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EV-Abgabe – späterer Vermögenserwerb

Bundesgerichtshof

Az: I ZB 5/05

Beschluss vom 16.11.2006


Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. November 2006 beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 29. September 2004 wird auf Kosten der Gläubigerin zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.500 EUR festgesetzt.

Gründe:

I. Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner aus einem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Cottbus die Zwangsvollstreckung. Der Schuldner hat im Vollstreckungsverfahren am 6. November 2003 die eidesstattliche Versicherung abgegeben und dabei erklärt, er verfüge bei der P. bank Berlin über ein Girokonto ohne Guthaben. Mit Schreiben vom 10. März 2004 hat die Gläubigerin beantragt, einen Termin zur nochmaligen Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu bestimmen, weil der Schuldner das im ersten Vermögensverzeichnis angegebene Bankkonto selbst aufgelöst habe. Der Gerichtsvollzieher hat den Antrag unter Hinweis auf § 903 Satz 1 ZPO zurückgewiesen.

Die von der Gläubigerin eingelegte Vollstreckungserinnerung hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist ebenfalls erfolglos geblieben.

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren mit Schreiben vom 10. März 2004 gestellten Antrag weiter. Der Schuldner hat sich im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht geäußert.

II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Auf der Grundlage des im Streitfall glaubhaft gemachten Sachverhalts besteht keine Verpflichtung des Schuldners zur Abgabe einer erneuten eidesstattlichen Versicherung vor Ablauf der dreijährigen Frist gemäß § 903 Satz 1 ZPO.

1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Gläubigerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass der Schuldner nach Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 6. November 2003 Vermögen erworben habe oder ein mit ihm bestehendes Arbeitsverhältnis aufgelöst worden sei. Die Auflösung eines im Vermögensverzeichnis angegebenen Bankkontos durch den Schuldner selbst stelle noch keinen Vermögenserwerb i.S. von § 903 Satz 1 ZPO dar. Im Falle der Auflösung eines Bankkontos sei nach der allgemeinen Lebenserfahrung zwar grundsätzlich damit zu rechnen, dass der Schuldner eine neue Bankverbindung begründe. Dies könne aber nicht einem späteren Vermögenserwerb i.S. von § 903 Satz 1 ZPO gleichgesetzt werden. Ein Neuerwerb von Vermögen sei nur dann anzunehmen, wenn der Gläubiger glaubhaft mache, dass sich an den Zuführungen zum Konto des Schuldners etwas geändert habe, woran es im vorliegenden Fall fehle. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

2. a) Gemäß § 903 Satz 1 ZPO muss der Schuldner vor Ablauf der Dreijahresfrist eine nochmalige eidesstattliche Versicherung abgeben, wenn er neues Vermögen erworben hat. Bei dem neuen Vermögen muss es sich entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde um pfändbares Vermögen (Sachen und Rechte) handeln, da der Gläubiger nur hierauf ein Zugriffsrecht hat (vgl. OLG Stuttgart DGVZ 2001, 116, 117 = JurBüro 2001, 434; Musielak/Voit, ZPO, 5. Aufl., § 903 Rdn. 4; Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 903 Rdn. 7; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 903 Rdn. 14; Wieczorek/Schütze/Storz, ZPO, 3. Aufl., § 903 Rdn. 9; a.A. MünchKomm.ZPO/Eickmann, 2. Aufl., § 903 Rdn. 6). Der Vermögenserwerb ist vom Gläubiger glaubhaft zu machen. Er muss insbesondere darlegen, dass sich die Vermögenslage des Schuldners durch Erwerb pfändbaren Vermögens vorzeitig erheblich verbessert hat. Dabei dürfen die Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Rahmen von § 903 ZPO nicht überspannt werden, um dem Gläubiger, dem es gerade an Informationen über die Vermögensverhältnisse des Schuldners mangelt, den Zugriff auf verwertbares Vermögen des Schuldners nicht unzumutbar zu erschweren. Der Schuldner hat im Widerspruchsverfahren nach § 900 Abs. 4 ZPO die Möglichkeit, die Annahme zu entkräften, er habe inzwischen pfändbares Vermögen erworben. Das bedeutet indes nicht, dass ein Schuldner immer schon dann vor Ablauf der dreijährigen Schutzfrist zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet ist, wenn der Gläubiger nur die bloße Vermutung äußert, der Schuldner habe inzwischen neues Vermögen erworben. Denn es ist zu berücksichtigen, dass es sich bei § 903 Satz 1 ZPO grundsätzlich um eine Schuldnerschutzvorschrift handelt, die lediglich zwei Ausnahmetatbestände enthält. Eine Verpflichtung zur erneuten Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vor Ablauf der Dreijahresfrist ist daher in der Regel nur im Falle der Darlegung und Glaubhaftmachung konkreter Umstände gerechtfertigt, die den Schluss auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Gesamtlage des Schuldners zulassen. Dabei kann auch der – von Amts wegen zu berücksichtigenden – allgemeinen Lebenserfahrung Bedeutung zukommen. Diese muss sich allerdings auch darauf erstrecken, dass es nahe liegt, dass der Vermögenserwerb eine Größenordnung erreicht hat, die einen erfolgreichen Pfändungszugriff wahrscheinlich erscheinen lässt. Von maßgeblicher Bedeutung sind zudem die jeweiligen Einzelfallumstände.

b) Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts hat die Gläubigerin glaubhaft gemacht, dass der Schuldner das in der eidesstattlichen Versicherung vom 6. November 2003 angegebene Girokonto bei der P. bank Berlin selbst aufgelöst hat. Das Beschwerdegericht ist ferner davon ausgegangen, dass im Falle der Auflösung eines Bankkontos nach der Lebenserfahrung grundsätzlich mit der Neubegründung einer Bankverbindung zu rechnen sei. Mit Recht hat das Beschwerdegericht auch angenommen, dass dieser Umstand für sich allein zur Darlegung und Glaubhaftmachung eines vom Schuldner neu erworbenen pfändbaren Vermögens nicht ausreicht.

Aus welchem Grund der Schuldner das Girokonto bei der P. bank Berlin aufgelöst hat, ist nicht ersichtlich. Die Begründung einer neuen Bankverbindung stellt für sich genommen kein neues pfändbares Vermögen dar. Pfändbar sind lediglich Guthaben bzw. auf dem Konto eingehende Gutschriften. Nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Beschwerdegerichts hat die Gläubigerin nicht glaubhaft gemacht, dass sich an den Zuführungen zu einem Bankkonto des Schuldners nach Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 6. November 2003 etwas geändert hat. Der Schuldner erhält weiterhin lediglich Arbeitslosenhilfe. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, dass sich am pfändbaren Vermögen des Schuldners etwas geändert hat.

c) Eine Verpflichtung des Schuldners zur Abgabe einer nochmaligen eidesstattlichen Versicherung ergibt sich auch nicht aus der zweiten Alternative des § 903 ZPO. Die Voraussetzung, dass ein bisher bestehendes Arbeitsverhältnis mit dem Schuldner aufgelöst ist, wird zwar auch auf Fälle angewandt, in denen der Gläubiger gleichermaßen daran interessiert ist, die neue Erwerbsquelle des Schuldners zu erfahren (Zöller/Stöber aaO § 903 Rdn. 8). Hintergrund dieser Bestimmung ist jedoch die auf der allgemeinen Lebenserfahrung beruhende Annahme, dass derjenige, dessen bisheriges Arbeitsverhältnis aufgelöst worden ist, wieder eine neue Arbeit annimmt und damit neues pfändbares Vermögen erwirbt (Zöller/Stöber aaO § 903 Rdn. 8; Wieczorek/Schütze/Storz aaO § 903 Rdn. 12; MünchKomm.ZPO/Eickmann aaO § 903 Rdn. 7). Eine solche Vermutung kann jedoch im Falle der Aufgabe einer Kontoverbindung nicht aufgestellt werden, da dieser Umstand keinen hinreichenden Rückschluss darauf zulässt, dass der Schuldner neues Vermögen erworben hat oder positive Vermögensverhältnisse verschleiert (vgl. LG Kassel JurBüro 1997, 48).

III. Danach war die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

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