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Esoterische Dienstleistung – Zahlungspflicht und Sittenwidrigkeit

AG Bad Segeberg, Az.: 17a C 87/14, Urteil vom 05.03.2015

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird auf 3.700,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Esoterik
Symbolfoto: Kzenon / Bigstock

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung aufgrund einer energetischen Beratung und Behandlung.

Die in M… geschäftsansässige Klägerin bietet unter der Bezeichnung „…“ energetische Beratungen und Behandlungen unter Zuhilfenahme von Energetik und Chakren an. Sie mietete auf der Lebensfreude-Messe in … im April 2014 einen Stand und bot ihre Leistungen an und führte bei der in L… wohnhaften Beklagten am 12.04.2014 eine energetische Beratung und Behandlung durch, wobei deren Umfang zwischen den Parteien im Streit steht. Die Beklagte unterzeichnete dabei folgende Vereinbarung:

„Erklärung

Ich wurde darüber informiert und nehme zur Kenntnis, dass ich hier lediglich energetische Beratung, die unter Zuhilfenahme von Energetik und Chakren Balance oder ähnlichen gewerblich erlaubten Methoden durchgeführt wird, erhalte.

Da die ausgewählten Maßnahmen zur Wiederherstellung und Harmonisierung der körpereigenen Energiefelder dienen, stellen sie keine Heilbehandlung dar. Dementsprechend ist die energetische Beratung keinerlei Ersatz für ärztliche Diagnosen und Behandlungen. Es werden keine Arztdiagnosen und keine Heilbehandlungen erteilt oder gemacht.

Ich wurde darüber informiert, dass ich mich für etwaige Diagnoseerstellungen oder Therapien an meinen Arzt zu wenden habe.

…….,

Ich bestätige, dass ich über das oben aufgeführte ausdrücklich belehrt worden bin.

 

Ich bestätige die Richtigkeit der oben aufgeführten Angaben zu meiner Person. Ich bestätige, dass bei Ratenverträgen und bei der Bezahlung der Sitzung am Messestand mit EC oder Bar die Sitzung am Messestand erledigt ist und der Betrag sofort zur Zahlung fällig wird. …

 

……., 12.4.14

Ort, Datum

Unterschrift

Wegen der weiteren Einzelheiten über den Inhalt der Erklärung vom 12.04.2014 wird auf die zur Akte gereichte Kopie Bezug genommen (Anlage K 3, Bl. 8 d.A.).

Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Beklagte am 12.04.2014 darüber hinaus das folgende Schriftstück unterzeichnete:

SCHULDSCHEIN

Anerkennung der geschuldeten Forderung:

Ich bestätige hiermit, dass ich heute auf der Messer bei Frau … eine/mehrere Sitzungen/ energetische Beratung/en in Anspruch genommen habe. Ich verpflichte mich den unten genannten Betrag zu überweisen und erkenne die Forderung an.

Der Gesamtbetrag beträgt insgesamt:

3700 X21

Der Gesamt/Restbetrag in Höhe von 3700 € wird von mir auf unten stehendes Konto binnen 5 Tage überwiesen. am 14. 4. 2014

Nach Verfall der Frist wird der o.g. Betrag sofort zur Zahlung fällig. …

……., 12.4.14

 

Ort, Datum

Unterschrift

Wegen der weiteren Einzelheiten über den Inhalt der Erklärung vom 12.04.2014 wird auf die zur Akte gereichte Kopie Bezug genommen (Anlage K 1, Bl. 6 d.A.).

Der Umfang der am 12.04.2014 bei der Beklagten durch die Klägerin durchgeführten Behandlung ist zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte leistete nach Durchführung der Behandlung eine Zahlung in Höhe von 70,00 € an die Klägerin. Die Beklagte erschien am 13.04.2014 bei der Klägerin, um mit dieser über die zu zahlende Vergütung zu sprechen. Die Klägerin lehnte dies ab.

Mit E-Mail vom 01.05.2014 forderte die Klägerin die Beklagte vergeblich zur Zahlung in Höhe von 3.700,00 € auf. Wegen der Einzelheiten über den Inhalt der E-Mail vom 01.05.2014 wird auf die zur Akte gereichte Kopie Bezug genommen (Anlage K 2, Bl. 7 d.A.).

Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter. Sie hat Klage im Urkundenprozess erhoben.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte schulde ihr einen Betrag in Höhe von 3.700,00 € aufgrund eines wirksamen Schuldanerkenntnisses gemäß § 781 BGB. Sie behauptet, die Beklagte habe auch die als „Schuldschein“ überschriebene Erklärung vom 12.04.2014 unterzeichnet. Weiter behauptet sie, sie habe die in der Erklärung vom 12.04.2014 aufgeführten Behandlungen durchgeführt.

Sie beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.700,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.04.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie rügt, dass das angerufene Gericht örtlich unzuständig sei. Gemeinsamer Erfüllungsort sei der Ort, wo die Dienste nach dem Vertrag zu leisten seien. Da die Klägerin behauptet habe, sie habe (diverse) Fernbehandlungen durchgeführt, sei Leistungsort M….. Örtlich zuständig sei daher das Amtsgericht M….

Mit Schriftsatz vom 17.09.2014 hat die Klägerin beide Schriftstücke vom 12.04.2014 im Original zur Akte gereicht.

Das Gericht hat die Parteien in dem Termin am 15.12.2014 persönlich angehört. Die Klägerin hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung angegeben, sie habe zunächst einen Vortrag gehalten und eine Meditation durchgeführt. Es hätten dort 50-70 Leute gesessen und sie habe dann jemanden ausgewählt, der dann bei ihr auch eine Behandlung direkt vor Ort bekommen könne, dies sei in diesem Fall die Beklagte gewesen. Sie habe eine Sitzung gemacht. Die Beklagte habe dann bei ihr Platz genommen und gesagt, sie wolle die Behandlung weitermachen. Sie weise dabei darauf hin, dass die Behandlung auf energetischer Ebene erfolge und sie nicht etwa Heilpraktikerin oder Arzt sei, sie weise also darauf hin, dass die Behandlung nicht notwendigerweise empirisch belegbar sei. Sie habe mehrere Behandlungen durchgeführt, insgesamt 12 Sitzungen. Bei Menschen, die nicht so viel Geld zur Bezahlung der Behandlungen dabei hätten, mache sie es so, dass das Geld überwiesen werden könne. Bei diesem Kunden lasse sie sich dann noch eine weitere Seite ausfüllen, das sei der Schuldschein über die Anerkennung der Forderung. Mit dem Begriff „Schuldschein“ sei gemeint, dass jemand einen bestimmten Betrag schulde.

Die Beklagte hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung angegeben, sie habe sich damals den Vortrag der Klägerin angehört. Sie sei eine von zwei Personen gewesen, die von der Klägerin „rausgepickt“ worden seien. Neben ihr sei noch eine Frau im Rollstuhl ausgewählt worden. Sie sei dann nach vorne gegangen und habe hinterher sagen sollen, ob es ihr besser gehe, was der Fall gewesen sei. Sie sei daraufhin zu der Beklagten an den Stand gegangen, wo die Klägerin bei ihr einen energetischen Scan durchgeführt habe. Die Klägerin habe mit ihr durchgesprochen, was alles bei ihr zu machen sei. Die Klägerin habe ihr gegenüber geäußert, dass auch ihre spirituelle Meisterin ihr gesagt habe, was davon gratis sei und so sei man auf den in der „Erklärung“ vom 12.04.2014 genannten Betrag gekommen. Ihr sei dann lediglich ein Formular vorgelegt worden, auf dem sie vier Unterschriften geleistet habe. Sie sei dann zunächst nach Hause gegangen. Nachts seien ihr Bedenken gekommen, da es eine ganze Menge Geld sei. Sie sei dann am nächsten Tag zu der Klägerin gegangen und habe ihr gesagt, dass sie von dem Vertrag zurücktreten wolle, die Klägerin habe sie jedoch auf die Unterschrift verwiesen und habe keinen Nachlass geben wollen. Die Klägerin habe ihr gegenüber erklärt, lediglich eine „Anbehandlung von 40 %“ vorgenommen zu haben. Die auf der mit „Erklärung“ unterschriebenen Urkunde vom 12.04.2014 vorhandenen Unterschriften stammten von ihr, der Beklagten.

Im Anschluss an die persönliche Anhörung hat das Gericht die Parteien nach Erlass eines entsprechenden Beweisbeschlusses als Parteien vernommen. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung im Übrigen sowie der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 15.12.2014 (Bl. 54-64 d.A.). Das Gericht hat den Parteien in dem Termin am 15.12.2014 nachgelassen, zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung des Protokolls Stellung zu nehmen. Das Protokoll ist der Beklagten am 26.01.2015 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 05.02.2015 hat die Beklagte vorgetragen, das zugrunde liegende Kausalgeschäft sei gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB mit Schreiben vom 15.05.2014 angefochten worden. Zudem sei das zugrunde liegende Vertragsverhältnis mit diesem Schreiben widerrufen worden. Sie behauptet, dass es sich bei der Lebensfreude-Messe in … um eine sog. Freizeitmesse handele, weshalb die dort abgegebenen Erklärungen widerrufen werden könnten. Ferner sei das Schuldanerkenntnis schon nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht wirksam zustande gekommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig (unten 1.), sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg (unten 2.).

1.

Die Klage ist zulässig.

a.

Das angerufene Gericht ist entgegen der Auffassung der Beklagten örtlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus §§ 12, 13 ZPO, weil die Beklagte ihren Wohnsitz im hiesigen Amtsgerichtsbezirk hat. Ob daneben eine örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts M… gemäß § 29 Abs. 1 ZPO besteht, ist unerheblich, weil es sich hierbei nicht um eine ausschließliche örtliche Zuständigkeit handeln würde und die Klägerin durch Erhebung der Klage bei dem hiesigen Gericht das ihr dann zustehende Wahlrecht gemäß § 35 ZPO bindend und unwiderruflich ausgeübt hätte.

b.

