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EU-Führerschein – Entzugsmöglichkeit trotz EuGH-Urteil

VG Stade

Az: 1 A 2642/05

Urteil vom 16.08.2006


In der Verwaltungsrechtssache Streitgegenstand: Entziehung einer ausländischen Fahrerlaubnis hat das Verwaltungsgericht Stade – 1. Kammer – ohne mündliche Verhandlung am 16. August 2006 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der am 16. November 1954 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Seit seiner Geburt ist er mit alleinigem Wohnsitz in F. gemeldet. Aus Anlass einer Verkehrszuwiderhandlung unter Alkoholeinfluss unterzog sich der Kläger am 08. Mai 2002 einer medizinisch-psychologischen Untersuchung bei der AVUS in Hamburg-Harburg. Das Gutachten vom 22. Mai 2002 gelangte zu einer für ihn positiven Prognose. Daraufhin wurde dem Kläger am 07. August 2002 die Fahrerlaubnis wieder erteilt.

Mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts G. vom 23. Dezember 2002 wurde der Kläger wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr bei einem Blutalkoholgehalt von mindestens 1,69 Promille zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Fahrerlaubnis wurde ihm entzogen, die Sperrfrist für die Neuerteilung endete am 22. Juli 2003.

Am 08. Mai 2003 beantragte der Kläger die Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Im Verlaufe des Wiedererteilungsverfahrens unterzog er sich einer medizinisch-psychologischen Begutachtung in der Begutachtungsstelle des TÜV Nord in Bremen. Das dort erstellte Gutachten vom 29. Oktober 2003 gelangte zu einer negativen Fahreignungsprognose. Es sei zu erwarten, dass der Kläger zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Am 14. November 2003 zog der Kläger seinen Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis zurück. Nach einem zweiten Neuerteilungsantrag vom Juni 2004 erfolgte wiederum eine medizinisch-psychologische Begutachtung des Klägers durch den TÜV Nord in Bremen. Der Kläger erklärte nach Erhalt des Begutachtungsergebnisses wieder die Antragsrücknahme.

Im März 2005 wurde dem Beklagten bekannt, dass dem Kläger am 16. Februar 2005 durch die Stadt Marianske Lazne in der Tschechischen Republik ein Führerschein (Klasse B) ausgestellt worden war.

Unter dem 07. Juli 2005 teilte das Verkehrsministerium der Tschechischen Republik dem Kraftfahrt-Bundesamt auf ein entsprechendes Auskunftsersuchen hin mit, dass der Führerschein erteilt worden sei, nachdem der Kläger die Fahrprüfung abgelegt und ein ärztliches Gesundheitszeugnis beigebracht habe, wonach er zur Führung von Motorfahrzeugen tauglich sei. Auf dem Führerscheinantrag habe er durch seine Unterschrift bestätigt, dass ihm das Führen von Motorfahrzeugen nicht verboten worden sei und dass er weder an einer körperlichen noch einer geistigen Krankheit leide, die ihn zum Führen von Kraftfahrzeugen untauglich machen würde. Auf den Führerscheinantrag habe der Kläger als ständigen Wohnsitz die Bundesrepublik Deutschland angegeben. Aufgrund der genannten Tatsachen sei der Führerschein gültig; von Seiten der tschechischen Behörden werde nicht um seine Einziehung gebeten.

Mit Schreiben vom 26. August 2005 forderte der Beklagte den Kläger unter Verweis auf die Vorschriften der §§ 13 Nr. 2c und 46 Abs. 3 der FeV dazu auf, binnen drei Monaten ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen und sich hierzu bis zum 09. September 2005 bereit zu erklären. In der Begutachtung solle zu der Frage Stellung genommen werden, ob er zukünftig ein Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde und/oder ob als Folge unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vorlägen, welche das sichere Führen von Kraftfahrzeugen in Frage stellten. Zwar sei durch das EuGH-Urteil vom 29.04.2004 eine gegenseitige Anerkennung einer von einem Mitgliedstaat ausgestellten Fahrerlaubnis innerhalb der EU vorzunehmen. Dies bewirke, dass er mit seiner tschechischen Fahrerlaubnis in der BRD ein Kraftfahrzeug führen dürfe. Des weiteren hätten aber auch die deutschen Eignungsvoraussetzungen weiterhin Bestand; eine missbräuchliche Umgehung der Eignungsvorschriften – namentlich der medizinisch-psychologischen Untersuchung – durch einen Führerscheinerwerb im Ausland sei daher nicht möglich. Die Regelungen zur Kraftfahreignung gälten für deutsche und ausländische Fahrerlaubnisinhaber gleichermaßen. Da der Kläger im Straßenverkehr ein Fahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,69 Promille geführt habe, bestünden weiterhin Bedenken gegen seine Fahreignung. Mit weiterem Schreiben vom 31. Oktober 2005 erklärte der Beklagte, dass die Erteilung des ausländischen Führerscheins in Unkenntnis wesentlicher Teile desjenigen Sachverhalts erfolgt sei, der für die Beurteilung der Fahreignung als relevant angesehen werden müsse. Es werde um Übersendung der Einverständniserklärung nunmehr bis zum 10. November 2005 gebeten.

