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Existenzgründungszuschüsse dürfen nicht auf das Einkommen angerechnet werden

Hessisches Landessozialgericht

Az.: L 7 AS 168/06 ER

Urteil vom 04.12.2006

Vorinstanz: Sozialgericht Darmstadt, Az.: S 18 AS 343/06 ER, Urteil vom 03.08.2006


Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 3. August 2006 wird zurückgewiesen

Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Der Antragstellerin wird auch für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B., B-Stadt, bewilligt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Existenzgründungszuschuss (EGZ) nach § 421 l Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) auf die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende anzurechnen ist.

Die Antragstellerin erhielt seit dem 1. Oktober 2004 von der Bundesagentur für Arbeit einen EGZ gemäß § 421 l SGB III in Höhe von monatlich 600,00 Euro, seit dem 1. Oktober 2005 von monatlich 360,00 Euro. Seit dem 1. Oktober 2004 betreibt die Antragstellerin, gelernte Anwaltsgehilfin, den Büroservice O.

Sie beantragte bei der Antragsgegnerin formlos mit E-Mail vom 31. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Mit Bescheid vom 9. Mai 2005 bewilligte die Antragsgegnerin ihr und Ihrem Ehemann für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2005 monatliche Leistungen in Höhe von 628,86 Euro.

Mit Schreiben vom 31. Mai 2005 wies die Deutsche Angestelltenkrankenkasse (DAK) die Antragsgegnerin darauf hin, dass die Antragstellerin einen EGZ erhalte und seit dem 1. Januar 2005 zusätzlich Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Es werde um Prüfung gebeten, ob beide Leistungen gleichzeitig gezahlt werden könnten.

Die Antragsgegnerin bewilligte der Antragstellerin und ihrem Ehemann unter Anrechnung dessen Einkommens mit Bescheid vom 13. Juli 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende für den Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis zum 30. November 2005 in Höhe von monatlich 149,23 Euro. Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin am 10. August 2005 Widerspruch. Sie wandte sich gegen die Anrechnung von Einkünften ihres Ehemannes. Aufgrund der Leistungsreduzierung könne sie den Beitrag für die freiwillige Krankenversicherung in Höhe von 190,18 Euro und für die Rentenversicherung in Höhe von 78,00 Euro nicht mehr finanzieren. Mit Bescheid vom 26. September 2005 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück. In der Begründung führte sie unter anderem aus, die von der Antragstellerin angegebenen Verpflichtungen aus ihrem Gewerbebetrieb habe sie aus dem EGZ zu zahlen. Der Hauptzweck des EGZ liege ausschließlich darin, die selbstständige Tätigkeit an sich, den Betrieb der Firma sicherzustellen. Würde man in ihm eine Leistung zum Lebensunterhalt des Existenzgründers sehen, müsste die gesamte Zahlung als Einkommen auf den Bedarf angerechnet werden. Gegen den Bescheid vom 13. Juli 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2005 erhob die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klage (Aktenzeichen: S 18 AS 315/05) und begehrte vorläufigen Rechtsschutz (Aktenzeichen: S 18 AS 412/05 ER).

Wegen geänderter Anrechnungsbeträge aufgrund des Einkommens des Ehemannes bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin und ihrem Ehemann mit Änderungsbescheid vom 31. Oktober 2005 Leistungen für den Juli 2005 in Höhe von 243,05 Euro, für den August 2005 in Höhe von 132,04 Euro, für den September 2005 in Höhe von 138,41 Euro, für den Oktober 2005 in Höhe von 244,04 Euro und für den November 2005 in Höhe von 149,23 Euro.

Die Antragsgegnerin bewilligte sodann mit Bescheid vom 6. Dezember 2005 der Antragstellerin und ihrem Ehemann Leistungen der Grundsicherung für den Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006 in Höhe von monatlich 149,23 Euro.

Die Beteiligten schlossen am 8. Februar 2006 vor dem SG einen Vergleich, mit dem sie die Verfahren S 18 AS 315/05 und S 18 AS 412/05 ER beendeten. Auf der Grundlage dieses Vergleichs nahm die Antragsgegnerin eine Neuberechnung der Leistungen vor.