Darüber hinaus liegen die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Geltendmachung des Anspruchs im Urkundenprozess vor. Die Klageschrift enthält die Erklärung, dass im Urkundenprozess geklagt wird (§ 593 Abs. 1 ZPO). Ferner sind die Urkunden in Abschrift der Klage beigefügt gewesen (§ 593 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Entgegen der Auffassung der Beklagten genügt insoweit die Beifügung einer (unbeglaubigten) Abschrift (MünchKomm-ZPO/Braun, 4. Aufl. 2012, § 593 Rn. 4). Der Anspruch der Klägerin ist zudem auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme gerichtet (§ 592 Satz 1 Hs. 1 Var. 1 ZPO).

Die Zahlungsklage ist auch im Übrigen im Urkundenprozess statthaft. Soweit § 592 Satz 1 Hs. 2 ZPO fordert, der Kläger müsse sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden beweisen können, kommt es darauf an, was die anspruchsbegründenden Tatsachen und ob diese beweisbedürftig sind.

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Nach dem Vorbringen der Klägerin ist zwischen den Parteien durch die Unterzeichnung der „Erklärung“ vom 12.04.2014 durch die Beklagte ein Dienstvertrag i.S. der §§ 611 ff. BGB zustande gekommen. Nach dem Vertrag sollte die Klägerin eine zu vergütende Dienstleistung erbringen. Die Vergütung ist nicht erfolgsabhängig vereinbart worden, sondern sollte nach Durchführung der in dem Vertrag aufgeführten Sitzungen gezahlt werden. Dies entspricht § 614 Satz 1 BGB. Soweit es in der „Erklärung“ heißt, dass die „ausgewählten Maßnahmen zur Wiederherstellung und Harmonisierung der körpereigenen Energiefelder dienen“, haben die Parteien hiermit keinen konkreten Erfolg vereinbart, der die Charakterisierung des Vertrages als Werkvertrag rechtfertigt. Die vertragliche Beschreibung eines Ziels ist allein kein hinreichendes Indiz für die Annahme eines Werkvertrages. Zwar ist die konkrete Beschreibung des zu erreichenden Erfolgs ein typisches Merkmal eines Werkvertrages. Auch bei einem Dienstvertrag kann aber die geschuldete Tätigkeit der Erreichung eines bestimmten Ziels dienen. Die konkrete Beschreibung dieses Ziels im Vertragstext ist dann lediglich ein Mittel, um näher einzugrenzen, in welche Richtung die von dem Auftragnehmer zu erbringende Tätigkeit gehen soll (s. zum Ganzen BGH, Urt. v. 16.07.2002 – X ZR 27/01, BGHZ 151, 330 = NJW 2002, 3323, juris Rn. 26).

Da die Klägerin nach dem Gesagten einen Vergütungsanspruch aus einem Dienstvertrag geltend macht, sind das Zustandekommen eines Dienstvertrages (§ 611 Abs. 1 BGB) sowie die Erbringung der Dienste (§ 614 Satz 1 BGB) die anspruchsbegründenden Tatsachen (vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 10.10.2006 – 3 U 132/05, MDR 2007, 292; MünchKomm-ZPO/Braun, 4. Aufl. 2012, § 592 Rn. 10; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 592 Rn. 8; BeckOK-ZPO/Kratz § 592 Rn. 23.3).

Unter welchen Voraussetzungen die anspruchsbegründenden Tatsachen beweisbedürftig sind, ist umstritten. Überwiegend wird die Auffassung vertreten, dass unstreitige oder zugestandene Tatsachen nicht durch Urkunden bewiesen werden müssten (BGH, Urt. v. 24.04.1974 – VIII ZR 211/72, BGHZ 62, 286 = NJW 1974, 1199 m.w.Nachw.; BGH, Urt. v. 18.09.2007 – XI ZR 211/06, BGHZ 173, 366 = NJW 2008, 523, juris Rn. 13; BGH, Urt. v. 22.10.2014 – VIII ZR 41/14, NJW 2015, 475, 476 Rn. 14; BGH, Urt. v. 04.02.1985 – II ZR 142/84, WM 1985, 738 f.; OLG München, Urt. v. 29.01.2014 – 13 U 3932/13, juris Rn. 17; OLG München, Urt. v. 07.02.2007 – 7 U 4952/06, OLG 2007, 440, 441; Dötsch, NZBau 2013, 767; BeckOK-ZPO/Kratz § 592 Rn. 24, 24.2).

Uneinheitlich beurteilt wird dann allerdings die Frage, in welchem Umfang auch bei unstreitigen Tatsachen auf den Beweis durch Urkunden verzichtet werden kann. Lediglich vereinzelt wird die Auffassung vertreten, dass überhaupt keine Urkunden vorgelegt werden müsse, wenn sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen unstreitig sind (OLG Jena, Urt. v. 23.04.1997 – 4 U 1190/96, MDR 1997, 975). Die überwiegend vertretene Gegenauffassung hält für die Statthaftigkeit der Klage im Urkundenprozess die Vorlage sich auf die Klageforderung beziehender Urkunden bei Nichtbestreiten nicht für schlechthin entbehrlich (vgl. OLG München, Urt. v. 21.09.2011 – 7 U 4957/10, MDR 2012, 186, juris Rn. 34: Unstatthaftigkeit des Urkundenprozesses bei Fehlen jeglicher [beweisgeeigneter] Urkunden), sondern gibt die Möglichkeit, „Lücken“, die bei dem geführten Urkundenbeweis vorhanden sind, dadurch „auszufüllen“, dass unstreitige oder zugestandene Tatsachen nicht als beweisbedürftig zu werten sind (BGH, Urt. v. 24.04.1974 – VIII ZR 211/72, BGHZ 62, 286 = NJW 1974, 1199, 1200 f.; OLG Köln, Beschl. v. 10.06.2014 – 11 U 74/14, MDR 2014, 1022 f.; OLG München, Beschl. v. 23.12.2011 – 7 U 3385/11, juris Rn. 11; Dötsch, NZBau 2013, 767; Musielak/Voit, ZPO, 11. Aufl. 2014, § 592 Rn. 11).

Unter welchen Voraussetzungen solche „Lücken“ in der Beweisführung geschlossen werden können, wird wiederum unterschiedlich beurteilt. Nach einer Auffassung soll eine quantitative Einschränkung in dem Sinne zu machen sein, dass lediglich für „kleinere Lücken“ eine Beweisführung mit Urkunden für unstreitige Tatsachen entbehrlich sein soll (OLG München, Urt. v. 06.03.1998 – 21 U 5432/97, MDR 1998, 1180, 1181 juris Rn. 42; OLG Celle, Urt. v. 07.12.2006 – 14 U 61/06, OLGR 2007, 279, 280 f., juris Rn. 24 ebenso OLG Köln, Urt. v. 07.01.1993 – 18 U 1772/92, VersR 1993, 901 f., wobei im unklar bleibt, welche anspruchsbegründende, aber unstreitige Tatsache in dem konkreten Fall nicht durch Urkunden bewiesen worden sein soll). Nach dieser Auffassung muss auch bei Unstreitigkeit für die „wesentlichen“ anspruchsbegründenden Tatsachen der Urkundenbeweis durch Vorlage beweiskräftiger Urkunden geführt werden. Demgegenüber wird die Auffassung vertreten, dass eine unstreitige oder zugestandene Tatsache generell nicht beweisbedürftig sei. Bei Unstreitigkeit sämtlicher anspruchsbegrünender Tatsachen reicht danach die Vorlage zumindest einer Urkunde, die eine anspruchsbegründende Tatsache beweisen könnte, so sie denn beweisbedürftig wäre (BeckOK-ZPO/Kratz § 592 Rn. 24, 24.1, § 597 Rn. 7). Bei Streitigkeit einer oder mehrerer anspruchsbegründender Tatsachen genügt nach dieser Auffassung, dass bezogen auf diese Tatsachen der Urkundenbeweis geführt werden kann, bezogen auf die unstreitigen anspruchsbegründenden Tatsachen soll es auf die Beweisbarkeit durch Urkunden unabhängig vom Umfang der „Lücken“ nicht ankommen (OLG Köln, Beschl. v. 10.06.2014 – 11 U 74/14, MDR 2014, 1022 f.: Titulierung einer Werklohnforderung allein unter Vorlage einer geprüften Schlussrechnung sowie eines Abnahmeprotokolls; BeckOK-ZPO/Kratz § 592 Rn. 24, 24.1 so ohne nähere Diskussion auch BGH, Urt. v. 18.09.2007 – XI ZR 211/06, BGHZ 173, 366 = NJW 2008, 523, juris Rn. 13: fehlende Vorlage von Urkunden für den unstreitigen Abschluss eines Kaufvertrages sowie für die unstreitige Zahlung des Kaufpreises bei der Inanspruchnahme eines Bürgen; s. ferner BGH, Urt. v. 11.05.2009 – II ZR 137/08 NJW 2009, 2886, 2887, juris Rn. 8 [obiter dictum]).

Nach der Gegenauffassung soll erforderlich sein, dass sämtliche anspruchsbegründenden, also auch unstreitige Tatsachen durch Urkunden beweisbar sind (OLG Schleswig, Urt. v. 30.08.2013 – 1 U 11/13, NJW 2014, 945, 946; MünchKomm-ZPO/Braun, 4. Aufl. 2012, § 592 Rn. 14; Leidig/Jöbges, NJW 2014, 892, 893 ff.; Wieczorek/Schütze/Olzen, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 592 Rn. 30 f.; s. ferner die Nachweise bei BGH, Urt. v. 24.04.1974 – VIII ZR 211/72, BGHZ 62, 286 = NJW 1974, 1199).