Mit Bescheid vom 17. November 2005 entzog der Beklagte dem Kläger die Fahrerlaubnis mit der Wirkung der Aberkennung des Rechts, von dieser im Inland Gebrauch zu machen, forderte ihn zur Abgabe bzw. Übersendung seines Führerscheins binnen 5 Tagen auf und ordnete die sofortige Vollziehung an. Der Kläger habe die Beibringung des angeforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens verweigert, so dass gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden könne. Aufgrund der Weigerung des Klägers, sich untersuchen zu lassen und der bisherigen negativen medizinisch-psychologischen Gutachten müsse mit erneuten Fehlanpassungen gerechnet werden.

Gegen diese Verfügung hat der Kläger am 29.11 2005 Klage erhoben und unter dem gleichen Datum auch um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er hält die Vorschriften der §§ 28, 46 FeV für europarechtswidrig. In formeller Hinsicht fehle es bereits an der vorherigen Zustimmung der Europäischen Kommission gemäß Art. 10 Abs. 2 der Führerschein-Richtlinie 91/439.

In materiell-rechtlicher Hinsicht liege ein Verstoß gegen den Anerkennungsmechanismus des Art. 1 Abs. 2 der Führerschein-Richtlinie vor, wonach alle Mitgliedstaaten Führerscheine anderer Mitgliedstaaten anzuerkennen hätten. Insbesondere gebe Art. 8 der Richtlinie dem jeweiligen Mitgliedstaat keineswegs die Befugnis, dem Inhaber einer Fahrerlaubnis aus einem anderen Mitgliedstaat eine zusätzliche Hürde aufzubauen, z.B. in Gestalt eines zusätzlichen Anerkennungsverfahrens, wie es § 28 Abs. 5 FeV vorsehe, oder wie es auch die routinemäßige Auflage der Beibringung einer medizinischpsychologischen Untersuchung darstelle. Das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens und damit das Verbot einer erneuten Überprüfung und Entscheidung eines anderen Mitgliedstaates werde vom EuGH strikt praktiziert und sei einer teleologischen Reduktion nicht zugänglich – insoweit werde auf Ziffer 46 der „Kapper“-Entscheidung des EuGH verwiesen, worin dem „deutschen Sonderweg“ eine eindeutige Absage erteilt worden sei. Demzufolge sei der Beklagte nicht befugt, vom Kläger die Beibringung einer positiven medizinisch-psychologischen Untersuchung zu verlangen. Habe ein Aufnahmemitgliedstaat ernsthafte Gründe, die Ordnungsgemäßheit eines ausländischen Führerscheins anzuzweifeln, so habe er dies dem ausländischen Mitgliedstaat mitzuteilen. Es sei dann allein Sache dieses Staates, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Darüber hinaus verstoße die Anordnung der Beibringung eines medizinischpsychologischen Gutachtens gegen das europarechtliche Diskriminierungsverbot. Ersichtlich richte sie sich nämlich ausschließlich gegen Inhaber von Führerscheinen aus anderen Mitgliedstaaten mit Wohnsitz in der BRD und solle lediglich dazu dienen, den „Führerschein-Tourismus“ einzudämmen. Nicht davon betroffen seien Inhaber deutscher Führerscheine und Inhaber von ausländischen Führerscheinen mit Wohnsitz im Ausland. Als nationale Rechtsgrundlage für die Aufforderung zur Beibringung einer medizinischpsychologischen Untersuchung käme – von der vorbezeichneten Europarechtswidrigkeit abgesehen – ohnehin nur § 46 Abs. 3, Abs. 5 i.V. mit § 11 Abs. 2 und Anlage 4 der FeV in Betracht, worin aber lediglich die Vorlage eines ärztlichen Gutachtens vorgesehen sei. Im Übrigen sei nicht erkennbar, welche Erkrankungen oder Mängel nach Anlage 4 zur FeV beim Kläger vorliegen sollten. Dieser nehme seit dem 16. Februar 2005 am Straßenverkehr teil und habe sich seither nichts zuschulden kommen lassen. Es könne also davon ausgegangen werden, dass er sich bewährt habe; die Anordnung einer medizinischpsychologischen Untersuchung sei daher unverhältnismäßig.

Der Kläger verweist zudem auf den im Laufe des Verfahrens ergangenen Beschluss des EuGH vom 6. April 2006, nach dem die Anerkennung einer ausländischen in der EU erteilten Fahrerlaubnis trotz der vorhergehenden Entziehung nicht versagt werden dürfe, wenn die Fahrerlaubnis nach Ablauf der Sperrfrist erteilt worden sei. Sachverhalte, die vor der Erteilung lägen, seien allein von dem ausstellenden Mitgliedsstaat in eigener Verantwortung zu prüfen. Eine erneute Heranziehung des Vorfalles aus dem Jahre 2002 sei dem Beklagten daher verwehrt.

