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EU-Führerschein und MPU-Anordnung

Oberverwaltungsgericht Niedersachsen

Az: 12 ME 372/07

Beschluss vom 28.04.2008

Vorinstanz: VG Osnabrück, Az.: 2 B 31/06


Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der von dem Antragsgegner ausgesprochenen Aberkennung des Rechts, von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen.

Der Antragsteller ist seit dem 20. August 1991 mit Wohnsitz in D. gemeldet. Am 14. Dezember 1992 wurde ihm ein Führerschein der Klassen 2, 3, 4 und 5 ausgestellt. Hierbei handelte es sich um eine Umschreibung einer Jahre zuvor in der ehemaligen Sowjetunion erworbenen Fahrerlaubnis. Nachdem der Antragsteller am 30. Oktober 2003 eine Alkoholfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von wenigstens 2,28 Promille (max. 2,35 Promille) unternommen hatte, wurde ihm mit Urteil des Amtsgerichts E. vom 23. Juni 2004 – Az: 23 Cs (578 Js 47155/03) 15/04 – die Fahrerlaubnis entzogen. Der Verwaltungsbehörde wurde aufgegeben, dem Antragsteller vor dem Ablauf von drei Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Am 28. Februar 2005 beantragte der Antragsteller die Erteilung der Fahrerlaubnis für verschiedene Fahrerlaubnisklassen. Der Antragsgegner forderte diesen im Hinblick auf die begangene Trunkenheitsfahrt auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu seiner Fahreignung vorzulegen. Nachdem der Antragsteller ein solches Gutachten nicht vorgelegt hatte, lehnte der Antragsgegner die Erteilung der beantragten Fahrerlaubnis durch bestandskräftigen Bescheid vom 13. Juni 2005 ab.

Das Polizeikommissariat D. teilte dem Antragsgegner am 6. Oktober 2005 mit, dass der Antragsteller mittlerweile im Besitz einer am 13. September 2005 in F. ausgestellten EU-Fahrerlaubnis der Klasse B sei. Mit Schreiben vom 7. November 2005 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass wegen der begangenen Trunkenheitsfahrt nach wie vor Bedenken an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bestünden. Am 10. November 2005 wurde der Antragsgegner vom Kraftfahrt-Bundesamt darüber unterrichtet, dass die Fahrerlaubnisbehörde der Stadt F. um Auskünfte über den Antragsteller gebeten habe und Auskünfte aus dem Verkehrszentralregister wie auch aus dem zentralen Fahrerlaubnisregister erteilt worden seien, wobei insbesondere darauf hingewiesen worden sei, dass dieser in Deutschland keine gültige Fahrerlaubnis besitze und nur aufgrund eines medizinisch-psychologischen Gutachtens eine Fahrerlaubnis erhalten könne. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2005 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Frage der Fahreignung beizubringen und innerhalb einer Woche sein Einverständnis diesbezüglich zu erklären. Dieser legte – trotz nochmaliger Erinnerung – ein entsprechendes Gutachten nicht vor, woraufhin ihm der Antragsgegner mit dem für sofort vollziehbar erklärten Bescheid vom 28. März 2006 das Recht aberkannte, im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland von der in Polen ausgestellten Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen.

