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Ersatzurlaubsanspruch – Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers

LAG Sachsen

Az: 7 Sa 442/09

Urteil vom 26.01.2010


1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 11.06.2009 – 8 Ca 5517/08 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadenersatz für Ersatzurlaub für 2008.

Die Klägerin ist bei der Beklagten als Fachexpertin für Fotogrammetrie beschäftigt mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 2.350,00 €.

Nach der Ziffer 5 des Arbeitsvertrages vom 01.02.2006 hat die Klägerin einen jährlichen Urlaubsanspruch von 29 Arbeitstagen.

Die Beklagte kündigte der Klägerin mit Schreiben vom 25.01.2007 durch Änderungskündigung zum 31.03.2007. Das Angebot der geänderten Arbeitsvertragsbedingungen ab 01.04.2007 nahm die Klägerin nicht unter Vorbehalt an. Zwischenzeitlich steht durch rechtskräftiges Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts (6 Sa 736/08) die Unwirksamkeit dieser Kündigung fest.

Mit Schreiben vom 06.11.2008, welches der Beklagten am 07.11.2008 zuging, beantragte die Klägerin Urlaub für die Zeit vom 14.11.2008 bis zum 30.12.2008. Die Beklagte gewährte der Klägerin den geltend gemachten Urlaub jedoch nicht. Außerdem kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 28.11.2008 das Arbeitsverhältnis erneut zum Ablauf des 31.01.2009.

Die Klägerin erhob Feststellungsklage im Hinblick auf den Urlaub für das Jahr 2008 beim Arbeitsgericht am 19.12.2008.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Aufgrund der nicht wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Änderungskündigung vom 25.01.2007 habe das Arbeitsverhältnis auch im Jahre 2008 fortbestanden. Der Urlaubsanspruch sei rechtzeitig geltend gemacht worden. Die Beklagte habe den Urlaub nicht gewährt, so dass die Beklagte den Schaden zu ersetzen habe, der durch die während ihres Verzugs in Folge Zeitablaufs eingetretene Unmöglichkeit der Erfüllung des Urlaubsanspruchs entstanden sei.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, festzustellen, dass die Klägerin aus dem Jahr 2008 einen Ersatzurlaubsanspruch in Höhe von 29 Arbeitstagen hat.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Der Urlaubsanspruch für 2008 setzte ein wirksames Arbeitsverhältnis voraus. Bei einem Prozessarbeitsverhältnis besteht nach der Rechtsprechung des BAG das alte Arbeitsverhältnis nicht fort.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 110 bis 111 d. A.) Bezug genommen.

Gegen das am 18.06.2009 zugestellte Endurteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 11.06.2009 hat die Beklagte am 15.07.2009 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel am 14.08.2009 wie folgt begründet:

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts lägen die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nicht vor. So sei zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts hinsichtlich der Änderungskündigung noch nicht rechtskräftig gewesen. Dazu sei gekommen, dass die Beklagte mit Schreiben vom 28.11.2008 eine weitere Beendigungskündigung ausgesprochen habe. Damit habe sich die Klägerin vom 01.01.2008 bis zum 31.03.2009 durchgängig in einem Weiterbeschäftigungsverhältnis und gerade nicht in einem Arbeitsverhältnis befunden.

Selbst wenn für das Jahr 2008 ein Ersatzurlaubsanspruch der Klägerin bestanden haben sollte, sei dieser Anspruch bis auf sechs Urlaubstage durch Erfüllung erloschen. Zwar habe die Klägerin bislang nur eine Bescheinigung ihres neuen Arbeitgebers über die Gewährung von 21 Urlaubstagen für das Jahr 2008 vorgelegt, es sei jedoch davon auszugehen, dass die Klägerin bei der … GmbH ihren gesamten Jahresurlaub von 23 Tagen genommen habe.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 11.06.2009, Az. 8 Ca 5517/09, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 11.06.2009 Az. 8 Ca 551/08 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Klägerin hat unter Verteidigung der erstinstanzlichen Entscheidung auf die Berufungsbegründung erwidert, das Urteil des Sächs. LAG vom 23.04.2009 sei zwischenzeitlich rechtskräftig. Damit stehe fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25.01.2007 nicht beendet wurde. Auf die von der Beklagten am 28.11.2008 ausgesprochene Kündigung komme es nicht an, da sie erst mit Ablauf des 31.01.2009 wirken sollte. Damit stehe fest, dass der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses im Jahre 2008 nicht betroffen war.

