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Erstattung gezahlter Gaskosten wegen unwirksamer Preisanpassungsklausel

LG Hamburg – Az.: 321 O 493/09 – Urteil vom 17.10.2011

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 75.314,87 nebst Zinsen in Höhe von 5%Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.1.2010 zu zahlen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 15%, die Beklagte 85 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Erstattung von Zahlungen für Gaslieferungen in Anspruch.

Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein, dessen satzungsmäßige Aufgabe u.a. die Wahrnehmung und Stärkung der Rechte der Verbraucher ist.

Die Beklagte ist ein Tochterunternehmen der E. AG, die 2003 aus dem Zusammenschluss der S. AG, der H. GmbH und der H. GmbH hervorgegangen ist und zum 01.09.2008 ihr Vertriebsgeschäft Strom und Gas auf die Beklagte ausgegliedert hat. Im Zuge dieser Umstrukturierung sind alle Strom- und Gaslieferungsverträge der E. AG sowie die hierauf beruhenden Ansprüche auf die Beklagte übergegangen.

Im Zusammenhang mit einer verstärkten Debatte und Auseinandersetzung über die Berechtigung von Preiserhöhungen bei Gaslieferungen ließ der Kläger sich im Rahmen einer „Fragebogenaktion“ bei Vereinbarung von „Erfolgsbeteiligungen“ von einer Reihe von Kunden der Beklagten Erklärungen unterzeichnen, worin diese u.a. erklärten, bestimmte Erstattungsforderungen „zur Einziehung per Sammelklage“ abzutreten (Anlagenkonvolut K 2). Ob diese Abtretungen wirksam erfolgten, ist zwischen den Parteien streitig.

Die o.g. Kunden beziehen oder bezogen aufgrund von Sonderverträgen an den sie betreffenden Abnahmestellen Erdgas und hatten nach Einlegung von Widersprüchen (beispielhaft Anlagen B 5, B 6) gegen Preiserhöhungen unter Vorbehalt gezahlt (Anlagenkonvolut K 2).

Die (Sonder-)Verträge sehen dabei neben einem verbrauchsunabhängigen Grundpreis einen Arbeitspreis für die abgenommene Gasmenge vor. In den Verträgen – beispielhaft für die Zedenten zu 1) (Anlage K 3) – heißt es unter anderem:

„H. ist berechtigt, ihre Preise der Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt anzupassen.

Die umseitig abgedruckten „Allgemeinen Bestimmungen zum Sondervertrag H., H. und H. der H. GmbH“ sind Bestandteil dieses Vertrages.“

In Ziff. 1.3 dieser Allgemeinen Bestimmungen heißt es:

„Die Gaslieferung erfolgt gemäß der „Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden“ (AVBGasV) vom 21. Juni 1979 (BGBl. I S. 676) in der jeweils gültigen Fassung. Bei Widersprüchen haben die Bestimmungen dieses Vertrages vor denen der AVBGasV den Vorrang.“

Der Kläger trägt vor, diese Klauseln seien intransparent, inhaltlich unangemessen und damit unwirksam.

Ein einseitiges Preisänderungsrecht ergebe sich auch nicht aus den – ohnehin auf Sondervertragskunden nicht anwendbaren – Verordnungen über die Gasversorgung (AVBGasV bzw. GasGVV).

Auch eine Anpassung im Wege ergänzender Vertragsauslegung sei angesichts des Verbotes der geltungserhaltenden Reduktion nicht zulässig.

Die Höhe der Klagforderung ergebe sich hinreichend aus den Aufstellungen gemäß Anlagen K 1, K 2, K 1.3 sowie beispielhaft K 7a – K 7d bzw. K 7c-2; dabei würden auch nur Forderungen aus der – unverjährten – Zeit ab dem 1.1.2006 geltend gemacht, dies – wie im Termin vom 30.6.2010 ausdrücklich klargestellt wurde – auf der Grundlage der zuletzt vor Einlegung des Widerspruchs unbeanstandet gebliebenen Preise.