Eine vermittelnde Ansicht geht davon aus, dass grundsätzlich auch bei Nichtbestreiten die Möglichkeit, den Urkundenbeweis zu führen, Statthaftigkeitsvoraussetzung des Urkundenverfahrens sei. Da auch im Urkundenprozess der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) gelte, sei jedoch nicht gänzlich auszuschließen, dass aus dem Verhalten des Beklagten in der mündlichen Verhandlung Schlüsse gezogen werden könnten, die bis zur Ausfüllung von Lücken in der Urkundenbeweisführung gehen könnten (OLG München, Beschl. v. 23.12.2011 – 7 U 3385/11, juris Rn. 11; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 592 Rn. 11).

 

Vorliegend kann dahinstehen, welcher Auffassung zu folgen ist. Selbst wenn man es bezogen auf den Abschluss eines Dienstvertrages nicht für ausreichend erachten würde, dass die Beklagte nicht bestritten hat, mit der Klägerin am 12.04.2014 einen Vertrag mit dem aus der „Erklärung“ vom 12.04.2014 ersichtlichen Inhalt geschlossen zu haben, hat die Klägerin jedenfalls den ihr dann obliegenden Beweis mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln geführt (§ 597 Abs. 2 ZPO). Dass zwischen den Parteien ein Vertrag zustande gekommen ist, ergibt sich aus der „Erklärung“ vom 12.04.2014, bei der es sich unzweifelhaft um eine beweisgeeignete Urkunde handelt (sog. Anspruchsurkunde). Dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag als Dienstvertrag zu qualifizieren ist, ist eine Rechtsfrage, die nicht des Urkundenbeweises bedarf (vgl. LG Stuttgart, Urt. v. 20.03.2012 – 24 O 287/11, juris Rn. 51).

Auch bezogen auf die Erbringung der Dienste durch die Klägerin kommt es auf den vorgenannten Meinungsstreit nicht an. Denn die Beklagte hat wirksam bestritten, dass die Klägerin bei ihr 12 Sitzungen tatsächlich durchgeführt hat. Insoweit handelt es sich nach allen oben genannten Auffassungen um eine von der Klägerin mit Urkunden zu beweisende Tatsache. Die Klägerin hat den ihr obliegenden Urkundenbeweis durch die Vorlage des Originals der Urkunde gemäß § 595 Abs. 3 ZPO angetreten und auch vollständig geführt (§ 597 Abs. 2 ZPO). Die Statthaftigkeit des Urkundenprozesses erfordert dabei nicht nur die (theoretische) Beweisbarkeit der anspruchsbegründenden Tatsachen durch die vorgelegte Urkunde, sondern auch das Gelingen des Beweises (OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.09.2008 – 5 U 55/08, OLGR 2009, 259, 260; BeckOK-ZPO/Kratz § 592 Rn. 33, § 597 Rn. 7). Auch im Urkundenprozess muss dabei der Vollbeweis geführt werden (BeckOK-ZPO/Kratz § 592 Rn. 33).

Die Klägerin kann unter Zugrundelegung dessen die für die Begründung der Fälligkeit der Vergütung gemäß § 614 Satz 1 BGB notwendige Erbringung der Dienste nicht allein durch die Vorlage des Originals der „Erklärung“ vom 12.04.2014 beweisen. Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben sind, vollen Beweis nur dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind (§ 416 ZPO). Diese Beweisregel erstreckt sich dagegen nicht auf den Inhalt der niedergelegten Erklärungen. Ob die in der Privaturkunde enthaltenen Angaben zutreffen, vorliegend die Klägerin also tatsächlich 12 Sitzungen durchgeführt hat, unterliegt vielmehr der freien tatrichterlichen Beweiswürdigung (BGH, Urt. v. 24.06.1993 – IX ZR 96/92, NJW-RR 1993, 1379, juris Rn. 26 m.w.Nachw.; OLG Köln, Beschl. v. 11.05.2014 – 11 W 16/14, MDR 2014, 1227, juris Rn. 2; BeckOK-ZPO/Kratz § 592 Rn. 33). Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung wird dabei durch die Beweismittelbeschränkung im Urkundenprozess nicht aufgehoben (BGH, Urt. v. 12.07.1985 – V ZR 15/84, NJW 1985, 2953, juris Rn. 15; MünchKomm-ZPO/Braun, 4. Aufl. 2012, § 592 Rn. 16; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 597 Rn. 5, § 595 Rn. 7). Insoweit sind jedoch auf der Grundlage der Anhörung der Parteien, die das Gericht im Rahmen der nach § 286 ZPO vorzunehmenden Beweiswürdigung berücksichtigen darf, Zweifel daran verblieben, dass die Klägerin bei der Beklagten am 12.04.2014 tatsächlich 12 Sitzungen durchgeführt hat. Im Hinblick auf die glaubhaften Angaben der Beklagten im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vermag das Gericht allein aus dem Umstand, dass die Beklagte in der „Erklärung“ vom 12.04.2014 unterschrieben hat, es seien 12 Sitzungen durchgeführt worden, die erforderliche Überzeugung i.S. des § 286 ZPO nicht zu gewinnen.

Jedoch ergibt sich aus der „Erklärung“ vom 12.04.2014 weiter, dass die Parteien eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten zum 14.04.2014 und damit eine von § 614 BGB abweichende Fälligkeitsvereinbarung getroffen haben. Diese Vereinbarung ist wirksam, weil die Bestimmung des § 614 BGB abdingbar ist (vgl. MünchKomm-BGB/Müller-Glöge, 6. Aufl. 2012, § 614 Rn. 2 m.w.Nachw.). In der „Erklärung“ vom 12.04.2014 ist eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten in Höhe von 3.700,00 € am 14.04.2014 vereinbart worden. Aus dem Wortlaut der „Erklärung“ ergibt sich nicht, dass diese Zahlungsverpflichtung an die tatsächliche Erbringung der Dienste geknüpft sein sollte (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.09.2008 – 5 U 55/08, OLGR 2009, 259, 260 f.). Im Hinblick auf die übereinstimmenden Angaben der Parteien im Rahmen der persönlichen Anhörung ist vielmehr davon auszugehen, dass die Beklagte den in der „Erklärung“ genannten Betrag nach Durchführung der am 12.04.2014 erfolgten Behandlung an die Klägerin zahlen sollte. Auch insoweit spricht nichts dafür, dass der in der „Erklärung“ vereinbarte Zahlungstermin zudem von der tatsächlichen Erbringung der Dienstleistungen abhängig sein sollte. Da sich eine fällige Zahlungsverpflichtung der Beklagten demnach bereits aus der von der Beklagten unterzeichneten „Erklärung“ ergibt, ist vorliegend unerheblich, ob die Beklagte darüber hinaus die als „Schuldschein“ überschriebene Erklärung vom 12.04.2014 unterschrieben hat und hierdurch eine fällige Zahlungsverpflichtung durch Urkunden bewiesen werden kann (vgl. hierzu OLG München, Urt. v. 29.01.2014 – 13 U 3932/13, juris Rn. 18; OLG Köln, Beschl. v. 11.05.2014 – 11 W 16/14, MDR 2014, 1227 f.).

Weitergehende Tatsachen muss die Klägerin nach dem Gesagten zur Begründung ihres Anspruches nicht darlegen und demnach auch nicht durch die Vorlage von Urkunden beweisen. Ob der Vertrag von der Beklagten wirksam angefochten, widerrufen oder aus sonstigen Gründen unwirksam bzw. nichtig ist, muss von der Beklagten dargelegt und ggf. auch bewiesen werden, nicht jedoch von der Klägerin. Inwieweit die Beklagte sich in dem vorliegenden Urkundenprozess auf Einwendungen berufen kann (vgl. § 598 ZPO), ist für die Zulässigkeit der Klage ohne Belang.

Soweit zwischen den Parteien streitig ist, ob die Beklagte das als „Schuldschein“ überschriebene Schriftstück unterzeichnet hat, kommt es hierauf für den vorliegenden Rechtsstreit auch im Übrigen nicht an. Die Klägerin ist zwar auch im Urkundenprozess beweisbelastet dafür, dass die Urkunde echt ist (vgl. BGH, Urt. v. 22.03.1995 – VIII ZR 191/93, NJW 1995, 1683), wobei im Urkundenprozess gemäß § 595 Abs. 2 ZPO lediglich Urkunden und Antrag auf Parteivernehmung als Beweismittel zulässig sind. Indes ergibt sich der von der Klägerin durch eine Urkunde bewiesene Anspruch nach dem oben Gesagten bereits aus der „Erklärung“ vom 12.04.2014. Ferner ist unerheblich, ob die Klägerin die Klage (auch) auf das mit „Schuldschein“ überschriebene Schriftstück stützt. Denn bei dem „Schuldschein“ handelt es sich nicht um ein konstitutives (abstraktes) Schuldanerkenntnis i.S. des § 781 BGB, das gegenüber dem zustande gekommenen Dienstvertrag einen eigenständigen Schuldgrund und auch einen anderen Streitgegenstand im prozessrechtlichen Sinne darstellen würde (vgl. BGH, Beschl. v. 13.01.2011 – IX ZA 49/10, juris Rn. 3; LAG Düsseldorf, Urt. v. 25.07.2002 – 11 Sa 392/02, juris Rn. 62; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl. 2014, Einl. Rn. 75). Die Klägerin hat selbst nicht behauptet, dass durch die Unterzeichnung des als „Schuldschein“ bezeichneten Schriftstückes unabhängig vom Schuldgrund eine neue selbstständige Forderung begründet werden sollte. Die Klägerin hat sich lediglich darauf berufen, dass sich aus dem „Schuldschein“ ein Einwendungsausschluss ergebe bzw. jedenfalls der „Schuldschein“ eine beweisgeeignete Urkunde im Urkundenprozess darstelle. Auf Letzteres kommt es nach dem oben Gesagten vorliegend aber nicht an. Ob der „Schuldschein“ als deklaratorisches (kausales) Schuldanerkenntnis oder als nichtrechtsgeschäftliches Anerkenntnis zu qualifizieren ist, bedarf an dieser Stelle ebenfalls keiner Entscheidung, denn nur bei Vorliegen eines konstitutiven Schuldanerkenntnisses würde sich aus dem „Schuldschein“ ein eigenständiger Anspruch ergeben und es wäre zu klären, ob die Klägerin die Klage (auch) auf diese Urkunde stützt.