Für den Anspruch entscheidend sei der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses, der hier vorliege.

Es stimme nicht, dass ein Schadensersatzanspruch der Klägerin bis auf sechs Urlaubstage erloschen sei. § 6 BUrlG regele lediglich den Ausschluss von Doppelansprüchen, soweit dem Arbeitnehmer für das laufende Kalenderjahr von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt worden ist. Diese Voraussetzungen lägen hier aber nicht vor. Es habe im Ausgangsfall ein sog. Doppelarbeitsverhältnis bestanden, für das die gesetzliche Beschränkung des § 6 BUrlG nicht gelte.

Zur Ergänzung des beiderseitigen Sachvortrags im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig statthaft sowie rechtzeitig eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel ist jedoch erfolglos, denn die Klage ist mit Recht stattgegeben worden, denn die Klägerin hat Anspruch auf Ersatz des Urlaubs für 2008 in Höhe von 29 Arbeitstagen.

1. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass nach der Rechtsprechung des BAG ein Anspruch auf Ersatzurlaub als Schadensersatz nach den §§ 286 Abs. 1, 280 Abs. 1, 287 Satz 2, 249 Satz 1 BGB dann bestehe, wenn der Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch erfolglos geltend gemacht habe. Der Arbeitgeber habe auch für den während seines Verzugs eingetretenen Untergangs des Urlaubsanspruches einzustehen. So gerate der Arbeitgeber dann in Verzug, wenn er den vom Arbeitnehmer angemahnten Urlaub grundlos nicht gewähre.

Voraussetzung für den Urlaubsanspruch sei jedoch das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Aufgrund der Entscheidung des Sächsischen Landesarbeitsgerichts am 23.04.2009 stehe fest, dass die Änderungskündigung vom 25.01.2007 das Arbeitsverhältnis der Parteien auch in 2008 nicht beendet habe. Die weitere Kündigung vom 28.11.2008 sei von der Beklagten zum 31.01.2009 ausgesprochen worden. Zwar steht noch nicht rechtskräftig fest, ob die Änderungskündigung vom 25.01.2008 unwirksam sei, da die Beklagte noch die Möglichkeit der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen die LAG-Entscheidung habe. Die Beklagte habe jedoch keine ausreichende Begründung im Verfahren vorgetragen, die eine andere Entscheidung zur Kündigung zulasse.

Die Auffassung der Beklagten, dass das Arbeitsverhältnis bei Prozessbeschäftigung nicht weiter bestehe, sei unbeachtlich. Die Entscheidungen des BAG vom 10.03.1987 und vom 17.01.1991 unterschieden sich vom vorliegenden Fall und seien deshalb nicht heranzuziehen. Außerdem hätten die Parteien in 2008 keine Vereinbarung über eine Beschäftigung im Kündigungsschutzprozess getroffen.

Durch das Schreiben der Klägerin vom 06.01.2008 liege auch ein Verzug vor. Die Klägerin habe wirksam ihren Urlaubsanspruch in Höhe von 29 Arbeitstagen in 2008 geltend gemacht. Die Beklagte habe den Urlaub nicht gewährt. Aufgrund des Verzugs habe die Beklagte anstelle des ursprünglichen Urlaubsanspruchs als Schadenersatz 29 Arbeitstage Ersatzurlaub der Klägerin zu gewähren.