Der Kläger beantragt, nachdem er die weitergehende Klage bzgl. des Zedenten Nr. 44 zurückgenommen hat, die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 86.652,35 nebst Zinsen in Höhe von 5%Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.1.2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor, die Abtretungsklauseln seien sowohl wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz als auch im Hinblick auf das AGB-rechtliche Verbot überraschender Klauseln unwirksam; im Übrigen seien sie angesichts der Höhe des vereinbarten Erfolgshonorars auch sittenwidrig (vgl. Anlage B 13). Der Kläger sei hier nicht uneigennützig tätig, sondern verfolge eigenwirtschaftliche Zwecke.

Dass den Zedenten der Abtretungswille gefehlt habe, zeige sich im Übrigen auch daran, dass eine Reihe von ihnen die angeblich abgetretenen Forderungen nach wie vor im eigenen Namen geltend mache (Anlage B 31).

So seien die in Rechnung gestellten Preise auch nicht etwa unangemessen, sondern marktüblich (Anlagen B 2, B 15); Preisanpassungen seien aufgrund der branchenüblichen Ölpreisbindung bei den Bezugskosten erforderlich gewesen (Anlagen B 3, B 4). Die Beklagte habe angesichts einer Reihe weiterer Anbieter auch nicht etwa eine Monopolstellung auf dem H. Gasmarkt inne (Anlage B 1).

Die Sonderkunden seien zudem bei Vertragsschluss mit angemessenen – im Laufe der Zeit auch erhöhten – variablen Preisen einverstanden gewesen; eine Reihe der Zedenten habe die Preiserhöhungen dem Grunde und teilweise der Höhe nach ausdrücklich anerkannt (exemplarisch Anlagen B 5 – B 7, B 26 a und b, B 29); es sei diesen lediglich um eine Billigkeitskontrolle der konkreten Höhe gegangen.

Im Übrigen sei auch bei Unwirksamkeit einer Preisanpassungsklausel ein angemessener, marktüblicher Preis geschuldet; ein Anspruch auf einen günstigeren Preis bestehe nicht (vgl. Anlage B 10). Im Wege ergänzender Vertragsauslegung stehe der Beklagten daher ein der Billigkeitskontrolle unterliegendes Änderungsrecht zu (vgl. Anlage B 28).

Ab 1.6.2007 sei zudem eine neue Preisanpassungsklausel entsprechend § 5 Abs.2 GasGVV Vertragsbestandteil geworden (Anlage B 17).

Der Anspruch sei zudem – unabhängig vom Fehlen einer rechtlichen Grundlage – nicht schlüssig dargelegt; die Höhe und Zusammensetzung der Forderung sei nicht nachvollziehbar dargetan, weil es an einer Angabe des gesamten Rechnungsbetrages für die jeweiligen – im Übrigen unterschiedlich langen – Abrechnungsperioden und der Verbrauchsmengen fehle. Allein die Mitteilung des „Rechnungsbetrages nach Vorauszahlungen“ sei unzureichend.

Im Einzelnen:

Erstattung gezahlter Gaskosten wegen unwirksamer Preisanpassungsklausel
Symbolfoto: Von ppart/Shutterstock.com

Der Zedent Nr. 1) habe unzutreffende Preise zugrunde gelegt, weil der erste Widerspruch am 31.7.2005 eingelegt worden sei (Anlage B 16); zu diesem Zeitpunkt habe ein Arbeitspreis von 3,854 ct/kWh (netto) und ein Grundpreis von 144 € (netto) gegolten. Im Übrigen sei dem Umstand unterschiedlich langer Abrechnungsperioden nicht Rechnung getragen worden (Anlage B 27).

Entsprechendes gelte bzgl. der Zedenten Nr. 15) und Nr. 3). Auch diese hätten unzutreffende Preise zugrunde gelegt.