Der Kläger beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 17. November 2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Unter Bezugnahme auf seine bisherigen Ausführungen verteidigt er den angefochtenen Bescheid.
Die Kammer hat den auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gerichteten Antrag (1 B 2643/05) durch Beschluss vom 11. Januar 2006 abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 15. Februar 2006 (12 ME 28/06) zurückgewiesen. Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Klage hat keinen Erfolg, weil sich der Bescheid des Beklagten vom 17. November 2005 als rechtmäßig erweist und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzt. Dem Kläger ist auf der Grundlage von § 3 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 Sätze 1 und 2 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), § 46 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 5 Satz 2, § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 8, § 13 Nr. 2 c), d), e) FeV i.V. mit Nr. 8 der Anlage 4 zur FeV zu Recht das Recht aberkannt worden, von seiner zunächst ohne Weiteres im Inland wirksamen tschechischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen.

Nach den genannten Vorschriften hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Erkrankungen oder Mängel nach der Anlage 4 zur FeV vorliegen. In Nr. 8.1 und 8.3 der Anlage 4 werden insoweit Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit genannt. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken dahingehend begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet ist, so hat die Fahrerlaubnisbehörde die vorgesehenen Aufklärungsmaßnahmen zu treffen, insbesondere die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer BAK von 1,6 Promille oder mehr geführt wurde, die Fahrerlaubnis aus diesem Grund entzogen war oder sonst zu klären ist, ob ein Alkoholmissbrauch nicht mehr besteht. Weigert sich der Betroffene, einer rechtmäßigen Untersuchungsanordnung Folge zu leisten oder bringt er das zu Recht geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf die Fahrerlaubnisbehörde auf seine Nichteignung schließen. Bei Inhabern einer ausländischen Fahrerlaubnis hat eine Entziehung die Wirkung einer Aberkennung des Rechts zur Folge, von dieser Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Der Führerschein ist in diesem Fall bei Vollziehbarkeit der behördlichen Maßnahme unverzüglich der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern, die diesen unter Angabe der Gründe über das Kraftfahrt-Bundesamt an die Ausstellungsbehörde zurücksendet. Diese nationalen Vorschriften knüpfen an Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439 des Rates vom 02.06.1997 (ABIEG Nr. L 237, S. 1; im Folgenden: Führerscheinrichtlinie) an. Danach kann vorbehaltlich der Einhaltung des straf- und polizeirechtlichen Territorialitätsprinzips der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes auf den Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins seine innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis anwenden und zu diesem Zweck den betreffenden Führerschein erforderlichenfalls umtauschen.

Es ist in Rechtsprechung und Literatur (vgl. etwa OLG Saarbrücken, Beschluss v. 04.11.2004 – Ss 16/04 -, zit. n. juris; OVG Koblenz, Beschluss v. 29.08.2005 – 7 B 10956/05 -; VG Gießen, Beschluss v. 17.10.2005 – GG 2144/05 -, zit. n. juris; Otte/ Kühner, Führerscheintourismus ohne Grenzen?, NZV 2004, 321, 328) unbestritten, dass die Mitgliedstaaten durch Art. 8 Abs. 2 der Führerscheinrichtlinie ermächtigt werden, ihre nationalen Eignungsüberprüfungs- und Entzugsvorschriften auf diejenigen Fahrzeugführer anzuwenden, die nach Erteilung einer EU-Fahrerlaubnis (erneut) im Inland auffällig werden und dadurch Bedenken im Hinblick auf ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen. Es stellt sich aber die weitere Frage, ob eine der Erteilung der EUFahrerlaubnis nachfolgende Eignungsüberprüfungs- bzw. Entzugsentscheidung nach mitgliedstaatlichem Recht auch ergänzend oder sogar ausschließlich auf solche Sachverhalte gestützt werden kann, die zeitlich vor der Erteilung der EU-Fahrerlaubnis eingetreten sind (ablehnend z.B.: OVG Koblenz, Beschluss v. 29.08.2005 – 7 B 10956/05 -; VG Karlsruhe, Beschluss v. 06.09.2005 – 11 K 1167/05 -; bejahend etwa VG Gießen, Beschluss v. 17.10.2005 – GG 2144/05 -, zit. n. juris). Das OVG Lüneburg hat diese Frage jedenfalls für eine Fallgestaltung, wie sie auch im Streitfall gegeben ist, bejaht. Im Einzelnen führt das Gericht aus:

„Der Senat berücksichtigt dabei durchaus, dass ein auf Art. 8 Abs. 2 der Führerscheinrichtlinie i.V. mit den deutschen Eignungsprüfungs- und Entzugsvorschriften der §§ 46 Abs. 3, 11ff. FeV gestütztes Vorgehen nicht auf eine systematische Überprüfung der Fahrerlaubniserteilungen anderer Mitgliedstaaten oder eine faktische Monopolisierung der Zuständigkeit für eine etwaige Wiedererteilung der Fahrerlaubnis bei den deutschen Behörden hinauslaufen darf, die dem Anerkennungsgrundsatz des Art. 1 Abs. 2 der Führerscheinrichtlinie in seiner Auslegung durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 29. April 2004 zuwiderlaufen würden […].