 

2.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Zahlungsanspruch gemäß § 611 Abs. 1 BGB nicht zu.

a.

Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 05.02.2015 vorgetragen hat, sie habe mit Schreiben vom 15.05.2014 das Vertragsverhältnis wegen Irrtums gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB angefochten, begründet dieses Vorbringen allerdings keine rechtserhebliche Einwendung gegen die Klageforderung. Dies folgt bereits aus § 296a Satz 1 ZPO. Das Gericht hat in dem Termin am 15.12.2014 die mündliche Verhandlung geschlossen. Dass es den Parteien nachgelassen hat, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, ändert nichts am Schluss der mündlichen Verhandlung (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 07.02.2006 – 15 W 72/05, OLGR 2007, 592, 593, juris Rn. 15).

Jedenfalls aber ist das Vorbringen der Beklagten nicht geeignet, eine rechtserhebliche Einwendung gegen die Klageforderung zu begründen, weil die Beklagte nicht schlüssig vorgetragen hat, in wie weit sie sich nicht nur in einem bloßen Motiv-, sondern einen zur Anfechtung berechtigenden Inhaltsirrtum befunden haben soll. Auch hat die Beklage nicht schlüssig vorgetragen, die Anfechtung unverzüglich i.S. des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB nach Kenntnis der Voraussetzungen des Anfechtungsrechts erklärt zu haben (vgl. OLG München, Beschl. v. 16.11.1987 – 3 W 3109/87, NJW-RR 1988, 497 f.).

b.

Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 05.02.2015 weiter vorgetragen hat, sie habe mit Schreiben vom 15.05.2014 das Vertragsverhältnis widerrufen, begründet auch dieses Vorbringen keine rechtserhebliche Einwendung gegen die Klageforderung. Dies folgt wiederum aus § 296a Satz 1 ZPO.

Jedenfalls hat die Beklagte auch insoweit nicht schlüssig zum Bestehen eines Widerrufsrechts vorgetragen. Soweit die Beklagte behauptet hat, bei der Lebensfreude-Messe in … habe es sich um eine „Freizeitmesse“ gehandelt, begründet dies keine rechtserhebliche Einwendung. Die Beklagte hat die bloße Rechtsbehauptung, bei der Lebensfreude-Messe in … handele es sich um eine Freizeitveranstaltung i.S. des § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB in der bei Vertragsschluss geltenden Fassung, nicht durch schlüssiges Vorbringen unterlegt. Von einer Freizeitveranstaltung in dem vorgenannten Sinne kann nur ausgegangen werden, wenn Freizeitangebote und Verkaufsangebote derart organisatorisch miteinander verwoben sind, dass der Kunde im Hinblick auf die Ankündigung und die Durchführung der Veranstaltung in eine freizeitliche unbeschwerte Stimmung versetzt wird und sich dem auf einen Geschäftsabschluss gerichteten Angebot nur schwer entziehen kann (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.2003 – X ZR 178/02, NJW 2004, 362, 363; MünchKomm-BGB/Masuch, 6. Aufl. 2012, § 312 Rn. 54). Hierzu hat die Beklagte jedoch nicht schlüssig vorgetragen. Die Klägerin hat bereits in der Klageschrift (substantiiert) in Abrede gestellt, dass es sich bei der Lebensfreude-Messe in … um eine Freizeitveranstaltung gehandelt hat. Die Beklagte hat hierauf weder schlüssig vorgetragen noch hat sie Beweis angeboten, wobei im Urkundenverfahren nur die in § 595 Abs. 2 BGB genannten Beweismitteln zulässig sind.

 

Ein Widerrufsrecht ergibt sich auch nicht unter Zugrundelegung des Ergebnisses der Anhörung der Parteien aus § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB a.F. Zwar handelt es sich bei einem Messegelände regelmäßig um öffentlich zugängliche Verkehrsflächen (MünchKomm-BGB/Masuch, 6. Aufl. 2012, § 312 Rn. 54 a.E., 57). Jedoch fehlt es vorliegend jedenfalls an einem „überraschenden Ansprechen“ der Beklagten durch die Klägerin. Bei Messeveranstaltung muss der Verbraucher mit Verkaufsgesprächen rechnen (vgl. Staudinger/Thüsing, BGB, Neubearbeitung 2012, § 312 Rn. 122).

c.

Dem Vergütungsanspruch der Klägerin steht auch § 326 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BGB nicht entgegen. Dies folgt allerdings nicht bereits aus dem Umstand, dass die Beklagte sich im Rechtsstreit nicht auf die Unmöglichkeit der Leistung berufen hat. Steht auf der Grundlage des zur Entscheidung stehenden Sachverhaltes fest, dass eine Leistung unmöglich i.S. des § 275 Abs. 1 BGB ist, hat das Gericht dies von Amts wegen zu berücksichtigen (Staudinger/Caspers, BGB, Neubearbeitung 2014, § 275 Rn. 124; Prütting/Wegen/Weinreich/Schmidt-Kessel, BGB, 9. Aufl. 2014, § 275 Rn. 13).

Dem Vergütungsanspruch der Klägerin steht § 326 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BGB jedoch aus anderen Gründen nicht entgegen. Vereinbaren die Parteien eine Leistung, die unter Einsatz übernatürlicher Kräfte und Fähigkeiten erbracht werden soll, wie vorliegend die Wiederherstellung und Harmonisierung der körpereigenen Energiefelder unter Zuhilfenahme von Energetik und Chakren, ist allerdings umstritten, ob eine Unmöglichkeit der Leistung vorliegt und wie sich diese auf den Vergütungsanspruch des Dienstverpflichteten auswirkt.

(1)

Nach Auffassung des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ist eine Leistung gemäß § 275 Abs. 1 BGB objektiv unmöglich, wenn sie nach den Naturgesetzen oder nach dem Stand der Erkenntnis von Wissenschaft und Technik schlechthin nicht erbracht werden kann (sog. naturgesetzliche Unmöglichkeit). So liege es beim Versprechen des Einsatzes übernatürlicher, „magischer“ oder parapsychologischer Kräfte und Fähigkeiten. Es sei für den Bereich des Rechts allgemein anerkannt und offenkundig, dass die Existenz magischer oder parapsychologischer Kräfte und Fähigkeiten nicht beweisbar sei, sondern lediglich dem Glauben oder Aberglauben, der Vorstellung oder dem Wahn angehöre; diese Kräfte und Fähigkeiten könnten, als nicht in der wissenschaftlichen Erkenntnis und Erfahrung des Lebens begründet, vom Richter nicht als Quelle realer Wirkungen erkannt werden, sondern seien in rechtlicher Beziehung nicht als Mittel zur Herbeiführung irgendwelcher Veränderung in der Welt des Tatsächlichen anzusehen (BGH, Urt. v. 13.01.2011 – III ZR 87/10, BGHZ 188, 71 = NJW 2011, 756, 757 Rn. 9 f. zur Lebensberatung in Verbindung mit Kartenlegen unter Hinweis auf RG, Urt. v. 21.06.1900 – 1983/00, RGSt 33, 321, 322 f.; zustimmend AG Mannheim, Urt v. 04.03.2011 – 3 C 32/11, juris Rn. 4). Dies entspricht einer bereits seit längerem in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung, die vor allem unter Geltung des § 306 BGB a.F. entwickelt worden ist (OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.09.2008 – 20 U 123/08, NJW 2009, 789, 791 zum Wahrsagen in Zusammenhang mit einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.02.1953 – 5 U 319/52, NJW 1953, 1553 zur Erteilung von Weisungen für die Zukunft auf astrologischer Grundlage; LG Aachen, Urt. v. 12.02.1988 – 5 S 414/87, MDR 1989, 63 zur Beeinflussung eines Rechtsstreits mittels „magischer“ Kräfte; LG Augsburg, Urt. v. 13.05.2003 – 4 S 5354/02, NJW-RR 2004, 272, LG Kassel, Urt. v. 26.05.1988 – 1 S 483/87, NJW-RR 1988, 1517 und LG Kassel, Urt. v. 14.03.1985 – 1 S 491/84, NJW 1985, 1642 zur Partnerzusammenführung unter Einsatz magischer Kräfte; LG Mannheim, Urt. v. 30.04.1992 – (12) 4 Ns 80/91, NJW 1993, 1488, 1489 zur Vereinbarung über die Vornahme einer Teufelsaustreibung; AG Grevenbroich, Urt. v. 03.11.1997 – 11 C 232/97, NJW-RR 1999, 133 zur Lebenshilfe auf parapsychologischer Grundlage; ebenso Staudinger/Caspers, BGB, Neubearbeitung 2014, § 275 Rn. 13; Prütting/Wegen/Weinreich/Schmidt-Kessel, BGB, 9. Aufl. 2014, § 275 Rn. 8).

