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EU-Führerschein – Nutzungsuntersagung in Deutschland

VG Bremen

Az.: 5 K 3424/08

Urteil vom 26.04.2010


Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Aberkennung des Rechts, in der Bundesrepublik Deutschland von seiner tschechischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen.

Der 1963 geborene Kläger erwarb im Jahr 1981 die Fahrerlaubnis der Klassen 1 und 3. Nach zwei Trunkenheitsfahrten entzog das Stadtamt Bremen als Fahrerlaubnisbehörde dem Kläger mit Verfügung vom 28. Dezember 1998 die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch nahm der Kläger am 12. Mai 1999 zurück. Am 15. November 1999 stellte der Kläger einen Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis beim Stadtamt Bremen. Auf die Anforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens reagierte er nicht. Am 07. April 2003 stellte der Kläger nochmals einen Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis beim Stadtamt Bremen. Mit Schreiben vom 05. April 2004 forderte die Fahrerlaubnisbehörde den Kläger wiederum zur Beibringung eines medizinischpsychologischen Gutachtens auf. Der Kläger ließ sich zwar im Klinikum Bremen-Mitte untersuchen, legte das Gutachten jedoch nicht vor. Daraufhin versagte das Stadtamt Bremen dem Kläger die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis mit Verfügung vom 10. Februar 2005.

Am 13. Januar 2007 geriet der Kläger in eine Verkehrskontrolle der Polizei Weyhe. Dabei wies er einen am 08. Juni 2006 in der Tschechischen Republik ausgestellten Führerschein vor. In dem Führerschein war als Wohnsitz Bremen eingetragen. Der Kläger legte zudem einen Bundespersonalausweis mit einer Bremer Wohnanschrift vor. Er führte einen Firmenwagen mit deutschem Kennzeichen und gab an, im Inland zu arbeiten. Mit Schreiben vom 26. Januar 2007 forderte das Stadtamt Bremen den Kläger auf, die Umstände des Fahrerlaubniserwerbs in der Tschechischen Republik darzulegen. Mit Schreiben vom 15. Februar 2007 teilte der Kläger mit, er habe vor Ort alle erforderlichen Angaben zum Erwerb einer tschechischen Fahrerlaubnis abgegeben. Er habe einen Wohnsitz in Tschechien und sei nicht verpflichtet, sich in Deutschland abzumelden. Am 22. März 2007 wurde der Kläger im Rahmen einer Schwerpunktmaßnahme der Polizei Bremen einem Drogenschnelltest (Urin) unterzogen, der positiv auf Cannabis, Kokain und Morphine ausfiel. Eine Bestätigungsanalyse des Klinikums Bremen-Mitte vom 24. April 2007 ergab Blutwerte von 8 ng/ml THC-COOH, 18 ng/ml freies Morphin, 236 ng/ml gesamt Morphin, 30 ng/ml freies Codein und 280 ng/ml gesamt Codein.

Mit Verfügung vom 20. Juli 2007, zugestellt am 26. Juli 2007, entzog das Stadtamt Bremen dem Kläger die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen, gab ihm auf, seinen tschechischen Führerschein binnen drei Tagen ab Zustellung der Verfügung abzuliefern und drohte für den Fall der Nichtablieferung ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 Euro an. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger sei ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, da er am 19. März 2007 unter dem Einfluss von Morphin und Codein ein Fahrzeug geführt habe und der Konsum harter Drogen eignungsausschließend sei. Der Kläger lieferte sodann einen tschechischen Führerschein ab, auf dem die Fahrerlaubnisbehörde einen Sperrvermerk anbrachte und dem Kläger anschließend zurücksandte. Am Montag, den 27. August 2007 legte der Kläger Widerspruch gegen die Verfügung vom 20. Juli 2007 ein, den er nicht begründete.

