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EU-Schadstoffnormangabe im Kfz-Kaufvertrag bindend?

Kammergericht Berlin

Az: 27 U 66/07

Urteil vom 06.03.2008


In dem Rechtsstreit hat der 27. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 06.03.2008 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25. April 2007 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin, 23 O 382/05, geändert:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Auf die Darstellung tatsächlicher Feststellungen wird gemäß §§ 540, 313a Abs. 1 ZPO verzichtet.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.

Das Landgericht Berlin hat im von der Beklagten angefochtenen Urteil zu Unrecht festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt habe, soweit der Kläger beantragt hat,

a) die Beklagte zu verurteilen, an ihn 36.431,42 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW BMW X5 3,0 d Fahrgestell-Nr. WBAFB71090LX34515 sowie den Restkaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 497,22 EUR an die BMW Bank GmbH München zu zahlen,

b) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger freizustellen von sämtlichen Ansprüchen, die entstehen im Zusammenhang mit der Rückabwicklung des Darlehensvertrages Nr. 3109373981 gemäß Bestätigung vom 07.09.2005 aufgrund des Kaufvertrages des angeführten PKW BMW X5 3,0 d vom 22.08.2005,

c) festzustellen, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet.

Der Rechtsstreit hat sich nicht -im Rechtssinne- in der Hauptsache erledigt, da der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages vom 22.08.2005 nicht begründet war, bevor sich der Rechtsstreit faktisch erledigt hat durch Ankauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs seitens der Beklagten.

Entgegen der Auffassung des Klägers und des Landgerichts im angefochtenen Urteil stellt die im Prospekt zum streitgegenständlichen PKW enthaltene Angabe zur Abgasnorm: EU3 (N1-G3) keinen Fehler und auch keinen Sachmangel im Sinne von § 434 BGB dar. Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die pauschale Behauptung des Klägers in der Klageschrift, das Fahrzeug erfülle lediglich die EURO-2 Norm. Auch die Ausführungen des Landgerichts diesbezüglich rechtfertigen die Annahme eines Sachmangels nicht, insbesondere ist die im angefochtenen Urteil getroffene Feststellung, das Fahrzeug erfülle nur als Nutzfahrzeug, nicht aber als PKW die Anforderungen der EU-3-Norm, nicht richtig. Dies ergibt sich schon aus dem im Anlagenkonvolut K 21 auszugsweise abgelichteten Fahrzeugschein. Dieser enthält in Ziffer 1 die Eintragung: PKW GESCHLOSSEN 98/69/EG III;A.

Bereits daraus ist erkennbar, dass das streitgegenständliche Fahrzeug als PKW zugelassen wurde und als PKW die EU-3-Norm erfüllt, denn die Bezeichnung 98/69/EG III;A steht synonym für die nur umgangssprachliche, nicht aber legal definierte Bezeichnung der „EU-3-Norm“. Die hier einschlägige Richtlinie 98/69/EG vom 13. Oktober 1999 enthält eine weitere Verschärfung der europäischen Abgasgesetzgebung und zwar in einer dritten und vierten Stufe (vgl. Bekanntmachung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen vom 16.01.1999, VkBl. 1999, 110f., Anm. 1.1), bei denen es sich um die umgangssprachlich bezeichneten „Normen“ EU3 und EU4 handelt (vgl. LG Braunschweig, Urteil vom 13.11.2003, 21 O 1563/03, veröffentlicht in „juris“ sowie in: GRUR-RR 2004, 30-32).

Die Beklagte weist in der Berufungsbegründung zutreffend darauf hin, dass aufgrund der vorgenannten Richtlinie seit dem 01.01.2002 in der EU kein Neufahrzeug mehr zugelassen werden darf, das nicht wenigstens die Abgasnorm „EU3“ erfüllt. Die Beklagte führt ferner zutreffend aus, dass der europäische Gesetzgeber in dieser Richtlinie geregelt hat, dass Fahrzeuge wie das streitgegenständliche, die nach der Aufbauart zwar unzweifelhaft PKW’s (= Gruppe M1) darstellen, deren zulässiges Gesamtgewicht aber 2500 kg übersteigt, für die Emissionseinstufung wie leichte Nutzfahrzeuge (= Gruppe N1) behandelt werden, wobei hier wiederum nach 3 Gewichtsklassen unterschieden wird (N1-G1, N1-G2, N1-G3). Das hat den Effekt, dass solche Fahrzeuge eine Einstufung nach „EU3“ erhalten, obwohl es sich um PKW’s handelt und die Messergebnisse bei Anlegung des Maßstabs für PKW’s (Gruppe M1) nur eine Einstufung nach „EU2“ ergeben würde. Die ausdrücklich in der Richtlinie vorgesehene Berechnungsart rechtfertigt jedoch die Angabe, dass es sich um ein Fahrzeug der Abgasnorm „EU3“ handelt (ebenso: LG Braunschweig, aaO., zur selben Betrachtung bei einem Fahrzeug: VW Tuareg V 10 TDI).

