BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
Az.: BVerwG 3 C 26.07
Urteil vom 11.12.2008
Vorinstanz: VG Darmstadt, Az.: VG 2 E 1196/06(2), Urteil vom 27.06.2007
Leitsatz:
Dem Inhaber eines Führerscheins, der in einem anderen EU-Mitgliedstaat nach einer Fahrerlaubnisentziehung in Deutschland ausgestellt wurde, kann bei weiterhin fehlender Fahreignung das Recht aberkannt werden, von seiner neuen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen, wenn auf der Grundlage von Angaben in diesem Führerschein feststeht, dass sein Inhaber zum Zeitpunkt der Ausstellung seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Ausstellermitgliedstaat hatte.
In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2008 für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 27. Juni 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen eine Verfügung des Beklagten, mit der ihm das Recht aberkannt wurde, von der ihm in der Tschechischen Republik erteilten Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen.
Dem Kläger, der im Juli 2001 mit einem Blutalkoholgehalt von 2,29 Promille ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt hatte, wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 12. November 2001 die Fahrerlaubnis wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr entzogen; zugleich wurde eine Sperrfrist von sieben Monaten für die Wiedererteilung festgesetzt.
Sein Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis vom April 2002 blieb erfolglos, nachdem eine medizinisch-psychologische Untersuchung zu dem Ergebnis gelangt war, dass beim Kläger auch künftig das Führen von Kraftfahrzeugen unter Alkoholeinfluss zu erwarten sei.
Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 15. Dezember 2003 wurde der Kläger wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tatmehrheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort zu einer Geldstrafe verurteilt und eine sechsmonatige Sperre für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis festgesetzt.
Am 25. Mai 2005 erwarb der Kläger in der Tschechischen Republik eine neue Fahrerlaubnis; in dem dort ausgestellten Führerschein ist sein Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland angegeben.
Nachdem der Führerschein bei einer Verkehrskontrolle aufgefallen war, forderte der Beklagte den Kläger im September 2005 auf, bis spätestens zum 15. November 2005 ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu seiner Fahreignung vorzulegen. Dieser Aufforderung kam der Kläger nicht nach.
Daraufhin erkannte ihm der Beklagte mit Bescheid vom 27. Dezember 2005 unter Anordnung des Sofortvollzugs das Recht ab, von seiner ausländischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, und gab ihm auf, den Führerschein unverzüglich zur Eintragung eines entsprechenden Vermerks vorzulegen. Zur Begründung heißt es: Auch wenn man davon ausgehe, dass die Vorschriften über die Fahrerlaubnisentziehung nur bei nach der Erteilung einer EU-Fahrerlaubnis eingetretenen Umständen anwendbar seien, könne das nur für zum Zeitpunkt der Erteilung der neuen Fahrerlaubnis bereits abgeschlossene Sachverhalte gelten. Mit der Alkoholproblematik des Klägers liege aber ein sich ständig neu aktualisierender Mangel vor. Wegen des bei seiner Trunkenheitsfahrt im Juli 2001 festgestellten Alkoholpegels von 2,29 Promille habe die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden müssen. Der Kläger habe dieses Gutachten nicht fristgerecht beigebracht. Deshalb sei auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu schließen und ihm nach § 11 Abs. 2 der Verordnung über internationalen Kraftfahrzeugverkehr IntKfzVO das Recht abzuerkennen gewesen, von seiner ausländischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen. Der hiergegen vom Kläger eingelegte Widerspruch wurde nicht beschieden.