Unter dem 09. März 2009 wurde dem Kläger in Tschechien ein neuer Führerschein ausgestellt, in dem unter Ziff. 8 „L.“ als Aufenthaltsadresse in der Tschechischen Republik vermerkt ist. Auf der Rückseite des neuen Führerscheins wurde als Datum des Erwerbs der Fahrerlaubnis der 08. Juni 2006 eingetragen. Mit Schreiben vom 05. Juni 2009 deutete das Stadtamt Bremen nach vorheriger Anhörung die Entziehungsverfügung vom 20. Juli 2007 dahingehend um, dass festgestellt wurde, dass die dem Kläger erteilte tschechische Fahrerlaubnis vom 08. Juni 2006 keine Fahrberechtigung für die Bundesrepublik Deutschland entfalte. Die Führerscheine seien zur Eintragung eines Sperrvermerks für die Bundesrepublik Deutschland binnen drei Tagen nach Zustellung der Verfügung beim Stadtamt Bremen vorzulegen. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde ein Zwangsgeld von 250,00 Euro angedroht. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger aufgrund des im ersten tschechischen Führerschein eingetragenen bundesdeutschen Wohnsitzes keine Fahrberechtigung habe. Dies gelte, obwohl im zweiten tschechischen Führerschein nunmehr ein tschechischer Wohnsitz eingetragen sei. Die jetzige Eintragung beruhe auf den Änderungen im Fahrerlaubnisrecht Tschechiens am 01. Juli 2006; erst dann sei das Wohnsitzerfordernis in die tschechische Rechtsordnung eingefügt worden. Es sei zulässig, eine Fahrberechtigung dann nicht anzunehmen, wenn der Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis – wie hier – selbst nicht behaupte, in dem Ausstellermitgliedstaat einen ordentlichen Wohnsitz gehabt zu haben. Sodann wies der Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa den Widerspruch des Klägers gegen die Verfügung vom 20. Juli 2007, an deren Stelle der Bescheid vom 05. Juni 2009 getreten sei, mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2009 zurück. Nach § 28 Abs. 4 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) bestehe die grundsätzliche Befugnis, von einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen in bestimmten Fällen nicht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) könne ein Mitgliedstaat die Anerkennung einer EU-Fahrberechtigung ablehnen, wenn sich auf der Grundlage von Angaben im Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststellen lasse, dass die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 91/439/EWG aufgestellte Wohnsitzvoraussetzung zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins nicht erfüllt gewesen seien und auf den Inhaber dieses Führerscheins im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaates eine Maßnahme des Entzugs einer früheren Fahrerlaubnis angewendet worden sei. Aufgrund der Eintragungen in dem tschechischen … tschechischen Führerschein stehe fest, dass die Tschechische Republik in seinem Fall gegen das Wohnsitzerfordernis verstoßen habe. Bei einer vom Kläger vorgelegten „Wohnsitzbestätigung“ handele es sich laut deutscher Übersetzung um eine am 09. März 2009 ausgestellte Bestätigung eines vorübergehenden Aufenthalts. Die Bestätigung eines Wohnsitzes zum Zeitpunkt der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis ergebe sich daraus gerade nicht. Auch der nachträglich geänderte Wohnort in dem im März 2009 ausgestellten tschechischen Führerschein führe nicht zu einer Fahrberechtigung mit der tschechischen Fahrerlaubnis vom 08. Juni 2006, da der Kläger im Zeitpunkt der Erteilung seinen ordentlichen Wohnsitz in Deutschland gehabt habe. Auch in dem neuen Führerschein sei der 08. Juni 2006 als Datum des Führerscheinerwerbs eingetragen. Im Übrigen sei der Kläger wegen des festgestellten Konsums harter Drogen auch tatsächlich ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen.

Der Kläger hat bereits am 17. Oktober 2008 Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht Bremen erhoben, mit der er ursprünglich die Aufhebung der Verfügung vom 20. Juli 2007 begehrte. Nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2009 wendet er sich nunmehr auch gegen diesen. Der Kläger trägt vor, die bei ihm festgestellten Blutwerte seien nicht auf einen Drogenkonsum zurückzuführen, sondern beruhten auf einer Medikamenteneinnahme infolge einer Beinerkrankung. Sein tschechischer Führerschein stelle eine in der Bundesrepublik Deutschland gültige Fahrerlaubnis dar. In dem Führerschein sei Bremen als Wohnsitz eingetragen, weil es zur Zeit der Ausstellung des Führerscheins noch nicht die Regelung gegeben habe, dass sich der angemeldete Wohnsitz in Tschechien befinden müsse. Im Übrigen sei zum Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins der Wohnsitz in Tschechien/L. bereits beantragt gewesen. Lediglich bürokratische Gründe hätten dazu geführt, dass der Wohnsitz in Tschechien noch nicht in dem Führerschein eingetragen gewesen sei.