Der Zedent Nr. 47) habe dies gleichermaßen getan; bei Zugrundelegung eines vereinbarten Arbeitspreises von (umgerechnet) 3,47 ct/kWh ergebe sich allenfalls eine Forderung von € 360,47 (brutto), nicht aber € 577,34, bei Abzug verjährter Forderungen für Zahlungen vor dem 1.1.2006 verbleibe nur ein Betrag von € 344,70.

Der Zedent Nr. 16) habe entgegen dem Vorbringen des Klägers keine Zahlungen erbracht; insoweit sei ein Verfahren anhängig.

Schließlich seien etwaige Forderungen verwirkt (Anlagen B 11, B 12a) und – jedenfalls bzgl. etwaiger bis zum 31.1.2005 entstandener Ansprüche – verjährt. So mache der Kläger entgegen seiner Behauptung auch Forderungen aus (Abschlags-)Zahlungen im Jahr 2005 geltend, dies in Höhe eines Gesamtbetrages von € 8.747,32 (Anlage B 33).

Der Kläger repliziert, die Abtretungen seien gemäß § 8 Abs.1 Nr. 4 RDG erlaubt; auch die Erfolgsbeteiligung stehe nicht entgegen, sondern sei angesichts der konkreten Situation sinnvoll.

Soweit die Parteien des Liefervertrages bei Vertragsschluss von variablen Preisen ausgegangen seien, hätte die Beklagte dies im Wege von (Änderungs-)Kündigungen durchsetzen können und müssen.

die Erkennbarkeit von überhöhten Zahlungen, die erst mit Zugang der jeweiligen Jahresrechnung vorliege. Im Übrigen gelte die für Schadensersatzansprüche maßgebliche 10-Jahresfrist.

Mit Beschluss vom 29.6.2011 hat das Gericht das schriftliche Verfahren angeordnet. Die Parteien konnten Schriftsätze wechseln bis zum 4.10.2011.

Wegen des sonstigen Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist zulässig, hat in der Sache jedoch nur zum Teil Erfolg.

Dem Kläger steht gemäß §§ 812 Abs.1, 398 BGB aus abgetretenem Recht eine Forderung gegen die Beklagte im zuerkannten Umfang zu. In dieser Höhe wurden von den Zedenten, die ihre Forderungen abgetreten haben, rechtsgrundlose Zahlungen geleistet, weil es aufgrund unwirksamer Preisanpassungsklauseln an einer vertraglichen Grundlage fehlte. Weitergehende Ansprüche sind demgegenüber nicht schlüssig dargelegt bzw. verjährt.

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Hierzu im Einzelnen:

1. Der Kläger ist aktivlegitimiert, denn die Abtretungen der Zedenten (Anlagenkonvolut K 2, dort jeweils Ziffer 6.1) sind wirksam.

a) Abtretungserklärungen der Zedenten liegen vor; der Kläger hat diese Abtretungen auch angenommen. Dass einige der Zedenten nunmehr selbst im eigenen Namen an die Beklagte herangetreten sind (Anlage B 31), steht dem nicht entgegen. Zum einen ist schon nicht dargetan, dass es sich in allen Fällen um die abgetretenen Forderungen handelt und dass nicht vielmehr unterschiedliche Zeiträume betroffen sind. So ist das in den Schreiben Anlagenkonvolut B 31 genannten Zahlenwerk nicht deckungsgleich mit den der Klage zugrunde liegenden Forderungsbeträgen.