Seine Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. Juni 2007 abgewiesen. Zur Begründung führt das Gericht aus: Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Wegen der Trunkenheitsfahrt des Klägers und der Einziehung seiner Fahrerlaubnis hätten Zweifel an seiner Fahreignung bestanden, die den Beklagten nach § 46 Abs. 3 i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c und d der Fahrerlaubnis-Verordnung FeV trotz der zwischenzeitlichen Erteilung einer tschechischen Fahrerlaubnis berechtigt hätten, vom Kläger die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu verlangen. Da er dieses Gutachten nicht vorgelegt habe, habe der Beklagte gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen dürfen. Damit sei zugleich die Entziehung der Fahrerlaubnis geboten gewesen, was im Hinblick auf die tschechische Fahrerlaubnis zur Folge gehabt habe, dass das Recht des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland erloschen sei. Darin liege kein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht, insbesondere nicht gegen den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Fahrerlaubnissen nach Art. 1 Abs. 2 der Führerscheinrichtlinie des Rates vom 29. Juli 1991 Richtlinie 91/439/EWG. Dem Kläger sei wegen Rechtsmissbrauchs eine Berufung auf den Anerkennungsgrundsatz verwehrt. Der Europäische Gerichtshof halte die Mitgliedstaaten für berechtigt zu verhindern, dass sich einige ihrer Staatsangehörigen unter Missbrauch der durch den EG-Vertrag geschaffenen Möglichkeiten der Anwendung des nationalen Rechts entzögen. Der Kläger habe sich, nachdem er in Deutschland keine neue Fahrerlaubnis erhalten habe, ohne erkennbaren Zusammenhang mit einem gemeinschaftsrechtlich relevanten Vorgang, also etwa der Gewährleistung der Freizügigkeit für Arbeitnehmer oder der Niederlassungsfreiheit, an die tschechischen Behörden gewandt. Er habe die Unzulänglichkeiten im gegenseitigen Informationsaustausch ausgenutzt, um die strengeren fahrerlaubnisrechtlichen Vorschriften seines Heimatstaates zu umgehen. Zu den Zielen der Führerscheinrichtlinie gehöre die Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr. Damit wäre es kaum vereinbar, müssten die Fahrerlaubnisbehörden wider besseres Wissen davon ausgehen, dass die Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis die Wiedererlangung der Kraftfahreignung dokumentiere. Im Ausstellermitgliedstaat habe hier nämlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine weitergehende medizinische Untersuchung stattgefunden, daher habe mit der Erteilung der Fahrerlaubnis auch keine Aussage über die Fahreignung getroffen werden sollen. Der europäische Normgeber wolle mit der neuen Richtlinie 2006/126/EG den Führerscheintourismus bekämpfen. Aus der weitgehend übereinstimmenden Fassung von Art. 11 Abs. 4 der neuen und Art. 8 Abs. 4 der alten Richtlinie sowie den Erwägungsgründen sei auf seinen Willen zu schließen, es den Mitgliedstaaten bereits heute zu ermöglichen, bei einer Fortdauer der Gründe für die erste Fahrerlaubnisentziehung den in einem anderen Mitgliedstaat neu ausgestellten Führerschein nicht anzuerkennen.
Zur Begründung seiner Sprungrevision macht der Kläger geltend: Die Aberkennung könne nicht darauf gestützt werden, dass er das geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht vorgelegt habe. Wegen des in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG festgelegten Anerkennungsgrundsatzes habe er die Beibringung zu Recht verweigert. Mit der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis sei ihm die Fahreignung bestätigt worden; seitdem habe er sich nichts zu Schulden kommen lassen, so dass auch Eignungszweifel nicht berechtigt seien. Die neue Führerscheinrichtlinie 2006/126/EG sei auf seinen Fall nicht anwendbar. Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes habe sich schon bisher ergeben, dass der Aufnahmemitgliedstaat darauf beschränkt sei, den Ausstellermitgliedstaat auf etwaige Eignungsbedenken oder das Fehlen eines dortigen Wohnsitzes hinzuweisen; dagegen sei es ihm verwehrt, das Vorliegen der Mindestvoraussetzungen für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nachzuprüfen. Dies habe der Europäische Gerichtshof in seinen Urteilen vom 26. Juni 2008 bestätigt. Damit sei er zugleich dem Argument entgegengetreten, eine Überprüfung der Fahreignung und eine Fahrerlaubnisentziehung seien bei einem fortwirkenden Eignungsmangel oder bei Rechtsmissbrauch gleichwohl möglich. Zwar habe der Gerichtshof das Wohnsitzerfordernis in diesen Entscheidungen wieder etwas in den Vordergrund gerückt, doch sei die Nichtanerkennung der Fahrerlaubnis bei Fehlen eines Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat eine Ermessensentscheidung. Dieses Ermessen habe der Beklagte nicht ordnungsgemäß ausgeübt, sondern geglaubt, sich im Rahmen gebundener Verwaltung zu bewegen.