Der Kläger beantragt, die Verfügung vom 20. Juli 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juni 2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Eine Begründung durch die Beklagte ist nicht erfolgt.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 27. Mai 2009 auf die Einzelrichterin übertragen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Die ursprünglich als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhobene Klage ist nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 29. Juni 2009 als Anfechtungsklage statthaft. Zwar ist die Klageschrift vom 13. Oktober 2008 nicht unterschrieben worden, so dass es an sich an der Schriftlichkeit im Sinne von § 81 Abs. 1 VwGO fehlt. Jedoch hat der Rechtsanwalt zusammen mit der Klageschrift einen eigenhändig unterzeichneten Prozesskostenhilfeantrag übersandt. Das Erfordernis der Originalunterschrift auf der Klageschrift entfällt daher im vorliegenden Fall ausnahmsweise, weil sich aus der Klageschrift und dem mit ihr zusammen übersandten Prozesskostenhilfeantrag eindeutig die Urheberschaft der Klageschrift und der Wille zu ihrer Übersendung („Verkehrswille“) ergeben (Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., 2009, § 81 Rdnr. 4 ff.). Nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 29. Juni 2009 kann die bereits erhobene Klage unter Einbeziehung des Widerspruchsbescheids fortgesetzt werden. Denn nach § 75 Satz 4 VwGO ist die Hauptsache für erledigt zu erklären, wenn dem Widerspruch stattgegeben wird. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass das Verfahren fortgesetzt werden kann, wenn der Widerspruch, wie hier, nachträglich zurückgewiesen worden ist. Eine weitere Klage gegen den nachträglich ergangenen Widerspruchsbescheid ist nicht erforderlich. Der Streitgegenstand der Untätigkeitsklage umfasst auch den im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht ergangenen Widerspruchsbescheid (Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. § 75 Rdnr. 21, 26).

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Verfügung vom 20. Juli 2007, umgedeutet durch Schreiben vom 05. Juni 2009, in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juni 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

II.1. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verfügung, die die Entziehung der Fahrerlaubnis zum Gegenstand hat, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung bestehende Sach- und Rechtslage maßgebend (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.09.1995, Az. 11 C 34.94). Das ist hier der Erlass des Widerspruchsbescheids vom 29. Juni 2009. Es kommt daher nicht darauf an, ob dem Kläger im Jahr 2010 von der tschechischen Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis entzogen wurde.

II.2. Gegenstand des Verfahrens ist nach der im Schreiben vom 05. Juni 2009 vorgenommenen Umdeutung der Verfügung vom 20. Juli 2007 gemäß § 47 BremVwVfG nur noch die Feststellung, dass die dem Kläger in der Tschechischen Republik am 08. Juni 2006 erteilte Fahrerlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland keine Fahrberechtigung entfaltet. Ziffer 1 der Verfügung des Stadtamtes Bremen vom 20. Juli 2007 regelte die Entziehung der dem Kläger in der tschechischen Republik erteilten Fahrerlaubnis. Diese Regelung hat das Stadtamt Bremen durch das Schreiben vom 05. Juni 2009 in einen feststellenden Verwaltungsakt des Inhalts umgedeutet, dass die dem Kläger in der Tschechischen Republik am 08. Juni 2006 erteilte Fahrerlaubnis der Klasse B keine Fahrberechtigung für die Bundesrepublik Deutschland entfalte. Nach § 47 Abs. 1 BremVwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Die Umdeutung wirkt auf den Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Verwaltungsaktes zurück, so dass die Regelung im Schreiben vom 05. Juni 2009 als mit der Bekanntgabe der Ausgangsentscheidung vom 20. Juli 2007 erlassen gilt. Die Umdeutung lässt den Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens unberührt, da es sich weiter um denselben Verwaltungsakt handelt und die neue Regelung als von Anfang maßgeblich gilt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., 2008, § 47, Rdnr. 37; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., 2008, § 47 Rdnr. 4, 12, 32).