Eine solche Angabe beschränkt sich nach ihrem Erklärungswert jedoch darauf, dass das Fahrzeug den damit verbundenen zulassungsrechtlichen Anforderungen gerecht wird. Dies ergibt sich daraus, dass eine Angabe zur Abgasnorm sich auf die entsprechende -zeitlich maßgebende- europarechtliche Abgasgesetzgebung bezieht und diese das Inverkehrbringen von umweltfreundlicheren Fahrzeugen als Beitrag zur Lösung der Luftverunreinigung zum Ziel hat. Entgegen der Auffassung des Klägers und dem Landgericht ist damit aber keine weitere Aussage in Bezug auf die aufgrund nationaler Gesetzgebung erfolgte Einstufung in Bezug auf die Kraftfahrzeugsteuerregelung verbunden. Der nationale Gesetzgeber ist in der Entscheidung frei, die Höhe der Kraftfahrzeugsteuer entgegen der europäischen „zulassungsrechtlichen“ Regelung, die schwere PKW’s trotz hoher Emissionen begünstigt, „steuerrechtlich“ abweichend, d.h. ungünstiger zu behandeln. Eine gemeinschaftsrechtliche Regelung existiert bisher nicht. Bis dahin können die EU-Mitgliedsstaaten frei entscheiden, ob und in welcher Höhe sie eine Kraftfahrzeug- oder Zulassungssteuer erheben (vgl. BFH, Beschluss vom 21.08.2006, VII B 333/05, Rn. 13 > zitiert nach „juris“; vgl. auch: BFH/NV 2006, 2001ff. = DAR 2006, 640ff.).

In der streitgegenständlichen Prospektangabe „EU3 (N1-G3)“ ist nicht zugleich eine Äußerung dergestalt enthalten, dass der Käufer darauf vertrauen darf, dass Fahrzeuge wie das streitgegenständliche entsprechend einem normal schweren PKW der Einstufung „EU3“ besteuert werden. Insoweit liegt keine Beschaffenheitsangabe oder Zweckabrede vor. Ein Sachmangel kommt insoweit nicht gemäß § 434 BGB in Betracht (ebenso für die Rechtslage vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1.1.2002: OLG Bremen, Urteil vom 14.06.2001, 5 U 1/2001, veröffentlicht nur in „juris“; OLG Koblenz, Beschluss vom 7.11.2001, 3 W 729/01 = OLG-Report 2002, 26f., MDR 2002, 452).

Der Umstand, dass der deutsche Gesetzgeber dem streitgegenständlichen Fahrzeug den Emissionsschlüssel „51“ zugeordnet hat, was für die Erhebung der Kraftfahrzeugsteuer einer Einordnung nach der Abgasnorm „EU2“ gleichkommt, hat für den Kläger keinen Gewährleistungsanspruch gegen die Beklagte begründet. Im Übrigen ergibt sich aus dieser steuerrechtlichen Schlechterstellung ein finanzieller Nachteil in Höhe von lediglich 18,30 EUR pro Jahr. Gemessen an dem vorliegenden Kaufpreis in Höhe von 57.000 EUR wäre dies von völlig untergeordneter Bedeutung und es wäre ein Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages selbst im Falle einer Annahme eines Sachmangels gemäß § 323 Abs. 5 BGB nicht in Betracht gekommen.

Unzutreffend ist schließlich der Vortrag des Klägers, soweit er behauptet, die tatsächlich nur erfüllte „EU-2-Norm“ hätte zu einer schlechteren Einstufung in Bezug auf die Kennzeichnungsverordnung für emissionsarme Kraftfahrzeuge und somit zu einem früheren Fahrverbot geführt als bei einem Fahrzeug der Abgasnorm „EU3“. Gemäß der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 16.November 2006 (vgl. VkBl. 2006, 867, 868) hätte der streitgegenständliche PKW mit der auch insoweit maßgeblichen Schlüsselnummer „51“ eine gelbe Plakette erhalten. Dies entspricht der Schadstoffgruppe 3, d.h. der Abgasnorm „EU3“. Generell gilt, dass die in der Kennzeichnungsverordnung genannten Schadstoffgruppen, denen jeweils eine farblich bezeichnete Plakette zugeordnet wird, sich auf die entsprechenden EU-Abgasnormen beziehen (so auch: Knopp, NZV 2006, 566ff., 567).

Nach alledem bestand keine Sachmängelgewährleistung der Beklagten in Bezug auf die angegebene Abgasnorm des streitgegenständlichen Fahrzeugs.

Da der Kläger für die weiter behaupteten Mängel des zu hohen Benzinverbrauchs, eines defekten Bremslichtes sowie eines defekten Kurvenfahrlichts beweisfällig geblieben ist, da der gerichtlich beauftragte Sachverständige Bräuer die beiden letztgenannten Mängel nicht bestätigt hat und eine Untersuchung des Benzinverbrauchs wegen nicht eingezahlten weiteren Kostenvorschusses unterblieben ist, bleibt festzustellen, dass die Klage insoweit insgesamt unbegründet war, so dass keine Hauptsachenerledigung, auch nicht teilweise, eingetreten ist.

Somit war die Klage auf die Berufung der Beklagten insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

 

 

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