Zu beachten ist jedoch zunächst, dass sich das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 29. April 2004 zur Frage der Reichweite der Vorschrift des Art. 8 Abs. 4 der Führerschein-Richtlinie als Grundlange für Ausnahmen von der allgemeinen gegenseitigen Anerkenntnis von Fahrerlaubnissen und nicht zu der Gestattung von mitgliedstaatlichen Eignungsüberprüfungs- bzw. Entzugsentscheidungen nach Art. 8 Abs. 2 der Führerschein-Richtlinie verhält. Zu einer Umkehrung des Anerkennungsmechanismus, dem der Europäische Gerichtshof entgegengetreten ist, kommt es bei einer Anwendung dieser Vorschriften auf Fälle wie den vorliegenden jedoch bereits deshalb nicht, weil die im europäischen Ausland erteilte Fahrerlaubnis zunächst ipso iure im Inland wirksam und das Gebrauchmachen von ihr insbesondere nicht strafbar ist […]. Die Wirksamkeit wird der ausländischen Fahrerlaubnis erst durch einen nachträglichen inländischen Verwaltungsakt und ausschließlich mit Wirkung für das Inland wieder genommen […],

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Diesen Ausführungen hat sich die Kammer bereits in mehreren Eilverfahren angeschlossen. Wenn der Kläger argumentiert, aus Art. 8 der Führerscheinrichtlinie ergebe sich kein Recht eines Mitgliedstaates, dem Inhaber einer von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Fahrerlaubnis zusätzliche Hürden wie ein zusätzliches Anerkennungsverfahren oder eine medizinisch-psychologische Begutachtung aufzustellen und diese Auffassung letztlich auf die Entscheidung des EuGH (Urteil v. 29.04.2004 – C-476/01 (Kapper) -, NJW 2004, 1725ff: EuGHE 2004, I-5205) stützt, so verkennt er Inhalt und Reichweite dieser Entscheidung. In der „Kapper“-Entscheidung wird lediglich dem Anerkennungsautomatismus Geltung verschafft: der in einem Mitgliedstaat erworbene Führerschein gilt unmittelbar auch in Deutschland, ohne dass die Geltung von der Durchführung eines zusätzlichen (deutschen) Anerkennungsverfahren abhängig gemacht werden darf. Dem Anerkennungsverfahren als „Hürde“ für die unmittelbare Geltung etwa eines tschechischen Führerscheins ist aber – anders, als der Kläger meint – der vorliegende Fall nicht gleichzustellen.

Hier geht es um die nachträgliche Beschränkung eines zunächst unmittelbar geltenden Führerscheins. Der hier ergangene Verwaltungsakt der Fahrerlaubnisentziehung mit der Folge der Aberkennung des Rechts, in Deutschland von der Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, setzt somit die per Richtlinie bestehende Wirksamkeit der ausländischen Fahrerlaubnis gerade voraus. Ein Verstoß gegen den „Anerkennungsautomatismus“ kann somit nicht festgestellt werden.

Im Übrigen ist festzuhalten, dass die vom Kläger in Bezug genommene Passage der „Kapper“-Entscheidung – wenn ein Mitgliedstaat ernsthafte Gründe habe, die Ordnungsgemäßheit eines Führerscheines zu bezweifeln, er sich an den betreffenden Staat wenden müsse, da nur dieser die entsprechenden Maßnahmen ergreifen könne – nicht in der Pauschalität zu verstehen ist, welche der Kläger ihr offenbar beimisst. Diese Ausführungen beziehen sich lediglich auf die Prüfung des Wohnsitzerfordernisses; nur insoweit weist der EuGH also den Mitgliedstaaten eine ausschließliche Prüfungs- und Entscheidungskompetenz zu.