Als Versprechen einer Leistung durch Gebrauch übernatürlicher Kräfte und Fähigkeiten ist auch die Wiederherstellung und Harmonisierung der körpereigenen Energiefelder unter Zuhilfenahme von Energetik und Chakren anzusehen. Dabei ist vorliegend nicht nur die Wirksamkeit der von der Klägerin versprochenen Leistung (Zuhilfenahme von Energetik und Chakren), sondern auch der mit der Dienstleistung angestrebte Zweck (Harmonisierung der körpereigenen Energiefelder) naturwissenschaftlich nicht belegbar.

Vorliegend ist nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien nicht davon auszugehen und wäre im Hinblick auf die Höhe der vereinbarten Vergütung auch fernliegend, dass die Parteien nicht den Einsatz übernatürlicher Kräfte übereinstimmend vereinbart haben, sondern lediglich eine jahrmarktähnliche Unterhaltung geschuldet ist (vgl. BGH, Urt. v. 13.01.2011 – III ZR 87/10, BGHZ 188, 71 = NJW 2011, 756, 757 Rn. 11; s. hierzu auch LG Ingolstadt, Beschl. v. 23.05.2005 – 2 Qs 69/05, NStZ-RR 2005, 313, 314).

Gleichwohl soll aus der Unmöglichkeit der geschuldeten Leistung gemäß § 275 Abs. 1 BGB nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht zwingend folgen, dass der Vergütungsanspruch des Dienstverpflichteten gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BGB entfällt. Anders als nach § 306 BGB a.F. sei ein Vertrag, der auf eine anfänglich objektiv unmögliche Leistung gerichtet sei, nicht allein aus diesem Grund nichtig. Auch könne § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB durch Individualvereinbarung abbedungen werden. So verhalte es sich auch, wenn der Gläubiger nach der vertraglichen Risikoverteilung ausdrücklich oder stillschweigend die Gefahr für ein bestimmtes Leistungshindernis übernommen habe und sich dieses Leistungshindernis verwirkliche. Danach könnten Vertragsparteien im Rahmen der Vertragsfreiheit und in Anerkennung ihrer Selbstverantwortung wirksam vereinbaren, dass eine Partei sich – gegen Entgelt – dazu verpflichte, Leistungen zu erbringen, deren Grundlagen und Wirkungen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft und Technik nicht erweislich sind, sondern nur einer inneren Überzeugung, einem dahingehenden Glauben oder einer irrationalen, für Dritte nicht nachvollziehbaren Haltung entsprechen. „Erkaufe“ sich jemand derartige (Dienst-)Leistungen im Bewusstsein darüber, dass die Geeignetheit und Tauglichkeit dieser Leistungen zur Erreichung des von ihm gewünschten Erfolgs rational nicht erklärbar ist, so würde es Inhalt und Zweck des Vertrags sowie den Motiven und Vorstellungen der Parteien widersprechen, den Vergütungsanspruch des Dienstverpflichteten mit der Begründung zu verneinen, der Dienstverpflichtete sei nicht in der Lage nachzuweisen, tatsächlich mittels Einsatzes magischer oder übersinnlicher Kräfte bestimmte Voraussagen machen oder auf die Willensbildung Dritter Einfluss nehmen zu können. Auch wenn die – geschäftsfähigen – Parteien darauf vertrauten, dass magische Kräfte existieren und nutzbar gemacht werden können, so sei ihnen doch bewusst gewesen, dass sie mit dem Abschluss des Vertrags den Boden wissenschaftlich gesicherter Erfahrungen verließen und sich auf die Ebene eines vernunftmäßig nicht mehr begründbaren und verifizierbaren Vertrauens in übersinnliche Erkenntnis- und Beeinflussungsmöglichkeiten begaben. Habe der Dienstverpflichtete die Erbringung einer Leistung zugesagt, die nach dem Stand der Wissenschaft und Technik schlechthin nicht erbracht werden könne und habe sich der Dienstberechtigte bei dieser Sachlage gleichwohl entschlossen, dem Dienstverpflichteten für die Dienste ein Entgelt zu versprechen, so liege die Annahme nicht fern, dass der Dienstverpflichtete nach dem Willen der Parteien die vereinbarte Vergütung ungeachtet des Umstands beanspruchen könne, dass die „Tauglichkeit“ der erbrachten Leistung rational nicht nachweisbar sei. Dabei sei zu beachten, dass die Annahme einer wirksamen Vergütungsvereinbarung nicht voraussetze, dass sich die Parteien darüber im Klaren waren, dass dem Dienstverpflichteten nach den Maßstäben des § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB und des § 275 Abs. 1 BGB von Rechts wegen keine Vergütung zustehe (BGH, Urt. v. 13.01.2011 – III ZR 87/10, BGHZ 188, 71 = NJW 2011, 756, 758 Rn. 16-19).

Unter Zugrundelegung dessen wäre vorliegend davon auszugehen, dass die Parteien § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB abbedungen haben. Denn die Klägerin hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung unwidersprochen ausgeführt, dass sie die Beklagte auf die nicht notwendigerweise gegebene empirische Belegbarkeit der Behandlung hingewiesen habe. Entsprechendes ergibt sich auch aus der von der Beklagten unstreitig unterzeichneten „Erklärung“ vom 12.04.2014.

Im Schrifttum hat diese Auffassung des Bundesgerichtshofs zum Teil Zustimmung gefunden (Faust, JuS 2011, 359, 361; Pfeiffer, LMK 2011, 314413; Staudinger/Feldmann/Löwisch, BGB, Neubearbeitung 2014, § 311a Rn. 18; Prütting/Wegen/Weinreich/Stürner/Medicus, BGB, 9. Aufl. 2014, § 326 Rn. 15; Windel, ZGS 2011, 218, 221; Erman/H. P. Westermann, 14. Aufl. 2014, § 275 Rn. 5, § 326 Rn. 11).

(2)

Im Schrifttum ist die Auffassung des III. Zivilsenats aber auch auf Ablehnung gestoßen. Ob bei Verträgen über „esoterische Dienstleistungen“ eine Vergütungspflicht besteht, wird dann allerdings unterschiedlich beurteilt.

(a)

Zum Teil wird im Schrifttum bei der Vereinbarung einer Leistung, die unter Einsatz übernatürlicher Kräfte und Fähigkeiten erbracht werden soll, ebenfalls von einer sog. naturgesetzlichen Unmöglichkeit i.S. des § 275 Abs. 1 BGB ausgegangen. Allerdings soll dann auch § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB anwendbar sein, weshalb der Vergütungsanspruch des Dienstverpflichteten entfallen soll (Bamberger/Roth/Lorenz, BGB, § 275 Rn. 22; Timme, MDR 2011, 397, 398; so wohl auch MünchKomm-BGB/Ernst, 6. Aufl. 2012, § 275 Rn. 35).

(b)

Andere gehen davon aus, dass sich aus dem durch Auslegung zu ermittelnden Vertragsinhalt ergebe, ob die Leistung unmöglich i.S. des § 275 Abs. 1 BGB sei. Verabredeten beide Vertragspartner eine „esoterische Dienstleistung“ im beiderseitigen Bewusstsein darüber, dass die Geeignetheit und Tauglichkeit dieser Leistung zur Erreichung des gewünschten Erfolgs rational nicht erklärbar sei, verpflichte sich der Dienstverpflichtete nur scheinbar zu „echter Magie“. Tatsächlich solle er nach dem beiderseitigen Willen gerade keinen „magischen“ Erfolg schulden, sondern nur zu einem Tun verpflichtet sein, in der Hoffnung, sein Tun werde etwas bewirken. Demnach seien beide Parteien zur Leistung verpflichtet (Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearbeitung 2014, Eckpfeiler des Zivilrechts Rn. 94; Schermaier, JZ 2011, 633, 636 f.; Voss, NJW 1953, 1553; ebenso bereits LG Braunschweig, Urt. v. 28.11.1985 – 7 S 327/84, NJW-RR 1986, 478, 479; in diese Richtung auch Nassall, jurisPR-BGHZivilR 5/2011 Anm. 1).

 

(c)

Nach einer weiteren Auffassung soll bei einem beiderseitigen Bewusstsein der „Sinnlosigkeit“ und einem gleichwohl bestehenden Rechtsbindungswillen der Parteien der Vertrag unwirksam sein. Trotz § 311a BGB sei ein Vertrag, bei dem sich beide Parteien darüber einig seien, dass die Leistung nicht erbringbar sei, auch unter Geltung des neuen Schuldrechts „ein Nichts“. Das decke sich mit dem Parteiwillen, der schließlich dahingehe, rechtliche Maßstäbe nicht als anwendbar anzusehen. Die rechtliche Unbeachtlichkeit könne mit einem ungeschriebenen Rechtssatz (Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 277 f.; vgl. hierzu auch Arp, Anfängliche Unmöglichkeit, Diss. Bonn 1985/1986, S. 155 ff., 214 f.; Canaris, JZ 2001, 499, 505 f.; Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, 6. Aufl. 2005, § 5 Rn. 7; Schwarze, Jura 2002, 73, 74: „ordnungsrechtliche Erwägung“) oder mit einer Analogie zu § 306 BGB a.F. begründet werden (Bartels, ZGS 2011, 355, 361 f.).

(3)

Der Vergütungsanspruch der Klägerin aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Dienstvertrag ist nicht gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB entfallen, weil die Parteien schon keine Leistung vereinbart haben, die gemäß § 275 Abs. 1 BGB unmöglich ist. Das erkennende Gericht vermag der Auffassung des III. Zivilsenats, der in einem vergleichbaren Fall von einer „naturgesetzlichen Unmöglichkeit“ ausgeht, nicht zu folgen.