Zum anderen lässt sich aus der Tatsache der (erneuten) Geltendmachung auch nicht entnehmen, dass es den Zedenten seinerzeit an einem Abtretungswillen fehlte. Um eine überraschende Klausel handelt es sich – sofern man überhaupt davon ausgeht, dass es sich um eine der Kontrolle unterliegende Allgemeine Geschäftsbedingung handelt (vgl. insoweit Palandt-Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 307 Rn. 57zur beschränkten Inhaltskontrolle bei Leistungsbeschreibungen, die unmittelbar die Hauptleistung festlegen) – jedenfalls nicht.

b) Der Wirksamkeit der Abtretung steht auch nicht die Regelung des § 8 Abs.1 Nr. 4 RDG entgegen (vgl. auch Anlage ESK 17). Der Kläger handelt im Rahmen seiner satzungsmäßigen Aufgaben. Seine Einschaltung dient dabei der Durchsetzung wirtschaftlicher Individualinteressen eines oder mehrerer Verbraucher sowie einem kollektiven Verbraucherinteresse und ermöglicht eine effektivere Durchsetzung dieses kollektiven Verbraucherinteresses. Dies ist vor allem deshalb der Fall, weil eine Klärung der Fragen im Wege einer Individualklage zwar nicht ausgeschlossen ist, faktisch aber Umstände vorliegen, die geeignet sind, den einzelnen Verbraucher hiervon abzuhalten, sei es wegen der geringen Anspruchshöhe oder aber wegen unverhältnismäßig hoher Prozesskosten und einem besonderen Prozessrisiko, ferner auch wegen erheblicher praktischer Durchsetzungsschwierigkeiten aufgrund besonderer Probleme der Informations- oder Beweismittelbeschaffung (vgl. BGH ZIP 2006, 2359). Für jeden einzelnen Kunden handelt es sich um eine Anspruchshöhe, die in ihrer Bedeutung nicht so gewichtig ist, wie die vorliegende Forderung in der summierten Form. Auch ist das Prozessrisiko für den einzelnen Kunden relativ hoch; der positive Ausgang des Rechtsstreits ist für den einzelnen Kunden schwieriger zu erreichen, als bei Einschaltung des Klägers.

c) Die Abtretung ist auch nicht etwa im Hinblick auf die vereinbarte „Erfolgsbeteiligung“ gemäß § 138 BGB sittenwidrig und nichtig. Es liegt weder die Ausnutzung einer Zwangslage noch ein auffälliges Missverhältnis vor.

2. Aufgrund der Abtretungen stehen dem Kläger als Zessionar dem Grunde nach bereicherungsrechtliche Forderungen gemäß §§ 812 Abs.1, 398 BGB zu, weil die Leistungen der Zedenten insoweit ohne Rechtsgrund erfolgten. Jedenfalls die Zahlungen nach den jeweiligen Widersprüchen gegen Preiserhöhungen entbehrten einer vertraglichen Grundlage.

Dabei kann es dahinstehen ob aufgrund der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel lediglich der zum Zeitpunkt des (ersten) Vertragsschlusses geltende Preis geschuldet wurde, da der Kläger mit seiner Klage – wie er wiederholt ausdrücklich erklärt hat – nur Überzahlungen über den zuletzt vor Einlegung des Widerspruchs unbeanstandet gebliebenen Gaspreis hinaus geltend macht.

a) Die von der Beklagten insoweit vorgenommenen Preiserhöhungen waren nicht wirksam, weil die vertraglichen Preisanpassungsklauseln einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nicht standhalten. Die von der Beklagten in den Sonderverträgen verwendeten Preisanpassungsklauseln unterliegen als Allgemeine Geschäftsbedingungen der Inhaltskontrolle und sind gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Sie benachteiligen die Kunden unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben und genügen darüber hinaus auch nicht dem Transparenzgebot.

Eine unangemessene Benachteiligung durch Preisanpassungsklauseln liegt u.a. dann vor, wenn diese

„nur das Recht [des Versorgungsunternehmens] vorsehen, Erhöhungen ihrer Gasbezugskosten an ihre Kunden weiterzugeben, nicht aber die Verpflichtung, bei gesunkenen Gestehungskosten den Preis zu senken“ (BGH, NJW 2010, 993, Rn. 25).