Schließlich ist auch – wie das OVG Lüneburg zutreffend herausgestellt hat – noch ein anderer Aspekt zu berücksichtigen: Von einer Missachtung der in Art. 1 Abs. 2 der Führerscheinrichtlinie geregelten grundsätzlichen Anerkennung der Fahrerlaubniserteilungsentscheidung eines Mitgliedstaates kann schwerlich die Rede sein, wenn diese Entscheidung in Unkenntnis wesentlicher Teile des für die Beurteilung der Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers relevanten Sachverhaltes erfolgt ist (OVG Lüneburg, Beschluss v. 11.10.2005 – 12 ME 288/05 -). Auch ansonsten dürfen Umstände, die zeitlich vor einer Fahrerlaubniserteilung eingetreten sind – insbesondere solche, die zum Zeitpunkt der Fahrerlaubniserteilung noch nicht bekannt waren – im Hinblick auf die Frage berücksichtigt werden, ob später eine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen eingetreten ist (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., München 2005, § 3 StVG Rdnr. 3 m.w.N.). Das Schreiben des Verkehrsministeriums der tschechischen Republik vom 07. Juli 2005 lässt den Schluss zu, dass der Kläger der ausstellenden Behörde keine Mitteilung über den Entzug seiner Fahrerlaubnis in Deutschland und das zugrunde liegende Alkoholdelikt gemacht hat. Dass das Verkehrsministerium der Tschechischen Republik auf das Auskunftsersuchen des Kraftfahrtbundesamtes hin zunächst nicht um eine Einziehung des erteilten Führerscheins gebeten hat, ist in diesem Zusammenhang unerheblich (so auch OVG Lüneburg, Beschluss v. 11.10.2005 – 12 ME 288/05 -). Im Ergebnis war der Beklagte also durch den Umstand, dass der Kläger seine Fahrerlaubnis in Tschechien erworben hatte, nicht daran gehindert, Bedenken hinsichtlich der Fahreignung des Klägers auf dessen Alkoholstraftat vom 22. Oktober 2002, den daran anschließenden strafgerichtlichen Entzug der Fahrerlaubnis, und die im Wiedererteilungsverfahren erstatteten negativen Gutachten aus den Jahren 2003 und 2004, aufgrund derer der Wiedererteilungsantrag jeweils zugrückgezogen wurde, zu stützen. Soweit der Kläger vorträgt, die entsprechende Aufforderung zur Beibringung eines medizinischpsychologischen Gutachtens sei unverhältnismäßig, weil eine Erkrankung bzw. ein Mangel i.S. der Anlage 4 zur FeV nicht erkennbar sei bzw. weil er sich im Straßenverkehr bewährt habe, so vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Dass hier der Verdacht eines Mangels i.S. der Nr. 8.1 der Anlage 4 zur Fev – Alkoholmissbrauch – besteht, liegt geradezu auf der Hand. Die Tatsache, dass der Kläger bereits zwei Monate nach Wiedererteilung der Fahrerlaubnis und fünf Monate nach dem für ihn positiven Gutachten des TÜV Nord Bremen wiederum alkoholisiert ein Kraftfahrzeug führte, legt den Schluss nahe, dass eine entsprechende Einsicht in seine Problematik gerade (noch) nicht vorliegt. Im Übrigen kann nach einer solchen „Vorgeschichte“, wie sie im Fall des Klägers zu verzeichnen ist – Entzug der Fahrerlaubnis, positives Fahreignungsgutachten in Bezug auf die der Fahrerlaubnisentziehung zugrunde liegende Alkoholproblematik, erneute Alkoholfahrt, zwei negative Fahreignungsgutachten – keinesfalls von einem „Bewähren“ gesprochen werden, weil der Kläger in der Zeit von Februar 2005 (Erteilung der Fahrerlaubnis) bis November 2005 (Ergehen der streitgegenständlichen Verfügung) nicht erneut auffällig geworden ist. Die Vorschrift des § 11 Abs. 8 FeV ermöglicht es der Straßenverkehrsbehörde, bei Nicht-Beibringung des Gutachtens auf die mangelnde Fahreignung des Betreffenden zu schließen. Zwar gilt dies nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in der Tat nur dann, wenn die Anordnung der Beibringung des Gutachtens anlassbezogen und verhältnismäßig war (BVerwG, Urteil v. 09.06.2005 – 3 C 25/04 -, NJW 2005, 3081 m.w.Nw.; OVG Saarlouis, Beschluss v. 22.11.2000 – 9 W 6/00 -, zit. n. juris; OVG Hamburg, Beschluss v. 23.06.2005 – 3 Bs 87/05 -, zit. n. juris). Angesichts der soeben dargelegten „Vorgeschichte“ des Klägers kann hieran jedoch kein Zweifel bestehen. Da demnach die Anordnung selbst nicht zu beanstanden war, hat der Beklagte, nachdem der Kläger ein Entsprechendes Gutachten nicht beigebracht hatte, auch zu Recht auf dessen fehlende Eignung geschlossen. Selbst, wenn man entgegen den obigen Ausführungen die Anwendbarkeit nationaler Eignungsüberprüfungs- und Entzugsvorschriften auf solche Umstände beschränkt sähe, die nach Erteilung einer EU-Fahrerlaubnis aufgetreten sind, würde dies vorliegend zu keinem anderen Ergebnis des Eilverfahrens führen. Denn auch unter dieser Prämisse könnten nur solche Sachverhalte als Grundlage für Überprüfungs- und Entzugsentscheidungen ausgeschlossen sein, die zum Zeitpunkt der Erteilung der EU-Fahrerlaubnis in ihrem tatsächlichen Verlauf bereits abgeschlossen waren. Etwas anderes hätte jedoch für solche Sachverhalte zu gelten, die durch Mängel geprägt werden, die von ihrer Natur her geeignet sind, in die Gegenwart fortzuwirken und von denen deshalb angenommen werden