Der Beklagte tritt der Revision entgegen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hält das Urteil des Verwaltungsgerichts ebenfalls für zutreffend.
II.
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage gegen die Aberkennung des Rechts, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, und gegen die Verpflichtung zur Vorlage des Führerscheins bei der Fahrerlaubnisbehörde im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
1.
Die Klage ist, soweit die Aberkennung angefochten wird, nicht wegen mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig (so aber in Parallelfällen VGH München, Beschlüsse vom 7. August 2008 11 ZB 07.1259 DAR 2008, 662 und vom 11. August 2008 11 CS 08.832 ).
Ein Rechtsschutzinteresse fehlt nur, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann. Die Nutzlosigkeit muss also eindeutig sein. Im Zweifel ist das Rechtsschutzinteresse zu bejahen (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 29. April 2004 BVerwG 3 C 25.03 BVerwGE 121, 1 <3> = Buchholz 451.74 § 9 KHG Nr. 9 m.w.N.). Hier ergibt es sich jedenfalls daraus, dass dem Kläger die Aberkennungsentscheidung, ließe er sie bestandskräftig werden, als eigenständiger Rechtsgrund entgegengehalten werden könnte. Er wäre damit an einem Gebrauchmachen von seiner tschechischen Fahrerlaubnis gehindert, ohne dass es noch darauf ankäme, ob ein solches Recht möglicherweise schon von vornherein nach § 28 Abs. 4 Nr. 2 und 3 FeV nicht bestand.
2.
Die Klage ist aber unbegründet.
a) Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügung (vgl. u.a. Urteile vom 27. September 1995 BVerwG 11 C 34.94BVerwGE 99, 249 <250> = Buchholz 442.16 § 15b StVZO Nr. 24 und vom 5. Juli 2001 BVerwG 3 C 13.01 Buchholz 442.16 § 15b StVZO Nr. 29 = NJW 2002, 78 m.w.N.). Zugrunde zu legen sind danach das Straßenverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl I S. 310, ber. S. 919), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 14. August 2005 (BGBl I S. 2412), und die Fahrerlaubnis-Verordnung vom 18. August 1998 (BGBl I S. 2214), zuletzt geändert durch Art. 5 der Verordnung vom 22. Dezember 2005 (BGBl I S. 3716). Der gemeinschaftsrechtliche Maßstab ergibt sich aus der Richtlinie des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein 91/439/EWG (ABl L 237 vom 24. August 1991 S. 1), zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 (ABl L 284 vom 31. Oktober 2003 S. 1). Dagegen ist die Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl L 403 S. 18), sog. 3. EU-Führerscheinrichtlinie, nicht anwendbar. Nach ihrem Art. 18 gilt Art. 11 Absätze 1 und 3 bis 6 mit den Regelungen über den Entzug, die Ersetzung und die Anerkennung von Führerscheinen erst ab dem 19. Januar 2009.
b) Der Beklagte konnte seine Aberkennungsentscheidung zwar nicht auf § 11 Abs. 2 IntKfzVO stützen; sie findet ihre Rechtsgrundlage aber in § 3 Abs. 1 und 2 StVG sowie § 46 Abs. 1 und 3 i.V.m § 11 Abs. 8 FeV.