II.3. Die Voraussetzungen für eine Umdeutung nach § 47 BremVwVfG liegen vor. Der Sache nach ging es dem Stadtamt Bremen bei seinem Vorgehen im Hinblick auf die dem Kläger in der Tschechischen Republik erteilte Fahrerlaubnis um die Zweifel an der Fahreignung des Klägers, die sich insbesondere aus den Feststellungen zum Kokainkonsum und der Drogenabhängigkeit des Klägers im Strafurteil des Landgerichts Oldenburg vom 05. Juli 2002 und der Autofahrt des Klägers vom 19. März 2007 unter Einfluss von Morphin und Codein ergaben. Dies ergibt sich aus der Begründung der Verfügung vom 20. Juli 2007. Das Schreiben vom 05. Juni 2009 ist im Sinne von § 47 Abs. 1 BremVwVfG auf das gleiche Ziel gerichtet wie die Verfügung vom 20. Juli 2007, denn beide dienen dem gleichen öffentlichen Interesse und haben die gleiche materiell-rechtliche Tragweite (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., 2008, § 47 Rdnr. 34). Es soll verhindert werden, dass der Kläger, dem im Jahr 1998 durch eine Verfügung der Beklagten die Fahrerlaubnis entzogen worden war und dessen Fahrgeeignetheit wegen der in seinen Blutwerten festgestellten Morphin und Codein immer noch zweifelhaft ist, als Führer eines Kraftfahrzeugs im Bundesgebiet am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen kann. Auch hinsichtlich der Rechtsfolgen sind die ursprüngliche … kann. Auch hinsichtlich der Rechtsfolgen sind die ursprüngliche Regelung vom 20. Juli 2007 und diejenige vom 05. Juni 2009 gleich, nämlich die Verneinung der Fahrberechtigung durch den tschechischen Führerschein für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland. Ziffer 1 der Verfügung vom 20. Juli 2007 war unter Berücksichtigung der im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 29. Juni 2009 bekannten Auslegung des gemeinschaftsrechtlichen Anerkennungsgrundsatzes durch den EuGH fehlerhaft im Sinne von § 47 Abs. 1 BremVwVfG. Denn zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung vom 20. Juli 2007 bestand für die Fahrerlaubnisbehörde nicht die Möglichkeit einer Entziehung der in der Tschechischen Republik erteilten Fahrerlaubnis. Nach der neueren Rechtsprechung des EuGH (Urteile vom 26.06.2008 in den Verfahren C-329/06 und 343/06 – Wiedemann – sowie C-334/06 bis C-336/06 – Zerche –) zur Auslegung der Art. 1 Abs. 2, Art. 7 Abs. 1 sowie Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG kann der Aufnahmemitgliedstaat die Anerkennung einer im EU-Ausland erteilten Fahrerlaubnis ablehnen, wenn auf der Grundlage von Angaben im Führerschein oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden Informationen feststeht, dass zum Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins sein Inhaber, auf den im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates eine Maßnahme des Entzugs einer früheren Fahrerlaubnis angewendet worden ist, seinen ordentlichen Wohnsitz im Sinne von Art. 7 Abs. 1, Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedsstaates hatte. Von der den Mitgliedstaaten durch Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG eingeräumten Möglichkeit, unter den vom EuGH genannten Bedingungen im EU-Ausland erworbene Fahrerlaubnisse nicht anzuerkennen, hat die Bundesrepublik Deutschland durch die Vorschrift des § 28 Abs. 4 Nr. 2 und 3 FeV Gebrauch gemacht.