Dies ist hier der Fall, denn die verwendete Klausel enthält jedenfalls in der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung (vgl. BGH, NJW 2010, 993, Rn. 25; BGH, NJW 2008, 2172, Rn. 19) keine Verpflichtung, gefallenen Gasbezugskosten nach gleichen Maßstäben wie gestiegenen Kosten Rechnung zu tragen.

Die Anforderungen des gesetzlichen Preisanpassungsrechts aus § 4 AVBGasV und § 5 GasGVV, die auch eine Pflicht zur Preissenkung enthalten, können nicht etwa wegen der Leitbildfunktion dieser Normen in die Anpassungsklausel hineingelesen werden. Es fehlt an einer unveränderten Übernahme (vgl. BGH, NJW 2010, 993, Rn. 29).

Die streitgegenständliche Klausel benachteiligt den Beklagten überdies deshalb unangemessen, weil sie nicht hinreichend klar und verständlich ist, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Es soll verhindern, dass der Verwender durch einen ungenauen Tatbestand oder eine ungenaue Rechtsfolge ungerechtfertigte Beurteilungsspielräume in Anspruch nehmen kann. Preiserhöhungsklauseln müssen grundsätzlich die Voraussetzungen sowie den zulässigen Umfang der Erhöhungen konkretisieren (Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 307, Rn. 23, BGH, NJW 1980, 2518, 2519; BGH, NJW 1986, 3134, 3135).

Die von der Klägerin verwendete Klausel wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Aus der Formulierung „… ist berechtigt, ihre Preise der Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt anzupassen“ wird lediglich der Anlass der Preiserhöhungen ersichtlich, nicht aber die erforderlichen Angaben über die Kriterien und den Umfang einer Preisanpassung. Die Formulierung „anpassen“ eröffnet einen Spielraum, der keinerlei Einzelheiten erkennen lässt.

Eine tatbestandliche Konkretisierung ist vorliegend aus den o.g. Gründen auch nicht etwa nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Preisanpassungsklauseln, die das gesetzliche Anpassungsrecht nach § 4 AVBGasV unverändert übernehmen, übertragbar.

b) Ein Preisänderungsrecht ist der Beklagten auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zuzubilligen. Diese kommt nur dann in Betracht,

„wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, dass den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge einseitig zu Gunsten des Kunden verschiebt“ (BGH, NJW 2010, 993, Rn. 44).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, denn der Wegfall der beanstandeten Klausel führt nicht dazu, dass das Vertragsgefüge völlig einseitig zu Gunsten der Zedenten verschoben wird. Der Beklagten stand es nach den vertraglichen Regelungen frei, das Vertragsverhältnis zu kündigen. Entgegen der Auffassung des Hanseatischen Oberlandesgerichts in seinem Beschluss vom 09.12.2010 (13 U 211/09, Anlage B 25) hatte die Beklagte auch Anlass, Kündigungen in Erwägung zu ziehen. Dies gilt auch, soweit in einzelnen Widerspruchsschreiben ausgeführt wird, welche Preiserhöhung der Kunde für angemessen hielte, denn hierdurch wurde der Beklagten kein schutzwürdiges Vertrauen vermittelt, das sie von der Erwägung einer Kündigung hätte abhalten müssen. Letztlich würde sie sich damit nur darauf berufen, dass sie sich von der von ihr selbst geschaffenen unwirksamen Preisanpassungsklausel von einer Kündigung habe abhalten lassen. Gerade hierauf kann sie sich aber nicht berufen (vgl. hierzu Landgericht Lübeck, Beschluss vom 1.12.2010, 1 S 28/10). Im Bereich des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen trägt grundsätzlich der Verwender das Risiko, dass eine zunächst unbeanstandet gebliebene Klausel in späteren höchstrichterlichen Entscheidungen wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners als unwirksam beurteilt wird.