Der Antragsteller hat gegen den Bescheid Klage erhoben (Az: 2 A 103/06), über die noch nicht entschieden worden ist. Seinen mit Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH zur gegenseitigen Anerkennung einer in einem EU-Mitgliedstaat erworbenen Fahrerlaubnis begründeten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 27. September 2007 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Nach § 3 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes – StVG – i.d.F. der 3. Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 14. August 2005 (BGBl I S. 2412) i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über internationalen Kraftfahrzeugverkehr – IntKfz –, zuletzt geändert durch Art. 3 der 3. Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnisverordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 9. August 2004 (BGBl. I S. 2092), habe die Fahrerlaubnisbehörde demjenigen Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweise, das Recht abzuerkennen, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Hier habe der Antragsgegner nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers schließen dürfen, da dieser das geforderte Eignungsgutachten nicht beigebracht habe. Ein solches sei angesichts der begangenen Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von wenigstens 2,28 Promille erforderlich gewesen. Der Anforderung eines Gutachtens stünden gemeinschaftsrechtliche Vorgaben über die gegenseitige Anerkennung der in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft erteilten Fahrerlaubnisse auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH nicht entgegen. Deutsche Fahrerlaubnisbehörden dürften zumindest in den Fällen, in denen der Betroffene seine EU-Fahrerlaubnis rechtsmissbräuchlich erworben habe, eine Fahreignungsüberprüfung anordnen bzw. aus der Ablehnung einer solchen Überprüfung entsprechende rechtliche Konsequenzen ziehen. Es spreche ganz Überwiegendes dafür, dass der Antragsteller die EU-Fahrerlaubnis in Polen rechtsmissbräuchlich erworben habe. Dieser habe im Herbst 2005 in der Bundesrepublik Deutschland ohne eine erneute medizinisch-psychologische Begutachtung seiner Fahreignung eine Fahrerlaubnis nicht erhalten können. Es sei nicht ersichtlich, dass er sich im Jahre 2005 wegen eines über den Erwerb der Fahrerlaubnis hinausgehenden gemeinschaftsrechtlich relevanten Vorganges an die Behörden des polnischen Staates gewandt habe bzw. das seine nachfolgende Rückkehr aus Polen im Bundesgebiet nach der Erteilung der Fahrerlaubnis als eine Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit oder der Niederlassungs- bzw. Dienstleistungsfreiheit anzusehen sei.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Das Beschwerdevorbringen – das Oberverwaltungsgericht prüft gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur die dargelegten Gründe – rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht.

Der Antragsteller macht – zusammengefasst – geltend: Er habe am 13. September 2005 in Übereinstimmung mit den polnischen Vorschriften einen EU-Führerschein der Klasse B erworben. Diese erteilte Fahrerlaubnis sei nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG vom 29. Juli 1991 in der Bundesrepublik Deutschland anzuerkennen. Der EuGH habe in seinen Entscheidungen vom 29. April 2004 und 6. April 2006 ausdrücklich festgestellt, dass die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine „ohne jegliche Formalität“ vorbehaltlos anzuerkennen seien. Das Gemeinschaftsrecht in der vom EuGH vorgegebenen Auslegung sei bindend. Dass er, der Antragsteller, im Zeitpunkt des Erwerbs der EU-Fahrerlaubnis seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Ausstellungsstaat Polen gehabt habe, sei nach der Rechtsprechung des EuGH unerheblich, so dass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung nicht auf diesen Aspekt habe stützen dürfen. Unbeachtlich sei auch, dass er sich in Polen nicht einer medizinisch-psychologischen Eignungsbeurteilung unterzogen habe, da es eine vergleichbare Eignungsbegutachtung entsprechend den deutschen Vorschriften in Polen nicht gebe. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei auch nicht festzustellen, dass er seine EU-Fahrerlaubnis rechtsmissbräuchlich erworben habe. Es könne einem EU-Bürger nicht als rechtsmissbräuchlich entgegengehalten werden, wenn er die Fahrerlaubnis in einem Mitgliedstaat erwerbe, in dem die Voraussetzungen für die Erlangung einer Fahrerlaubnis einfacher und kostengünstiger seien. Gerade die Entscheidung des EuGH vom 6. April 2006 belege, dass die Mitgliedstaaten vom Inhaber eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins gerade nicht verlangen könnten, dass er die Bedingungen erfülle, die ihr nationales Recht für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach ihrem Entzug aufstelle.

