Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Az.: 2 K 2214/05
Urteil vom 08.02.2007
In dem Finanzrechtsstreit wegen Kindergeldstreitigkeiten hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz – 2. Senat – am 8. Februar 2007 für Recht erkannt:
Der Bescheid über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung vom 11. April 2005 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2005 wird dahin geändert, dass die Festsetzung von Kindergeld für den Sohn S erst mit Wirkung vom April 2005 an aufgehoben und der Klägerin für März 2005 das Kindergeld für das Kind belassen beziehungsweise noch ausgezahlt wird.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der zu Gunsten der Klägerin von der Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Sohn der Klägerin S bereits im Februar 2005 sein Studium an der Universität T abgebrochen hat.
Mit Schreiben vom 30. März 2005 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass ihr Sohn ab dem 1. April 2005 ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis aufgenommen habe. Sie legte eine Immatrikulationsbescheinigung vom 27. Juli 2004 bei, nach der ihr Sohn im Wintersemester 04/05 bis zum 31. März 2005 an der Universität T als Student eingeschrieben war. Hierzu ergänzte sie in einer Erklärung zu den Einkünften und Bezügen des Kindes, dass dieser bis zum 31. März 2005 ein Hochschulstudium absolviert habe.
Mit einem in der dem Gericht vorgelegten Verwaltungsakte nicht enthaltenen, nach Vortrag der Beklagten nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen, aber auch besoldungsrechtliche Rückforderungsansprüche regelnden Bescheid vom 11. April 2005 wurden die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum 1. März 2005 bis 30. April 2005 aufgehoben und Kindergeld sowie Dienstbezüge für diesen Zeitraum zurückgefordert. Auf einer in den Akten befindlichen Exmatrikulationsbescheinigung mit Ausstellungsdatum 14. Februar 2005 befand sich der Vermerk „Tag der Exmatrikulation 14.02.2005“.
Mit ihrem Einspruch gegen diesen Bescheid trägt die Klägerin vor, aus einer beigefügten Bescheinigung der Universität vom 10. Mai 2005 ergebe sich, dass ihr Sohn die Exmatrikulation zwar am 14. Februar 2005 beantragt habe, diese jedoch, wie beabsichtigt, erst am 31. März 2005 wirksam geworden sei. Unerheblich sei, wann ein Antrag auf Exmatrikulation erstellt und eingereicht werde. Auf die Bescheinigung nehme sie Bezug (Blatt 52 der Kindergeldakte).
Mit einer ausschließlich den Bereich des Kindergelds behandelnden Einspruchsentscheidung vom 14. Juli 2005 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Beklagte trug vor, nach der Bescheinigung vom 14. Februar 2005 sei der Sohn der Klägerin, seinem Antrag entsprechend an diesem Tag zum 31. März 2005 (= Ende Sommersemester 2005, gemeint ist Wintersemester 04/05) exmatrikuliert worden. Es möge sicherlich zutreffen, dass der Sohn aufgrund der zum Ende des Sommersemesters 2005 ausgesprochen Exmatrikulation aus der Sicht der Universität noch bis zu diesem Zeitpunkt als Student angesehen werden könne. Dies habe jedoch keinerlei Auswirkung auf den Zeitpunkt, zu dem die Berücksichtigung bei der Zahlung des Kindergeldes entfalle. Hierfür seien einzig und allein die Regelungen im Einkommensteuergesetz und in der zur Durchführung dieses Gesetz ergangen Dienstanweisung maßgebend. Mit seinem Antrag vom 14. Februar 2005 habe er eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er sein Studium nicht mehr fortsetzen wolle und habe damit an diesem Tag die Abbruchentscheidung tatsächlich vollzogen. Selbst wenn man bei der Feststellung des Zeitpunkts der Beendigung des Studiums auch die weitere Variante der Dienstanweisung „spätestens jedoch mit Ablauf des Monats in dem die Exmatrikulation erfolgt“ heranziehe, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Diese Regelung besage eindeutig, dass im Falle des Abbruchs eines Studiums die Ausbildung spätestens mit Ablauf des Monats, in dem die Exmatrikulation erfolge, beendet werde. Dies bedeute jedoch, dass es hierbei auf den Monat ankomme, in dem die Exmatrikulation erfolge und nicht auf den Monat, zu dem sie ausgesprochen werde.
