Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Az.: 3 B 411/09
Beschluss vom 09.03.2010
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 22. Juni 2009 – 2 L 150/09 – wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht Chemnitz hat den Antrag des Antragstellers, ihm gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4.5.2009 einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren, zu Recht abgelehnt. Hierin war dem Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzugs das Recht aberkannt worden, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, und ihm unter Fristsetzung auferlegt worden, den Führerschein der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde zur Eintragung der Aberkennung vorzulegen.
Im Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist das Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts anhand derjenigen Gründe nachzuprüfen, die der Beschwerdeführer innerhalb der einmonatigen Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegt hat. Dabei können nur Gründe berücksichtigt werden, deren Vortrag den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt. Nach dieser Vorschrift muss die Beschwerdebegründung die Gründe darlegen, aus denen die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit dieser Entscheidung auseinandersetzen. Dies bedeutet, dass die Beschwerdebegründung auf die wesentlichen, tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts eingehen und aufzeigen muss, weshalb sie der Beschwerdeführer für nicht stichhaltig hält.
Die nach diesen Maßstäben zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht Chemnitz hat die auf § 3 Abs. 1 Satz 2 StVG, § 46 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 5, § 13 Satz 1 Nr. 2b, § 11 Abs. 8 FeV gestützte Fahrerlaubnisentziehung nach der allein erforderlichen summarischen Prüfung für rechtmäßig erachtet, weil die Fahrerlaubnisbehörde des Antragsgegners aus der Nichtvorlage des angeforderten Gutachtens zur Klärung von Fahreignungszweifeln auf die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Fahrzeugen habe schließen dürfen. Die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei rechtmäßig gewesen, da der Antragsteller wegen der Trunkenheitsfahrt am…12.2008 unter Berücksichtigung der früheren Trunkenheitsfahrten i. S. v. § 13 Satz 1 Nr. 2b FeV mehrfach alkoholbedingt auffällig geworden sei. Die früheren Trunkenheitsfahrten könnten, da sie noch nicht tilgungsreif gewesen seien, auch angezogen werden. Der Aufforderung zur Anfertigung des Gutachtens habe auch nicht entgegengestanden, dass der Antragsteller über eine am 17.4.2008 erworbene tschechische Fahrerlaubnis verfüge, da der Anlass für die Anforderung nach Erteilung dieser Fahrerlaubnis entstanden sei und dadurch Bedenken im Hinblick auf seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründet wurden seien.
Die – damals noch von dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vorgetragenen – Bedenken hiergegen greifen nicht durch. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 21.7.2009 hierzu vorgetragen, dass die vor der Erteilung seiner tschechischen Fahrerlaubnis bekannt gewordenen Trunkenheitsfahrten nicht mehr verwertbar seien, da ansonsten die formale Anerkennung seiner EU-Fahrerlaubnis unterlaufen werde. Im Übrigen sei ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung nicht erkennbar, weil er verkehrsrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten sei. Das Vorbringen des Antragstellers ist aber nicht geeignet, die Richtigkeit des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Chemnitz in Frage zu stellen.
Das Verwaltungsgericht Chemnitz hat mit seiner Entscheidung nicht gegen den europarechtlichen Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedsstaaten ausgestellten Führerscheine verstoßen (vgl. grundsätzlich EuGH, Urt. v. 29.4.2004, NJW 2004, 1725 – Kapper -). Aus diesem Grundsatz folgt – worauf das Verwaltungsgericht Chemnitz zu Recht hingewiesen hat – nämlich nicht, dass nach Ausstellung einer EU-Fahrerlaubnis entstandene Eignungsmängel keine Berücksichtigung finden können (vgl. nunmehr Art. 11 Abs. 2 Richtlinie 2006/126/EG des Rates und des Europäischen Parlaments v. 20.12.2006, ABl. Nr. L 403 v. 31.12.2006, S. 18). Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind nach der vom Verwaltungsgericht Chemnitz wiedergegebenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ermächtigt, ihre nationalen Eignungsüberprüfungs- und Entzugsvorschriften auf diejenigen Fahrzeugführer anzuwenden, die nach Erteilung einer EU-Fahrerlaubnis (erneut) im Inland auffällig werden bzw. Bedenken im Hinblick auf ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen. Zur Begründung der Aufforderung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, kann auch auf frühere Vorfälle oder Erkenntnisse, soweit diese noch verwertbar sind, zurückgegriffen werden. Mit der Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis, auch einer ausländischen Fahrerlaubnis, sind frühere Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr nicht grundsätzlich abgegolten und können entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen im Einzelfall für die Entscheidung, ob ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzufordern ist, mitberücksichtigt werden (SächsOVG, Beschl. v. 28.5.2008 – 3 BS 424/07 -; BayVGH, Beschl. v. 31.1.2007 – 11 CS 06.1923 – und Beschl. v. 16.2.2009 – 11 CS 09.20 – zu einer vergleichbaren Fallgestaltung, jeweils zitiert nach juris). Da die bei dem Antragsteller am…12.2008 gemessene Atemalkoholkonzentration von 0.49 mg/l ersichtlich nicht mehr im rechtlich tolerierten Bereich liegt (§ 24a Abs. 1 StVG), lag auch eine Auffälligkeit von einigem Gewicht vor, die zusammen mit den vorangegangenen, noch nicht tilgungsreifen Trunkenheitsfahrten eine wiederholte Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss i. S. von § 13 Satz 1 Nr. 2b FeV darstellt.
Mit dem Hinweis darauf, er sei verkehrsrechtlich nicht weiter auffällig geworden, ist auch die vom Verwaltungsgericht Chemnitz vorgenommene Interessenabwägung nicht in Frage gestellt. Angesichts der Gefährdung von Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer durch den zum Führen von Fahrzeugen ungeeigneten Antragsteller war dem öffentlichen Vollzugsinteresse zu Recht Vorrang vor dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers eingeräumt worden (vgl. zuletzt SächsOVG, Beschl.v. 13.10.2009 – 3 B 314/09 -).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG und in Anlehnung an die Empfehlung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 7./8.7.2004 beschlossenen Änderungen (Streitwertkatalog 2004, veröffentlicht in NVwZ 2004, 1327). Gemäß dessen Nummer 46.3 war für die mit der tschechischen Fahrerlaubnis vermittelte Klasse B der Auffangwert anzusetzen, der im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2004 zu halbieren ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).