Lage in dem besagten Einzelfall.

Wenn Sie weitergehende Fragen zu der Thematik haben oder sich mit dem Gedanken tragen, eine Forderung an ein Inkassounternehmen zur Einziehung der Forderung abzutreten, so können Sie uns selbstverständlich sehr gern kontaktieren. Sehr gern beraten wir Sie ausführlich zu dieser Thematik und helfen Ihnen dabei, seriöse und registrierte Unternehmen von unseriösen Unternehmen zu unterscheiden.

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