Mit Änderungsbescheid vom 17. Februar 2006 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin und ihrem Ehemann für Juli 2005 243,05 Euro, für August 2005 132,04 Euro, für September 2005 138,41 Euro, für Oktober 2005 244,04 Euro und für November 2005 233,23 Euro.

Auch für den Zeitraum von Dezember 2005 bis Mai 2006 nahm die Antragsgegnerin mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 17. Februar 2006 eine Neuberechnung vor. Sie bewilligte der Antragstellerin für Dezember 2005 103,86 Euro, für Januar 2006 796,33 Euro, für Februar 2006 1048,22 Euro und für März 2006 718,22 Euro. Nach den Erläuterungen zum Änderungsbescheid berücksichtigte die Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin ab 15. Januar 2006 von ihrem Ehemann getrennt lebte. Ebenso werde ab März 2006 der EGZ von 360,00 Euro abzüglich eines Freibetrages von 30,00 Euro nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung – Alg II – V) angerechnet.

Am 29. Mai 2006 beantragte die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten bei der Antragsgegnerin die Überprüfung der Bescheide vom 17. Februar 2006. Unter anderem wandte sie sich gegen die Berücksichtigung des EGZ. Er entstamme dem System des Arbeitslosengeldes I und sei alleine zum Zweck der Gründung eines Unternehmens erteilt worden. Er dürfe nicht mit Leistungen des Arbeitslosengeld II-Systems vermischt werden.

Mit Bescheid vom 1. Juni 2006 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin Leistungen der Grundsicherung für den Zeitraum vom 1. Juni bis zum 30. November 2006, und zwar für die Monate Juni, Juli und August 2006 jeweils 715,48 Euro und für die Monate September, Oktober und November 2006 jeweils 385,00 Euro. Hierbei minderte sie die als angemessen berücksichtigten Kosten für Unterkunft und Heizung ab 1. September 2006 von 700,48 Euro auf 370,00 Euro. Wiederum rechnete die Antragsgegnerin den EGZ an und bewilligte die Leistungen im Hinblick auf von der Antragstellerin noch vorzulegende Nachweise im Zusammenhang mit von ihr geltend gemachten Krankheiten vorläufig.

Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten am 16. Juni 2006 Widerspruch und wandte sich gegen die Anrechnung des EGZ und die Herabsetzung der Kosten der Unterkunft und Heizung. Nach Aktenlage hat die Antragsgegnerin diesen Widerspruch noch nicht beschieden.

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 14. Juni 2006, am 16. Juni 2006 bei dem SG eingegangen, beantragte die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr ab dem 1. März 2006 Arbeitslosengeld II (Alg II) ohne Anrechnung des EGZ zu bewilligen. Sie trug vor, der EGZ diene alleine der Absicht, sich selbstständig zu machen. Hilfsweise machte sie geltend, dass nach einer vermittelnden Auffassung der Betrag des EGZ freigestellt bleibe, der als Einstiegsgeld gemäß § 29 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) zur Förderung der Selbstständigkeit gezahlt werden könne.

Die Antragsgegnerin brachte demgegenüber unter Berufung auf einen Beschluss des Senats vom 29. Juni 2005 (L 7 AS 22/05 ER) vor, zwischen dem EGZ und Alg II bestünde Zweckidentität, er sei deshalb anrechenbar.