Dies folgt allerdings nicht bereits aus dem Umstand, dass die Parteien vorliegend einen Dienstvertrag geschlossen haben (so aber Schermaier, JZ 2011, 633, 636). Auch bei einem Dienstvertrag kann die geschuldete Tätigkeit der Erreichung eines bestimmten Ziels dienen. Die konkrete Beschreibung dieses Ziels im Vertragstext ist dann ein Mittel, um näher einzugrenzen, in welche Richtung die von dem Auftragnehmer zu erbringende Tätigkeit gehen soll (vgl. BGH, Urt. v. 16.07.2002 – X ZR 27/01, BGHZ 151, 330 = NJW 2002, 3323, juris Rn. 26). Insofern ist durchaus ein Fall der „naturgesetzlichen Unmöglichkeit“ gegeben, wenn das mit der Dienstleitung verfolgte Ziel nach den Erkenntnissen von Wissenschaft und Technik von vorneherein nicht erreicht werden kann.

Für die Beurteilung der Unmöglichkeit einer vertraglich vereinbarten Leistung kommt es indes nicht allein darauf an, ob die Leistung nach wissenschaftlichen Erkenntnissen erfüllbar ist. Nicht jede Leistung, die den Boden der naturwissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse verlässt, ist rechtlich unmöglich (zutreffend Schermaier, JZ 2011, 633, 634). Maßgeblich ist, was die Parteien als vertragliche Leistungspflicht vereinbart haben. Dabei hat die Auslegung vertraglicher Vereinbarungen Vorrang vor der Annahme der Unmöglichkeit (jurisPK-BGB/Alpmann, 7. Aufl. 2014, § 275 Rn. 7; Prütting/Wegen/Weinreich/Schmidt-Kessel, BGB, 9. Aufl. 2014, § 275 Rn. 7). Nur wenn sich aus der vertraglichen Vereinbarung ergibt, dass der Schuldner die tatsächliche Erreichung eines Ziels versprochen oder die Gewähr für die Wirksamkeit der vereinbarten Tätigkeit übernommen hat, kann von einer naturgesetzlichen Unmöglichkeit ausgegangen werden, wobei in einem solchen Fall auch § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Anwendung kommt und nicht als abbedungen angesehen werden kann (vgl. Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearbeitung 2014, Eckpfeiler des Zivilrechts Rn. 94 a.E.; Schermaier, JZ 2011, 633, 637). Vorliegend hat die Klägerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung unwidersprochen ausgeführt, dass sie die Beklagte auf die nicht notwendigerweise gegebene empirische Belegbarkeit der Behandlung hingewiesen habe. Entsprechendes ergibt sich auch aus der von der Beklagten unstreitig unterzeichneten „Erklärung“ vom 12.04.2014. Da die Klägerin bei dieser Sachlage weder die tatsächliche Erreichung eines vertraglich vereinbarten Ziels versprochen noch die Gewähr für die Wirksamkeit der vereinbarten Tätigkeit übernommen hat, sondern die Parteien übereinstimmend die Erbringung einer Dienstleistung vereinbart haben, „deren Grundlagen und Wirkungen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft und Technik nicht erweislich sind, sondern nur einer inneren Überzeugung, einem dahingehenden Glauben oder einer irrationalen, für Dritte nicht nachvollziehbaren Haltung entsprechen“ (vgl. BGH, Urt. v. 13.01.2011 – III ZR 87/10, BGHZ 188, 71 = NJW 2011, 756, 758 Rn. 17). Wenn nach dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarung gerade keine Leistung geschuldet sein soll, deren Nutzen nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht belegbar ist, fehlt es bereits an der „naturgesetzlichen Unmöglichkeit“ der Leistung, weshalb schon die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht vorliegen. Weder für den Schuldner (§ 275 Abs. 1 BGB) noch für den Gläubiger (§ 326 Abs. 1 Satz 1 BGB) ist von einer Unmöglichkeit auszugehen, beide Parteien sind vielmehr zur Leistung verpflichtet (zutreffend LG Braunschweig, Urt. v. 28.11.1985 – 7 S 327/84, NJW-RR 1986, 478, 479 Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearbeitung 2014, Eckpfeiler des Zivilrechts Rn. 94; Schermaier, JZ 2011, 633, 636 f.; Voss, NJW 1953, 1553; so im Grundsatz auch Erman/H. P. Westermann, 14. Aufl. 2014, § 275 Rn. 5).

Der zwischen den Parteien geschlossene Dienstvertrag kann auch nicht aufgrund eines ungeschriebenen Rechtssatzes oder einer Analogie zu § 306 BGB a.F. als unwirksam angesehen werden. Der Inhalt der Leistungspflichten ist erst auf der Rechtsfolgenseite von Bedeutung (s. hierzu MünchKomm-BGB/Ernst, 6. Aufl. 2012, § 311a Rn. 31; Windel, ZGS 2011, 218, 221 f.). Dem Gesetzgeber ist bei der Abschaffung des § 306 BGB a.F. bewusst gewesen, dass „Fälle des Versprechens einer Leistung, die nur Aberglaube für möglich halten kann“ unter Geltung des § 311a BGB grundsätzlich wirksam sind. Nach Einschätzung des Gesetzgebers sollten Verträge über solche Leistungen aber „häufig als sittenwidrig und deshalb nach § 138 als nichtig behandelt werden können“ (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 164 zu § 311a). Im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des § 311a Abs. 1 BGB sowie dem Willen des Gesetzgebers ist weder Raum für eine Analogie noch für einen „ungeschriebenen Rechtssatz“ (vgl. MünchKomm-BGB/Ernst, 6. Aufl. 2012, § 311a Rn. 31; Erman/Kindl, BGB, 14. Aufl. 2014, § 311a Rn. 5; Windel, ZGS 2003, 466, 467 f.; ebenso für Leistungen, die gemeinhin als „Scharlatanerie“ betrachtet würden Schwarze, Das Recht der Leistungsstörungen, 2008, § 4 Rn. 5). Soweit der Gesetzgeber gleichwohl von einer Unwirksamkeit derartiger Verträge ausgegangen ist, beruht diese Auffassung nicht auf einem weiterhin geltenden „ungeschriebenen Rechtssatz“, sondern der vom Gesetzgeber „häufig“ für gegeben erachteten Sittenwidrigkeit (nicht überzeugend daher Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 277 f.). Selbst wenn es sich insoweit um einen „Irrtum der Gesetzesverfasser“ gehandelt haben sollte (so ohne überzeugende Begründung Bartels, ZGS 2011, 355, 362), bleibt der Wortlaut des § 311a Abs. 1 BGB eindeutig und die Begründung der Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion im Dunkeln. Auch das „Bewusstsein fehlender rechtlicher Gegenständlichkeit“ (so Bartels, ZGS 2011, 355, 361) ist kein geeignetes Kriterium, da es den Parteien obliegt, den Inhalt der Leistungspflichten zu bestimmen. Danach kann auch eine wissenschaftlich betrachtet „unsinnige“ Leistung für den Dienstberechtigten von Nutzen sein, andernfalls hätte er sich nicht zur Zahlung eines Entgeltes hierfür verpflichtet. Insoweit kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Recht sich davor schützen müsse, „durch Unfug missbraucht zu werden“ (so aber Bartels, ZGS 2011, 355, 361). Ob der Staat für die Durchsetzung „skurriler“ oder „abstruser“ Leistungen seine Institute zur Verfügung stellen soll, ist eine rechtspolitische Frage (zutreffend Schermaier, JZ 2011, 633, 637).

Darüber hinaus ist die Bewertung einer privatautonom vereinbarten Dienstleistung als „unsinnig“ oder „absurd“ kein geeignetes Abgrenzungskriterium zur Bestimmung der Wirksamkeit eines Vertrages. Die Partien und nicht die Allgemeinheit oder die Gerichte haben über die Sinnhaftigkeit des Vertrages zu entscheiden (zutreffend Grunewald, JZ 2001, 433, 434; Schermaier, JZ 2011, 633, 637; Windel, ZGS 2003, 466, 467 f.; ders., ZGS 2011, 218, 220; in der Sache auch BGH, Urt. v. 13.01.2011 – III ZR 87/10, BGHZ 188, 71 = NJW 2011, 756, 758 Rn. 17). Ob für „gegenstandslose“ Verträge (s. hierzu Arp, Anfängliche Unmöglichkeit, Diss. Bonn 1985/1986, S. 155 ff.) Raum für eine Unwirksamkeit außerhalb von § 311a Abs. 1 BGB aufgrund eines ungeschriebenen Rechtssatzes ist, etwa für Verträge über die Lieferung eines Fabelwesens (Hippocentaurus) oder eines perpetuum mobile (s. hierzu Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, 6. Aufl. 2005, § 3 Rn. 4; Schwarze, Das Recht der Leistungsstörungen, 2008, § 4 Rn. 5; ders., Jura 2002, 73, 74), bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag nicht „gegenstandslos“ in diesem Sinne ist.

Letztlich kommt es vorliegend aber auch nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die vertraglich vereinbarte Leistungspflicht unmöglich ist, denn der Vertrag ist bereits wegen Sittenwidrigkeit nichtig (s. u. zu e)). In einem solchen Fall kommt es nicht mehr auf die objektive Unmöglichkeit des Leistungsversprechens an (Bartels, ZGS 2011, 355, 358).

d.

Der zwischen den Parteien zustande gekommene Dienstvertrag ist nicht gemäß § 138 Abs. 2 BGB oder § 134 BGB i.V. mit § 291 StGB nichtig. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Darüber hinaus fehlt es vorliegend an einer Vergleichbarkeit mit marktüblichen Entgelten. Die Leistung, die für das Entgelt zu erbringen ist, kann nicht in ihrer Sinnhaftigkeit und damit ihrem objektiven Wert erfasst werden (Bartels, ZGS 2011, 355, 359; Pfeiffer, LMK 2011, 314413). Im Hinblick hierauf kann vorliegend auch nicht von einem wucherähnlichen Vertrag gemäß § 138 Abs. 1 BGB ausgegangen werden (vgl. hierzu Staudinger/Sack/Fischinger, BGB, Neubearbeitung 2011, § 138 Rn. 267 ff.).

