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Erlassvertrag – unmissverständliche Erklärung und Auslegung der Vereinbarung

LG Düsseldorf – Az.: 11 O 143/17 – Urteil vom 02.08.2019

Das Vorbehaltsanerkenntnisurteil vom 09.04.2018 wird für vorbehaltlos erklärt.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist geschäftsführender Gesellschafter der C GmbH, die Uhren und Schmuck vertreibt. Die C unterhielt Geschäftsbeziehungen zu dem Beklagten. Auch außerhalb dieser geschäftlichen Beziehungen veräußerte der Kläger Uhren und Schmuck zur Weiterveräußerung an den Beklagten. Die Parteien verzichteten dabei regelmäßig darauf, die zugrundeliegenden Kaufverträge schriftlich abzufassen.

Unter dem 06. Oktober 2016 unterzeichneten die Parteien auf einem Briefbogen der C GmbH folgenden Inhalt:

„Hiermit bestätige ich, K, wohnhaft in Düsseldorf, dass ich Herrn C, wohnhaft in Essen, 50.000 EUR schulde

In diesem Betrag ist eine Breitling Bentley, Roségold, enthalten, die in das Eigentum von Herrn K übertragen wurde. Ansonsten bestehen zwischen beiden Parteien keine weiteren Ansprüche.“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung des Dokuments bei der Gerichtsakte (Anlage H1, Bl. 4 GA) verwiesen.

Die Kammer hat den Beklagten mit Vorbehaltsanerkenntnisurteil vom 09.04.2018 antragsgemäß zur Zahlung des Betrags in Höhe von 50.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten seit dem 26.05.2017 verurteilt.

Der Kläger vertritt die Auffassung, bei dem Dokument handele es sich um ein Schuldanerkenntnis, das die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien vollständig und abschließend geregelt habe. Andere Ansprüche, insbesondere Ansprüche des Beklagten gegenüber ihm bestünden nicht.

Der Kläger beantragt, das Vorbehaltsanerkenntnisurteil vom 09.04.2018 für vorbehaltlos zu erklären.

Der Beklagte beantragt, das Vorbehaltsanerkenntnisurteil vom 09.04.2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, das am 06. Oktober 2016 unterzeichnete Dokument regle die Rechtsbeziehungen der Parteien nicht abschließend und umfassend, sondern vielmehr ausschließlich die Zahlungsansprüche der Parteien. Der Beklagte vertritt die Auffassung, ihm stehe ein Zurückbehaltungsrecht an dem klageweise verfolgten Betrag zu. Hierzu behauptet er zum einen, der Kläger habe ihm auf seine entsprechende Aufforderung am 06. Oktober 2016 die Ausstellung von Rechnungen über die an ihn veräußerten Uhren verweigert, die er allerdings im Hinblick auf die Differenzbesteuerung für seinen Steuerberater benötige. Weiter behauptet er, er habe dem Kläger zur Sicherung der so anerkannten Forderung verschiedene Kunstwerke übergeben, nämlich im Einzelnen die Werke

– A, Acryl auf Leinwand, 90*90cm ohne Rahmung, Titel: W

– A, Acryl auf Leinwand, 60*50cm ohne Rahmung, Titel: H

– P, Dia-sec, 80*60 cm, Titel: I

– P, Dia-sec, 90*60cm, Titel: Y

Die beiden Werke A hätten zum Zeitpunkt der Übergabe einen Wert von 80.000,00 EUR, die zwei Fotografien von P einen Wert von 20.000,00 EUR gehabt. Der Wert bestehe auch heute noch in der jeweiligen Höhe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Prozessbevollmächtigten der Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen M und U. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10. Juli 2019 (Bl. 153 ff. GA) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 50.000,00 EUR. Die Zahlungsverpflichtung des Beklagten ist zwischen den Parteien dem Grunde nach unstreitig. Dem Beklagten steht – entgegen seiner Auffassung – auch kein Zurückbehaltungsrecht zu.

1.