Die Verordnung über internationalen Kraftfahrzeugverkehr vom 12. November 1934 (RGBl I S. 1137), die mit Art. 2 der Vierten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18. Juli 2008 (BGBl I S. 1338) aufgehoben wurde, war zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides zwar noch in Kraft. Sie war im vorliegenden Fall aber nicht anwendbar, weil der Kläger seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hatte. Stattdessen richtete sich in einem solchen Fall gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 IntKfzVO die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Bundesgebiet nach § 28 FeV; soweit es um eine Entziehung der EU-Fahrerlaubnis geht, sind § 3 Abs. 1 und 2 StVG sowie § 46 Abs. 1 und 3 FeV maßgeblich.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis hat die Entziehung, wie sich aus § 3 Abs. 1 Satz 2 StVG und § 46 Abs. 5 Satz 2 FeV ergibt, die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen; das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland erlischt. Somit decken sich § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hinsichtlich ihrer Voraussetzungen mit denen des § 11 Abs. 2 IntKfzVO, der in seinem Satz 3 zudem die §§ 3 und 46 FeV für entsprechend anwendbar erklärt. Beide Regelungen sehen eine gebundene Entscheidung vor. Die hiernach erforderlichen Voraussetzungen für eine Aberkennung lagen vor.
Von der fehlenden Kraftfahreignung des Klägers konnte der Beklagte auf der Grundlage von § 11 Abs. 8 FeV ausgehen. Nach Satz 1 dieser Regelung darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Dies setzt allerdings voraus, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Anforderung eines solchen Gutachtens vorlagen (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 9. Juni 2005 BVerwG 3 C 21.04 Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 11 m.w.N.) und dass der Betroffene bei der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens auf die Folgen einer Nichtvorlage hingewiesen wurde (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV). Beides war hier der Fall.
Die Voraussetzungen für die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens waren erfüllt. Gemäß § 46 Abs. 3 FeV sind die §§ 11 bis 14 entsprechend anzuwenden, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet oder bedingt geeignet ist. Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr geführt wurde. Der Kläger hatte, wie sich aus dem rechtskräftig gewordenen Strafbefehl vom 12. November 2001 ergibt, im Juli 2001 mit einem Blutalkoholgehalt von 2,29 Promille ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt.
Die vom Beklagten ausgesprochene Anordnung, ein medizinisch-psycholo¬gisches Gutachten beizubringen, genügte auch den inhaltlichen Anforderungen von § 11 Abs. 6 Satz 1 und 2 FeV; insbesondere ist der Kläger auf die sich aus § 11 Abs. 8 FeV ergebenden Folgen einer Nichtbeibringung ordnungsgemäß hingewiesen worden.
c) Der Beklagte war an einer förmlichen Aberkennung des Rechts, von der EU-Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, nicht dadurch gehindert, dass im Falle des Klägers deren Geltung im Inland möglicherweise bereits nach § 28 Abs. 4 FeV ausgeschlossen war.
Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 FeV dürfen Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz im Sinne des § 7 Abs. 1 oder 2 in der Bundesrepublik Deutschland haben, vorbehaltlich der Einschränkungen nach den Absätzen 2 bis 4 im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen. Gemäß Absatz 4 Nr. 2 gilt die Berechtigung nach Absatz 1 nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten. Nach Absatz 4 Nr. 3 gilt die Berechtigung nach Absatz 1 ferner nicht für Fahrerlaubnisinhaber, denen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist, denen die Fahrerlaubnis bestandskräftig versagt worden ist oder denen die Fahrerlaubnis nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil sie zwischenzeitlich auf die Fahrerlaubnis verzichtet haben.