Danach berechtigte die tschechische Fahrerlaubnis des Klägers diesen zu keinem Zeitpunkt, im Bundesgebiet Kraftfahrzeuge zu führen, denn in dem am 08. Juni 2006 in der Tschechischen Republik ausgestellten Führerschein war der inländische Wohnort des Klägers (Bremen) eingetragen. Hiergegen kann der Kläger nicht einwenden, dass in dem Führerschein nur deshalb Bremen als Wohnsitz eingetragen gewesen sei, weil es zur Zeit der Ausstellung des Führerscheins noch nicht die Regelung gegeben habe, dass sich der angemeldete Wohnsitz in Tschechien befinden müsse. Die in den Urteilen des EuGH vom 26. Juni 2008 aufgestellten Grundsätze sind ungeachtet dessen anwendbar, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung der ihres Erlasses ist. Die Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die der Europäische Gerichtshof in Ausübung der ihm durch Art. 234 Buchst. a EG verliehenen Befugnis vornimmt, erläutert und verdeutlicht die Bedeutung und Tragweite dieser Vorschrift, so wie sie seit ihrem In-Kraft-Treten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Dementsprechend ist die Vorschrift auch auf Rechtsverhältnisse anzuwenden, die vor Erlass des auf das Auslegungsersuchen ergangenen Urteils entstanden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2008, Az. 3 C 26/07). Eine unzulässige Rückwirkung liegt darin nicht. Ebenso ist es unerheblich, dass im Recht der Tschechischen Republik zu dem Zeitpunkt, als dem Kläger dort sein neuer Führerschein ausgestellt wurde, das in der Führerscheinrichtlinie aufgestellte Wohnsitzerfordernis noch nicht umgesetzt war, sondern es erst mit Wirkung zum 01. Juli 2006 in die tschechische Rechtsordnung eingefügt wurde. Es kommt allein darauf an, dass gegen das durch die Richtlinie selbst vorgegebene Wohnsitzerfordernis verstoßen wurde. Davon geht auch der EuGH ohne weiteres aus. Die ihm zur Vorabentscheidung vorgelegten Verfahren, die der Ausgangspunkt für seine neue Rechtsprechung waren, betrafen gerade solche tschechischen Fahrerlaubnisse, die dort vor dem 01. Juli 2006 erteilt worden waren (vgl. Urteil vom 26. Juni 2008 – Rs. C-329/06 und C343/06, Wiedemann u.a. – a.a.O. Rn. 67).

Ist aber der Inhaber einer Fahrerlaubnis aufgrund dieser Fahrerlaubnis tatsächlich nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Bundesgebiet berechtigt, kann ihm diese Berechtigung auch nicht durch eine Verfügung des Aufnahmemitgliedstaates entzogen werden (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 11. 11. 2008, Az.: 10 K 4226/06; VGH Baden-Württemberg Urt. v. 09.09.2008 Az: 10 S 994/07; Urt. v. 16. 09. 2008, Az.: 10 S 2925/06).

Schließlich sind auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den umgedeuteten Verwaltungsakt gegeben. Rechtsgrundlage für die Feststellung, dass die tschechische Fahrerlaubnis den Kläger nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt, ist § 28 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 2 und 3 FeV. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 FeV in der hier maßgeblichen Fassung vom 07. Januar 2009 dürfen Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz im Sinne des § 7 Abs. 1 oder 2 FeV in der Bundesrepublik Deutschland haben, – vorbehaltlich der Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 – im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen. Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV gilt diese Berechtigung nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten. Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV entfällt die Berechtigung zum Gebrauch der Fahrerlaubnis im Inland, wenn die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist, wenn die Fahrerlaubnis bestandskräftig versagt worden ist oder nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil der Betroffene zwischenzeitlich auf die Fahrerlaubnis verzichtet hat.

