Arbeitsgericht Frankfurt am Main
Az.: 9 Ga 191/01
Urteil vom 12.12.2001
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Kammer 9 auf die mündliche Verhandlung vom 12.12.2001für Recht erkannt:
Der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, dem Verfügungskläger für die Zeit vom 24.12.2001 bis 31.12.2001 Erholungsurlaub zu gewähren.
Die Kosten des Verfahrens hat die Verfügungsbeklagte zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf DM 550,- festgesetzt.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Verfügungskläger (im Folgenden: Kläger) verlangt von der Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagten) die Gewährung von Urlaub.
Der Kläger ist seit dem 01.09.1998 bei der Beklagten in deren Filiale in Frankfurt am Main – Sossenheim als Reifenmonteur zu einem monatlichen Bruttoeinkommen von ca. DM 4.000,– beschäftigt. Er ist verheiratet und unterhaltspflichtig für fünf Kinder, von denen drei schulpflichtig sind.
Am 30.10.2001 beantragte der Kläger, der in 2001 54 Urlaubstage genommen hatte, die Gewährung restlicher drei Urlaubstage in der Zeit vom 24. bis 31.12.2001 (Antrag Bl. 3 d. A.). Er will in dieser Zeit mit seiner Familie die Ferien bei seiner Schwester in Holland verbringen und sich mit mehreren anderen Familien treffen.
Einem Urlaubsantrag des Reifenmonteurs … vom 13.11.2001 für den gleichen Zeitraum gab die Beklagte statt. Auf die Anfrage des Klägervertreters vom 16.11.2001, ob auch der Urlaub des Klägers gewährt werde, antwortete die Beklagte mit Schreiben vom gleichen Tag abschlägig (Schriftverkehr Bl. 4 f d.A.).
Im einstweiligen Verfügungsverfahren verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Der Kläger beantragt, der Beklagten wird aufgegeben, dem Antragsteller für die Zeit vom 24.12.2001 bis 31.12.2001 Erholungsurlaub zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Sie behauptet, es gebe noch zwei weitere Arbeitnehmer, die bereits angekündigt hätten, in der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr Urlaub machen zu wollen, die aber noch keinen Urlaubsantrag abgegeben hätten.
Nach ihrer Auffassung ist Herrn … bevorzugt Urlaub zu genehmigen. Dieser habe noch einen Urlaubsanspruch von 30,5 Tagen, der abgebaut werden solle. Herr … habe im November zahlreiche Überstunden geleistet und täglich zehn bis elf Stunden gearbeitet, wohingegen der Kläger Mehrarbeit abgelehnt habe. Nach diesen Anstrengungen während der Umrüstzeit müsse sich dieser seiner Ehefrau widmen, deren Schwangerschaft problematisch sei, weshalb bereits einmal mit einer Fehlgeburt habe gerechnet werden müssen (Beweis: Zeugnis …). Dieser wolle die Feiertage harmonisch und besinnlich mit seiner Ehefrau begehen.
Die Beklagte behauptet, während des fraglichen Zeitraumes nur einem einzigen Arbeitnehmer Urlaub gewähren zu können, weil in der Zeit „zwischen den Jahren“ möglicherweise mehrere Banken Großaufträge zur Umrüstung der Firmenfahrzeuge erteilen würden.
Der Kläger ist der Auffassung, dass seine Belange den Vorrang vor Belangen des Arbeitnehmers … verdienen, der geäußert habe, es sei ihm gleichgültig, wann er – Herr … – seinen Urlaub nehme. Wenn dieser noch 30,5 Tage Resturlaubsanspruch habe, könne dies – da dieser in 2001 bereits 50 Urlaubstage genommen habe – nur die Ursache haben, dass die Beklagte Herrn … in den Vorjahren den Urlaub nicht im Urlaubsjahr gewährt habe, was sich nicht zu seinen – des Klägers – Lasten auswirken könne. Er verweist darauf, dass er – unstreitig – per 31.10.2001 ein Überstundenguthaben von 110,35 Stunden hat und dass er auf die Lage des Urlaubes in den Schulferien angewiesen ist. Nach seiner Behauptung hat er die Familienfeier bereits im Sommer 2001 verabredet.
Entscheidungsgründe:
Der Antrag ist im einstweiligen Verfügungsverfahren zulässig, §§ 935, 940 ZPO. Obwohl durch den Erlass bereits eine Erfüllung des Anspruches eintritt, kann wegen der fehlenden Nachholbarkeit einer Gewährung von Freizeit eine Verurteilung erfolgen.
Der Antrag ist auch begründet, weil der Kläger im Hauptsacheverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit obsiegt hätte. Die vorzunehmende Interessenabwägung ergibt nämlich, dass seinen Belangen Vorrang einzuräumen ist, § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG.
Es kann dahinstehen, ob in der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr betriebliche Belange einer Urlaubsgewährung an zwei Arbeitnehmer entgegenstehen. Wenn die Beklagte nur einem einzigen Arbeitnehmer Urlaub im beantragten Zeitraum gewähren will, muss sie ihn dem Kläger gewähren. Dessen Belange genießen nämlich Vorrang vor denen des Arbeitnehmers …
Dieser genießt Vorrang nicht etwa deswegen, weil er noch 30,5 Urlaubstage zu erhalten hätte. Eine Gewährung von drei Tagen Urlaub wäre nicht geeignet, diesen Anspruch in einem nennenswerten Umfang abzubauen. Betriebliche Interessen gebieten nicht die Reduzierung des Urlaubsanspruches von Herrn …, weil es insoweit gleichgültig ist, welcher Arbeitnehmer jeweils in welchem Zeitraum nicht anwesend ist.
Nicht zur Begründung herangezogen werden kann der Umstand, dass Herr … im November täglich erhebliche Überstunden geleistet habe. Zum einen war dieser Umstand zum Zeitpunkt der Antragstellung des Klägers noch nicht eingetreten und möglicherweise auch noch gar nicht in vollem Umfang absehbar.
Dass der Kläger nicht Überstunden geleistet hat, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 ArbZG verboten sind, kann nicht zu seinem Nachteil führen, § 612 a BGB.
Zudem hat auch der Kläger zahlreiche Überstunden geleistet, wenn auch nicht in der Umrüstzeit im November 2001. Er hat sogar noch ein höheres Überstundenkontingent als der Arbeitnehmer …, der lediglich 90 Überstunden angesammelt hat.
Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass die Schwangerschaft der Ehefrau von Herrn … auch im Zeitpunkt der Urlaubsgewährung noch risikoreich gewesen sei. Bestünde die Risikoschwangerschaft über einen langen Zeitraum, wäre nicht ersichtlich, weshalb dann ein Beistand gerade in dem Zeitraum zwischen dem 24. und 31.12.2001 besonders angezeigt war. Einen geruhsamen Zeitraum kann Herr … auch beispielsweise noch in der ersten Januarwoche mit seiner Ehefrau verbringen. Hingegen könnte der mit seinen Urlaubwünschen auf die Schulferien angewiesene Kläger den Urlaub nicht mehr bestimmungsgemäß verbringen, wenn ihm Urlaub nicht gerade im beantragten Zeitraum gewährt würde.
Die Beklagte hat, da sie im Verfahren unterlegen ist, dessen Kosten zu tragen, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Der Wert des Streitgegenstandes, der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen ist, hat die Höhe des Entgeltes, welches der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum verdient hätte.
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.
Es bestand keine in § 64 Abs. 3 ArbGG begründete Veranlassung, die Berufung zuzulassen. Dies war wegen § 64 Abs. 3 Satz 1 ArbGG in den Urteilstenor aufzunehmen.