Im Hinblick auf die Auslegung, die der gemeinschaftsrechtliche Anerkennungsgrundsatz bis dahin in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes gefunden hatte (vgl. unten, Abschnitt d), konnte der Beklagte nicht mit Gewissheit davon ausgehen, dass er dem Kläger die in § 28 Abs. 4 FeV geregelten Ausnahmen von der Geltung einer EU-Fahrerlaubnis entgegenhalten durfte. Gleichwohl musste er sicherstellen, dass der Kläger, sollte sich seine fehlende Eignung erweisen, in Deutschland kein Kraftfahrzeug würde führen dürfen. Ausgehend davon war es dem Beklagten nicht verwehrt, in Übereinstimmung mit dem Kläger die Geltung der tschechischen Fahrerlaubnis im Inland zu unterstellen und ein förmliches Aberkennungsverfahren durchzuführen. Dabei war er an die rechtlichen Voraussetzungen eines solchen Verfahrens gebunden, zu denen insbesondere der Nachweis fehlender Eignung gehört. Demgegenüber kann der Kläger sich nicht darauf berufen, dass die Klärung von Eignungszweifeln mit von ihm zu tragenden Kosten verbunden ist; denn er ist es, der sich der Geltung seiner tschechischen Fahrerlaubnis auch im Inland berühmt.
War dem Beklagten somit der Weg zu einem förmlichen Aberkennungsverfahren eröffnet, bedarf es keiner Umdeutung der angefochtenen Verfügung in einen feststellenden Verwaltungsakt des Inhalts, dass die tschechische Fahrerlaubnis den Kläger nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland berechtige (vgl. dazu VGH Mannheim, Urteile vom 9. September 2008 10 S 994/07 DAR 2008, 660 und vom 16. September 2008 10 S 2925/06).
d) Der Aberkennung des Rechts des Klägers, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen, stand der gemeinschaftsrechtliche Anerkennungsgrundsatz nicht entgegen. Die Maßnahme war gemeinschaftsrechtlich zulässig, obwohl die sie auslösenden Eignungszweifel an ein Verhalten anknüpften, das zeitlich vor der Erteilung der EU-Fahrerlaubnis lag.
aa) Gemäß Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG werden die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine gegenseitig anerkannt. Dabei regelt das europäische Gemeinschaftsrecht selbst zugleich die Mindestvoraussetzungen, die für die Erteilung einer Fahrerlaubnis erfüllt sein müssen. So muss nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 91/439/EWG die Fahreignung durch das Bestehen einer Prüfung nachgewiesen werden, außerdem hängt die Ausstellung des Führerscheins vom Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat ab (vgl. Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie). Als ordentlicher Wohnsitz im Sinne dieser Richtlinie gilt nach deren Art. 9 der Ort, an dem ein Führerscheininhaber wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder im Falle eines Führerscheininhabers ohne berufliche Bindungen wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen dem Führerscheininhaber und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d.h. während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, wohnt.
bb) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist es Aufgabe des Ausstellermitgliedstaates zu prüfen, ob die im Gemeinschaftsrecht aufgestellten Mindestvoraussetzungen, insbesondere diejenigen hinsichtlich des Wohnsitzes und der Fahreignung, erfüllt sind und ob somit die Erteilung gegebenenfalls die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis gerechtfertigt ist. Wenn die Behörden eines Mitgliedstaates einen Führerschein gemäß Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG ausgestellt haben, sind die anderen Mitgliedstaaten nicht befugt, die Beachtung der in dieser Richtlinie aufgestellten Ausstellungsvoraussetzungen zu prüfen. Der Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ist als Nachweis dafür anzusehen, dass der Inhaber des Führerscheins am Tag der Erteilung diese Voraussetzungen erfüllte. Dies hat der Europäische Gerichtshof in seinen Urteilen vom 26. Juni 2008 erneut bekräftigt (Rs. C 329/06 und C 343/06, Wiedemann u.a. NJW 2008, 2403, Rn. 52 f. und Rs. C 334/06 bis C 336/06, Zerche u.a. Rn. 49 f., unter Bezugnahme auf die Beschlüsse vom 6. April 2006 Rs. C 227/05, Halbritter Slg. I 49 Rn. 34 und vom 28. September 2006 Rs. C 340/05, Kremer Slg. I 98 Rn. 27).