Mit ihrer mit dem Bescheid vom 11. April 2005 (Blatt 15 bis 16 der Prozessakte) als Anlage versehenen Klage, gerichtet gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und die Rückforderung von besoldungsrechtlichen Zuschlägen trägt die Klägerin vor, ihr Sohn habe bis zum 31. März 2005 an der Universität T studieren wollen. Er habe das Semester zu Ende gebracht und dabei noch im März in T gewohnt und in dieser Zeit an Vorlesungen und sonstigen Veranstaltungen teilgenommen. Dies sei leicht zu beweisen. Auch aus der Bescheinigung gehe eindeutig hervor, dass er bis Ende März an der Universität eingeschrieben gewesen sei. Es komme nicht auf den Zeitpunkt der Stellung des Exmatrikulationsantrages an, es sei vielmehr auf das Ende des Studiums abzustellen.
Nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts beschränkte die Klägerin ihre Klage auf den Teil des Bescheides vom 11. April 2005, der die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung betrifft.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2005 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2005 dahingehend abzuändern, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. März bis 31. März 2005 das Kindergeld für den Sohn S in Höhe von 154 € auszuzahlen beziehungsweise den zu Unrecht für den Monat März 2005 einbehaltenen Betrag zurückzuzahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie trägt hierzu vor, die sie bindende Dienstanweisung vom 5. August 2004 bestimme in DA 63.3.2.6 Absatz 13 DA-FamEStG, dass als Ausbildungsende auf den Ablauf des Monats abzustellen sei, in dem die Abbruchentscheidung vom Studierenden tatsächlich vollzogen werde, aber spätestens mit Ablauf des Monats, in dem die Exmatrikulation erfolge. Die Anweisung stelle darauf ab, dass mit tatsächlichem Vollzug der Abbruchentscheidung, die im Exmatrikulationsantrag zu sehen sei, dass Berufsziel nicht mehr ernstlich verfolgt werde und somit die Berufsausbildung in diesem Zeitpunkt ende. Nicht maßgeblich sei, wann die rechtliche Beziehung zur Universität ende. Maßgeblich sei ausschließlich, ob die Ausbildung noch ernsthaft betrieben werde. Der Sohn der Klägerin habe sich nicht mehr ernsthaft auf den Abschluss des Studiums vorbereitet, sondern habe sich für dessen Abbruch und eine anderweitige Berufstätigkeit entschieden. Im Übrigen sei die Klage wegen einer fehlenden Entscheidung im Verwaltungsverfahren zum Besoldungsteil des Bescheides vom 11. April 2005 und wegen des diesbezüglich falschen Rechtswegs unzulässig.
Wegen eines früheren Rechtstreites der Klägerin (2 K 1207/05) wird auf den Inhalt der Kindergeldakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Dabei ist zugunsten der Klägerin, insbesondere nach ihrer Klarstellung, ihr Klageantrag dahingehend auszulegen, dass mit dieser Klage allein der im Bescheid vom 11. April 2005 das Kindergeld betreffende Regelungsinhalt angegriffen werden sollte. Soweit der Klageantrag zunächst auch besoldungsrechtliche Rückforderungsansprüche angriff, sah die Klägerin sich wiederholt der von der für die Beklagten zuständigen Fachaufsichtsbehörde in Verwaltungsanweisungen und im Falle der Klägerin mit Schreiben vom 27. Februar 2004 als unzulässig gerügten Praxis ausgesetzt, in Steuerbescheiden nichtsteuerliche Sachverhalte zu regeln (so Schreiben des Bundesamtes für Finanzen, Blatt 39 der Kindergeldakte). Dieser einschränkenden Auslegung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass mit der Einspruchsentscheidung allein das Vorverfahren zum Kindergeldteil abgeschlossen worden sei.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind im Streitfall keine Umstände dafür ersichtlich, dass der Sohn der Klägerin S sein Studium zeitgleich mit oder durch Antragstellung auf Exmatrikulation am 14. Februar 2005 abgebrochen hat.