Da der Kläger zudem nur Zahlungen zurückverlangt, die nach Widersprüchen gegen Preiserhöhungsverlangen geleistet wurden, ist die ergänzende Vertragsauslegung auch nicht aufgrund der vom BGH in NJW 2011, 50, 54 – Tz. 52 genannten Grundsätze eröffnet. Diese greifen nur ein, soweit Kunden bei langjährigen Gasversorgungsverhältnissen den Preiserhöhungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen haben und sodann – dies auch für länger zurück liegende Zeitabschnitte – deren Unwirksamkeit geltend machen, Ein derartiger Sachverhalt liegt hier nicht vor.

c) Die Zedenten haben die Preiserhöhungen auch nicht durch den Weiterbezug des Gases anerkannt; dies auch nicht teilweise in bestimmtem Umfang oder soweit sie der Billigkeit entsprechen, weil – anders als bei einseitigen Preisanpassungen in einem Tarifkundenvertrag – bereits zweifelhaft ist, ob das Versorgungsunternehmen den Preis überhaupt anpassen durfte. Es besteht damit nicht allein Ungewissheit über die Billigkeit einer Preisanpassung, bei der eine gerichtliche Kontrolle nur stattfindet, wenn der Kunde dies durch Klage geltend macht oder gegenüber der Leistungsbestimmung des Versorgers den Einwand der der Unbilligkeit erhebt und der Versorger im Wege der Leistungsklage vorgeht (BGH, Urteil vom 14.07.2010, Az.: VIII ZR 246/08 = BeckRS 2010, 18944, Rn. 59).

Dies ist auch nicht etwa deshalb anders zu beurteilen, weil den Zedenten bei Vertragsschluss bewusst war, dass keine festen, sondern variable Preise gelten sollten; diese mussten vereinbart werden. Einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zedenten bedarf es daher nicht.

Die Zedenten haben die Preise auch nicht deshalb anerkannt, weil möglicherweise in einzelnen Widerspruchsschreiben lediglich die Unbilligkeit der Preisanpassungen gerügt wurde. Hieraus lässt sich nicht entnehmen, dass andere Gründe, die zur Unwirksamkeit der Preiserhöhung führen könnten, außer Streit gestellt werden sollten.

Es fehlt auch an einem „Anerkenntnis“ oder einer „Vereinbarung“ einer 2%igen Erhöhung. Soweit in den Widerspruchsschreiben von einer derartigen Erhöhung die Rede ist, stellt dies ein Angebot dar und ist deshalb nicht zugrunde zu legen, weil die Beklagte ein solches Angebot gerade nicht angenommen hat (vgl. hierzu Anlage ESK 11).

d) Auch seit dem 01.06.2007 waren die Preisanpassungen für die Zedenten nicht verbindlich, weil die Beklagte die Sondergaslieferungsverträge nicht mit Wirkung zu diesem Zeitpunkt wirksam geändert hat. Dies gilt auch angesichts des Schreibens der Beklagten vom 10.4.2007 (Anlage B 17), weil hierdurch keine unmittelbare Anwendung des § 5 Abs.2 GasGVV vereinbart wurde. Eine einseitige Änderung der Verträge war auf diesem Weg nicht möglich; an einer einvernehmlichen Änderung fehlt es.

Dieses Schreiben stellt nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont lediglich eine Mitteilung dar, nicht etwa ein Angebot der Beklagten auf eine Vertragsänderung. Nur dies geht aus der Formulierung hervor, die bisherigen Vertragsbestandteile würden „… hiermit durch die GasGVV und die zugehörigen Ergänzenden Bedingungen der … ersetzt“ (vgl. Anlage ESK 11).

3. Der Höhe nach ist die Forderung des Klägers jedoch lediglich im zuerkannten Umfang begründet.

Abgesehen von der Klagrücknahme bzgl. des Zedenten Nr. 44) sind die auf die Zedenten Nr. 3), 15) und 16) entfallenden Beträge abzuziehen; so dass rechnerisch noch ein Anspruch von € 83.766,20 verbleibt. Der Kläger hat die Forderung (nur) insoweit schlüssig dargelegt.