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt eine Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses nicht. Die Erfolgsaussichten der Klage gegen den Bescheid vom 28. März 2006 sind gegenwärtig zwar als offen anzusehen, da die durch den Rechtsfall aufgeworfenen gemeinschaftsrechtlichen Fragen nicht ausnahmslos geklärt sind. Eine von der Erfolgsprognose unabhängige Interessenabwägung lässt es vorliegend jedoch angezeigt erscheinen, an der sofortigen Vollziehbarkeit des angegriffenen Bescheids festzuhalten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH sieht Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG vom 29. Juli 1991 (ABlEG Nr. 237, S. 1) die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine ohne jede Formalität vor. Der Besitz eines solchen EU-Führerscheins ist als Nachweis dafür anzusehen, dass sein Inhaber die in der Richtlinie 91/439/EWG vorgesehenen Voraussetzungen für die Ausstellung erfüllt hat. Zugleich erlegt Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG den Mitgliedstaaten damit eine klare und unbedingte Verpflichtung zur Anerkennung auf, die keinen Ermessensspielraum in Bezug auf die Maßnahmen einräumt, die zu erlassen sind, um dieser Verpflichtung nachzukommen (vgl. EuGH, Beschl.v. 6.4.2006 – Rs. C-227/05 – „Halbritter“, NJW 2006, 2173 = DVBl. 2006, 375 = ZfS 2006, 416; inhaltlich bestätigt mit Beschluss des EuGH vom 28.9.2006 – C-340/05 – „Kremer“, NJW 2007, 1863 = DAR 2007, 77). Grundsätzlich sind der Befugnis zur Überprüfung von EU-Fahrerlaubnissen nach innerstaatlichem Recht enge Grenzen gesetzt. Denn Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG ist als Ausnahme vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine restriktiv auszulegen (vgl. EuGH, Urt.v. 29.4.2004 – Rs. C 476/01 – „Kapper“, NJW 2004, 1725 ff. = DAR 2004, 333 ff. = NZV 2004, 372 ff.). Andere Mitgliedstaaten sind wegen Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG nicht befugt, die Beachtung der Ausstellungsbedingungen erneut zu prüfen, und können ihre Befugnis nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG nur im Hinblick auf ein Verhalten des Betroffenen nach dem Erwerb der ausländischen Fahrerlaubnis ausüben (vgl. EuGH, Beschl.v. 6.4.2006 – „Halbritter“, a.a.O.).

Nach der bisherigen Rechtsprechung des beschließenden Senats im Eilverfahren ist es jedoch nach vorheriger Entziehung der im Inland ausgestellten Fahrerlaubnis auch unter Berücksichtigung der vorgenannten Rechtsprechung des EuGH nicht ausgeschlossen, im Einzelfall einem Inhaber einer im EU-Ausland erworbenen Fahrerlaubnis das Recht abzuerkennen, von dieser im Inland Gebrauch zu machen (vgl. Senatsbeschluss vom 14.12.2006 – 12 ME 335/06 –, juris; ferner Beschluss vom 5.4.2007 – 12 ME 101/07 – V.n.b.). Der Senat sieht sich insoweit durch die Stellungnahme des Generalanwalts vom 14. Februar 2008 (veröffentlicht auf der Internetseite des EuGH unter http://curia.europa.eu) in den Vorlageverfahren der verbundenen Rechtssachen C-329/06 und C-343/06 (vgl. Vorlagebeschluss des VG Chemnitz v. 3.8.2006 – 2 K 1093/05 – juris, und des VG Sigmaringen v. 27.6.2006 – 4 K 1058/05 –, juris) bestätigt. Darin weist der Generalanwalt ausdrücklich darauf hin, dass der EuGH im Beschluss vom 6.4.2006 zwar festgestellt habe, dass die Mitgliedstaaten nicht befugt seien, die Beachtung der Ausstellungsbedingungen erneut zu prüfen (vgl. Rn 103 der Stellungnahme), in dem entschiedenen Fall die Behörden des Ausstellungsmitgliedstaates allerdings die gesundheitliche Eignung des Fahrerlaubnisinhabers geprüft hätten (vgl. Rn 104 der Stellungnahme). Wurde einer Person in einem Mitgliedstaat die Fahrerlaubnis mit der Begründung entzogen, dass sie unter Alkohol- oder Drogeneinfluss ein Kraftfahrzeug geführt hat, und wurde die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis in Anbetracht der von dieser Person ausgehenden Gefahr vom Bestehen eines medizinisch-psychologischen Tests abhängig gemacht, ist dieser Mitgliedstaat nach Auffassung des Generalanwalts daher nach Art. 1 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG befugt, die Anerkennung der Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins zu verweigern, wenn im Ausstellungsmitgliedstaat kein Test durchgeführt wurde, dessen Niveau dem des im erstgenannten Staat geforderten vergleichbar ist (vgl. Rn 112 der Stellungnahme).

Hier bestehen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller die Vorschriften einer Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung – insbesondere das Erfordernis der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach den §§ 11, 13 FeV – gezielt umgangen hat und sich damit – wie vom Verwaltungsgericht angenommen – rechtsmissbräuchlich auf den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der in Polen erworbenen Fahrerlaubnis beruft. Eine unzulässige Umgehung der inländischen Vorschriften für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis durch Ausnutzung der europarechtlichen Bestimmungen dürfte dann vorliegen, wenn das Verhalten des Fahrerlaubnisinhabers erkennen lässt, dass er gerade deshalb die Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis beantragt, weil er den Versuch für aussichtslos hält, unter den in Deutschland geltenden Anforderungen an den Nachweis der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen die Fahrerlaubnis neu zu erwerben, und davon ausgegangen werden muss, dass der Behörde des anderen Mitgliedstaates wesentliche Umstände der zuvor erfolgten Entziehung der Fahrerlaubnis verheimlicht worden sind (Beschl.v. 14.12.2006 – 12 ME 335/06, a.a.O.).