Mit Beschluss vom 3. August 2006 verpflichtete das SG die Antragsgegnerin vorläufig, an die Antragstellerin weiteres Alg II in Höhe von 330,00 Euro monatlich für den Zeitraum vom 16. Juni 2006 bis zur Bescheidung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 1. Juni 2006 zu zahlen. Zur Begründung führte das SG aus, eine Anrechnung des EGZ könne nicht erfolgen. Es handele sich um eine Einnahme, die nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei. Bei der Gegenüberstellung der Zweckrichtung von Einnahmen einerseits und der Leistungen nach dem SGB II andererseits komme es nicht auf einen allgemein übergeordneten Zweck der unterschiedlichen Leistungen nach dem SGB II an. Die Leistungen nach dem SGB II unterschieden sich in ihrer Zweckrichtung voneinander. Auf der einen Seite seien Leistungen vorgesehen, die Hilfebedürftigkeit insbesondere durch Eingliederung in Arbeit beendeten und verringerten und auf der anderen Seite Leistungen, welche allein dem Lebensunterhalt dienen sollten. Die Zweckrichtungen wichen so erheblich voneinander ab, dass sie nicht unterschiedslos mit dem Zweck der jeweiligen Einnahmeart zu vergleichen seien. Nur eine solche konkrete Betrachtung werde der Intention des Anrechnungsverbotes gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II gerecht, den besonderen Zweck einer Einnahmeart durch die Leistungsberechtigung nach dem SGB II nicht zu vereiteln. Das Alg II diene der Sicherung des Lebensunterhalts, der EGZ solle die Bereitschaft zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit erleichtern und die mit der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit oftmals verbundenen Verluste in den ersten Jahren – teilweise – auffangen und die Folgen der in der Gründungsphase noch verringerten Umsatzerlöse mildern. Dieser abweichende Zweck des EGZ ergebe sich nicht aus dem Gesetzeswortlaut des § 421 l SGB III, jedoch aus dem Aufbau der Anspruchsnorm, der systematischen Einbettung in das Leistungssystem des Arbeitsförderungsrechts und der Gesetzesbegründung. Diesbezüglich gab das SG einen Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. Juni 2005 (L 8 AS 97/05 ER) wieder. In ihm heißt es, nach dem Bericht der Hartz-Kommission (Soziale Sicherheit 2002, S. 254, 259) und der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks. 15/26, S. 19 zu § 421m) betreffe die Gewährung des EGZ eine neue Form in der Bekämpfung von Schwarzarbeit und diene weiterhin der Förderung einer selbstständigen Tätigkeit. Außerdem wird in dem seitens des SG zitierten Beschluss ausgeführt, der EGZ sei nicht darauf ausgerichtet, den Lebensunterhalt zu sichern. Die Regelung unterscheide sich dadurch von der Vorschrift des § 57 SGB III, in welchem die Gewährung des Überbrückungsgeldes geregelt sei. Die ausdrückliche Nennung des Gesetzeszwecks Sicherung des Lebensunterhalts in § 57 Abs. 1 SGB III fehle in § 421 l SGB III. Neben der Bekämpfung der Schwarzarbeit diene der EGZ weiterhin der sozialen Sicherung. Der Existenzgründer könne mit ihm anfallende Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Die Rentenversicherungspflicht dieses Personenkreises ergebe sich aus § 2 Satz 1 Nr. 10 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI). Er werde weiterhin in die Lage versetzt, gegebenenfalls für seine (private) Krankenversicherung zu sorgen und eine zusätzliche private Altersvorsorge aufzubauen. Diesen Zwecken diene das Alg II nicht. Vielmehr bestimme § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II, dass das AIg II der Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung diene. Zwar seien Alg II-Bezieher rentenversicherungspflichtig nach § 3 Satz 1 Nr. 3a SGB VI. Dabei handele es sich aber nicht um Leistungen nach dem SGB II, sondern um eine Leistung nach einem anderen Sozialgesetzbuch. Entsprechendes gelte für die gesetzliche Krankenversicherung (§§ 5 Abs. 1 Nr. 2a, 251 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V)) sowie die soziale Pflegeversicherung (§§ 20 Abs. 1 Nr. 2a, 59 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI)). Der Hauptzweck des EGZ liege darin, die selbstständige Tätigkeit an sich, den Betrieb der Firma sicherzustellen. Die Belastungen durch den Betrieb (Anschaffungen und Erhalt der Betriebsmittel) sollten durch den EGZ aufgefangen werden. Der Bestreitung des Lebensunterhalts dienten das Alg II sowie verbleibende Gewinne aus dem Betrieb. Das SG führte in seinem Beschluss vom 3. August 2006 weiter aus, eine andere Beurteilung lasse sich auch nicht damit begründen, der Gesetzgeber habe nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 15/26 S. 23) die gleichzeitige Bewilligung von Überbrückungsgeld für eine selbstständige Tätigkeit nach § 57 SGB III ausschließen wollen, um eine weitere, dem Zweck nach gleichgerichtete Leistung und damit eine Doppelförderung zu verhindern. Übergeordneter und unmittelbarer Zweck des Überbrückungsgeldes und des EGZ seien zu unterscheiden. Sowohl das Überbrückungsgeld als auch der EGZ sollten die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit fördern. Sie bedienten sich allerdings unterschiedlicher Instrumente. Gleiches gelte für den Umstand, dass entgegen der Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses des Bundestages im Vermittlungsausschuss der EGZ nicht als Eingliederungsleistung nach dem SGB II in §§ 16, 29 SGB II aufgenommen worden sei, die nach § 11 Abs. 1 SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen wäre (BT-Drucks. 15/2259). Insoweit habe der Gesetzgeber nur bestimmt, den EGZ nicht in den Katalog der Eingliederungsleistungen aufzunehmen, die die Träger nach dem SGB II zu gewähren hätten, ohne eine Entscheidung über eine Anrechnung als Einkommen zu treffen. Systematisch komme das darin zum Ausdruck, dass der Anrechnungsausschluss nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II sachlogisch voraussetze, dass ein solcher Ausschluss nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht vorgesehen sei. Für die vorgenannte Zweckrichtung des EGZ spreche auch der tatbestandliche Aufbau der Norm. So sei im Gegensatz zum Überbrückungsgeld die Förderung degressiv gestaltet. Unerheblich sei hingegen, dass der Zuschuss pauschal erbracht werde und davon abhänge, dass ein bestimmtes Arbeitseinkommen nach § 15 SGB IV nicht überschritten werde. In diesen Regelungen sei lediglich eine Ausgabenbegrenzung und Verwaltungsvereinfachung zu erblicken, die nicht ohne weiteres dafür spreche, dass entgegen der vorherigen Gesichtspunkte der EGZ der Sicherung des Lebensunterhaltes zu dienen bestimmt sei. Gerechtfertigt sei die Nichtanrechnung nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II bereits deshalb, weil nur so der Zweck der Zahlung des EGZ als Sozialleistung erhalten bleibe. Ein Anordnungsgrund liege vor, weil ohne den EGZ die selbstständige Tätigkeit der Antragstellerin gefährdet sei. Da im einstweiligen Rechtsschutz nur eine gegenwärtige Bedarfslage zu decken sei, beschränke sich die vorläufige Leistungsverpflichtung auf den Zeitpunkt von der Antragstellung bis zu der Entscheidung über den Widerspruch der Antragstellerin gegen den Leistungsbescheid vom 1. Juni 2006.

