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Ersatzfahrzeuganmietung – Anwendbarkeit Schwacke-Liste

AG Halle (Saale)

Az.: 93 C 1820/09

Urteil vom 29.09.2009


1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 580,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. März 2009 aus 510, 51 € zu bezahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.)

Entscheidungsgründe

Die Klage ist – bis auf einen kleinen Teil der Zinsforderung – begründet. Anspruchsgrundlage ist § 398 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 7 StVG und § 3 PflVG. Der Beklagte, dessen Haftung mit einer Haftungsquote von 100 % zwischen den Parteien unstreitig ist, muss die restlichen Mietwagenkosten gemäß § 249 BGB als Schadensersatz bezahlen, und zwar wegen der Abtretung nicht an die Geschädigte Marita Richter, sondern an die Klägerin.

Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH (vgl. etwa BGHZ 160, 377, 383 f.; 163, 19, 22 f.; Urteile vom 26. Oktober 2004 – VI ZR 300/03 -VersR 2005, 241, 242 f.; vom 15. Februar 2005 – VI ZR 160/04 -VersR 2005, 569 f. und – VI ZR 74/04 -VersR 2005, 568 f.; vom 9. Mai 2006 – VI ZR 117/05 -VersR 2006, 986 f.; vom 20. März 2007 – VI ZR 254/05 – NJW 2007, 2122; vom 12. Juni 2007 – VI ZR 161/06 – VersR 2007, 1144 f.; vom 19. Februar 2008 – VI ZR 32/07 – zitiert nach juris) kann der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann. Der Geschädigte verstößt allerdings noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zum Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem „Normaltarif“ teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.ä.) einen gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolge dessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind.

Der bei der Schadensberechnung nach § 287 ZPO besonders freie Tatrichter muss für die Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines „Unfallersatztarifs“ die Kalkulation des konkreten Unternehmens nicht in jedem Falle nachvollziehen. Vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen, wobei unter Umständen auch ein pauschaler Aufschlag auf den „Normaltarif“ in Betracht kommt. In Ausübung seines Ermessens nach § 287 ZPO kann der Tatrichter den „Normaltarif“ auch auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ im Postleitzahlengebiet des Geschädigten – gegebenenfalls mit sachverständiger Beratung – ermitteln (vgl. Urteile des BGH vom 12. Juni 2007 – VI ZR 161/06 – aaO, 1144 f.; vom 26. Juni 2007 – VI ZR 163/06 – aaO, jeweils m.w.N.; vom 24. Juni 2008 – VI ZR 234/07 – zitiert nach juris).

Dem Geschädigten ist ein Unfallersatztarif grundsätzlich in der Höhe zu ersetzen, die der Tatrichter zur Schadensbehebung als erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ansieht. Nur ausnahmsweise ist nach § 254 BGB ein niedrigerer Schadensersatz zu leisten, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer „Normaltarif“ in der konkreten Situation „ohne weiteres“ zugänglich war (vgl. etwa Urteil des BGH vom 6. März 2007 – VI ZR 36/06 – VersR 2007, 706, 707). Dies hat nach allgemeinen Grundsätzen der Schädiger darzulegen und zu beweisen (BGH, Urteil vom 24. Juni 2008 – VI ZR 234/07 – zitiert nach juris).

Beabsichtigt der Geschädigte eines Verkehrsunfalls die Anmietung eines Fahrzeuges im Reparaturzeitraum, ist er unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots zu Nachfragen nach günstigeren Tarifen nur dann verpflichtet, wenn der ihm angebotene Tarif mindestens 50 % über dem Modus der Schwacke-Liste des Unfalljahres liegt (OLG Dresden, Beschluss vom 29. Juni 2009, Az. 7 U 499/09, NJW-aktuell 39/2009, Seite VIII).

Nach diesen Grundsätzen muss die Beklagte die restlichen Mietwagenkosten bezahlen, da die insgesamt geforderten Mietwagenkosten lediglich 19 % über dem Mittel des Wertes der Schwacke-Liste liegen. Dies ist jedenfalls nicht substantiiert bestritten. Die Mietwagenkosten sind daher gemäß § 249 BGB erforderlich und von der Beklagten zu ersetzen. Angesichts des oben genannten Beschlusses des OLG Dresden war die Geschädigte auch nicht zu weiteren Erkundigungen, Nachfragen oder Internet-Recherchen verpflichtet.

Unerheblich ist auch, dass das beschädigte Fahrzeug ein BMW 318i, der Mietwagen aber ein BMW 320d Touring war. Es handelte sich ebenfalls um einen 3er BMW und damit angesichts der Tatsache, dass nach einem Unfall auf die Schnelle oft ein Mietfahrzeug, das mit dem geschädigten Fahrzeug baugleich ist, nicht aufzutreiben ist, nicht um ein „höherwertiges“ Fahrzeug.

Der Beklagte hat auch nicht bewiesen, dass der Geschädigten ein günstigerer Tarif „ohne weiteres“ zugänglich war. Die Anlage B 1 ist schon deshalb untauglich, weil das Angebot zum einen nicht den hier interessierenden Zeitraum, sondern den Zeitraum 13. bis 19. Juli 2009, betraf und weil zum anderen die genauen Konditionen (Kreditkarte erforderlich?) nicht erkennbar sind. Dies gilt auch angesichts der Option „Buchen und später zahlen“, da Mietwagenunternehmen bei Selbstzahlern üblicherweise vor Übergabe des Fahrzeugs eine Absicherung durch Kreditkarte verlangen und der Beklagte auch nicht bewiesen hat, dass die Geschädigte eine Kreditkarte hatte. (Für die Zugänglichkeit eines günstigeren Tarifs trägt, wie oben unter Verweis auf die BGH-Rechtsprechung ausgeführt, der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung die Darlegungs- und Beweislast.) Insoweit ist auch das von dem Beklagten angebotene Sachverständigengutachten ungeeignet, weil ein Sachverständiger nicht beweisen kann, dass gerade der Geschädigten im konkreten Fall ohne Kreditkarte ein günstigerer Tarif zugänglich gewesen wäre.

Ein Verstoß gegen § 1 RBerG liegt schon deshalb nicht vor, weil zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Vorfalls das RBerG nicht mehr in Kraft war. § 5 Abs. 1 RDG erlaubt gerade die Einziehung der Schadensersatzforderung des unfallgeschädigten Kunden durch das Mietwagenunternehmen.

Daher kann die Klägerin die restlichen Mietwagenkosten in Höhe von 510,51 € sowie als Verzugsschaden gemäß §3 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB die schlüssig vorgetragenen vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 72,20 €, mithin insgesamt 580,71 €, verlangen.

Der – nur für die Hauptforderungen erhobene – Zinsanspruch beruht auf § 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB, wobei Verzug, da zuvor keine Mahnung ausgesprochen wurde, erst am 19. März 2009 mit der Ablehnung einer weiteren Zahlung durch die Beklagte eintrat.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO. Es ist kein Grund zu erkennen, gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO die Berufung zuzulassen. Es liegt bereits eine Vielzahl höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung zur Erstattung von Mietwagenkosten nach Verkehrsunfällen vor, von der das Gericht auch nicht abgewichen ist. Insbesondere ist die – von der Beklagten bezweifelte – Anwendbarkeit der Schwacke-Liste wiederholt vom BGH und jetzt ganz aktuell vom OLG Dresden bestätigt worden.

Beschluss

Der Streitwert wird auf die Gebührenstufe bis 600,00 € festgesetzt.

 

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