Jedenfalls anhand der beispielhaft vorgelegten Berechnungen (Anlagen K 7a ff.) ist nachvollziehbar, in welcher Weise die Klagforderung errechnet wurde und wie die Zedenten dabei nach den Vorgaben des „Fragebogens“ vorgegangen sind. Es werden sowohl die (taggenauen) Abrechnungsperioden genannt als auch die jeweiligen Einsatzpreise und die geleisteten Zahlungen.

Ob dabei Fehler unterlaufen sind, betrifft – wie der Kläger zu Recht geltend macht – nicht die Frage der Schlüssigkeit, sondern der Begründetheit (vgl. zu allem Zöller-Greger, ZPO, 27. Aufl., § 138 Rn. 7b ff.; vor § 253 Rn. 23). Der Beklagten ist auf jeden Fall eine konkrete Erwiderung ermöglicht worden, weil für sie ohne Weiteres nachprüfbar ist, anhand welcher Kriterien und in welcher Weise die Einzelbeträge errechnet wurden. Dass ihr die zugrunde liegenden eigenen Rechnungen nicht (mehr) vorliegen, wird nicht behauptet.

Dass eine Prüfung möglich ist, zeigt sich im Übrigen eindrucksvoll daran, dass die Beklagte betreffend einzelner Zedenten (dazu sogleich) detaillierte Einwendungen vorgebracht hat.

a) Bzgl. folgender Zedenten hat die Beklagte – abgesehen vom Verjährungseinwand (dazu unten 3b) – demgegenüber keine konkreten Einwendungen vorgebracht: Nr. 2, 4-14, 17-43, 45-46, 48-55.

Soweit sie geltend gemacht hat, die Zedenten Nr. 1) hätten fehlerhafte Preise zugrunde gelegt, hat sie dies nach der konkreten Darlegung des Klägers (vgl. Schriftsatz vom 17.8.2011, S. 4f = Bl. 241 d.A.) nicht mehr konkret wiederholt.

Auch die zunächst bzgl. des Zedenten Nr. 47) geltend gemachten Einwendungen werden von der Beklagten nach weiterem Vorbringen des Klägers nicht mehr aufgegriffen.

b) Damit ergibt sich eine Forderung im zuerkannten Umfang; weitergehende Ansprüche sind demgegenüber nicht gerechtfertigt.

So ist nämlich der Kläger seinerseits – anders als bzgl. der Zedenten Nr. 1) und 47) – bzgl. der Zedenten Nr. 3) und Nr. 15) der Behauptung der Beklagten, diese hätten bei der Berechnung falsche Preise zugrunde gelegt, nichtkonkret entgegengetreten.

Entsprechendes gilt bzgl. des Zedenten Nr. 16). Hier ist der Kläger der Behauptung der Beklagten, es seien keine Zahlungen geleistet worden, so dass diesbzgl. ein Rechtsstreit geführt werde, nicht entgegengetreten.

Da den Kläger angesichts des konkreten Bestreitens eine weitergehende Darlegungs- und Substantiierungslast – auch bzgl. der Höhe des Anspruchs – traf, ist die Forderung insoweit nicht schlüssig.

Bzgl. der Übrigen – dem Grunde nach gerechtfertigten – Ansprüche ist zudem zu berücksichtigen, dass Forderungen, soweit sie Erstattungen von Zahlungen aus dem Jahr 2005 beinhalten, verjährt sind.

Bereicherungsansprüche des Klägers, die Leistungen der Zedenten bis einschließlich 31.12.2005 betreffen, sind verjährt. Die Verjährungsfrist für Bereicherungsansprüche beträgt gemäß § 195 BGB 3 Jahre und beginnt entgegen der Auffassung des Klägers nicht erst mit der Übersendung der jeweiligen Jahresabrechnung, sondern jeweils mit der einzelnen Abschlagszahlung (vgl. insoweit Landgericht Hamburg 318 S 241/10 und 320 S 82/10; vgl. auch BGH NJW-RR 1989, 1013).