Gegen den am 7. August 2006 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 9. August 2006 Beschwerde erhoben, der das SG nicht abgeholfen hat (Verfügung vom 10. August 2006). Die Antragsgegnerin beruft sich weiterhin darauf, es sei eine Zweckidentität zwischen den Leistungen der Grundsicherung und dem EGZ gegeben. Auch die Bundesagentur für Arbeit mache in ihren Hinweisen zu § 11 SGB II deutlich, dass der EGZ keine zweckgebundene Einnahme sei. Er könne lediglich nach § 2a Alg II-V verlustmindernd berücksichtigt werden. Die Antragstellerin habe mitgeteilt, dass sie nach Abzug des EGZ einen Verlust von monatlich 132,00 Euro habe. Zudem sei ein Anordnungsgrund nicht gegeben. Es bestünde nicht die Gefahr, das soziokulturelle Existenzminimum der Antragstellerin in seinem Bestand durch Anrechnung des EGZ anzutasten, da über den Eckregelsatz hinausgehende Leistungen wie der EGZ oder auch der befristete Zuschlag nach § 24 SGB II nicht zum soziokulturellen Existenzminimum gehörten. Zudem habe die Antragstellerin lediglich pauschal behauptet, dass „die Geschäfte schlecht laufen“. Das SG verstoße gegen Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG), indem es als hessisches Gericht von einer Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts abweiche.

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 3. August 2006 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen

sowie

ihr auch für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. zu bewilligen.

Sie trägt ergänzend vor, ihre schlechte Geschäftssituation ergebe sich schon aus den PKH-Antragsunterlagen.

Den Antrag der Antragsgegnerin auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem Beschluss des SG vom 3. August 2006 hat die Vorsitzende des 7. Senats des Hessischen Landessozialgerichts mit Beschluss vom 28. August 2006 im Verfahren L 7 AS 169/06 ER zurückgewiesen.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf einen Band Gerichtsakten und zwei Bände Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen, die dem Senat vorlagen und zum Gegenstand der Entscheidungsfindung gemacht worden sind.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.

Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Beschluss des erkennenden Senats vom 29. Juni 2005 – L 7 AS 1/05 ER; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 86b, Rdnrn. 27 und 29 m. w. N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – info also 2005, 166).

Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Dabei ist, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – a. a. O.). Die Glaubhaftmachung bezieht sich im Übrigen lediglich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 29. Juni 2005 – L 7 AS 1/05 ER; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Rdnrn. 16 b, 16 c, 40; Berlit, info also 2005, 3, 8).

Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. etwa Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Rdnr. 42, s. auch Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 123 Rdnr. 165 ff.). Deshalb sind auch Erkenntnisse, die erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens zutage getreten sind, vom Senat zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, vgl. etwa Beschluss vom 6. Januar 2006 – L 7 AS 87/05 ER).

Nach diesem Maßstab besteht ein Anordnungsanspruch. Entscheidungserheblich im vorliegenden Zusammenhang ist die Frage, ob der EGZ als Einkommen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II auf die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende anzurechnen oder als zweckbestimmte Einnahme nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist. Der Senat bewertet den EGZ ebenso wie das SG als zweckbestimmte Einnahme im Sinne der letztgenannten Vorschrift.

In § 421 l SGB III ist der EGZ im Einzelnen geregelt. Danach haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen (hauptberuflichen) Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, Anspruch auf einen monatlichen EGZ. Der Zuschuss wird geleistet, wenn der Existenzgründer (Nr. 1) in einem engen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen oder eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach dem SGB III gefördert worden ist, (Nr. 2) nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit Arbeitseinkommen nach § 15 des Vierten Buches erzielen wird, das voraussichtlich 25.000,00 Euro im Jahr nicht überschreiten wird, (Nr. 3) eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung vorgelegt hat. Der Zuschuss wird gemäß § 421 l SGB III bis zu drei Jahre erbracht und wird jeweils längstens für ein Jahr bewilligt. Er beträgt im ersten Jahr nach Beendigung der Arbeitslosigkeit monatlich 600,00 Euro, im zweiten Jahr monatlich 360,00 Euro und im dritten Jahr monatlich 240,00 Euro. Vom 1. Juli 2006 an finden diese Regelungen nur noch Anwendung, wenn der Anspruch auf Förderung vor diesem Tag bestanden hat.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Bei grundsätzlich bestehender Hilfebedürftigkeit mindert das zu berücksichtigende Einkommen die Geldleistungen (§ 19 Satz 2 SGB II).

Als Einkommen zu berücksichtigen sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfe, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Der EGZ nach § 421 l SGB III zählt nicht zu den Ausnahmeleistungen im genannten Sinne, insbesondere nicht zu den Leistungen nach dem SGB II. Er ist in § 16 Abs. 1 SGB II nicht als Leistung zur Eingliederung in Arbeit aufgeführt.

Bei dem EGZ handelt es sich aber um eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dient und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären.