Dementsprechend hat der Europäische Gerichtshof die Befugnisse der Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG einschränkend ausgelegt. Gemäß Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG kann der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes vorbehaltlich der Einhaltung des straf- und polizeirechtlichen Territorialitätsprinzips auf den Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins seine innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis anwenden. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes kann er diese Befugnis aber nur aufgrund eines Verhaltens des Betroffenen nach Erwerb des von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ausüben (vgl. in diesem Sinne die Beschlüsse vom 6. April 2006 Rs. C 227/05, Halbritter a.a.O. Rn. 38 und vom 28. September 2006 Rs. C 340/05, Kremer a.a.O. Rn. 35). Gemäß Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG kann es ein Mitgliedstaat ablehnen, die Gültigkeit eines Führerscheins anzuerkennen, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, auf die in seinem Hoheitsgebiet eine der in Absatz 2 genannten Maßnahmen angewendet wurde. Hierzu hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass weder das Recht, von einem in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein Gebrauch zu machen, von einer vorherigen Genehmigung abhängig gemacht werden darf (Urteil vom 26. Juni 2008 Rs. C 329/06 und C 343/06, Wiedemann u.a. a.a.O. Rn. 61 f., unter Bezugnahme auf seinen Beschluss vom 28. September 2006 Rs. C 340/05, Kremer a.a.O. Rn. 37) noch der Mitgliedstaat berechtigt ist, die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins unter Berufung auf seine nationalen Vorschriften unbegrenzt zu verweigern, etwa dann, wenn seine Vorschriften strengere Erteilungsvoraussetzungen enthalten (Urteil vom 26. Juni 2008 Rs. C 329/06 und C 343/06, Wiedemann u.a. a.a.O. Rn. 63 unter Bezugnahme auf das Urteil vom 29. April 2004 Rs. C 476/01, Kapper Slg. I 5205 Rn. 77 und die Beschlüsse vom 6. April 2006 Rs. C 227/05, Halbritter Rn. 28 und vom 28. September 2006 Rs. C 340/05, Kremer Rn. 30, jeweils a.a.O.). Vielmehr sind die genannten Vorschriften als Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz der Anerkennung der Führerscheine eng auszulegen.
cc) Ein Zugriffsrecht des Mitgliedstaats besteht jedoch dann, wenn der neue Führerschein unter Missachtung der von der Richtlinie aufgestellten Wohnsitzvoraussetzung ausgestellt worden ist. In seinen Urteilen vom 26. Juni 2008 hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass es nach Art. 1 Abs. 2, 7 Abs. 1 sowie 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG einem Mitgliedstaat nicht verwehrt ist, es abzulehnen, in seinem Hoheitsgebiet die Fahrberechtigung anzuerkennen, die sich aus einem zu einem späteren Zeitpunkt von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein ergibt, wenn auf der Grundlage von Angaben in diesem Führerschein oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststeht, dass zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins sein Inhaber, auf den im Hoheitsgebiet des ersten Mitgliedstaates eine Maßnahme des Entzugs der früheren Fahrerlaubnis angewendet worden ist, seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaates hatte. Der Europäische Gerichtshof verweist zur Begründung auf den Beitrag, den die Wohnsitzvoraussetzung zur Bekämpfung des Führerscheintourismus zu leisten habe, nachdem eine vollständige Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Regelungen zu den Voraussetzungen für die Fahrerlaubniserteilung bislang fehle. Zudem sei diese Voraussetzung unerlässlich, um die Kraftfahreignung zu überprüfen. Auch im Hinblick auf Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439/EWG, wonach jede Person nur Inhaber eines einzigen von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins sein kann, komme der Wohnsitzvoraussetzung, nach der sich der Ausstellermitgliedstaat bestimme, eine besondere Bedeutung im Verhältnis zu den übrigen in der Richtlinie aufgestellten Voraussetzungen zu (Urteile vom 26. Juni 2008 Rs. C 329/06 und C 343/06, Wiedemann u.a. a.a.O. Rn. 68 ff. sowie Rs. C 334/06 bis C 336/06, Zerche u.a. a.a.O. Rn. 65 ff.).
