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EU-Führerschein – Wohnsitz im Ausstellungsstaat

Oberverwaltungsgericht des Saarlandes

Az.: 1 B 238/08

Beschluss vom 03.07.2008

Vorinstanz: Verwaltungsgericht Saarland, Az.: 10 L 270/08


In dem Verfahren wegen Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (Untersagung des Führens von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland mit einer ausländischen Fahrerlaubnis) hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes in Saarlouis am 3. Juli 2008 beschlossen:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 09.Mai 2008 – 10 L 270/08 – wird zurückgewiesen.

Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird nicht bewilligt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird – auch – für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,– € festgesetzt.

Gründe:

Die Zulässigkeit der Beschwerde kann dahinstehen. Ob die Beschwerdefrist des § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO im vorliegenden Fall – im Hinblick auf die Übermittlung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts per Telefax am 09.05.2008 und den unvollständigen Eingang der Beschwerdeschrift am 23.05.2008 – eingehalten worden ist oder ob dem Beschwerdeführer auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, bedarf keiner Entscheidung, da die Beschwerde jedenfalls unbegründet ist.

Die von dem Antragsteller in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die allein der Senat zu prüfen hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben keine Veranlassung, die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die angefochtene Verfügung des Antragsgegners vom 13.03.2008, mit der dem Antragsteller das Recht aberkannt wurde, von der in der Tschechischen Republik erworbenen Fahrerlaubnis der Klasse B im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, nicht zu beanstanden ist.

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung ist die Entscheidung des Antragsgegners mit der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29.07.1991 in der Fassung der Richtlinie 97/26/EG des Rates vom 02.06.1997 und mit der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006 über den Führerschein vereinbar. Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der zum Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins am 20.02.2006 allein maßgeblichen Richtlinie 91/439/EWG hängt die Ausstellung des Führerscheins vom Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes oder vom Nachweis der Eigenschaft als Student – während eines Mindestzeitraumes von sechs Monaten – im Hoheitsgebiet des ausstellenden Mitgliedstaates ab. Gemäß Art. 11 Abs. 4 der bei Erlass der angefochtenen Verfügung vom 13.03.2008 bereits in Kraft getretenen Richtlinie 2006/126/EG lehnt ein Mitgliedstaat die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins ab, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, deren Führerschein im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedsstaates eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen worden ist. Der Europäische Gerichtshof hat in seinen Urteilen vom 26.06.2008 in den verbundenen Rechtssachen C-329/06 und C-343/06 sowie C-334/06 bis C-336/06 entschieden, wie in Fällen, in denen feststeht, dass der neue Führerschein unter Missachtung der von der Richtlinie 91/439/EWG aufgestellten Wohnsitzvoraussetzung ausgestellt worden ist, zu verfahren ist. Danach kann ein Mitgliedstaat es ablehnen, in seinem Hoheitsgebiet die Fahrberechtigung anzuerkennen, die sich aus dem nach dem Entzug der Fahrerlaubnis von einem anderen Mitgliedstaat außerhalb einer Sperrzeit ausgestellten Führerschein ergibt, wenn auf der Grundlage von Angaben in diesem Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststeht, dass die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 91/439/EWG aufgestellte Wohnsitzvoraussetzung zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins nicht erfüllt war. Diese Ausführungen, die der Europäische Gerichtshof für die Art. 1 Abs. 2, 7 Abs. 1 sowie 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG getroffen hat, gelten entsprechend für die – weitgehend inhaltsgleichen – Art. 2 Abs. 1, 7 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 2 und 4 der zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügung in Kraft gesetzten Richtlinie 2006/126/EG. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Angaben in dem von der Tschechischen Republik ausgestellten Führerschein, dass der Antragsteller, dem die Fahrerlaubnis am 13.12.1999 entzogen wurde, nachdem er positiv auf Amphetamine getestet worden war, und der auf die Notwendigkeit einer medizinisch-psychologischen Untersuchung für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis hingewiesen wurde, zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik hatte. In dem – als Kopie in den Verwaltungsunterlagen (Bl. 58) vorhandenen – Führerschein der Tschechischen Republik ist unter der Rubrik Nr. 8 („Obec Pobytu“) als Wohnsitz des als Führerscheininhaber bezeichneten Antragstellers „St. Wendel, Spolkova Republika Nemecko“ genannt. Letzteres bedeutet übersetzt „Bundesrepublik Deutschland“. Damit steht bereits nach den Angaben im Führerschein zweifelsfrei fest, dass dieser unter Missachtung der Wohnsitzvoraussetzung ausgestellt wurde. Aufgrund dessen war der Antragsgegner berechtigt, dem Antragssteller zu untersagen, von dem in der Tschechischen Republik erworbenen Führerschein in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen.

Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, es sei nicht Voraussetzung der Erteilung einer europäischen Fahrerlaubnis, dass ein Hauptwohnsitz in dem Ausstellermitgliedstaat bestehen müsse. Aus Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439/EWG bzw. aus Art. 7 Abs. 5 Buchst. a der Richtlinie 2006/126/EG ergibt sich, dass jede Person nur Inhaber eines einzigen Führerscheines sein kann. Vorbedingung für die Ausstellung dieses Führerscheins ist das Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes in dem Ausstellerstaat. Als ordentlicher Wohnsitz gilt gemäß Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG bzw. Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2006/526/EG der Ort, an dem ein Führerscheininhaber wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder – im Falle eines Führerscheininhabers ohne berufliche Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen dem Führerscheininhaber und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d.h. während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, wohnt. Dass der Antragsteller diese Voraussetzung erfüllt, hat er selbst nicht vorgetragen. Im Übrigen ergeben sich auch aus der Meldebescheinigung der Kreisstadt St. Wendel vom 20.02.2008 (Bl. 61 der Verwaltungsunterlagen) keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins einen Wohnsitz in der Tschechischen Republik begründet hatte.

Nach alledem kann für die Entscheidung über die Beschwerde dahingestellt bleiben, ob dem Antragsteller auch deshalb das Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland untersagt werden durfte, weil er aufgrund rechtsmissbräuchlicher Umgehung der inländischen Vorschriften am 20.02.2006 eine tschechische Fahrerlaubnis erworben hat, die er in der Bundesrepublik Deutschland ohne vorherige Klärung vorhandener Eignungszweifel nicht hätte erlangen können

vgl. zum missbräuchlichen Erwerb einer ausländischen Fahrerlaubnis im Wege des sogenannten „Führerscheintourismus“ u.a. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21.06.2007 – 10 B 10291/07 -, NJW 2007, 2650 = AS RP-SL 34, 406; VGH Hessen, Beschluss vom 19.02.2007 – 2 TG 13/07 -, NJW 2007, 1897; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.02.2007 – 16 B 178/07 -, NZV 2007, 266 = Blutalkohol 44, 265; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29.08.2006 – 1 M 46/06 -, NJW 2007, 1154 = Blutalkohol 43, 501.

Der am 27.05.2008 eingegangene Prozesskostenhilfeantrag ist zurückzuweisen, da es an der für eine Bewilligung erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht der Beschwerde von Anfang an fehlte (§§ 166 VwGO, 114 ZPO). Zwar sind die angeführten Urteile des Europäischen Gerichtshofs, in denen entschieden wurde, wie zu verfahren ist, wenn der neue Führerschein unter Missachtung der von der Richtlinie 91/439/EWG aufgestellten Wohnsitzvoraussetzung ausgestellt worden ist, erst später, nämlich am 26.06.2008 ergangen. Das rechtliche Erfordernis des ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat galt jedoch bereits zuvor. Zudem spricht im vorliegenden Fall alles dafür, dass der Antragsteller, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, mit dem Erwerb der tschechischen Fahrerlaubnis die nach deutschem Recht erforderliche Eignungsprüfung umgehen wollte und es sich daher um einen rechtsmissbräuchlichen Erwerb handelt. Deshalb ist auch die Beschwerde gegen die Verweigerung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit – Nrn. 1.5 und 46.3 abgedruckt u.a. in NVwZ 2004, 1327.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

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