Ferner hat die Beklagte nicht dargetan, dass die Klägerin sich die Gegenleistung unter Ausbeutung einer Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche hat versprechen lassen. Entsprechendes hat auch die Anhörung der Parteien nicht ergeben.

Der Dienstvertrag ist auch nicht nach § 134 BGB i.V. mit § 263 StGB nichtig. Dass die Klägerin selbst davon ausgegangen ist, die Leistung nicht erbringen zu können (s. hierzu Grunewald, JZ 2001, 433, 434; s. ferner AG Mannheim, Urt. v. 04.03.2011 – 3 C 32/11, juris, das in einem solchen Fall von der Sittenwidrigkeit des Vertrages ausgeht), hat die Beklagte weder behauptet, noch hat die Anhörung der Klägerin Dahingehendes ergeben.

e.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Zahlungsanspruch jedoch deshalb nicht zu, weil der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist.

(1)

Nach Auffassung des Bundesgerichthofs sollen an das Vorliegen der Sittenwidrigkeit bei Verträgen über „esoterische Dienstleistungen“ keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sein. Denn in diesem Zusammenhang dürfe nicht verkannt werden, dass sich viele der Dienstberechtigten, die einen Vertrag mit einem solchen Inhalt abschließen, in einer schwierigen Lebenssituation befänden oder es sich bei ihnen um leichtgläubige, unerfahrene oder psychisch labile Personen handele (BGH, Urt. v. 13.01.2011 – III ZR 87/10, BGHZ 188, 71 = NJW 2011, 756, 758 Rn. 21 zustimmend Timme, MDR 2011, 397, 398). Dabei hat der Bundesgerichtshof Bezug genommen auf einen Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Modernisierung des Schuldrechts (BT-Drucks. 14/6040, S. 164); dort heißt es: „Von der Rechtsprechung in Anwendung des bisherigen § 306 gelöste Fälle des Versprechens einer Leistung, die nur Aberglaube für möglich halten kann (vgl. LG Kassel, NJW 1985, 1642, LG Kassel, NJW-RR 1988, 1517), rechtfertigen die Beibehaltung dieser Vorschrift nicht; sie dürften häufig als sittenwidrig und deshalb nach § 138 als nichtig behandelt werden können.“.

Dem kann in dieser Allgemeinheit jedoch nicht gefolgt werden. Verträge über die Erbringung „esoterischer“ Dienstleistungen sind nicht per se sittenwidrig. Auch ist im Grundsatz unerheblich, dass sie die Erbringung naturwissenschaftlich nicht beweisbarer Dienste zum Gegenstand haben. Es ist nicht die Aufgabe des § 138 Abs. 1 BGB eine richterliche Kontrolle von Verträgen auf ihre Sinnhaftigkeit hin durchzuführen (Windel, ZGS 2003, 466, 467 f.; ders., ZGS 2011, 218, 220). Es entspricht vielmehr der Privatautonomie der Parteien, Verträge auch über solche Leistungen zu schließen (Art. 2 Abs. 1 GG). Zudem kann sich der Dienstverpflichtete auf die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG berufen (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.11.1965 – I C 6.63, BVerwGE 22, 286 f. zur Ausübung der gewerbsmäßigen Astrologie; Bartels ZGS 2011, 355, 359). Im Hinblick hierauf kann von einer Sittenwidrigkeit eines Vertrages über die Erbringung einer „esoterischen Dienstleistung“ nur dann ausgegangen, wenn besondere Umstände vorliegen (Bartels, ZGS 2011, 355, 359; Nassall, jurisPR-BGHZivilR 5/2011 Anm. 1; Pfeiffer, LMK 2011, 314413; Windel ZGS 2011, 218, 220).

Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist nicht deshalb sittenwidrig, weil die Dienstleistung auf eine parapsychologische Beeinflussung Dritter hinauslaufen soll (s. hierzu Bartels, ZGS 2011, 355, 361; Windel ZGS 2011, 218, 220). Die Klägerin hat sich lediglich verpflichtet, bei der Beklagten eine „esoterische Dienstleistung“ zu einem „esoterischen Zweck“ (Harmonisierung der körpereigenen Energiefelder) vorzunehmen.

Der zwischen den Parteien geschlossene Dienstvertrag ist auch nicht bereits deshalb sittenwidrig, weil die Klägerin nicht dargetan hat, über eine hinreichende Ausbildung zur Vornahme der geschuldeten Dienste zu verfügen (anders AG Grevenbroich, Urt. v. 03.11.1997 – 11 C 232/97, NJW-RR 1999, 133 für eine Lebenshilfe auf parapsychologischer Grundlage). Denn nach dem oben Gesagten ist Gegenstand des Vertrages weder ein bestimmter Erfolg noch die Vornahme einer empirisch belegbar wirksamen Tätigkeit. Wird eine „esoterische Dienstleistung“ angeboten und bedient sich der Dienstverpflichtete hierzu „esoterischer Mittel“, ist das Vorhandensein einer entsprechenden Aus- oder Vorbildung nach den vertraglichen Vereinbarungen weder erforderlich noch von dem Dienstberechtigten erwartet. Allenfalls dann, wenn die Klägerin eine besondere Sachkunde oder Ausbildung vorgespiegelt hätte, könnte etwas Abweichendes gelten. Hierzu hat die Beklagte indes nichts vorgetragen. Auch die Parteianhörung hat nichts hierfür ergeben.

(2)

Der zwischen den Parteien geschlossene Dienstvertrag ist jedoch deshalb sittenwidrig, weil die Klägerin die Leichtgläubigkeit der Beklagten ausgenutzt hat.

 

Ein Rechtsgeschäft ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Dabei sind nicht nur der objektive Inhalt des Geschäfts, sondern auch die Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben, und die von den Parteien verfolgten Absichten und Beweggründe zu berücksichtigen. Das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit und eine Schädigungsabsicht sind nicht erforderlich, es genügt, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt (s. zum Ganzen BGH, Urt. v. 10.10.1997 – V ZR 74/96, NJW-RR 1998, 590, 591 m.w.Nachw.).

Vorliegend ist nach Auffassung des Gerichts zu berücksichtigen, dass die Klägerin nicht von sich aus zu dem Stand der Beklagten gegangen ist, um sich dort einer Behandlung zu unterziehen. Aus den übereinstimmenden Angaben der Parteien im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung in dem Termin am 15.12.2014 ergibt sich vielmehr, dass sich die Beklagte zunächst als Zuschauerin den Vortrag der Beklagten angehört hat. Sodann hat die Klägerin sich die Beklagte aus den anwesenden Personen, nach den Angaben der Klägerin handelte es sich um 50-70 Leute, neben einer weiteren Person herausgesucht und eine Behandlung durchgeführt. Dabei sollte die Beklagte äußern, ob es ihr besser gehe, was nach den Angaben der Beklagten der Fall gewesen sein soll. Erst im Anschluss hieran hat sich die Beklagte zu der Klägerin an den Stand begeben, wo nach dem Vorbringen der Klägerin sodann 12 Sitzungen zu je 300,00 € durchgeführt worden sein sollen.

In dieser Situation hat die Klägerin die Leichtgläubigkeit der Beklagten ausgenutzt, weil sie die Beklagte angesprochen und vor einem größeren Publikum eine Behandlung durchgeführt hat. Es liegt nahe, dass die Beklagte in diesem Rahmen geäußert hat, dass es ihr nach der Behandlung besser gehe. Auch wenn vorliegend die Voraussetzungen des § 312 BGB a.F. nicht gegeben sind, befand sich die Beklagte in der konkreten Situation doch in einer vergleichbaren Lage wie ein Verbraucher in seiner sog. Haustürsituation (vgl. BGH, Urt. v. 27.01.1988 – VIII ZR 155/87, NJW 1988, 1373, 1375; jurisPK-BGB/Nassall, 7. Aufl. 2014, § 138 Rn. 15; zu einem überrumpelnden Bürgschaftsverlangen vgl. BGH, Urt. v. 16.01.1997 – IX ZR 250/95, NJW 1997, 1980, 1981 f.). Vorliegend hat die Klägerin die Leichtgläubigkeit der Beklagten durch Schaffung einer Überrumpelungssituation ausgenutzt. Der Beklagten hätte es zwar freigestanden, nach Durchführung der Behandlung zu äußern, dass sie keine Besserung verspüre. Da die Klägerin jedoch die Beklagte herausgesucht hat, um die Wirksamkeit ihrer Behandlungsmethoden zu präsentieren, bestand für die Beklagte – sei es auch unterbewusst – eine Drucksituation, vor dem Publikum die Wirksamkeit der Behandlung der Klägerin zu bestätigen. In einer solchen Situation ist das Auftreten von positiven psychischen und körperlichen Reaktionen, die nicht auf die spezifische Wirksamkeit einer Behandlung zurückzuführen sind, sondern auf den psychosozialen Kontext der Behandlung (sog. Placeboeffekt), besonders naheliegend. Dieses Vorgehen der Klägerin diente letztlich dazu, weitere Personen dazu zu veranlassen, bei ihr kostenpflichtige Behandlungen durchführen zu lassen. Der Vortrag der Klägerin sowie die bei der Beklagten vor dem Publikum durchgeführte Behandlung dienten dabei einem an sich nicht zu missbilligenden Gewinnstreben. Aus den übereinstimmenden Angaben der Parteien im Rahmen ihrer Anhörung ergibt sich, dass die Beklagte nach Durchführung der Behandlung angegeben hat, sich besser zu fühlen und sich deshalb anschließend zur Fortsetzung der Behandlung zu der Beklagten an den Stand begeben hat. Der aus Sicht der Beklagten als positiv empfundene Effekt der vor dem Publikum durchgeführten Behandlung wirkte demnach auch bei Abschluss des Dienstvertrages fort. Im Hinblick hierauf ist der Behandlungsvertrag unter Würdigung der Gesamtumstände mit der Beklagten in der konkreten Situation unter Ausnutzung der Leichtgläubigkeit der Beklagten zur Erzielung eines Gewinns in sittenwidriger Weise zustande gekommen. Nach dem oben Gesagten ist unerheblich, ob der Klägerin die Sittenwidrigkeit bewusst gewesen ist, ebenso ist unerheblich, ob die Klägerin mit Schädigungsabsicht gehandelt hat. Es genügt vielmehr, dass die Klägerin die Tatsachen kannte, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt.