muss, dass sie sich im Hinblick auf ihr Gefährdungspotential ständig – also auch nach dem Zeitpunkt der Erteilung der EU-Fahrerlaubnis – neu aktualisieren (OVG Lüneburg, Beschluss v. 11.10.2005 – 12 ME 288/05 -). Die im Falle des Klägers ersichtliche Alkoholproblematik stellt einen derartigen Mangel dar. Bereits das Erreichen einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,6 Promille ist ein Indiz für das Vorliegen einer langfristigen Alkoholproblematik. Tragfähige Gründe für die Annahme, dass seine nach mehreren Gutachten weiterhin anzunehmende Alkoholproblematik weggefallen sein könnten, nachdem der Kläger im Februar 2005 seine tschechische Fahrerlaubnis erhalten hat, sind nicht ersichtlich. Der Gesichtspunkt der Alkoholproblematik als ein durch einen fortwirkenden Mangel geprägter Sachverhalt gelangt in der Anforderung eines medizinischpsychologischen Gutachtens durch den Beklagten vom 26. August 2005 hinreichend deutlich zum Ausdruck, um seinerseits – nach Nichtbeibringung eines solchen Gutachtens – eine Grundlage für die Verfügung vom 17. November 2005 bilden zu können. Soweit der Kläger ferner eine Inländerdiskriminierung rügt, vermag er hiermit ebenfalls nicht durchzudringen. Die Eignungsüberprüfungsvorschriften gelten gleichermaßen für ausländische und inländische Fahrerlaubnisinhaber. Dass die Konsequenz eines rechtmäßig angeordneten, aber nicht beigebrachten medizinisch-psychologischen Gutachtens bei ausländischen Fahrerlaubnissen darin besteht, dass dem Betreffenden das Recht aberkannt wird, ein Fahrzeug im Inland zu führen, ergibt sich daraus, dass die deutsche Straßenverkehrsbehörde die Souveränität des Ausstellerstaates zu achten hat. Die von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte Fahrerlaubnis kann nicht entzogen werden, weil dies ein Eingriff in fremde Hoheitsgewalt bedeuten würde; lediglich ihre Geltung im Inland ist ausschließbar. Weiterhin ist auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung darin zu erblicken, dass der Beklagte Inhabern ausländischer Fahrerlaubnisse mit Wohnsitz im Ausland nicht auferlegen kann, eine medizinisch-psychologische Begutachtung beizubringen. Der sachliche Grund für diese Ungleichbehandlung liegt darin, dass diese Fahrerlaubnisinhaber der Hoheitsgewalt des Beklagten nicht unterfallen. Die angefochtene Verfügung ist überdies auch nicht deshalb rechtlich fehlerhaft, weil darin angewandte Vorschriften – namentlich § 46 FeV – aus formellen Gründen unwirksam wären. Unabhängig von der Frage, wie sich Verstöße des nationalen Gesetzgebers gegen gemeinschaftsrechtliche Mitwirkungserfordernisse auswirken, lässt sich bereits ein derartiger Verstoß – hier in Gestalt des vom Kläger gerügten Fehlens der Zustimmung der Kommission nach Art. 10 Abs. 2 der Führerscheinrichtlinie – nicht feststellten. In der „Kapper“-Entscheidung des EuGH wird unter Ziffer 69 eine schriftliche Stellungnahme der Kommission (zu § 28 FeV 1999) wiedergegeben, wonach die Kommission zu dieser Vorschrift implizit ihre Zustimmung gegeben habe, da ihr diese notifiziert worden sei und sie -anders als bei anderen Vorschriften der FeV 1999, die Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens seien – keine Einwände gehabt habe. Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie verlange von der Kommission keine förmlichen Entscheidungen, mit denen sie den ihr von den Mitgliedstaaten mitgeteilten nationalen Vorschriften ausdrücklich ihre Zustimmung erteile. Diese Erwägungen treffen offensichtlich auch für § 46 FeV zu, weil auch diese Bestimmung nicht Gegenstand des erwähnten und mittlerweile abgeschlossenen Vertragsverletzungsverfahrens war (so auch OVG Münster, Beschluss v. 04.11.2005 – 16 B 736/05 -, zit. n. juris; zum abgeschlossenen Vertragsverletzungsverfahren vgl. EuGH, Urteil v. 15.09.2005 – C-372/03 -, NJW 2005, 3128ff.).