dd) Die in den Urteilen des Europäischen Gerichtshofes vom 26. Juni 2008 genannten Voraussetzungen für eine nach dem Gemeinschaftsrecht zulässige Nichtanerkennung der in einem anderen Mitgliedstaat erteilten EU-Fahrerlaubnis lagen hier vor. Aus dem Führerschein, der dem Kläger am 25. Mai 2005 in der Tschechischen Republik ausgestellt wurde, ergab sich, dass der Inhaber zum Zeitpunkt der Ausstellung seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaates hatte.
Die in diesen Urteilen aufgestellten Grundsätze sind ungeachtet dessen anwendbar, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung wie ausgeführt der ihres Erlasses ist. Die Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die der Europäische Gerichtshof in Ausübung der ihm durch Art. 234 Buchst. a EG verliehenen Befugnis vornimmt, erläutert und verdeutlicht die Bedeutung und Tragweite dieser Vorschrift, so wie sie seit ihrem In-Kraft-Treten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Dementsprechend ist die Vorschrift auch auf Rechtsverhältnisse anzuwenden, die vor Erlass des auf das Auslegungsersuchen ergangenen Urteils entstanden sind (vgl. u.a. Urteil vom 15. Dezember 1995 Rs. C 415/93, Bosman Slg. I 4921 Rn. 141). Eine unzulässige Rückwirkung liegt darin nicht.
Ebenso ist es unerheblich, dass im Recht der Tschechischen Republik zu dem Zeitpunkt, als dem Kläger dort sein neuer Führerschein ausgestellt wurde, das in der Führerscheinrichtlinie aufgestellte Wohnsitzerfordernis noch nicht umgesetzt war, sondern es erst mit Wirkung zum 1. Juli 2006 in die tschechische Rechtsordnung eingefügt wurde. Es kommt allein darauf an, dass gegen das durch die Richtlinie selbst vorgegebene Wohnsitzerfordernis verstoßen wurde. Davon geht auch der Europäische Gerichtshof ohne Weiteres aus. Die ihm zur Vorabentscheidung vorgelegten Verfahren, die der Ausgangspunkt für seine neue Rechtsprechung waren, betrafen gerade solche tschechischen Fahrerlaubnisse, die dort vor dem 1. Juli 2006 erteilt worden waren (vgl. Urteil vom 26. Juni 2008 Rs. C 329/06 und C 343/06, Wiedemann u.a. a.a.O. Rn. 67).
ee) Soweit der Kläger die Rechtswidrigkeit der Aberkennung damit begründen will, dass der Beklagte eine Ermessensentscheidung zu treffen gehabt und dieses Ermessen unzureichend ausgeübt habe, verkennt er die Systematik des Gemeinschaftsrechts.
Bei dem den Mitgliedstaaten vom Europäischen Gerichtshof zugestandenen Recht, in ihrem Hoheitsgebiet die Anerkennung einer von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Fahrberechtigung unter den genannten Voraussetzungen abzulehnen („kann“), handelt es sich um eine rechtliche Befugnis der Mitgliedstaaten zu einer entsprechenden Gestaltung ihres innerstaatlichen Rechts und nicht etwa um die Begründung eines Ermessensspielraums der Verwaltungsbehörden. Das folgt schon daraus, dass der Europäische Gerichtshof hier Regelungen einer Richtlinie ausgelegt hat, also eines Instruments des sekundären Gemeinschaftsrechts, das, wie Art. 249 EG zu entnehmen ist, gerade auf die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten angelegt ist und sich an sie richtet.
e) Neben der Aberkennung des Rechts des Klägers, von der tschechischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, sind auch die weiteren vom Beklagten getroffenen Regelungen nicht zu beanstanden. Die Anordnung, den tschechischen Führerschein zur Anbringung eines Sperrvermerks vorzulegen, findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 2 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 FeV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.