Hier hat der Antragsteller die polnische Fahrerlaubnis erworben, nachdem er wenige Monate zuvor die Erteilung einer Fahrerlaubnis beim Antragsgegner beantragt hatte und von diesem zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufgefordert worden war, welches er jedoch ohne Angabe von Gründen nicht beigebracht hatte. Bereits aufgrund dieses zeitlichen Ablaufs liegen gewichtige Anhaltspunkte vor, dass der Antragsteller keine Möglichkeit sah, ein positives medizinisch-psychologisches Gutachten hinsichtlich seiner Fahreignung zu erlangen und sich daher gezielt nach Polen begeben hat, um dort – ohne vergleichbare Nachweise seiner Fahreignung – eine EU-Fahrerlaubnis zu erhalten. Hinzu kommt, dass der Antragsteller seinen ausschließlichen Wohnsitz seit 1991 durchgehend in Deutschland hat und eine vom Gemeinschaftsrecht begünstigte Beziehung zu Polen nicht erkennbar ist. Der Umstand, dass der Antragsteller ohne erkennbare Beziehung zu dem ausstellenden EU-Mitgliedstaat, wie etwa Wohnsitz oder Arbeitsstelle, seine Fahrerlaubnis erworben hat, spricht daher – wie vom Verwaltungsgericht angenommen – für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind die deutschen Behörden zwar nicht berechtigt, einer Person, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat unter Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis eine Fahrerlaubnis erhalten hat, allein aus diesem Grund das Recht abzuerkennen, von dieser Befugnis Gebrauch zu machen. Dieser Umstand kann jedoch – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – im Rahmen der Feststellung eines Rechtsmissbrauchs berücksichtigt werden, wenn die Entziehung bzw. Aberkennung auf anderen Umständen – wie hier die Nichtbeibringung eines erforderlichen Gutachtens – beruht. Offen in diesem Zusammenhang ist allerdings, ob der Antragsteller gegenüber der polnischen Fahrerlaubnisbehörde vollständige Angaben, insbesondere zu der Entziehung der Fahrerlaubnis durch Urteil des Amtsgerichts E. vom 23. Juni 2004 gemacht hat. In den Verwaltungsvorgängen findet sich nur die Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 8. November 2005 (Bl. 40 Beiakte A), dass die polnische Fahrerlaubnisbehörde um Auskunft über den Antragsteller gebeten hatte.

Ob vorliegend die Voraussetzungen eines Missbrauchs des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung vorliegen und dieses auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zu einer gemeinschaftskonformen Aberkennung des Rechts, von einer im Mitgliedstaat erworbenen EU-Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, führt, braucht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht abschließend geklärt werden. Die Entscheidung des Antragsgegners ist jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig, so dass der Senat eine Ermessensentscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO unter Abwägung der Interessen des Antragstellers einerseits und der öffentlichen Interessen andererseits trifft.