Die Regelung des § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II soll verhindern, dass die Zweckbestimmung einer Leistung durch die Berücksichtigung im Rahmen des SGB II verfehlt wird. Andererseits soll die Doppelleistung aus öffentlichen Mitteln durch die Anrechnung zweckidentischer Leistungen verhindert werden (vgl. Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 5. Dezember 2002 – B 2 U 12/02 R – zu § 77 Bundessozialhilfegesetz – BSHG -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Dezember 2005 – L 25 B 1265/05 AS PKH; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2005, § 11 Rdnr. 77; Hengelhaupt in Hauck/Noffz SGB II, 2005, § 11 Rdnr. 213). Dieser Gesetzeszweck ist bei der Beantwortung der Frage, in welcher Art und Weise die Zweckbindungen der Einnahme und der Leistungen nach dem SGB II voneinander abweichen müssen, zu berücksichtigen. Das Bundessozialgericht hat zu der § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II ähnlichen Bestimmung des § 138 Abs. 3 Nr. 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in Bezug auf die Arbeitslosenhilfe Zweckidentität verneint, wenn „bei einer Anrechnung ein weiterer mit der Leistungsgewährung verbundener Zweck, wie z.B. die Aufrechterhaltung eines bestimmten wirtschaftlichen Zustandes verfehlt würde“ (BSG, Urteil vom 12. Februar 1980 – 7 RAr 13/79, SozR 4100 § 138 Nr. 5). Im Zusammenhang mit § 77 BSHG hat es entschieden, dass bei nicht identischen Zwecken die betreffende öffentlich-rechtliche Leistung bei der Gewährung der Sozialhilfe nicht als Einkommen anzurechnen sei. Eine zweckneutrale Leistung sei anrechenbar, wobei es sich um eine solche bereits handele, wenn sich aus dem Gesamtzusammenhang eine vom Gesetzgeber gewollte Zweckbindung nicht eindeutig ableiten lasse (BSG, Urteil vom 5. Dezember 2002, a.a.O.) § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II erfordert vor diesem Hintergrund einen Vergleich der Zweckbestimmung der Leistungen nach diesem Buch mit der Zweckbestimmung der in Frage stehenden Einnahme, hier dem EGZ. Ob Einkommen nach der genannten Regelung anzurechnen ist, ist anhand des konkreten Leistungsfalles zu beurteilen. Um Doppelleistungen zu verhindern, aber gleichzeitig die Zweckbestimmung einer Leistung nicht zu verfehlen, sind dabei die tatsächlich bewilligten Leistungen der Einnahme gegenüberzustellen. Nur so lässt sich dem Gesetzeszweck Rechnung tragen.

Die allgemeine Zweckbestimmung der Leistungen nach dem SGB II findet in § 1 Abs. 2 SGB II ihren Niederschlag. Danach umfasst die Grundsicherung für Arbeitssuchende Leistungen zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit insbesondere durch Eingliederung in Arbeit und zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Mit dem dargelegten Erfordernis einer konkreten Betrachtungsweise wäre allerdings der Schluss nicht vereinbar, Einnahmen, die auch der Eingliederung in Arbeit im weitesten Sinne dienten, deshalb von vorneherein als anrechenbar einzustufen.

Vielmehr sind vorliegend zunächst Art und Umfang der der Antragstellerin bewilligten Leistungen nach dem SGB II ins Auge zu fassen. Sie erhält von der Antragsgegnerin zum einen die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II und zum anderen Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II. Beide Leistungen dienen der Sicherung des Lebensunterhalts, aber nicht der Eingliederung in Arbeit.

Dem ist die Zweckbestimmung des EGZ gegenüberzustellen. Der Senat kommt auf Grund einer Gesamtschau des Wortlauts des § 421 l SGB III, des systematischen Zusammenhangs und der Entstehungsgeschichte sowie von Sinn und Zweck der Regelung zu dem Schluss, dass der EGZ einen von den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach den §§ 19, 20, 22 SGB II wesentlich zu unterscheidenden Zweck verfolgt, dessen Erreichung bei Anrechnung des EGZ als Einkommen gefährdet wäre (so etwa auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. August 2006 – L 8 AS 2198/06 ER-B LSG; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25. April 2006 – L 8 AS 29/06; Beschluss vom 23. Juni 2005 – L 8 AS 97/05; LSG Sachsen, Beschluss vom 10. Januar 2006 – L 3 B 233/05 AS ER; a.A. etwa LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Dezember 2005 – a.a.O.; Beschluss vom 6. Dezember 2005 – L 10 B 1144/05 AS ER; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. November 2005 – L 2 B 44/05 AS ER). Er hält seine in dem Beschluss vom 29. Juni 2005 – L 7 AS 22/05 ER – geäußerte abweichende Rechtsauffassung nicht aufrecht.