Ein solches Zurückbehaltungsrecht ergibt sich zunächst nicht aus § 14 UStG. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist ein Unternehmer zur Ausstellung einer Rechnung über seine Leistung verpflichtet, sofern er diese gegenüber einem anderen Unternehmer für dessen Unternehmen erbringt. Dies war vorliegend – nach dem insoweit übereinstimmenden Parteivortrag – der Fall. Gleichwohl kann der Beklagte auf diesen Anspruch kein Zurückbehaltungsrecht stützen.

a)

Zunächst hat der Beklagte die Kaufgegenstände, für die er eine Rechnung verlangt, nur teilweise schlüssig dargetan. Der Kläger ist seiner Auflistung in einer Vielzahl von Positionen substantiiert entgegengetreten und hat dargetan, dass die entsprechenden Gegenstände durch den Beklagten etwa zurückgegeben bzw. zu keinem Zeitpunkt bezahlt worden seien. Der Beklagte hat sein Vorbringen daraufhin nicht weiter substantiiert oder tauglichen Beweis für seine Behauptung angetreten.

b)

Letztlich kommt es hierauf jedoch auch nicht an. Denn die Vereinbarung der Parteien vom 06. Oktober 2016 ist insoweit nach einer Gesamtabwägung als negatives Schuldanerkenntnis gemäß § 397 BGB auszulegen.

Das Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrages muss unmissverständlich erklärt werden. Bei der Auslegung mehrdeutiger Erklärungen, die einen Verzichtswillen enthalten könnten, ist zu berücksichtigen, dass Verzichte niemals zu vermuten sind; entsprechende Erklärungen sind stets eng auszulegen. Sie stellen unter Umständen nur eine Meinungsäußerung des Gläubigers dar, bestimmte Ansprüche von Rechts wegen nicht zu haben oder sie jedenfalls nicht durchsetzen zu können. […] In aller Regel muss sich der Verzichtende seines Rechts oder doch der Möglichkeit eines solchen bewusst sein, und zwar auch dann, wenn sich die Abrede nur darauf richtet, von einem Anspruch gegen den Schuldner keinen Gebrauch zu machen. Ausreichend ist allerdings, dass objektiv ein Erlassvertrag vorliegt und der Erklärende bei pflichtgemäßer Sorgfalt die Deutung als Erlass durch den Erklärungsempfänger hätte erkennen können (MüKoBGB/Schlüter, 8. Aufl. 2019, BGB § 397 Rn. 3).

In der Vereinbarung vom 06. Oktober 2016, die beide Parteien unterzeichnet haben, ist ausdrücklich vereinbart, dass „zwischen beiden Parteien keine weiteren Ansprüche bestehen“. Bereits die Formulierung legt die Auslegung nahe, dass Ansprüche beider Parteien umfasst sein sollten. Auch die unstreitigen sowie die von dem Beklagten behaupteten Umstände sprechen aber für diese Auslegung. Die Vereinbarung diente nach dem unstreitigen Vorbringen gerade dazu, Uneinigkeiten in der geschäftlichen Beziehung der Parteien, die sich auf die Veräußerung der Uhren bzw. des Schmucks beschränkte, zu beseitigen. Die Frage der Rechnungsstellung ist hiermit so eng verknüpft, dass es sich – gerade unter Unternehmern – förmlich aufdrängt, in diesem Zusammenhang auch eine Regelung zu den Rechnungen zu treffen, jedenfalls soweit auch in diesem Punkt Uneinigkeit besteht. Es ist davon auszugehen, dass dem Beklagten als Unternehmer sein Anspruch und sein Interesse an der Ausstellung von Rechnungen bekannt und bewusst war. Wenn er aber – wie er behauptet – anlässlich desselben Termins die Ausstellung von Rechnungen verlangt haben will, ist nicht nachvollziehbar, warum er nicht nur davon abgesehen haben will, diese Forderung in die Vereinbarung mit aufzunehmen, sondern darüber hinaus auch die einschränkungslose Formulierung des Anspruchsverzichts unbeanstandet ließ und das Dokument unterzeichnete. Die von dem Beklagten vertretene Einschränkung der Regelungsreichweite des Dokuments auf die Zahlungsverpflichtung des Beklagten aus den Uhrenlieferungen lässt sich der Vereinbarung gerade nicht entnehmen.

2.

Der Beklagte kann ein Zurückbehaltungsrecht darüber hinaus auch nicht mit Erfolg auf die von ihm behauptete Übergabe der Kunstwerke stützen.

a)

Die Kammer hat sich im Rahmen der Beweisaufnahme nicht davon überzeugen können, dass die Übergabe der Kunstwerke über die unstreitige Übergabe eines A-Werkes überhaupt und zudem mit einer entsprechenden Sicherungsabrede erfolgt wäre.

Die Aussage des Zeugen U war unergiebig. Der Zeuge vermochte sich nur daran erinnern, den Beklagten einmal zu einem Termin gefahren zu haben, weil dieser eine Mitfahrgelegenheit benötigt habe. Er bekundete jedoch auch, er habe keine Kenntnis davon gehabt, um was für einen Termin es sich gehandelt habe und ob seine Werke bei dieser Fahrt transportiert worden seien. Der Zeuge verfügte überhaupt über keinerlei Erinnerung, ob und welches Gepäck der Beklagte anlässlich der Fahrt bei sich gehabt habe. Der Zeuge konnte sich schließlich auch nicht daran erinnern, dass er mit dem Beklagten auch nur über seine Werke gesprochen hätte.