Zwar trifft es zu, dass sich erst aus der Jahresabrechnung die endgültige Forderungshöhe ergibt. Jedoch hat die Beklagte gem. Ziff. 1.3 der Allgemeinen Bestimmungen i.V.m. § 25 Abs. 1 AVBGasV bzw. §13 Abs. 1 GasGVV einen Anspruch auf Abschlagszahlungen auf der Basis des Verbrauchs gemäß der letzten Jahresabrechnung. In § 25 Abs. 2 AVBGasV bzw. § 13 Abs. 2 GasGVV war jeweils die Möglichkeit für die Beklagte eröffnet, nach einer Tarifänderung anfallende Abschlagszahlungen mit dem Vomhundertsatz der Tarifänderung anzupassen. Erhöhte die Beklagte ab bestimmten Zeitpunkten aufgrund dessen unter Berufung auf die unwirksame Preisanpassungsklausel in den Sonderverträgen die monatlichen Abschläge, erfolgten die Abschlagszahlungen der Zedenten insoweit teilweise rechtsgrundlos. Dies ergab sich auch nicht erst aus der Jahresabrechnung. Auch aus der Entscheidung des BGH vom 07.12.2010 – KZR 41/09 – ergibt sich nichts anderes. Im vorliegenden Fall geht es abweichend zu dem vom BGH entschieden Sachverhalt nicht um die bereicherungsrechtliche Rückforderung nicht der Billigkeit entsprechender Zahlungen, sondern um die teilweise Unwirksamkeit der monatlichen Abschlagszahlungen mangels eines Preisanpassungsrechts. Damit ähnelt der Fall – in Bezug auf die unwirksame Erhöhung der Abschlagszahlungen – eher dem vom BGH abweichend beurteilten Sachverhalt, in dem die Vorauszahlungsabrede nichtig war (BGHZ 171, 364 – Tz. 31).

Eine Frist von 3 Jahren gilt im Übrigen gemäß §§ 195, 199 Abs. 3 BGB auch für Schadensersatzforderungen. Die hier vom Kläger in Bezug genommene 10-Jahresfrist stellt demgegenüber eine Obergrenze dar, die nur bei fehlender Kenntnis des Anspruchs in Betracht kommt (Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 199 Rn.40, 44).

Damit sind bzgl. der dem Grunde nach gerechtfertigten Forderungen der Höhe nach Abzüge entsprechend der Aufstellung Anlage B 33 vorzunehmen. Nach Abzug der diesbzgl. auf die ohnehin unsubstantiierten Forderungen der Zedenten Nr. 3) und 16) entfallenden Beträge ist der Anspruch in Höhe eines Restbetrages von € 8.451,33 verjährt.

4. Die Beklagte kann sich gegen den Rückforderungsanspruch des Klägers nicht mit Erfolg auf Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen. Soweit sie geltend macht, dass die Einnahmen aus den Absatzpreisanpassungen nicht bei ihr verblieben seien, sondern an ihren Vorlieferanten hätten gezahlt werden müssen, besteht die Bereicherung bei ihr fort, weil sie sich durch die Bezahlung eigener Schulden Vermögensvorteile verschafft hat (BGH NJW 2000, 740; Palandt-Sprau, a.a.O.,§ 818 Rn. 34).

 

5. Schließlich sind die Ansprüche auch nicht verwirkt. Es fehlt angesichts der Widersprüche der Zedenten sowohl am Umstands- als auch am Zeitmoment. Weder haben die Zedenten die Ansprüche über längere Zeit hinweg nicht geltend gemacht noch wurde zu Gunsten der Beklagten ein Vertrauenstatbestand begründet (Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 242 Rn. 87, 93).

II. Die Zinsforderung beruht auf §§ 291, 288 Abs.1 BGB.

III. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs.1, 708 Ziffer 11, 709, 711 ZPO.

 

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