Gemäß § 32 Absatz 4 Satz 2 Nummer 2a EStG in der für das Streitjahr 2005 geltenden Fassung besteht für ein Kind vor Vollendung seines 27. Lebensjahres ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es sich in einer Berufsausbildung – zum Beispiel durch ein Studium an einer Universität- befindet. Das Gesetz bestimmt, dass das Kind berücksichtigt wird, wenn es noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird. Dies heißt, solange Ausbildungsgänge absolviert werden, die im Rahmen einer Ausbildungs- oder Studienordnung laufen und der Auszubildende oder Student daran teilnimmt, befindet er sich in Berufsausbildung. Dies ist im Streitfall ist zum 31. März 2005 der Fall gewesen. Umstände, wonach S im Sinne der ersten Alternative der von der Beklagten zitierten Dienstanweisung im Februar die Abbruchentscheidung bereits tatsächlich vollzogen hätte, hat diese nicht vorgetragen können. Insbesondere die Absicht, zum Ende des Semesters das Studium zu beenden und dies im Laufe des Studiums gegenüber der Universität kundzutun, stellt keine sofortige tatsächliche Abbruchentscheidung dar. Dass der Sohn nicht mehr am Lehrbetrieb der Universität teilgenommen habe hat die Beklagte nicht vorgetragen. Entgegenstehende Ausführungen der Klägerin hat sie auch nicht in Zweifel gezogen. Sie beschränkt sich vielmehr auf die Vermutung, dass mit einem Exmatrikulationsantrag ein Abschluss der Hochschulausbildung nicht mehr angestrebt werde. Der Sohn bereite sich insoweit nicht mehr ernsthaft auf den Abschluss des Studiums vor.
Solche subjektiven Merkmale, die nicht durch ein tatsächliches Verhalten des Studierenden objektivierbar sind, beinhaltet der gesetzliche Tatbestand aber für den Fall nicht, in dem tatsächlich eine Ausbildung noch läuft. Solange ein Ausbildungsabschnitt tatsächlich absolviert wird, sind subjektive Absichten zum zukünftigen Berufsweg unmaßgeblich und außerdem bei den unterschiedlichsten Motivationslagen von Studierenden nicht überprüfbar.
Da auch dem Gericht entscheidungsrelevante objektive Erkenntnisse zu einem Abbruch des Studiums vor Ablauf des Semesters fehlen, ist aufgrund formaler Kriterien zu entscheiden, ob seitens des Sohnes bis zum Ende des Semesters am 31. März 2005 noch eine Ausbildung absolviert wurde.
Soweit die Beklagte hierzu ausführt, dass die Ausbildung spätestens mit Ablauf des Monats, in dem die Exmatrikulation erfolgt sei – nach ihrer Auffassung durch den Antrag im Februar 2005 – als beendet gelte, entspricht dies weder der klarstellenden Bescheinigung der Universität T vom 10. Mai 2005 noch ihrer auf das Hochschulgesetz Bezug nehmenden Einschreibeordnung. Objektive Anhaltspunkte für einen Abbruch des Studiums im Februar ergeben sich aus der Exmatrikulationsbescheinigung vom 14. Februar 2005 gerade nicht. Zwar bescheinigt sie als Tag der Exmatrikulation den 14. Februar 2005, meint aber damit den Tag, an dem die Exmatrikulation beantragt wurde. In der Bescheinigung vom 10. Mai 2005 wird hierzu konkretisierend ausgeführt, dass S seine Exmatrikulation am 14. Februar 2005 zum 31. März 2005 beantragt habe.
Dies entspricht auch der Rechtslage gemäß der Einschreibeordnung der Universität T, die in § 16 bestimmt, dass regelmäßig, wenn nichts anderes beantragt worden ist, die Exmatrikulation immer mit Wirkung zum Ablauf des Semesters erfolgt. Dass nichts anderes beantragt worden ist, hat die Bescheinigung der Universität vom 10. Mai 2005 klargestellt.
Diesem Ergebnis widerspricht auch nicht die zweite von der Beklagten zitierte Alternative der für sie bindenden DA-FamEStG. Darin wird lediglich bestimmt, dass für den in diesem Rechtsstreit gegebenen Fall eines fehlenden tatsächlichen Abbruchs des Studiums vor Ende des Semesters das Studium mit Ablauf des Monats als abgebrochen gilt, in dem die Exmatrikulation erfolgt. Dies ist nach der Studienordnung der Universität das Ende des Semesters. Aus dem Regelungsgehalt der entsprechenden Passage der Verwaltungsanweisung ergibt sich, dass die zweite Alternative nur als Auffangtatbestand für den Fall wirken soll, dass der tatsächliche Abbruch während des Semesters nicht festgestellt werde kann oder z.B. eine Exmatrikulation gegen den Willen des Studenten ein eindeutiges Ende auch für den Anspruch auf Kindergeld bedeuten soll. Sie kann, solange ein Studium mit Zustimmung der Fachhochschule tatsächlich durchgeführt wird, nicht dahingehend ausgelegt werden, dass bereits die Stellung eines Exmatrikulationsantrages einen Studienabbruch fingiert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Absatz 1 FGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151, 154 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nummer 10, 713 ZPO.