Die angefochtene Verfügung und insbesondere die Anwendung des § 28 Abs. 4 FeV ist auch nicht fehlerhaft bzw. europarechtswidrig, weil sie, wie der Kläger meint, dem Beschluss des EuGH vom 6. April 2006 (Rs. C-227/05 (Halbritter) zit. nach juris) widerspräche. In dem Beschlussteil der Halbritter-Entscheidung hat der EuGH Folgendes festgestellt:

1. Artikel 1 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 8 Absätze 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein in der Fassung der Richtlinie 97/26/EG des Rates vom 2. Juni 1997 verwehrt es einem Mitgliedsstaat, das Recht zum Führen eines Kraftfahrzeugs aufgrund eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins und damit dessen Gültigkeit in seinem Hoheitsgebiet deshalb nicht anzuerkennen, weil sich sein Inhabern, dem in dem erstgenannten Start einer vorher erteilte Fahrerlaubnis entzogen worden war, nicht der nach den Rechtsvorschriften dieses Staates für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nach dem genannten Entzug erforderlichen Eignungsprüfung und erzogen hat, wenn die mit diesem Entzug verbundene Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis abgelaufen war, als der erscheinen in dem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurde.
2. Artikel 1 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 8 Absätze 2 und 4 der Richtlinie 91/439 in der Fassung der Richtlinie 97/26 verwehrt es einem Mitgliedstaat, bei dem die Umschreibung eines in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen gültigen Führerscheins in einen nationalen Führerschein beantragt wird, unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, diese Umschreibung davon abhängig zu machen, dass eine erneute Untersuchung der Fahreignung des Antragstellers vorgenommen wird, die nach dem Recht des erstgenannten Mitgliedstaates zur Ausräumung entsprechender Zweifel aufgrund von Umständen erforderlich ist, die vor dem Erwerb des Führerscheins in dem anderen Mitgliedstaat bestanden.

Zu dieser Entscheidung muss zunächst festgestellt werden, dass es sich dabei um eine Vorabentscheidung auf die Vorlage des Verwaltungsgerichts München hin handelte. Anders als bei Gültigkeitsurteilen des EuGH entfalten Vorabentscheidungen Bindungswirkung nur zwischen denen an den Ausgangsverfahren Beteiligten und für das vorlegende nationale Gericht (Hakenberg, DRiZ 2000, 345, 347). Gleichwohl gehen auch von den Vorabentscheidungen des EuGH starke präjudizielle Wirkungen für alle anderen Gerichte aus, so dass sie in beschränktem Umfang auch allgemein zu beachten sind. Diese Wirkung greift jedoch nur bei vergleichbaren Sachverhalten ein. Das hat der EuGH in der „Halbritter-Entscheidung“ auch noch einmal ausdrücklich klargestellt, indem er auf die Bindungswirkung nur für „Umstände wie denen des Ausgangsverfahrens“ hinweist. Für den vorliegenden Fall des Klägers muss festgestellt werden, dass dieser sich ganz erheblich und entscheidend von dem vorgelegten Fall „Halbritter“ unterscheidet. In dem er von dem EuGH entschiedenen Fall hatte der Kläger nämlich aus beruflichen Gründen seinen Wohnsitz bereits seit längerer Zeit nach Österreich verlegt. Er erhielt seinen Führerschein erst, nachdem er sich in Österreich einer medizinischen und einer psychologischen Begutachtung zum Nachweis seiner Fahreignung unterzogen hatte. Ein Jahr danach hatte die deutsche Behörde die Umschreibung der Fahrerlaubnis verweigert, obwohl die österreichischen Behörden die eingeholten Gutachten vorgelegt hatten. Dieser Sachverhalt unterscheidet sich von dem vorliegenden derart gravierend, dass die Entscheidung des EuGH auf den hierzu entscheidenden Fall nicht angewendet werden kann. Der Kläger hat seine Fahrerlaubnis in Tschechien erworben, ohne dort seinen Wohnsitz zu haben und offenbar auch ohne den tschechischen Behörden bekannt zu geben, dass er in Deutschland als ungeeignet zum Führen von Fahrzeugen angesehen wird und dass das entsprechende negative Gutachten gibt. Darüber hinaus bleibt die Prüfung, ob die Berufung auf Richtlinien des Rates unter Zugrundelegung des konkreten Sachverhalts sich als missbräuchlich darstellt, ohnehin eine Aufgabe der nationalen Behörden (vgl. VG Münster, Beschl. vom 26.6.2006, 10 L. 361-06). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist ein Mitgliedstaat berechtigt, Maßnahmenzu treffen, die verhindern sollen, da sich einige seiner Staatsangehörigen unter Missbrauch der durch das Gemeinschaftsrecht geschaffenen Möglichkeiten der Anwendung des nationalen Rechts entziehen (ständige Rechtsprechung des EuGH, Urteil vom 3.12.1974 – 33/74, EuGHE 1974, 1299 (van Binsbergen); Urteil vom 3. 2. 1993 – C- 148/91, EuGHE 1994,I-4795 (Veronica Omroep Organisatie); Urteil von 3.10.1990- C- 61/89, EuGHE 1990,I-3551 (Bouchouna); Urteil vom 9.3.1999 -C-212/97,EuGHE 1999 I- 1459 (Centros Ltd.) m.w.N).