Diese Abwägung fällt aus folgenden Erwägungen hier zum Nachteil des Antragstellers aus: Das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Auftrag zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben gebieten es, hohe Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu stellen. Bestehen berechtigte Zweifel daran, dass diese Eignung nicht (mehr oder wieder) besteht, so dass die Teilnahme des Fahrzeugführers am Straßenverkehr eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer sehr wahrscheinlich macht, verdient das öffentliche Interesse daran, dass der Fahrerlaubnisinhaber gehindert wird, von seiner Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, Vorrang. Der Antragsteller hat am 30. Oktober 2003 stark alkoholisiert (mind. 2,28 Promille) ein Kraftfahrzeug geführt. Zwar wurde der Antragsteller nur einmal bei einer Trunkenheitsfahrt aufgegriffen. Das rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, dass es sich dabei um einen einmaligen persönlichkeitsfremden Vorfall gehandelt hat, hinsichtlich dessen keine ins Gewicht fallende Wiederholungsgefahr besteht. Wenn der Antragsteller nämlich seinerzeit trotz der festgestellten BAK noch in der Lage war, ein Auto zu lenken, so deutet das auf ein hohes Maß an Alkoholgewöhnung hin, wie es nur Personen erreichen, die dieses Rauschmittel seit längerer Zeit in großer Menge zu sich nehmen. Bereits in der Entscheidung vom 15. Juli 1988 (– 7 C 46/87 –; BVerwGE 80, 43/45) hat das Bundesverwaltungsgericht unter Rückgriff auf die Ergebnisse kurz zuvor veröffentlichter verkehrsmedizinischer Untersuchungen ausgeführt, dass ein „Geselligkeitstrinker“ alkoholische Getränke allenfalls bis zu einem Blutalkoholgehalt von 1 oder maximal 1,3 Promille verträgt und zu sich nehmen kann, während Personen, die Blutalkoholwerte über etwa 1,6 Promille erreichen, regelmäßig bereits an einer dauerhaften, ausgeprägten Alkoholproblematik leiden. BAK-Werte von über 1,3 Promille sind daher mit einem sozialadäquaten Trinkverhalten keinesfalls mehr zu vereinbaren; sie setzen vielmehr eine durch den häufigen Genuss großer Alkoholmengen erworbene gesteigerte Alkoholverträglichkeit voraus (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 11.10.2005 – 12 ME 288/05 –, juris; ferner Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 2 StVG, Rn 16 m.w.N.). Hinzu kommt hier, dass sich der Antragsteller einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zur Überprüfung seiner Fahreignung nicht gestellt hat. Dies deutet darauf hin, dass er keine günstigen Aussichten für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis sah. Er hat ferner nicht dargelegt, dass er sein Trinkverhalten in der Vergangenheit geändert hat, vielmehr vorgetragen, dass es sich bei der begangenen Trunkenheitsfahrt um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe und er bereits damals nicht an einem Alkoholproblem gelitten habe. Da die festgestellten Blutalkoholkonzentrationen mit diesem Vortrag inhaltlich nicht in Übereinstimmung zu bringen sind, vermag der Senat nicht zu erkennen, dass sich der Antragsteller mit der begangenen Trunkenheitsfahrt und damit einhergehend mit seinem Alkoholkonsum hinreichend auseinandergesetzt hat. Soweit er sich auf Laborbefunde des ihn behandelnden Hausarztes beruft, aus denen ersichtlich ist, dass der Gamma-GT-Wert des Antragstellers bei Untersuchungen in den Jahren 1999, 2001 und 2006 mit Werten von 24,00 U/l und 31,00 U/l jeweils im Normalbereich gelegen haben (bis 55 U/l), bezieht er sich insoweit zwar auf einen wichtigen Alkoholmissbrauchermarker. Aus den Befunden allein lässt sich jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit schließen, dass der Alkoholmissbrauch überwunden ist. Der Gamma-GT-Wert kann bereits nach drei- bis sechswöchiger Alkoholabstinenz in den Bereich der Normwerte gesenkt werden. Aus der Tatsache, dass bestimmte Laborwerte „unverdächtig“ sind, kann daher nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass keine erhebliche Alkoholgewöhnung vorliegt (vgl. dazu Bay. VGH, Beschl.v. 21.6.2007 – 11 CS 06.1683 –, juris, mit Verweis auf Himmelreich/Janker/Karbach, Fahrverbot, Fahrerlaubnisentziehung und MPU-Begutachtung im Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2007, Rn 1230 f.). Da der Antragsteller unter erheblichem Alkoholeinfluss mit einer BAK von deutlich mehr als 1,6 Promille am Straßenverkehr teilgenommen hat, kann die Frage nach der Beendigung des Alkoholmissbrauchs nur durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten geklärt werden, wie es in § 13 Nr. 2 Buchst. c) FeV vorgesehen ist. Da der Antragsteller mit dem Erwerb der polnischen Fahrerlaubnis die hier geltenden Bestimmungen zur Überprüfung der Fahreignung offensichtlich hat umgehen wollen, bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass vorhandene Alkoholprobleme nicht überwunden sind. Im Hinblick auf die gebotene Wahrung der Verkehrssicherheit muss das Interesse des Antragstellers an der Möglichkeit, seine ausländische Fahrerlaubnis weiter zu nutzen, gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs zurückstehen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Aberkennung des Rechts des Antragstellers, von seiner polnischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, ist deshalb bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens aufrecht zu erhalten.

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