Dass der Vertrag vorliegend unter Ausnutzung der Leichtgläubigkeit der Beklagten in einer Überrumpelungssituation zustande gekommen ist, belegt letztlich auch der unstreitige Umstand, dass die Beklagte unwidersprochen im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung angegeben hat, sie habe bereits am Abend Bedenken wegen der Höhe der Vergütung bekommen und am Folgetag die Klägerin aufgesucht, um sich wieder von dem Vertrag zu lösen. Zwar ist ein Sinneswandel nach Vertragsschluss für die Wirksamkeit eines bereits wirksam zustande gekommenen Vertrages unerheblich (vgl. LG Braunschweig, Urt. v. 28.11.1985 – 7 S 327/84, NJW-RR 1986, 478, 479). Vorliegend ist der „Sinneswandel“ der Beklagten aber ein gewichtiges Indiz dafür, dass der Vertrag unter Ausnutzung der Leichtgläubigkeit der Beklagten zustande gekommen ist.

(3)

Die Bestimmung des § 311a Abs. 1 BGB steht einer Anwendbarkeit des § 138 BGB nicht entgegen. Alleine aus dem Umstand, dass ein Vertrag trotz anfänglich objektiver Unmöglichkeit der Leistung wirksam ist, folgt nicht, dass er aus anderen Gründen wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist (s. nur MünchKomm-BGB/Ernst, BGB, 6. Aufl. 2012, § 311a Rn. 25).

(4)

Dass die Beklagte sich auf die Sittenwidrigkeit des Behandlungsvertrages im Rechtsstreit nicht (ausdrücklich) berufen hat, ist unerheblich. Den Parteien obliegt es lediglich, die rechtserheblichen Tatsachen vorzutragen. Es ist sodann allein Sache des Gerichts, wie es die unstreitigen bzw. nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehenden Tatsachen rechtlich bewertet („da mihi facta, dabo tibi ius“). Ergibt sich unter Zugrundelegung dessen eine rechtlich erhebliche Einwendung, muss das Gericht diese berücksichtigen (vgl. hierzu BAG, Urt. v. 13.03.1997 – 2 AZR 512/96, BAGE 85, 262 = NJW 1998, 698, juris Rn. 27; OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 14.02.2008 – 15 U 5/07, juris Rn. 46; OLG Köln, Urt. v. 22.02.2011 – 15 U 147/10, juris Rn. 25; OLG Köln, Urt. v. 29.06.2010 – 15 U 25/10, juris Rn. 27; OLG Koblenz, Urt. v. 21.03.2002 – 5 U 908/01, juris Rn. 28). Die Sittenwidrigkeit eines Vertrages stellt auch keine Einrede dar, die von der Beklagten hätte erhoben werden müssen. Ergibt sich – wie vorliegend – auf der Grundlage des unstreitigen Vorbringens der Parteien, dass sich ein Vertrag als sittenwidrig darstellt, muss das Gericht diese Einwendung von Amts wegen berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. v. 07.12.2006 – V ZR 90/06, juris Rn. 12 m.w.Nachw.; jurisPK-BGB/Nassall, 7. Aufl. 2014, § 138 Rn. 69).

(2)

Die Nichtigkeit des Dienstvertrages hat das Gericht auch in dem vorliegenden Urkundenverfahren zu berücksichtigen. Insbesondere steht § 595 Abs. 2 BGB nicht entgegen. Im Urkundenverfahren sind Einwendungen der beklagten Partei zu beachten, wenn sie entweder aus den Urkunden selbst hervorgehen oder unstreitig sind (vgl. BGH, Urt. v. 03.04.2003 – IX ZR 113/02, NJW 2003, 2386, 2387 zu 3.). Vorliegend ergibt sich die Sittenwidrigkeit des Behandlungsvertrages auf der Grundlage der unstreitigen Angaben der Parteien im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung. Es handelt sich insoweit um unstreitiges Parteivorbringen. Ob der Behandlungsvertrag auf dieser Grundlage als sittenwidrig zu bewerten ist, ist eine Rechtsfrage.

(3)

Der Beklagten ist die Berufung auf die Sittenwidrigkeit auch nicht im Hinblick auf die als „Schuldschein“ überschriebene Erklärung versagt. Auch insoweit kann dahinstehen, ob die Beklagte am 12.04.2014 auch diese Erklärung tatsächlich unterzeichnet hat. Denn das als „Schuldschein“ überschriebene Schriftstück stellt kein deklaratorisches (kausales) Schuldanerkenntnis dar. Die Beklagte weist diesbezüglich zutreffend darauf hin, dass schon unter Zugrundelegung des klägerischen Vorbringens von einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis nicht ausgegangen werden kann. Ein solches liegt nur vor, wenn die Parteien mit der vereinbarten Regelung bezwecken, das Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Beziehungen dem Streit der der Ungewissheit der Parteien zu entziehen, es in diesem Sinne also „festzustellen“ (BGH, Urt. v. 24.03.1976 – IV ZR 222/74, BGHZ 66, 250, 253 f. = NJW 1976, 1259; BGH, Beschl. v. 03.06.2008 – XI ZR 239/07, NJW 2008, 3425, 3426; MünchKomm-BGB/Habersack, 6. Aufl. 2013, § 781 Rn. 3). Die Klägerin selbst hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung nicht geschildert, dass die Parteien mit der Unterzeichnung des „Schuldscheins“ einen Streit über den Behandlungsvertrag beseitigen wollten. Nach dem Vorbringen der Klägerin ist der „Schuldschein“ noch am 12.04.2014, also zu einem Zeitpunkt unterzeichnet worden, als zwischen den Parteien noch kein Streit über die Zahlungsverpflichtung der Beklagten bestand. Dieser Streit ist nach den übereinstimmenden Angaben der Parteien in der persönlichen Anhörung erst am Folgetag, dem 13.04.2014, entstanden. Da die Klägerin selbst angegeben hat, sie lasse sich den Schuldschein gesondert unterzeichnen, wenn ein Kunde die Vergütung nicht in bar entrichte, ist vielmehr davon auszugehen, dass es sich bei dieser Erklärung nicht um ein deklaratorisches, sondern um ein nichtrechtsgeschäftliches Anerkenntnis handelt, das die Klägerin sich zum Zwecke der Beweiserleichterung hat unterzeichnen lassen (vgl. BGH,, Urt. v. 24.05.1976 – III ZR 63/74, WM 1976, 974, juris Rn. 17; BGH, Urt. v. 10.06.1985 – III ZR 178/84, NJW 1986, 2571 f.; OLG Köln, Beschl. v. 11.05.2014 – 11 W 16/14, MDR 2014, 1227, juris Rn. 2; OLG Köln, Urt. v. 19.12.1997 – 19 U 142/97, NJW-RR 1998, 1518, juris Rn. 3; OLG Stuttgart, Urt. v. 20.10.2004 – 9 U 127/04, WM 2005, 969, juris Rn. 21).

Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass es sich bei dem „Schuldschein“ um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis handelt und die Beklagte dieses auch tatsächlich unterzeichnet hat, steht es der Berücksichtigung einer Sittenwidrigkeit des Behandlungsvertrages nicht entgegen. Auch das deklaratorische Schuldanerkenntnis ist unwirksam, wenn das dem anerkannten Anspruch zugrunde liegende Rechtsverhältnis nichtig ist und die Nichtigkeitsgründe bei seiner Abgabe noch fortbestehen (BGH, Urt. v. 16.03.1988 – VIII ZR 12/87, BGHZ 104, 18 = NJW 1988, 1781, 1782; BGH, Beschl. v. 24.06.2010 – V ZR 225/09, juris Rn. 8; MünchKomm-BGB/Habersack, 6. Aufl. 2013, § 781 Rn. 5). Beides ist vorliegend nach dem oben Gesagten der Fall. Zwischen den Parteien herrschte auch nicht gerade über eine etwaige Sittenwidrigkeit des Ausgangsverhältnisses ernsthaft Streit oder Zweifel, die durch das Anerkenntnis behoben werden sollten (vgl. BGH, Urt. v. 22.09.2011 – IX ZR 1/11, NJW 2012, 61, juris Rn. 12). Die Parteien haben im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung Dahingehendes nicht geschildert, die Klägerin hat hierzu auch nichts vorgetragen. Sie hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vielmehr angegeben, dass mit der Unterzeichnung des Schuldscheins lediglich das (unstreitige) Bestehen einer Forderung bestätigt werden sollte, wenn der Dienstberechtigte nicht in bar die Vergütung zahle.

f.

 

Da der Klägerin gegen die Beklagte ein Vergütungsanspruch nicht zusteht, ist die Klage auch bezogen auf die geltend gemachten Zinsen unbegründet und abzuweisen.

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1, 43 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.

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