Der Kläger ist demnach nicht berechtigt, Kraftfahrzeuge im Inland zu führen, denn ihm wurde die Fahrerlaubnis im Jahr 1998 nach zwei Verurteilungen wegen Straßenverkehrsdelikten entzogen. Ein Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis wurde mangels Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens im Jahr 2005 vom Stadtamt Bremen bestandskräftig abgelehnt. Im Zeitpunkt der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis hatte der Kläger seinen ordentlichen Wohnsitz zudem in der Bundesrepublik Deutschland. Ein ordentlicher Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland wird angenommen, wenn der Betroffene wegen persönlicher und/oder beruflicher Bindungen gewöhnlich, das heißt während mindestens 185 Tagen im Jahr, im Inland wohnt, vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 FeV sowie Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG. In der am 08. Juni 2006 ausgestellten tschechischen Fahrerlaubnis des Klägers war als Wohnort „Bremen“ angegeben. Daraus ergibt sich, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erwerbs der tschechischen Fahrerlaubnis keinen Wohnsitz in der Tschechischen Republik hatte. Zwar behauptet der Kläger, dass er zum Zeitpunkt des Erwerbs der Fahrerlaubnis bereits einen Wohnsitz in Tschechien/L. beantragt habe. Er hat aber im vorliegenden Verfahren weder substantiiert vorgetragen noch belegt, dass er zu irgendeinem Zeitpunkt seinen ordentlichen Wohnsitz in der Tschechischen Republik tatsächlich hatte. Soweit der Kläger nunmehr die Kopie eines neu ausgestellten Führerscheins vom 09. März 2009 mit der Aufenthaltsadresse „L.“ und die Kopie einer Bestätigung über vorübergehenden Aufenthalt in der Tschechischen Republik vorlegt, ergibt sich daraus nichts anderes. Denn auch in dem neuen Führerschein ist als Datum des Erwerbs der Fahrerlaubnis auf der Rückseite bei Klasse B der 08. Juni 2006 eingetragen. Zudem ist eine Bestätigung über vorübergehenden Aufenthalt in der Tschechischen Republik nicht geeignet, einen ordentlichen Wohnsitz des Klägers in Tschechien zu beweisen.

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II.4. Die Anordnung der Vorlage des tschechischen Führerscheins ist ebenfalls rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Anordnung sind § 28 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 47 Abs. 2 Satz 1, 2 FeV. Danach sind ausländische und im Ausland ausgestellte internationale Führerscheine nach Aberkennung unverzüglich der entscheidenden Behörde zur Eintragung eines Sperrvermerks für Deutschland vorzulegen.

II.5. Rechtsgrundlage für die Zwangsgeldandrohung sind die §§ 11 Abs. 1, 13 Abs. 1 Nr. 1, 14, 17 Bremisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz (BremVwVG). Nach § 11 Abs. 1 BremVwVG können Verwaltungsbehörden durch schriftlichen Verwaltungsakt Personen zwingen, etwas zu tun, zu lassen oder zu dulden, wozu diese kraft öffentlichen Rechts, insbesondere kraft Gesetzes, kraft Verordnung oder kraft eines schriftlichen Vergleichs oder eines schriftlichen Anerkenntnisses gegenüber einer Behörde verpflichtet sind. Diese Voraussetzungen liegen vor, da dem Kläger die Vorlage des tschechischen Führerscheins durch Verfügung vom 20. Juli 2007 aufgegeben wurde. Für die Anwendung von Verwaltungszwang kommt es im gestreckten Verfahren nicht auf die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung an, sondern es genügt eine vollziehbare Grundverfügung (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 07.09.1981, Az. 1 B 48/91; OVG Lüneburg, Beschl. v. 24.03.2009, Az. 11 ME 478/08). Das Zwangsgeld nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 BremVwVG ist gemäß § 14 Abs. 1 BremVwVG in allen Fällen des § 11 Abs. 1 BremVwVG zulässiges Zwangsmittel. Die Androhung ist gemäß § 17 Abs. 1 BremVwVG schriftlich unter Nennung einer eindeutig bestimmten Frist von drei Tagen nach Zustellung der Verfügung erfolgt. Ermessensfehler bei der Bestimmung der Höhe des angedrohten Zwangsgeldes sind nicht ersichtlich (§ 114 VwGO). Insbesondere erscheint ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 Euro geeignet, den Kläger dazu zu bewegen, den tschechischen Führerschein bei der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird zum Zwecke der Kostenberechnung gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ……. für das Klageverfahren wird abgelehnt, da die Klage aus den Gründen des obigen Urteils keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).

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