Erlassvertrag – unmissverständliche Erklärung und Auslegung der Vereinbarung
(Symbolfoto: Von Backgroundy/Shutterstock.com)

Der Zeuge M bestätigte zwar, er habe für den Beklagten die beiden A zum Kläger transportiert und diese seien sodann dort verblieben bzw. nicht von ihm zurücktransportiert worden. Die Aussage des Zeugen erscheint der Kammer allerdings nicht glaubhaft. Abseits des konkreten Beweisthemas berichtete der Zeuge selbstständig vergleichsweise ausführlich darüber wie er den Beklagten mehrmals zum Kläger gefahren habe. Von der Kammer in Richtung der Frage gelenkt, ob außer dem Kläger auch Gegenstände transportiert worden seien, antwortete der Zeuge demgegenüber eher knapp. Obgleich dem Zeugen das Beweisthema mitgeteilt worden war, bestätigte er zunächst mit nur einem Satz, der Beklagte sei mit Uhren zurückgekehrt. Erst auf weitere Nachfrage bestätigte der Zeuge, auch „die A, die in der Ladung standen“ transportiert zu haben, was er „definitiv“ sagen könne. Insoweit irritiert, dass der Zeuge nicht von sich aus auf den Transport zu sprechen kam. Entscheidend für die zur Überzeugungsbildung unzureichende Glaubhaftigkeit sind indes die Angaben des Zeugen zu dem Zweck des Transports. Der Zeuge gab nämlich – auf sehr konkrete Nachfrage des Beklagtenvertreters – an, es könne sein, dass ihm von dem Beklagten gesagt worden sei, dass die Bilder der Sicherung einer Forderung dienten. Er relativierte dies aber gleich wieder, indem er einräumte, er wisse dies aber nicht, weil er bei dem Gespräch nicht anwesend gewesen sei – nur um sofort darauf zu bestätigen, er meine aber, dass es so gewesen sei. Die Kammer vermag sich nicht davon zu überzeugen, dass dieser „Meinung“ des Zeugen ein tatsächliches Erleben zugrunde liegt. Auf entsprechende Nachfrage nämlich, wie der Zeuge zu dieser Einschätzung gelange, vermochte dieser keine Angaben zu machen. Auch auf die weitere Nachfrage der Kammer, ob die Bilder nicht auch Bezahlung hätten dienen können, zog sich der Zeuge darauf zurück, er sei bei dem Gespräch zwischen den Parteien des Rechtsstreites nicht anwesend gewesen. Von einer entsprechenden Aussage des Beklagten anlässlich der Fahrt war an dieser Stelle bereits keine Rede mehr. Insgesamt drängt sich der Kammer der Anschein einer Gefälligkeitsaussage für den Beklagten auf, der – wie der Zeuge offen einräumte – ein „guter Bekannter“ für diesen ist.

b)

Ohne dass es hierauf noch entscheidungserheblich ankäme, zieht die Kammer einen weiteren Gedanken bei der Beurteilung heran: Selbst wenn man die Behauptung des Beklagten, er habe die Werke übergeben, unterstellt, ist nicht nachvollziehbar, dass oder warum der Beklagte mit dem Kläger hierüber keine schriftliche Vereinbarung traf. Gerade angesichts des von dem Beklagten behaupteten Werts der Bilder hätte sich dies aufgedrängt, zumal der in der Vereinbarung vom 06. Oktober 2016 enthaltene Ausschluss weiterer Ansprüche im Raum stand. Der Beklagte hat auf Nachfrage der Kammer erklärt, er könne sich nicht erinnern, wann oder in welcher Reihenfolge die Termine zur Übergabe der Werke der Künstler A und P stattgefunden hätten. Es seien aber in jedem Fall zwei Termine gewesen. Unterstellt man nun, dass zunächst die Werke A übergeben wurden, wäre die Forderung des Klägers über 50.000,00 EUR schon übersichert gewesen. Unterstellt man dagegen, dass zunächst die Werke von U übergeben wurden, erscheint nicht schlüssig, dass mit der Übergabe gleich zweier A-Werke eine die Forderung weit übersteigende Sicherung übergeben worden sein soll, ohne die Werke P herauszuverlangen.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1, 708 Nr. 5, 711 ZPO.

III.

Der Streitwert wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.

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