Der Existenzgründer kann mit dem EGZ etwa auch mit dessen Bezug und der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit verbundene Sozialversicherungsbeiträge bezahlen. So ergibt sich seine Rentenversicherungspflicht aus § 2 Satz 1 Nr. 10 SGB VI. Er wird weiterhin in die Lage versetzt, gegebenenfalls für seine (private) Krankenversicherung zu sorgen und eine zusätzliche private Altersvorsorge aufzubauen. Aus den Gesetzesmaterialien ist darüber hinaus zu entnehmen, dass die Einführung dieses Förderinstruments der Bekämpfung der Schwarzarbeit als auch der Förderung der Selbstständigkeit zu dienen bestimmt ist (BT-Drs. 15/26, S. 19, 22; BT-Drs. 15/2997 S. 24 zu Art. 1 Nr. 9a). Es soll als Arbeitsmarktinstrument der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit dienen (vgl. auch Bericht der Hartz IV-Kommision, Soziale Sicherheit 2002, S. 254). Die Ausgestaltung als degressive Leistung unterstreicht diese Intention, den Übergang in die Selbstständigkeit zu erleichtern und erhöhte Ausgaben im Zuge der Existenzgründung bei gleichzeitig erst zu erschließenden Einnahmen jedenfalls teilweise zu kompensieren. Auch das Erfordernis der Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung macht die arbeitsmarktbezogene Zielrichtung des EGZ deutlich. Die pauschalierte Höhe des EGZ lässt diesen Regelungszweck nicht in den Hintergrund treten, sondern dient der Verwaltungsvereinfachung. Außerdem ist die Gewährung des EGZ auf ein maximales Arbeitseinkommen von 25.000 Euro begrenzt.

Zusammengefasst hat der EGZ die Funktion eines Förderinstruments auf dem Arbeitsmarkt, die weit über die Lebensunterhaltssicherung im engeren Sinne hinausgeht. Lediglich ergänzend weist der Senat daraufhin, dass auch die Antragsgegnerin offensichtlich lange Zeit dieser Auffassung war. Auf das Schreiben der DAK vom 31. Mai 2005 mit der Bitte, es werde gebeten zu prüfen, ob der EGZ und Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende gleichzeitig gezahlt werden könnten, reagierte die Antragsgegnerin nach Aktenlage nicht. Noch in dem Widerspruchsbescheid vom 26. September 2005 führte die Antragsgegnerin aus, die von der Antragstellerin angegebenen Verpflichtungen aus ihrem Gewerbebetrieb habe sie aus dem EGZ zu zahlen. Der Hauptzweck des EGZ liege ausschließlich darin, die selbstständige Tätigkeit an sich, den Betrieb der Firma sicherzustellen. Würde man in ihm eine Leistung zum Lebensunterhalt des Existenzgründers sehen, müsste die gesamte Zahlung als Einkommen auf den Bedarf angerechnet werden.

Der Wortlaut des § 421 l SGB III lässt jedenfalls keine andersgerichteten Rückschlüsse auf den Regelungsgehalt der Vorschrift zu (weitergehend LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. August 2006, a.a.O.: der EGZ diene, was bereits dem Wortlaut der Bestimmung zu entnehmen sei, dem Aufbau einer selbstständigen Tätigkeit). Auch der Vergleich mit dem Wortlaut der Regelung zum Überbrückungsgeld in § 57 SGB III führt zu keinen gegenteiligen Schlussfolgerungen. So ist in dieser Vorschrift ausdrücklich die Sicherung des Lebensunterhalts, allerdings auch die soziale Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung benannt, während in § 421 l keine ausdrückliche Zweckbestimmung erfolgt. Bezeichnenderweise wird der Vergleich zu § 57 SGB III herangezogen sowohl um die Anrechnung als auch die Nichtanrechnung des EGZ auf die Leistungen der Grundsicherung zu begründen (vgl. einerseits SG Dresden, Urteil vom 31. März 2006 – S 35 AS 70/05 und LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Dezember 2005, a.a.O. und andererseits LSG Bayern, Urteil vom 20. Januar 2006 L 7 AS 37/05 und LSG Sachsen, Beschluss vom 10. Januar 2006, a.a.O.).