2. Die Kammer folgt den zuvor kurz zusammengefassten Ausführungen des Arbeitsgerichts, so dass zur Vermeidung von Wiederholungen auf die dortigen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird. Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine Entscheidung zugunsten der Beklagten.

a) Die Klägerin hat für das Jahr 2008 einen Urlaubsanspruch gemäß § 1 BurlG erworben. Dies steht fest aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Sächsischen LAG vom 23.04.2009 (6 Sa 736/08). Unschädlich ist, dass die Klägerin im Jahr 2008 nicht gearbeitet hat, denn der Urlaubsanspruch setzt nur den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses voraus. Die von der Beklagten am 28.11.2008 ausgesprochene Kündigung zum 31.01.2009 berührt den Urlaubsanspruch für das Kalenderjahr 2008 nicht.

Die Klägerin hat ihren Urlaubsanspruch für das Kalenderjahr unstreitig rechtzeitig, hier konkret am 07.11.2008, für den Zeitraum vom 14.11.2008 bis zum 30.12.2008 geltend gemacht. Die Beklagte hat den beantragten Urlaub nicht gewährt. Da der Urlaub bis zum 31.03.2009 nicht mehr in natura eingebracht werden kann, steht der Klägerin daher ein Urlaubsabgeltungsanspruch für 2008 in voller Höhe von 29 Arbeitstagen in Form eines Schadensersatzanspruchs zu. Insoweit wird auf die erstinstanzlichen Ausführungen verwiesen.

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten, ist der Anspruch der Klägerin auch nicht auf nur sechs Arbeitstage zu kürzen. Es ist unschädlich, dass die Klägerin im Jahre 2008 ein anderes Arbeitsverhältnis eingegangen war und dort einen Urlaubsanspruch erworben und auch zumindest teilweise realisiert hat. § 6 Abs. 1 BurlG findet keine Anwendung.

Nach dieser Bestimmung besteht der Anspruch auf Urlaub nicht, soweit dem Arbeitnehmer für das laufende Kalenderjahr bereits von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt worden ist. Hierdurch wird nur der Anspruch im neuen Arbeitsverhältnis dann ganz oder teilweise ausgeschlossen, soweit Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers bereits im früheren Arbeitsverhältnis erfüllt worden sind und auch im neuen Arbeitsverhältnis kein Urlaubsanspruch auf eine höhere Zahl von Urlaubstagen als im früheren Arbeitsverhältnis entsteht. § 6 BUrlG schließt nur Urlaubsansprüche im neuen Arbeitsverhältnis aus, enthält aber für den umgekehrten Fall keine Regelung (BAG vom 28.2.1991 – 8 AZR 196/90 –, NZA 1991, 944).

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Eine Anrechnungsbefugnis für die Beklagte folgt schließlich auch nicht unter Heranziehung der § 11 KSchG und § 615 Satz 2 BG… Beide Regelungen haben nur die Anrechnung von Vergütungsansprüchen für Arbeitsleistungen zum Gegenstand, die ein Arbeitnehmer in einem anderen Arbeitsverhältnis erworben hat oder hätte erwerben können. Der Urlaub ist nämlich keine Vergütung. Der Urlaubsanspruch entsteht vielmehr unabhängig von erbrachten Arbeitsleistungen und ist auf die Freistellung von Arbeitspflichten gerichtet. Daran ändert nichts, dass nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Umwandlung des Urlaubsanspruchs in den Urlaubsabgeltungsanspruch der Arbeitgeber verpflichtet ist, an den Arbeitnehmer einen Geldbetrag zu zahlen, der dem Entgelt entspricht, das an den Arbeitnehmer während seines Urlaubs bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses zu zahlen gewesen wäre. Damit wird der Urlaubsabgeltungsanspruch nicht zum Vergütungsanspruch (BAG a. a. O.). Gleiches gilt für den Ersatzanspruch.

c) Im Ergebnis steht daher fest, dass der Klägerin für 2008 ein Ersatzurlaubsanspruch für 29 Arbeitstage zusteht.

Die Berufung der Beklagten war aus vorstehenden Gründen zurückzuweisen.

III.

Kosten: § 97 Abs. 1 ZPO

Gesetzliche Gründe für die Zulassung der Revision haben nicht vorgelegen.

Auf die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

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