Danach können die nationalen Gerichte im Einzelfall das missbräuchliche Verhalten der Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien in Rechnung stellen, um ihnen gegebenenfalls die Berufung auf das einschlägige Gemeinschaftsrecht zu verwehren; sie haben jedoch bei der Würdigung eines solchen Verhaltens die Ziele der fraglichen Bestimmungen zu beachten (EuGH Urteil vom 2. 5. 1996, C-206/94, EuGHE 1996, I-2357). Im Falle des Klägers liegen objektive Anhaltspunkte vor, die für einen offenen Missbrauch der Führerscheinrichtlinie sprechen. Dem Kläger war die Fahrerlaubnis wegen Trunkenheit im Straßenverkehr entzogen worden. Im Laufe verschiedener Beantragung haben Gutachter ihm eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für alkoholbedingte Verkehrsauffälligkeiten attestiert. Alles deutet darauf hin, dass der Kläger diese Tatsachen den tschechischen Behörden nicht mitgeteilt hat. Selbst wenn dies jedoch der Fall gewesen sein sollte, würde es sich bei der gleichwohl erteilten Fahrerlaubnis um eine eklatante missbräuchliche Umgehung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften (Führerscheinrichtlinie) handeln. Dieses ist auch hinsichtlich des Wohnsitzes der Fall. Nach der Bescheinigung der deutschen Meldebehörde war der Kläger ununterbrochen in Scheeßel gemeldet. Er hat auch keine Darlegungen oder Nachweise erbracht, dass er einen ordentlichen Wohnsitz im Sinne des Artikel 9 der Führerscheinrichtlinie in Tschechien begründet, das heißt sich dort mindestens an 185 Kalendertagen aufgehalten hätte. Diese Umstände sprechen dafür, dass der Kläger sich unter Missbrauch des EU-Rechtes und unter Umgehung der in der Führerscheinlinie enthaltenen Voraussetzungen die Fahrerlaubnis in Tschechien als Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft beschafft hat. In derartigen Fällen, in denen Rechte missbräuchlich in Anspruch genommen werden, die zweifellos und offenkundig außerhalb des Schutzbereiches der betroffenen Norm liegen, ist dies für den Bereich des nationalen Rechts von den nationalen Behörden auch dann festzustellen, wenn grundsätzlich die Prüfung, wie hier im Falle des Wohnsitzes nach der Führerscheinrichtlinie, in die Zuständigkeit der ausstellenden Behörde fällt. Für das deutsche Recht ist dieser Gedanke kürzlich in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur gesetzlich grundsätzlich verbotenen Rücknahme der durch Täuschung erwirkten Einbürgerung (BVerfG, Urteil vom 24. 5. 06 – 2 BvR 669/04) ebenso zum Ausdruck gekommen wie er sich in den Regelungen zur Nichtigkeit von Verwaltungsakten (§ 44 VwVfG) findet. Derartige Gedanken sind, wie sich aus den bereits zitierten Urteilen des Europäischen Gerichtshofes ergibt, auch dem Europarecht nicht fremd. Die umfangreiche und deutliche Werbung im Internet für den Erwerb eines europäischen Führerscheins ohne die „lästige“ MPU-Untersuchung spricht im übrigen eine deutliche Sprache dafür, dass es sich hier allgemein um eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Europarechts handelt (vergleiche z. B. die Seiten der Firma Tarabas, die Seiten „euro-fuehrerschein.net“, „eu-fuehrerschein-guenstig.de“, „fuehrerscheinproblem.de“) Die Anordnung, den Führerschein binnen 5 Tagen beim Beklagten abzugeben oder ihmzu übersenden, findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 FeV. Was den Einwand des Klägers betrifft, die Abgabe des Führerscheins mache ihm de facto die Teilnahme am Straßenverkehr auch in anderen Staaten unmöglich, weil er sich nicht entsprechend egitimieren könne, so ist auch diesem kein Erfolg beschieden.

Aus § 11 Abs. 2 Satz 4 IntVO ergibt sich, dass die Aberkennung des Rechts, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, im ausländischen Führerschein zu vermerken ist. Dies impliziert bereits, dass der Betreffende den so geänderten Führerschein zurück erhält, denn andernfalls machte diese Bestimmung keinen Sinn. Nach Rückgabe des entsprechend geänderten Führerscheins kann sich der Kläger somit sehr wohl im Ausland mit seinem Führerschein legitimieren. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz1 VwGO) liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist die Berufung nur zulässig, wenn sie von dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteilsbestehen, wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Zulassung der Berufung ist bei dem Verwaltungsgericht Stade, Am Sande 4a, 21682 Stade oder Postfach 3171, 21670 Stade, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht, Uelzener Straße 40, 21335 Lüneburg, oder Postfach 2371, 21313 Lüneburg, einzureichen.
Der Antrag und die Begründung müssen von einem Rechtsanwalt oder einem Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit der Befähigung zum Richteramt oder einer nach § 67 Abs. 1 Sätze 3 bis 7 VwGO zur Vertretung berechtigten Person als Bevollmächtigtem eingereicht werden.

BESCHLUSS

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V. mit dem Streitwertkatalog 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327, Position 46.3, § 52 Abs. 2 GKG).

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