Auch aus dem systematischen Zusammenhang mit den §§ 16 Abs. 1 und 29 SGB II lässt sich nicht herleiten, der EGZ sei als Einkommen anzurechnen, wie das SG zutreffend festgestellt hat. Richtig ist, dass § 421 l SGB III, ebenso wie § 57 SGB III, nicht über § 16 Abs. 1 SGB III in das Förderinstrumentarium des SGB II aufgenommen worden ist, in dem das Einstiegsgeld nach § 29 SGB II vorgesehen ist. Die Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses (BT-Drucks. 15/1728, S. 177, 178) sah im Entwurf des SGB II noch vor, auch § 421 l SGB III mit in den in § 16 Abs. 1 SGB II geregelten Katalog der Eingliederungsleistungen aufzunehmen. Dieser Empfehlung ist der Vermittlungsausschuss allerdings nicht gefolgt (BT-Drucks. 15/2259). Hieraus lässt sich allerdings nur ableiten, dass der Gesetzgeber den Trägern der Grundsicherung für Arbeitssuchende dieses Förderinstrument nicht zur Verfügung stellen wollte. Der EGZ gehört damit nicht zu den „Leistungen nach diesem Buch“ im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II, die nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind. Der weitergehende Schluss, der von der Bundesagentur für Arbeit gewährte EGZ solle von einer Privilegierung ausgenommen werden (so wohl SG Dresden, Urteil vom 31. März 2006 – S 35 AS 70/05) kann hieraus nicht gezogen werden. Er lässt den eigenständigen Privilegierungstatbestand des § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II unberücksichtigt, der gerade nicht die Eingliederung in das Förderinstrumentarium des SGB II zur Voraussetzung hat.

Zudem verlöre der EGZ seinen Sinn, würde er als Einkommen angerechnet. Dann bliebe keine Aufstockungsleistung zur Gründung und Erhaltung des Betriebes mehr übrig. Seiner Funktion kann der EGZ daher nur entsprechen, wenn er zusätzlich zu den Leistungen nach dem SGB II ausgezahlt wird (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. August 2006, a.a.O.).

Da der EGZ eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II darstellt und im Zusammenhang mit der Existenzgründung die Lage des Leistungsempfängers nicht derart günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären, darf die Antragsgegnerin ihn nicht auf die Leistungen der Antragstellerin nach den §§ 20, 22 SGB II anrechnen. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr auf die Frage an, ob zumindest im Rahmen der Einkommensanrechnung von den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einnahmen und dem EGZ die Betriebsausgaben als „die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben“ im Sinne des § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II abzuziehen sind (so LSG Bayern, Beschluss vom 20. Januar 2006, a.a.O.; SG Leipzig, Beschluss vom 22. August 2005 – S 16 AS 350/05 ER).

Schließlich ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch ein Anordnungsgrund zu bejahen. Zum einen vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, wenn der Anordnungsanspruch gegeben ist und eine Hauptsacheentscheidung nicht als offen zu bezeichnen wäre. Zum anderen führt die Anrechnung des EGZ auf die Leistungen der Antragstellerin nach den §§ 20, 22 SGB II dazu, dass eine anderweitig, nämlich zum Aufbau einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zweckbestimmte Einnahme unmittelbar Leistungen mindert, die der Existenzsicherung dienen. Diese unmittelbare Minderung existenzsichernder Leistungen unterscheidet sich von Konstellationen, in denen etwa nur der von der Antragsgegnerin angeführte Zuschlag nach § 24 SGB II isoliert in Streit steht. Hinzu kommt, dass bei einer Anrechnung des EGZ der Aufbau der selbstständigen Tätigkeit gefährdet wird (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23. Juni 2005, a.a.O.). Die Antragstellerin wäre bei Anrechnung des EGZ auf die genannten Leistungen einem schweren Nachteil ausgesetzt, der eine einstweilige Anordnung erforderlich macht.

Unabhängig davon, dass der Senat den Beschluss des SG vom 3. August 2006 für zutreffend hält, weist er auf Folgendes hin: Die Antragsgegnerin macht dem SG zum Vorwurf, es verstoße gegen Art. 20 Abs. 3 GG, wenn es von einer vorangehenden Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts abweiche. Diese Auffassung beruht auf einem irrigen Verständnis rechtsstaatlicher Erfordernisse. Nach Art. 20 Abs. 3 GG ist die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden. Gemäß Art. 97 Abs. 1 GG sind die Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Eine Bindung des SG an gerichtliche Entscheidungen, wie sie die Antragsgegnerin offenbar unterstellt, besteht nach diesen grundgesetzlichen Bestimmungen in keiner Weise.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Aufgrund hinreichender Aussichten auf Erfolg (§ 73a SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung war der Antragstellerin auch für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (gemäß § 177 SGG).

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